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W«M, NO«, Ädcckhil md die MMO». ArnLsbtcttl für die Kgl. AmLsbauvImannschaft zu Weißen, das Kat. Amtsgericht und den Stadkath M Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. 1888 Nr. 14 Freitag, den 17. Februar Dagcsgeschichte. In dem günstigen Verlaufe der Folgeerscheinungen, über die seit der Operation des deutschen Kronprinzen vom Donnerstag bisher berichtet werden konnte, ist eine Störung oder Unterbrechung nicht eingetreten; das Befinden ist den Umständen angemessen recht befriedigend. Die Kron- Prinzessin verlasch seit drei Tagen nicht das Krankenzimmer des Kronprinzen. Die unmittelbar nach der Operation eingesetzte Canüle ist inzwischen durch eine andere ersetzt worden. Mit Bezug daraus wird der „Nat.-Ztg." ge schrieben: „Das Ersetzen der zuerst Angeführten Canüle durch eine andere hat lediglich den Zweck, den fremden Körper der Wundöffnung und der Luftröhre besser anzupassen, als es vor der Operation möglich gewesen. Es ist mehrfach betont worven, daß dem Kronprinzen das strenge Ent- ! halten vom Sprechen während der ersten Zeit zur Pflicht gemacht worden ist. Das Sprechen verbietet sich indessen so lange von selbst, als eine Canüle eingesetzt ist, welche wegen des Zustandes des Kehlkopfes nur den Zweck hat, der Lunge Luft zuznführcn. Soll sie den Doppelzweck erfüllen, auch gleichzeitig das Sprechen zu ermöglichen, so muß in den horizontalen Theil der Canüle, der sich innerhalb der Trachea befindet, eine Oeffnung gemacht werden, die es dem Patienten ermöglicht, auch die Luft nach oben zu drücken. Die Einsetzung einer so konstruirten Canüle setzt aber voraus, daß eine Abschwellung im Kehlkopf stattfindet, welche den Stimmbändern ihre gewöhnlichen Funktionen gestattet." Wie es heißt, wird Professor von Bergmann zunächst so lange in San Remo verweilen, bis der Zustand des Kehlkopfes eine Untersuchung desselben gestattet. Bisher war eine solche vorläufig unmöglich. Diejenigen, die in der Lage sein könnten oder doch mindestens in der Lage sein sollten, über die augenblickliche politische Situation und über die Aussichten der nächsten Zukunft ein bestimmtes Wort zu sagen, gefallen sich neuestens in orakelhaften Sprüchen, unter welchen sich Alles und nichts denken läßt. An dem einen Tage werden wir daraufaufmerk sam gemacht, daß die Konflikte der größten Machtsaktoren Europas noch unvermindert fortdauern, am nächsten Tage werden sodann die Baissekon-" sortien der Börsen allein verantwortlich gemacht für die noch herrschende Beunruhigung und am dritten Tage werden zur Abwechslung wieder ein Mal die düsteren Dekorationen aufgezogen. Sich in diesen Widersprüchen zurecht zu finden, hält schwer. Das Publikum im Großen und Allgemeinen hat das bessere Theil erwählt. Es hat es ausgegeben, sich auf's Räthsel- lösen zu verlegen, und begnügt sich damit, aus den Kundgebungen der letzten Tage, speziell aus der Rede Bismarck's die gute Aussicht herauszu lesen, daß es in der nächsten Zeit nicht zum Kriege kommen werde — und läßt für alles Uebrige den lieben Herrgott sorgen. An die Ungewiß heit des Kommenden hat sich unsere Generation so vollständig gewöhnt, daß sie es schon ein Glück nennt, wenn ihr für die Erhaltung des Friedens auf die kurze Frist eines Jahres Bürgschaften geboten werden. Lord Palmerston sagte seinerzeit, daß der Staatsmann glücklich zu nennen sei, der seinem Volke die Wahrung ungestörten Friedens auf fünf Jahre zusichern könne. Wir sind in unseren Ansprüchen etwas herabgestimmt, und man ist heute es schon zufrieden, wenn der Frieden für die kurze Spanne eines Jahres gesichert ist. Auf diesem Punkte sind wir eben jetzt. Allgemein nimmt man an, daß das nächste Frühjahr und der nächste Sommer ohne Frie densstörung vorübergehen werden. Diese Annahme, dieser Glaube ist neuestens durch die bedeutsamen Erklärungen, die Lord Salisbury am Tage der Er öffnung des britischen Parlamentes gegeben, wesentlich gefestigt worden. Der telegraphische Auszug, der diese Erklärungen den Journalen vermittelte ließ gerade über den entscheidenden Punkt derselben mancherlei Zweifel auf- kommcn. Soweit aber der Text der Rede bekannt ist, ergiebt sich klar, daß die friedlichen Versicherungen, die das britische Kabtnet aus Petersburg erhalten hat, sich ganz direkt auf die bulgarische Frage bezogen. Aus dem Zusammenhänge der betreffenden Stelle der Salisbury'schen Rede ergiebt sich das ganz von selbst. Lord Salisbury sagte: „Die einzige Gefahr, die für unsere Interessen im Südosten Europas besteht, könnte erwachsen aus irgend einer abenteuerlichen oder illegalen Aktion von Seite Rußlands, aber wir haben die bündigsten und bestimmtesten Versicherungen erhalten, daß Rußland an eine solche Aktion nicht denkt und sich derselben sorgsam enthalten will." Aus der diplomatischen Sprache ins Populäre übersetzt, heißt das so viel als: „England würde sich bedroht fühlen, wenn Ruß land Bulgarien gewaltsam okkupiren wollte, aber Rußland hat bündig und bestimmt versprochen, daß es daran nicht denkt." Auch anderen Regier ungen hat das Petersburger Kabinet ähnliche Erklärungen gegeben, aber sie waren nicht so bestimmt und bindend wie diejenigen, die dem Kabinet s von St. James erthcilt wurden, und die in der That einen gewaltsamen Schritt gegen Bulgaren vorläufig wenigstens aus der Reihe der möglichen s Eventualitäten der nächsten Zukunft ausschließen. Damit ist eine Galgen- > frist gewonnen, die wahrscheinlich für diplomatische Verhandlungen ausge- ! nützt werden dürfte. Daß die letzteren zum Ziele führen könnten, das s bildet sich wohl Niemand ein, und das behaupten auch die eingefleischtesten Sanguinisten nicht, aber man hilft sich damit über eine schwierige Zeit- i epoche hinweg und auch das wird unter den heutigen Verhältnissen schon als ein Gewinn angesehen. Berlin, 14. Februar. So still wie in diesem Jahre ist während der ganzen Regierungszeit unseres Kaisers, das Kriegsjahr 1870 etwa ausgenommen, keine Karnevalszeit verlaufen, schreibt die „Post". Die i Kunde von San Remo lastet auf allen Gemüthern. Wird auch mit Recht ! geltend gemacht, daß noch kein Anlaß zur Trauer vorliege, so ist dies doch , Nicht vermögend, das Bangen von dm Herzen zu nehmen. Es erstickt j jeden Hellen Freudenlaut, es dämpft jeden Willen zum Vergnügen — die öffentliche Stimmung gleicht einer gelähmten Schwinge. Die Festberichte, die wir sonst in dieser Zeit über Bälle, Soirsen im Hause des Kaisers, wie in den Palais der fremden Botschaften und der heimischen Großen brachten, sie wurden durch die Bulletins aus San Remo abgelöst. Es ist still geworden in den Räumen, wo sonst die Freude ihr Heim aufge schlagen hatte, aber nicht nur in den Kreisen, die sich als die Gesellschaft bezeichnen, nein, weit — weit über dieselben hinaus in die Schichten ab wärts hat das große Leid in unserem Königshause seine Schatten gebreitet. Vor vierzehn Tagen noch glaubte man der Karnevalszeit, wenn auch mit Einschränkungen, ein Recht einräumen zu dürfen; es war von vielen Ver anstaltungen die Rede in Privathäusern, in geschlossenen Gesellschaften, bei den Botschaftern und selbst am Hofe. Ein Telegramm ließ jeden Ge danken an Festfreude zum Vorwurf werden. Alle Gedanken gehen nach jener Villa am Mittelländischen Meer, wo der Liebling der Nation in schwerem Leiden darnicderliegt. Nicht nur, daß alle Bälle abbestellt sind, auch große Mitlagsgesellschaften vermeidet man, wie bekanntlich der ungarisch österreichische Botschafter ein Diner hat absagen lassen, das zu Ehren des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm stattfinden sollte. Wenn man fick jetzt in gesellschaftlicher Vereinigung zusammenfindet, so geschieht das in kleineren Cirkeln. Es wird nicht getanzt, man vermeidet sogar so viel wie möglich Musik. Man giebt lediglich einem geselligen Zuge nach, und dabei ist wieder San Remo und die Frage für die Zukunft fast das allgemeine Unterhaltungsthema. Aber auch selbst was man von großen öffentlichen Bällen hört, ist nur dazu angethan, diese Schilderung der gesellschaftlichen Stimmung zu vervollständigen. Nirgends eine rückhaltlose Freude, nir gends die volle, sprühende Karnevalslust. Die Furcht vor einem Nahen den beherrscht die Gemüther, der Schmerz des Königshauses ist der des Volkes geworden. Der diesjährige Karneval ist vor der Zeit zur Fasten zeit geworden, und dieser Bericht muß die Stelle desjenigen ersetzen, den wir sonst über fröhliche Fastnacht am Hofe zu bringen gewybnt waren. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht folgendes Bulletin: San Remo, 15. Februar, Vormittags 10 Uhr 35 Min. Der lokale und allgemeine Zustand des Kronprinzen ist derselbe wie gestern. Der Schlaf war zu weilen vurch Kopfschmerzen unterbrochen. Der Kronprinz verließ um die Mittagsstunden das Bett und nahm feste Nahrung zu sich. Der Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) ist eine chirurgische Operation, mittelst welcher die Luftröhre von der vorderen Halsseite auf blutigem Wege eröffnet wird. Diese Eröffnung ist angezeigt, wenn durch Verengerung des oberen Theiles der Luftröhre oder des Kehlkopfes die Athmung so sehr be einträchtigt wird, daß ein plötzlicher Tod in Folge von Erstickung befürch tet werden muß. Der Luströhrenschnitt ist nach den Ausführungen der Frankf. Ztg. im Allgemeinen eine ganz ungefährliche Operation. Dieselbe wird größtenteils in der Chloroform-Betäubung ausgeführt, doch können besondere Umstände diese letztere nicht ausschließen. Gewöhnlich wird als eröffnendes Instrument das Messer benutzt. Hierbei kommt es in erster Linie darauf an, daß eincstheils beim Durchschneiden aller von der Haut bis zur Luftröhre gelegenen Weichtheile keine Blutgefäße verletzt oder ver letzte vor Eröffnung der Luftröhre selbst unterbunden werden, anderntheils kein Blut in die letztere fließt. Beim Einschnitte in die Luftröhre muß die letztere sehr sicher durch Haken festgehalten werden, da sie in Folge ein tretenden Hustens sonst stark verschoben und nicht immer sofort wieder ge faßt werden kann, ein Umstand, durch welchen nicht nur in der Umgebung der Wunde, sondern auch auf mehr oder weniger große Körperstrecken die Luft in das Unterhautzellengewebe eingetrieben wird (sog. Hautemphysem). Der Einschnitt in die Luftröhre muß so groß gemacht werden, daß diebe reitgehaltene Kanüle (ein gekrümmtes Röhrchen) aus Edelmetall oder aus Hartgummi sofort eingeführt werden kann. Um die Kanüle leicht reinigen zu können, ohne daß dieselbe immer gänzlich aus der Luftröhre entfernt zu werden braucht, wird eine sogenannte Doppelkanüle benutzt, deren inneres Rohr leicht herausgenommen werden kann. Führt man eine Kanüle ein, welche an ihrer Biegung eine dem Kehlkopf zugewendete Oeffnung besitzt, so kann man, so bald der Kehlkopf zum Sprechen noch brauchbar ist, und sobald die Oeffnung der Kanüle vorne außen am Halse zugehalten wird, kürzere Zeit durch den Kehlkopf athmen und auch sprechen. Entzündliche Erscheinungen des Kehlkopfes pflegen, sobald derselbe gänzlich außer Thä- tigkeit gesetzt Wird, mehr oder weniger rasch sich zu vermindern, so daß in manchen Fällen dieser Art der Luftröhrenschnitt auch in dieser Richtung eine günstige Wirkung zu entfalten vermag. Ob derselbe aber im ein zelnen Falle ein bleibender sein muß, oder ob früher oder später die äußere Wunde wieder geschlossen werden und die Athmung durch den natürlichen Weg wieder stattfinden kann, läßt sich von vornherein nicht immer ent scheiden; jedenfalls gehört dazu aber eine sehr genaue Kenntniß des ein zelnen Falles. Vom geisteskranken König Otto von Bayern kommen wahrhaft trostlose Nachrichten, welche durch eine vertrauenswürdige Persönlichkeit aus dem Schlosse Fürstenried, anläßlich des Besuches der Königin-Mutter dortselbst, mitgethcilt wurden. Begleitet vvn einem Hofbeamten und einem Arzte betrat die Königin-Mutter das Zimmer, an dessen Fenster völlig theilnahmslos der unglückliche Sohn stand, mit den Fingern an den Scheiben trommelnd. Die Königin ging auf Otto zu, rief ihn an, doch kehrte sich der König nicht um, er schien nicht zu hören. Mit Thränen in den Augen sagte die Königin-Mutter in kurzen Pausen mit mütter licher Zärtlichkeit, die ihre Begleitung tief bewegte: „Otto! Otto! Hörst Du?" Ihr ward keine Antwort; erst einige Zeit später gab er lallende