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WMMckff WM, Wo, McnIG M die WWicku. Arntsbkalt 'für die Kgl. Dmistzauptmannschast zu Meitzen. das Kgl. Amtsgericht und dm Ktadkatb W Dilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljäbrlich I Mark. Einzelne Nummern 10 Psg.— Inserate werden Monta-» und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 93. Dienstag, den 22. November^ 1887. Bekanntmachung, die Rekrutirungs-Stammrollen betr. Nachdem die Rekrutirungs-Stammrollen für die Ortschaften des hiesigen Bezirkes berichtigt worden sind, werden die Herren Gemeindevor- stände hierdurch veranlaßt, dieselben hier abzuholen. Meißen, am 16. November 1887. Königliche Amtshauptmannschast. von «Kirchbach. DogcSgcsckichte. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland sind am Freitag Vor mittags halb 11 Uhr mit Familie und Gefolge in Berlin auf dem Lehrter Bahnhöfe eingetroffen. Prinz Wilhelm war denselben bis Wittenberge entgegengereist. Auf dem festlich geschmückten Bahnhofe hatten sich ferner zur Begrüßung eingefunden: Frau Prinzessin Wilhelm, sowie die Prinzen Heinrich und Albrecht, Regent von Braunschweig, Friedrich Leopold in russischer Uniform, ferner der Erbprinz von Meiningen, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, der Erbprinz von Reuß, Graf Moltke u. A. Der Reichskanzler war nicht erschienen, was im Publikum sehr bemerkt wurde. Der Zar trug die Uniform seines Kaiser Alexander Garde-Gre- navier-Regiments. Nach Begrüßung und Abschreiten der Ehrenkompagnie bestiegen der Zar und Prinz Wilhelm die offene Kalesche, die Zarin und Prinzessin Wilhelm die Galakutsche und fuhren durch den Thiergarten nach der russischen Botschaft, wo Kaiser Wilhelm den Zaren bewillkomm nete. Auf dem ganzen Wege war zahlreiches Publikum erschienen, be sonders am Brandenburger Thor und Unter den Lindert, wo sich Tausende und Abertausende drängten. Das Publikum beschränkte sich Anfangsauf ehrerbietigen Gruß durch Entblößen des Hauptes. Unter den Linden herrschte ein wärmerer Ton, hier wurden mehrfach beausende Hochs aus gebracht. Der Zar grüßte freundlich. Dem Publikum imponirte offenbar daß der Zar im offnen Wagen fuhr und erblickte darin ein Zeichen des Vertrauens. Bei der Begrüßung des russischen Kaiserpaares durch Kaiser Wilhelm im Botschaftshotel umstanden Prinzessin Wilhem, die preußischen Prinzessinnen, die Großherzogin und Herzogin Johann Albrecht von Meck lenburg die hohen Herrschaften. Nach der Begrüßung kehrte Kaiser Wil helm unter stürmischem Jubel der Menge nach seinem Palais zurück, wo der Zar '/^12 Uhr einen etwa halbstündigen Besuch abstattete. Kurz vor 2 Uhr machte die Kaiserin von Rußland mit ihren fünf Kindern dem Kaiser Wilhelm einen längeren Besuch, während der Zar den hier an wesenden Mitgliedern der Kgl. Familie Besuche machte. Fürst Bismarck begab sich ein halb 4 Uhr zum russischen Kaiser in's Botschaftshotel und hatte im Laufe des Nachmittags den Generaladjutanten des Zaren, Tsche- rewin, empfangen. Nachmittags 5 Uhr fand im Kaiserlichen Palais Ga ladiner zu Ehren der russischen Herrschaften statt. Zu demselben waren 98 Couverts gedeckt. Neben dem Reichskanzler nahmen auch die Fürstin Bismarck und Graf Herbert Bismarck an dem Diner theil. Wegen Aus fall der Galaoper erfolgte die Abreise der hohen Gäste ^10 Uhr. Die russische Petersburger Zeitung hebt bezüglich der Kaiserbegcgnung in Ber lin hervor: die öffentliche Meinung in zweien der mächtigsten Reiche der Welt, welche durch die Interessen der Nachbarschaft und historischen Ueber- lieferungen verbunden sind, werde sich zweifelsohne in dem gemeinsamen Wunsche vereinigen, daß die freundschaftliche Begegnung ihrer erhabenen Monarchen, auch ihre Spur auf den politischen Wegen beider Völker hin terlassen möge. Kaiser Alexander hat seinem preußischen Garde-Regiment in Berlin ein Revue-Geschenk von 4000 Mark zugehen lassen. Die „Post" bringt einen aufden russischen Kaiserbesuch bezüg lichen Epilog, in dem sie sagt: Das Ereigniß, an welches von der einen Seite so begründete Zweifel, von der anderen so erstaunliche Kommentare geknüpft worden, bevor es eintraf, ist vorüber. Wir haben bis zu der formellen Ankündigung des Besuchs zu den Zweiflern gehört, und den Versicherungen der russischen Presse, es handle sich um einen Anstandsbe such, bei dem kein Wort von Politik fallen solle, haben wir die Meinung entgegengesetzt, daß ein Kaiser von Rußland in der Lage sein müsse, die Selbstbestimmung zu bewahren, um einen gegebenen Moment zu benützen, je nachdem derselbe sich gestaltet. Der Kaiser von Rußland hat nach seiner gestrigen Ankunft dem deutschen Reichskanzler den Wunsch nach einer Unterredung kundgeben lassen, und die Unterredung hat während der Dauer einer Stunde in den Gemächern des Kaisers stattgefunden. Wir nehmen nicht an, daß dabei von den überstandenen Masern, von den Annehmlich keiten des Sommeraufenthaltes in Kopenhagen und von den noch zu über windenden Beschwerden der Fahrt nach St. Petersburg die Rede gewesen ist. Aber man kann andererseits in einer Stunde nicht die tief und viel seitig bedingte Grundrichrung großer Reiche verändern. Dagegen kann man wohl die Mittel erwägen, bedenklichen Folgen jener Grundrichtung dauernd oder vorübergehend zu begegnen. Ob etwas dergleichen geschehen, das wissen bis jetzt nur die höchst entscheidenden Personen. Wäre nichts derart ge lungen oder auch nur versucht worden, so würde auch dadurch der 18. November 1887 eine geschichtliche Bedeutung erhalten; denn schwerlich würde, was gestern nicht möglich war, sobald sich erneuern lassen. Lange kann es nicht währen, bis die Spuren der Unterredungen, die gestern im Palast des Kaisers und in den Gemächern des kaiserlichen Gastes gepflogen worden, zu Tage treten. Gern wollen wir die lange Ausdehnung des Kanzlerbe suches als gutes Vorzeichen ansehen. Der „Reichs- und Staatsanzeiger" veröffentlicht nachstehende Dank sagung des Kaisers: Aus Anlaß der jüngst bekannt gewordenen betrüben den Nachrichten über die Krankheit des Kronprinzen hat sich im ganzen deutschen Vaterland und weit über dessen Grenzen hinaus die wärmste Theilnahme kundgegeben. Nicht nur das schwere Geschick, welches über den künftigen Thronfolger verhängt ist, sondem auch die harte Prüfung, welche dadurch über den Kaiser, wie über das ganze königliche Haus ge kommen ist, hat aller Orten tiefes Mitgefühl hervorgerufen. Dasselbe hat in zahlreichen Eingaben, welche nicht nur aus allen Theilen des Deutschen Reiches, sondern auch aus dem Ausland, insbesondere aus Oesterreich, Rußland, Frankreich, Belgien, Holland, England, Italien und Spanien bei dem Kaiser in diesen Tagen eingegangen sind, unzweideutigen Ausdruck gefunden. Dem Kaiser werden dabei die verschiedensten Heilmittel und Heilverfahren für den Kronprinzen empfohlen, eigene Lebenserfahrungen bei ähnlichen Leiden mitgetheilt, sowie Rathschläge für die fernere Behand lung des Kranken gegeben. Der Kaiser ist von dieser allgemeinen Theil- nahme und Liebe für seinen Sohn tief gerührt und hat befohlen, dies zur Kenntniß aller Betheiligten zu bringen. Mögen die Aerzte sich streiten über das zu früh oder zu spät einer Operation an dem deutschen Kronprinzen, mögen sogar Seitenblicke fallen auf angeblichen englischen Einfluß „bei Hose", wir meinen, die Frau muß noch gefunden werden, welche ihre Zustimmung zu einer lebensge fährlichen Operation ibres Mannes giebt, so lange noch ein berühmter Arzt die Krankheit ohne dieses letzte Mittel heilen zu können versichert. Als der Kaiser den trostlosen Bericht des Dr. Schmidt tieferschüttert unter Thränen anhörte, da sagte er: „Alles soll nach dem Willen meines ge liebten armen Sohnes geschehen." Und der Kaisersohn hat sich entschieden. Als ihm die Aerzte in St. Remo die ganze erschütternde Wahrheit ent hüllten, wie er es verlangt hatte, da zog er sich schweigend in sein Zim mer zurück, um mit sich Rath zu halten und, männlich in sein Schicksal ergeben, einen schweren Entschluß zu fassen. Ruhig, klar und fest wie Einer, der sich der Verantwortung auch für Andere bewußt ist, hat der Kronprinz diesen Entschluß nach einer Stunde stiller Einkehr bei sich selbst verkündigt, den Entschluß, der Operation sich nicht zu unterziehen, sondern ohne künstlichen Eingriff die Ersüllung des Geschickes abzuwartm. Was in jener Stunde den Erben der deutschen Kaiserkrone bewegte, mö gen nicht nur Rücksichten auf seine eigene Person, sondern Erwägungen gewesen sein, bei denen das Wohl des Staates, an dessen Spitze zu stehen er berufen war, ausschlaggebend gewesen sein. Jeden Tag, den der Kron prinz noch zu leben hat, wird auch der Kaiser für ein Geschenk ansehen, ja, der schlimme Ausgang einer Operation könnte auch das Leben des greisen Vaters bedrohen. Und wer mag und kann die Folgen berechnen! Ist da nicht ein Hinausschieben des Unvermeidlichen, so weit es in Men schenmacht steht, oder wenigstens der Versuch, das geringere Uebel? Die kundigsten Aerzte scheinen ja in der entscheidenden Stunde selber dieser Meinung gewesen zu sein. Aeußerte doch Dr. Schmidt: Müsse auch an einer Heilung gezweifelt werden, so könne das Leben des Kronprinzen doch noch eine Reihe von Jahren bei verhältnißmäßigem Wohlbefinden erhalten werden. Der Kronprinz soll kürzlich geäußert haben: Im Jahre 1870 hätte mich eine Kugel treffen können, wie jeden anderen. Für mich ist meine jetzige Krankheit auch nichts Anderes, als die Kugel, welche mich früher oder später treffen kann, wie Gott es will!" Eine bedeutungsvolle Anordnung hat Fürst Bismarck gleich am ersten Tage seines Aufenthalts in Berlin dadurch getroffen, daß er am 17. No vember, am sechsten Jahrestage der kaiserlichen Botschaft, die Grundzüge zur Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter veröffentlichen ließ. Es handelt sich noch nicht um den Wortlaut des Gesetzentwurfes selbst, es ist vielmehr noch immer möglich, daß sachverständige Urtheile die Einzelbestimmungen abändern können, ehe sie vom BundeSrathe zur Vor lage an den Reichstag festgesetzt werden. Sache aller betheiligten industriellen Kreise der Arbeitgeber sowohl wie der Arbeiter, soweit sie überhaupt die Ziele der Vorlage in ernster Mitarbeit fördern wollen, ist es nun, sich über die Grundzüge auszusprechen. Eugen Richter hat bereits die Verwirk lichung dieser schönen sozialen Aufgabe dadurchlächerlich zu machen gesucht, daß er erklärt hat, die Vorlage beabsichtige nichts Anderes, als Pfennig rentner zu schaffen. Wir denken, schreibt die „Köln. Ztg.", daß gerade die Arbeiter ihm jetzt, wo sie die Unterlage zu einem richtigen Urtheil haben, auch die richtige Antwort geben werden. Es ist ja sehr schön, goldene Berge zu versprechen, wenn man weiß, daß man sie nicht zu verwirklichen braucht; hier in diesen Grundzügen sind nun ganz bestimmte Versprechungen gemacht, deren Erfüllung möglich ist, und die auf's Schnellste erfüllt werden sollen. Sie werden dem einzelnen Arbeiter eine bisher für unwahrschein lich, wenn nicht für unmöglich gehaltene Verbesserung seiner Lage in für ihn schlechten Zeiten bringen; und trotz aller Gegnerschaften wird dafür gesorgt werden, daß sie bald verwirklicht werden. Für die Arbeiter ist