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Zweites Blatt. WmM, Wi, Äkdkülch» die WMildex. Amts b tcrtt 'für die Kgt. Umtsliauptmannschaft zu Meißen, das Kal. Amtsgericht und dm Stadtrath zv Ditsdruff.' Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich I Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag» und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 96 Freitag, den 2. Dezember 1887. Die Söhne des Waffenschmieds. Original-Roman von E. Heinrichs. sNachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „An dem Blick des einen Auges sowohl, als auch an Ihrer Gewohn heit, den Bart zu streichen, der doch nicht mehr vorhanden ist." „Noble Gewohnheit," murrte der Andere, hatte einen schönen Voll bart, fiel mir schwer, ihn wegzuschneiden, per krrooo!" „Weshalb haben Sie dieses Opfer gebracht, Mr. Knight?" „Ja, weshalb? Eine Grille, eine Wette, die ich verlor, reden wir nicht mehr davon. Ucbermorgen früh um 4 Uhr geht der „Phönix" in See, — bringen Sie morgen alles Nöthige in Ordnung und kommen dann Abends wieder hierher, um Papiere und Instruktionen entgegen zu nehmen." „Gut, soll geschehen," nickte Watson, sich eine Zigarre anzündend. „Wohnen Sie hier, Mr. Knight?" „Bis zu meiner Abreise, da ich hier vollständig sicher bin. Still, Ihr Schaf erwacht." Der arme Charley, welcher der halblaut geführten Unterhaltung mit der gespanntesten Aufmerksamkeit gefolgt war, konnte es jetzt, da seine Arme wie gelähmt waren, nicht länger aushalten. Er machte eine unwillkürliche Bewegung, erhob langsam den Kopf, worauf er seine Arme dehnte und reckte und einen Fluch über den harten Tisch aussticß, welcher dem Ein äugigen ein spöttisches Lächeln entlockte. „Na, Jack Sheep, hast ausgeschlafen?" fragte John, ihm einen derben Schlag auf die Schulter versetzend. „Bring' mich nach Haus," murmelte Charley, dem in der That un wohl geworden war und dessen Antlitz plötzlich eine fahle Blässe bedeckte. „Euer Schaf scheint die Drehkrankheit zu bekommen, John!" spottete der Einäugige, „bringt es rasch in den Stall zurück. Auf Wiedersehen, alter Freund!" setzte er laut hinzu. „Morgen Abend!" nickte Watson, Charley's Arm ergreifend und ihn rasch mit sich fort in's Freie ziehend. „Zum Henker, Sir!" raunte er ihm draußen zu. „Sie sahen ja plötzlich drein wie ein Gespenst, haben zu schwache Nerven für eine solche Gesellschaft, wie?" „Nun, ich denke meine Rolle gut genug durchgeführt zu haben." „Haben Sie auch, Sir! — muß Ihnen ein gutes Zeugniß ausstellen, aber schließlich ist das Fleisch doch immer schwächer als der Geist, meine ich. Ja, hätten Sie nur das Glas Brandy zu sich genommen, aber das edle Naß so schmählich zu verschütten und dann einzuschlafen." „Laßt die Witze, Mann!" unterbrach ihn Charley heftig, „Ich habe kein Wort von Eurer Unterhaltung verloren. Allerdings wirkten Hitze und Tabakqualm wie Gift auf meine Nerven, aber beides hätte ich überwunden, wenn nicht die Ueberzeugung, dem Mörder meines Onkels Longfield gegen über zu sitzen, ohne ihm ein Haar krümmen zu dürfen, mir das Blut zu Eis erstarrte und mich schließlich zu tödten drohte." „Sie glauben also wirklich, daß er's ist?" flüsterte Watson, sich scheu umblickend. Doch still, nehmen wir lieber einen Wagen; nur daheim, zwischen den vier Wänden, ist man einigermaßen vor diesem Menschen sicher." Er rief, als sie rasch mehrere Straßen durchschritten, eine Droschke herbei, welche sie nach Taylor's Hotel brachte. „Kommt mit auf mein Zimmer, Watson," sagte Charley, „ich muß noch mit Euch reden." „John!" flüsterte sein Bruder, der Kellner, im Vorübergehen diesem zu, „Mr. Rosemeier ist schon wieder zurück; er hat nach Dir gefragt." Watson blieb erschreckt stehen. „Pah," meinte er dann wegwerfend, „was geht mich der Narr an? — Hat mich genug umhergehetzt. Brauchst ihm nicht zu vcrrathen, daß Du mich gesehen hast." Er war mit einem Satze dem die Treppe hinaufsteigenden Charley nach und schob sich hinter ihm rasch in's Zimmer hinein. „Sprechen wir leise, Sir!" flüsterte er beinahe athemlos, „nebenan wohnt ein Spion, der nicht Alles zu wissen braucht." Charley ließ ein Abendessen auftragen und lud Watson ein, sein Gast zu sein. „Für das große Glas Brandy!" meinte er lächelnd. „Der Henker soll mich holen, wenn ich nicht immer noch Beklemmung und Reue darüber fühle, den Burschen nicht gleich am Kragen genommen zu haben." „Na, dann hätten Sie die Außenwelt niemals wieder erblickt, Sir!" erwiderte John, behaglich am Tisch sich niederlassend. „Dieser Mr. Knight hätte Sie allein schon kalt gemacht, wenn ihn selbst Wirth und Gäste im Stich gelassen hätten. Im blauen Hecht giebt es unheimliche Winkel genug, um einen Menschen verschwinden zu lassen." „Ei, das hättet Ihr doch nicht gelitten, Mr. John!" bemerkte Charley, ihm ein Glas Wein einschenkend. „Ich meine, daß Mr. Baxwell und meine Tante Euch ohne Weiteres den Prozeß gemacht hätten, wenn ich urplötzlich unsichtbar geworden wäre." „Hm, Sie haben doch gehört, daß ich übers Meer gehe, ob vierund zwanzig Stunden früher oder später, hätte mir unter diesen Umständen nichts ausgemacht." „Wahrhaftig, Ihr hättet den Kopf leicht aus der Schlinge ziehen können, mein Braver!" nickte Charley, leicht zusammenschaudernd. „So wollt Ihr wirklich den Auftrag übernehmen und Euch mit jenem Blutgelde das Raubnest erwerben?" setzte er, ihn fest anblickend, hinzu. „Dann hätte ich allein nach dem blauen Hecht gehen, — Sie nicht mitnehmen müssen, Sir!" lachte Watson mit leisem Spott. „Nun ist's mit jener Goldgrube vorbei. Sie glauben also wirklich, daß Mr. Knight der Mörder des alten Longfield ist?" „Ich bin davon überzeugt, weil er jener Mensch ist, welcher meinem Vetter James so ähnlich sehen soll." „Ja, es ist Mr. North," versetzte Watson, sein Glas leerend. „Morgen Abend werde ich die unheimlichen Bankpapiere in Empfang nehmen, dir uns freilich für Mr. Longfield's Rettung nicht viel nützen werden, wenn uns der Thäter entschlüpft. Ich muß gestehen, daß mir dieser Punkt viel Sorge und Kopfzerbrechen macht." „Wir müssen die Polizei in's Geheimniß ziehen," sprach Charley ent schlossen. „Ohne bewaffneten Beistand der gesetzlichen Macht sind wir, wie Ihr selber zugestcht, in jener Höhle ganz schütz- und wehrlos." „Ich mag aber mit der Polizei nichts zu thun haben," bemerkte Wat son verdrossen. „Nur unter dieser Bedingung habe ich meine Mitwirkung versprochen, — trage so wie so meine Haut zu Markte." „Aber es ist doch nicht anders denkbar, mein lieber Watson!" rief Charley. „Habt Jhr A. gesagt, müßt Ihr auch B. sagen — Eure Hände sind ja rein in der Sache, weshalb habt Ihr solchen Abscheu vor der Polizei?" „Weil es bei ihr in der Regel heißt: Mitgefangen, mitgehangen!" Ich bin eine Zeit lang mit Mr. North hier und da gesehen worden, und die verd— Detektivs spüren überall umher. Wenn ich den Schwerenöth« nur irgendwo anders hinlocken könnte, wo man ihn allein hätte. Im blauen Hecht hat er Schutz von allen Seiten." Er wandte hastig den Kopf, als in diesem Augenblick die Thür ge öffnet wurde, und stieß beim Anblick des auf der Schwelle stehenden Herrn einen halblauten Fluch aus. „Entschuldigen Sie, Gentlemen," sagte der Herr bestürzt, „ich habe die Thür verfehlt, war zerstreut —" „Bitte, bitte," erwiderte Charley, der sich erhoben hatte, „hat nichts zu sagen, Sir! Aber wie ist mir denn," setzte er lebhaft hinzu, „haben wir uns nicht schon irgendwo gesehen?" „Ich lege mir soeben dieselbe Frage vor, Sir!" antwortete der Fremde. „Mein Name ist Rosemeier aus Hannover —" „Ach, Herr Rosemeier!" rief Charley erfreut. „Nun, denken Sie doch einmal an Schönbrunn zurück —" „Richtig, richtig, ein lieber Bekannter aus Wien!" rief nun auch der kleine Herr Rosemeier in deutscher Sprache. „Sie verzeihen mir, wenn ich die Namen nicht behalten, — war's nicht HerrHeideck und Sohn und der Maler mit der wunderschönen Tochter? O, wie mir Alles so lebhaft wieder in's Gedächtniß zurückkehrt!" Er schüttelte ihm herzlich die Hand und freute sich, als Charley seinen Namen nannte, daß sein Gedächtniß ihn nicht im Stich gelaffen habe. Watson hatte sich während dieser Erkennungsszene äußerst unbehaglich gefühlt und den kleinen Mr. Rosemeier, der ihn so schmählich überlistet, ins Pfefferland gewünscht. Er war noch mit sich uneins, ob er Reißaus nehmen oder der Situation die Stirn bieten sollte, als der kleine Rosemeier ihn erblickte und rasch auf ihn zutrat. „Ach, mein braver Watson, das trifft sich ja famos, — habt mich wohl gar nicht erkannt, wie?" Watson murmelte etwas, das wie eine Enschuldigung klang, worauf Herr Rosemeier auf Charley's Einladung sich einen Stuhl heranzog, um das gemüthliche Beisammensein nicht zu stören, wie er lächelnd meinte. „Haben Mr. Watson wohl auch als Führer angenommen, Mr.Heideck?" fragte er harmlos. „Ist ein famos intelligenter Bursche, auf mein Ehren wort, es macht mir große Freude, ihn empfehlen zu können." Watson warf einen scheuen Blick auf den freundlichen Gentleman und erhob sich plötzlich. „Ich habe noch eine Bestellung auszuführen, Sir!" sagte er hastig. „Wenn Sie es wünschen, werde ich morgen früh meinen Dienst antreten." „O 0, seid Ihr mir untreu geworden, mein braver John!" rief Rose meier. „Wißt Ihr was? Da ich sozusagen mit Mr. Heideck befreundet bin, so schließe ich mich seiner Gesellschaft an, wodurch Ihr doppelt verdient." Watson wechselte mit Charley einen bedeutsamen Blick, welcher dem kleinen Herm nicht entging, und erklärte sich, als Ersterer zustimmend nickte, damit einverstanden, worauf er sich schleunigst empfahl. Rosemeier schritt nach der Thür, öffnete dieselbe und warf einen spähen den Blick hinaus. „Nun?" fragte Charley erstaunt. „Mein lieber junger Herr!" nahm Rosemeier, nachdem die Thür wieder geschlossen und er auf seinen Platz zurückgekehrt war, in deutscher Sprache das Wort, „sagen Sie mir doch, wie Sie mit diesem John Watson der, mindestens gesagt, eine sehr zweifelhafte Persönlichkeit ist, so, wie soll ich gleich sagen, — so familiär geworden sind?" Charley blickte ihn sehr ernst an und schüttelte dann den Kopf. „Be dauere, Ihnen darauf keine Antwort geben zu können, Herr Rofemeier! Mein Geheimniß, denn als solches muß ich die Verbindung mit diesem Watson noch behandeln, ist so düster und tragisch —" „Ach, ich begreife," fiel der kleine Herr rasch ein, „es betrifft jenen schauerlichen Mord in Norddeutschland, welchen Sie erst durch mich erfuhren,