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WM.MM WM, W«, Aeelch» Md die MMÜen. A.m LsbLccLL Mr ine Kgl. Kmlshauptmannschaft zu Weißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu WilsdruL. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag- und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Rv. 64. Freitag, den 10. August 1888. Zkagesgefckichte. Professor Willibald Beyschlag in Halle veröffentlicht im „Deutschen Wochenblatt" einen Aufsatz „Der evangelischeBund", der in markiger Sprache das protestantische Bewußtsein gegen die Uebergriffe Roms wach- rust. Angesichts der bevorstehenden Duisburger Generalversammlung des „Evangelischen Bundes" darf dieser Aufsatz ein ganz besonderes Interesse beanspruchen. Das Wesen des „Evangelischen Bundes" kenntzeichnet Beyschlag wie folgt: „Wie sein Name sagt „Evangelischer Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen", ist derselbe aus zusammenklingenden religiösen und vaterländischen Ueberzeugungen hervorgegangen. Er ist ge tragen von Kreisen, in denen, obwohl auch sie sich zu den „Gebildeten" rechnen dürfen, die „Entwikelungstheorie" noch nicht als hinreichendes Surrogat der Religion, und die Pilatusfrage „Was ist Wahrheit" noch nicht als hinreichende Grundlage für die Lösung der persönlichen, wie der gemeinsamen Lebensaufgabe gilt; die vielmehr in dem Evangelium der Re formation die Antwort auf diese Frage und damit den festen Grund zu nächst ihres persönlichen Lebens und Handelns haben. Diese Kreise leben der Ueberzeugung, daß dies Evangelium der Reformation auch für ibr Volk und Vaterland der unerläßliche Grund alles Heils sei; daß — unbeschadet der selbstverständlichen freien Fortarbeit an der immer tieferen und reineren Erfassung desselben — das religiöse Erbe der Reformation die Segens- und Lebensquelle, wie unserer deutschen Vergangenheit, so auch unserer Zukunft sei, ohne deren treue Wahrung und Nutzung wir unfähig sein würden, unseren Beruf unter den Völkern des Erdkreises zu erfüllen und die ungeheueren sittlichen Fragen, welche die neue Zeit uns aufgiebt, zu lösen. Nicht als gingen wir irgendwie darauf aus, den deutschen Katho lizismus zu vergewaltigen oder zu entrechten. Als gute Protestanten sind wir entschiedene Freunde der Gewissens- und Kultusfreiheit, und als treue Söhne des Vaterlandes wissen wir den religiösen Frieden in demselben — einen Frieden, welcher nur auf Gerechtigkeit ruhen kann — vollauf zu schätzen; selbst wenn wir könnten, würden wir den erloschenen Kultur kampf mit seinen großentheils verfehlten Mitteln und Zielen nicht wieder entzünden. Auch sind wir in unseren protestantischen Denk- und Lebens formen nicht so eingemauert, daß wir das Christliche in anderen Auspräg ungen nicht zu erkennen und echten Vertretern eines solchen nicht zu ge meinsamer Arbeit für Volk und Vaterland die brüderliche Hand zu reichen vermöchten: — wir strecken sie allem Echtchristtichen im katholischen Deutsch land entgegen. Aber freilch — nur einem Katholizismus, dem das Christliche dem Römischen vorgeht, der auch in dem Evangelischen den Bruder gelten läßt und eines ehrlichen Zusammenwirkens mit uns fähig ist, können wir sie entgegenstrecken. Jenem Katholizismus, dem das Christliche in's Römische auf- und untergeht, dem unser Vaterland nur eine zurückerobernde römische Provinz und unsere Reformation nur eine auszutilgende Ketzerei ist, haben wir lediglich die Losung entgegenzusetzen, daß der volle, in was für kirchlichen Formen immer sich vollziehende Sieg der reformatorischen Grundgedanken uns der Hoffnungsstern deutscher Geschichte ist, nach dem wir steuern, und daß, bis es Gott gefällt, diesen Tag des Sieges und Friedens herbeizufübren, wir wahren wollen, was unser ist, Hausrecht des evangelischen Bekenntnisses im deutschen Lande." Die Adresse Berliner Einwohner an Se. Mas. den Kaiser, welche an dreihundert Einschreibestellen in Berlin auslag, hat sich in der kurzen Heit von acht Tagen mit nicht mehr als 180 000 Unterschriften bedeckt und wird in den nächsten Tagen von Seiten des leitenden Comitees dem Herrscher übersandt werden. Die Adresse ruht in einem mächtigen Lederband von Maroquin; dieser Prachteinband, ein wahres Meisterstück deutscher Buch binderkunst, ist aus der Werkstatt des Hofbuchbindermeisters W. Collin hervorgegangen und gereicht dem Kunsthandwerk Berlins zur größten Ehre. Vor Kurzem hat Professor vr. Hans Delbrück in Berlin „Per sönliche Erinnerungen an Kaiser Friedrich und sein Haus" durch den Druck veröffentlicht. Die bedeutsamsten beziehen sich auf die kriegerischen Ereignisse von 1864, 1866 und 1870, und darunter ist wieder eine Mittheilung aus dem 1866er Kriege, die für uns Sachsen von ganz besonderem Interesse ist. Delbrück schreibt unter Anderem: „Es ist be kannt, daß König Wilhelm nach dem Siege von 1866 durchaus Sachsen annektiren wollte, und daß sich daraus ein scharfer Konflikt mit Bismarck entspann, der aus Rücksichten auf die allgemeine politische Lage dringend davon abrieth, auf dieser Forderung zu beharren. Jetzt erfahren wir noch, daß es der Kronprinz war, welcher hierbei vermittelte und schließlich zu Gunsten der Bismarck'schen Ansicht den Ausschlag gab. „Sie wissen", erzählte er Delbrück, „daß mir die Bismärckerei in der Konfliktszeit sehr zuwider war; nun aber, da das Heil des Vaterlandes auf dem Spiele stand, ging ich zu Bismarck und versicherte ihm, daß ihm meine Unter stützung nicht fehlen sollte. Als ich in Nicolsburg den steilen Schloßberg hinauf ging, begegnete mir auf der halben Höhe der General von Moltke, der mir sagte: „Sie finden oben Alles in der schlimmsten Bagarre, der König und Bismarck sehen sich nicht. Der Kaiser von Oesterreich hat durch die Vermittelung des Kaisers Napoleon Frieden angeboten, aber die Integrität Sachsens als Bedingung gestellt. Das will der König nicht zugeben." Als ich hinaufkam, fand ich es wirklich so, der König und Bismarck hatten sich eingeschlossen, und Keiner wollte zum Andern. Ich machte nun den Vermittler. Es wurde ein Kriegsrath berufen und die Sachen verhandelt. Da wandte sich der König — das einzige Mal, wo er das gethan hat — an mich und sagte: „Sprich Du im Namen der Zukunft." Straßburg, 4. August. Es steht jetzt fest, daß der Kaiser im Herbst dem Reichslande einen Besuch abstatten wird, welcher etwa anderthalb Woche dauern und aller Wahrscheinlichkeit nach in die erste Hälfte des Octobers fallen wird. Sein Standquartier wird Kaiser Wilhelm in Straß burg nehmen, zu welchem Zweck mit Aufbietung aller Kräfte an der Fer tigstellung des Kaiserpalastes gearbeitet wird. Derselbe ist äußerlich so gut wie vollständig fertig, so daß in diesen Tagen mit der Beseitigung des letzten Theiles des Baugerüstes begonnen wird. Auch die Anlagen auf dem Kaiserplatz und in dem Palastgarten sind so gut wie vollendet. Dagegen ist es fraglich, ob die innere Einrichtung des Palastes bis zum October völlig fertiggestellt werden kann. Unter allen Umständen aber wird dies so weit geschehen, daß der Palast bewohnt werden kann. Die nicht fertiggestellten Räume werden mit Teppichen verhängt werden. Der Kaiser verknüpft mit dem Besuche hauptsächlich den Zweck, mit der elsaß- lothringischen Bevölkerung persönlich in Berührung zu kommen, die für politische Entwickelung des Landes einflußreichen Personen kennen zu lernen und sich über die Lage der Dinge an Ort und Stelle selbst zu orientiren. Se. Majestät ist erst einmal, und zwar im Herst 1886, auf wenige Tage im Reichslande gewesen und trat damals neben seinem Großvater und Vater nicht in den Vordergrund, so daß die Bevölkerung ihn nur wenig kennen lernte. Voraussichtlich werden von Straßburg aus Ausflüge in verschiedene Theile des Landes gemacht werden, so insbesondere nach Metz und vielleicht auch nach dem Ober-Elsaß, welchem bis jetzt noch kein Kaiser besuch zutheil geworden ist. Jndcß sind hierüber Entschließungen noch uicht gefaßt. Ueber den Besuch Sr. Majestät des Kaisers beim König Humbert hat, wie die „Köln. Ztg." erfährt, in den letzten Tagen ein überaus herz licher Briefwechsel stattgefunden. Demzufolge ist nunmehr endgültig fest gesetzt, daß der Kaiser nach Beendigung seines Besuchs am österreichischen Hofe noch im Laufe des October von Wien aus nach Rom fahren und dort der Gast des Königs sein wird. In dem offiziellen Theile des „Journal de St. Petersburg" findet sich die Mittheilung, daß die Resultate der Entrevue die kühnsten Erwar tungen übertroffen haben. Kaiser Wilhelm habe sich die allgemeinsten Sympathien erworben und den Beziehungen zwischen den beiden Souver änen sei für immer eine wahrhaft brüderliche Herzlichkeit gesichert. Alle Wolken sind zerstreut und auch die letzten Spuren einstigen Mißtrauens geschwunden. Paris, 8. August. An der Beerdigung des Communegenerals Endes nahmen 15 000 Personen, Jmmortellenbouquets und rothe Blumen im Knopfloch tragend, theil. Der Zug setzte sich unter den Rufen: „Es lebe die Commune!" um 11 Uhr in Bewegung. Die streikenden Erdarbeiter, Kellner und Friseurgehülfen nahmen am Zuge theil. Ein Zwischenfall am Boulevard Voltaire verursachte lebhaftes Handgemenge. Auf den Po lizeikommissar, welcher eine rothe Fahne wegnchmen wollte, wurde ein Revolverschuß abgegeben, welcher fehl ging. Ein anderer Kommissar erhielt einen Stockschlag. Da die Polizcibeamten nicht genügend stark waren, eilte die von der Prinz-Eugen-Kaserne dort zusammengezogene Gendarmerie herbei, griff die Menge mit dem Kolben an und schaffte der Polizei Luft. Ein weiteres Handgemenge entstand, als der Zug vor der Mairie des 11. Arondissements anlangte. Hier wurde ein Revolverschuß abgegeben und eine Bombe nach dem Polizeiposten geschleudert, die nicht explodirte. Die im Polizeiposten in Reserve gehaltenen Stadtgardisten griffen die Menge mit blankem Säbel an; es erfolgten mehrere Verwundungen und zahlreiche Verhaftungen. Der Zug setzte sich sodann weiter in Bewegung, jedoch weniger zahlreich, da viele Theilnehmer sich zerstreut hatten. Auf dem Friedhöfe ertönten vielfach die Rufe: „Es lebe die Commune, es lebe die Revolution!" Die Polizei widersetzte sich hier der Entfaltung rother Fahnen. Am Grabe wurden viele Reden gehalten. Die Theilnehmer an dem Leichen zuge verließen den Friedhof ohne ernsteren Zwischenfall. Den hiesigen Blättern zufolge wurden etwa 50 Personen, darunter mehrere Gedärmen und Stadtgardisten, verwundet, 25 Personen verhaftet. Rochefort wurde nach der Beerdigung von einer revolutionären Gruppe ausgepfiffen, welche rief: „Nieder Rochefort, nieder Boulanger". Vaterländische». Wilsdruff. In nächster Zeit stehen unserer Stadt zwei größere Festlichkeiten bevor, welche die Oeffentlichkeit und damit die gesammte Einwohnerschaft berühren; es sind zwei Jubelfeste, welche der Turn- Verein und der Militärverein begehen und zwar das 25jährige Bestehen der betreffenden Vereine. Der Turnverein macht damit den An fang, er feiert sein Jubiläum am 18. und 19. August. Wie wir be stimmt wissen, ladet der Verein nicht nur eine größere Anzahl auswärtiger Brudervereine, sondern auch die hiesigen königlichen und städtischen Behör den sowie sämmtliche hiesige Corporationen dazu ein. Sonnabend, den 18. August wird im Saale des Hotel „zum Adler" großer Commers und Sonntag, den 19. August, Festzug durch die Hauptstraßen der Stadt nach dem Turnplätze auf der Schießwiese stattfinden, hieran schließt sich ein Festaktus, Schauturn und Concert; an diesem Festzuge werden sich eben falls alle hiesigen Vereine betheiligen. Das in den nächsten Nummern unseres Blattes zum Abdruck gelangende Festprogramm wird das Weitere besagen. Schon heute aber dürste wohl die Bitte an die geehrte Ein wohnerschaft Wilsdruffs am Platze sein: bei diesem Anlaß die Häuser und Straßen mit Kränzen, Guirlanden und Flaggen zu schmücken, und