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Zweites Blatt. ! IIII II ! II!« ! !U >^M!«MIIII I,!I W<....^!I Ilj»» 1 «I U_I..!^LU IIIIIIIIÜIIII, »»WMIMMWUWIIIIM»«- N WWUMMs WrM, W», Zicdmlkh» »ü die UiWcM AmLsbtatt für die.Kgl. Kmlshauplmannfchaft zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und dm Stadkath M Mtsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werven Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr*. 92. Freitag, den 18. November 1887. Das stille Todtenfest trat wieder Heut' aus dem Schooß der Nacht hervor; Neu aber senket auch sich nieder Auf Tausende der düstre Flor, Der ein das Herz in Trauer hüllt, Der cs mitHerbcm Leid erfüllt. Ein Jahr. Wie oft ward sie geschwungen, Die Glocke, die zur langen Rast Im Grabe die hinausgeklungen, Die in des Todes Arm erblaßt! Und wieder klingt das Grabgeläut In Ohr und Herz dem Leben heut'. ZUM Hodtentage. KZ Der alte Schmerz ringt aus den Banden, Die sanft die Zeit um ihn gelegt, Sich wieder frei, und neu erstanden Sucht er nach Tröstung tiefbewegt, Er sucht nach ihr an jenem Quell, Draus allzeit sie geflossen hell. Was aber ist's, was ist's, daß allen Auf ihrem Pfad zum Gotteshaus Voran so viele Mütter wallen? Ihr Liebstes trugen sie hinaus. Der Tod, der Tod, erbarmungslos Riß er es fort aus ihrem Schooß. Mehr, mehr, als sonst, griff seine Sense Kalt in die Kinderwelt hinein, Und mehr, als sonst, wand Todtenkränze Auf Särge man, die eng und klein, Und darum auch der Mütter mehr Mit Herzen, leid- und thränenschwer. Wohlan, du stille Todtenfeier, Bewähr' an allen deine Macht, Die da im Äug' den Thränenschleier Zum Heiligthum des Herrn gebracht. Scheuch' durch den Trost aus seinem Wort Ihn mild von jedem Antlitz fort. Zeig' allen Trauernden die Fernen, Die uns als Heim der Herr verhieß, Den Müttern aber in den Sternen Das sel'ge Kinderparadies Da Engel die, die sie beweint, Um Gott im ew'gen Licht vereint. (CH. Tgbl.) Die Söhne des Waffenschmieds. Original-Roman von E. Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Dann wäre die Tante wieder ganz allein," bemerkte Charley nach denklich. „Wir könnten allabendlich bei Mrs. Longfield zusammenkommen," fuhr Kate eifrig fort; „ich bin überzeugt, daß Mr. North verloren ist, Wenn er Miß Marianne erblickt." „O, über diese Heuchlerin!" meinte Frau Rositta, „dagegen muß ich im Namen meines armen Sohnes protestiren!" „Miß Kate hat Recht," entschied Marianne nack kurzem Nachdenken. „Wollen wir so selbstsüchtig sein, von ihr Spionendienste zu verlangen, — nun wohl, so kann auch ich auf hoffentlich kurze Zeit mich meines weiblichen Stolzes eutäußern und zur Kokette mich erniedrigen, um einen Unschuldigen zu retten und den Bösewicht zu entlarven. Wenn irgend wo, so hat hier der Satz, daß der Zweck das Mittel heilige, seine volle Be rechtigung." „Wie aber willst Du die Komödie mit Deinem Besuch den Eltern, besonders der Mutter gegenüber, durch führen?" fragte Frau Rositta kopf schüttelnd. „Ich war doch eine Zeit lang in der Pension, Mrs. Longfield?" versetzte Kate triumphirend. „Nun gut, in zwei Stunden fährt meine Busenfreundin Mary Stevens bei uns vor, natürlich in Reisekleidern und kündigt ihren Besuch auf acht oder vierzehn Tage an. Das Uebrige ist meine Sache. Allerdings wäre alsdann ein Punkt noch zu ordnen, Miß Marianne!" „Wir müßten uns „Du" nennen und die langweilige Miß fortlassen, liebe Kate!" erwiderte die Wienerin. „So ist's, — und Du müßtest stets auf den Namen Mary hören," nickte Kate erregt. „Ich habe den Eltern und Mrs. Shor soviel von meiner liebsten Pensionsfreundin erzählt, daß sie sich über diesen Besuch gar nicht verwundern können. Nun aber dürfen wir keine Zeit mit un nützen Warten verlieren, meine liebste Mary!" setzte sie rasch und ent schlossen hinzu. „Ich muß Dich vor allen Dingen mit Demjenigen ver traut machen, was hinsichtlich der Pensionsverhältnisse und unserer beider seitigen Familien unumgänglich nöthig für Dich ist, um nicht aus der Rolle zu fallen. Zu dem Ende wollen wir uns ein halbes Stündchen zurückziehen, Tante Rositta!" „Da hast Du den Schlüssel zu James' Zimmer," nickte Mrs. Long field, die beiden jungen Mädchen wehmüthig betrachtend und der kleinen energischen Kate einen Schlüssel einhändigend. „Bleibt nicht zu lange, Kinder!" „Und ich soll wirklich in den Gasthof verbannt werden?" fragte Charley mit kläglicher Miene. Kate blickte ihn groß an. „Sie sollen doch die Polizei in Bewegung setzen, Mr. Heidcck!" sprach sie vorwurfsvoll. Mrs. Longfield starrte vor sich hin. „Ich muß mit Deinem Vater reden, Kate! Er wird mir John Watson ausfindig machen und überhaupt den rechten Weg uns zeigen. — Hole ihn mir sofort oder geh' — instruire Deine Freundin jetzt rasch, mir brennt buchstäblich der Boden unter den Füßen." Die jungen Mädchen gingen und tief aufseufzend ließ Frau Rositta sich auf einen Stuhl niedersinken. „O, mir ist, als wäre ich eine Verbrecherin," stöhnte sie, „als müsse ich fort nach jenem fürchterlichen Orte, wo man meinen Sohn eingekerkert, den Unschuldigen auf's Schaffot schleppen will. Charley, sprich, darf die Dkutter hier bleiben, während dort in der Ferne ihr Kind einsam und ver lassen in Banden gehalten wird?" Charley setzte sich neben die unglückliche Frau und ergriff tröstend ihre eiskalte Hand. „Tante, beste Tante!" versetzte er mild, „Dein Platz ist hier, wo Du für ihn handeln kannst; Onkel Charley und mein Vater werden in seiner Nähe bleiben und für einen Rechtsbeistand sorgen. Hier aber gilt's, für seine Rettung zu handeln und den Weg des wirklichen Mörders zu kreuzen, weshalb wir keine Thränen, keinen Schmerz und Jammer offenbaren, sondern ruhig und fest unser Ziel verfolgen müssen. Meine Eltern haben Deinen Muth, Deine Besonnenheit, Deinen festen Charakter so oft rühmend hervorgehoben, daß ich Dich beschwören muß, Dir selber treu zu bleiben bei diesem schweren Schicksalsschlage, weil davon die Rettung Deines Sohnes abhängt." Frau Rositta hatte mit gesenktem Haupte zugehört. „Ich danke Dir, Charley!" sprach sie jetzt mit einem festen Händedruck. „Ich will stark und muthig sein, um meinen Sohn zu retten. Höre mich an — ich er- erzählte vorhin von John Watson, welcher für mich jetzt eine höchst wich tige Person geworden ist, weil er mit jenem Mr. North in Verkehr stand. Mr. Baxwell soll uns rathsn, ob wir sofort die Polizei benachrichtigen—" „Das wird bereits von der deutschen Behörde geschehen sein," fiel Charley ein. „Möglich, doch wäre in diesem Falle sicherlich bereits Nachforschung bei mir gehalten worden. Vielleicht verfolgte man die Spuren des Mörders direkt nur nach Wien —" „Vielleicht auch war jener kleine Herr Rosemeier, der sich uns als Hanoveraner vorstellte, und der hier die räthselhafte Mittheilung über den verschwundenen Brief brachte, ein Beamter der deutschen Geheimpolizei," fiel Charley auf's Neue ein. -- Frau Rositta sah ihn überrascht an. „Das klingt nicht unwahrschein lich," meinte auch sie erregt. „Weshalb kam er zu mir in den Laden? Nur, um einen Stockdegen zu kaufen, oder, um mir die Geschichte von dem Brief mitzutheilen? — Und daß dieser Mr. Rosemeier just den John Watson als Führer haben mußte, — ist das nicht auffällig, Charley?" „Freilich, Tante! Könnte ich den kleinen Hanoveraner hier nur er wischen!" „Wer weiß, der Zufall ist oft merkwürdig im Menschenleben. Was mich nur mit Todesangst erfüllt, ist der Gedanke, daß jener Mr. North London bereits verlassen hat." „Dann verfolge ich seine Spur, Tante! Ich kenne den Weg und fürchte mich nicht vor dem Lande der Briganten." „O, Charley! Charley!" stöhnte sie, beide Hände vor's Antlitz schlagend. Dann richtete sie sich entschlossen auf. „Diesen Weg werde ich selber gehen," sprach sie mit fester, klarer Stimme, „mir soll der Mörder Stand halten, denn nur ich bin in jenem Lande gefeit." Sie trat an's Fenster, um Luft zu schöpfen und stieß einen leisen Schrei aus. „Dort geht Watson, rufe ihn mir, Charley! — Jener untersetzte Mann mit der Arbeitermütze ist's! — Ah, Mr. Baxwell kommt, — er redet mit ihm, siehst Du Beide drüben vor dem Goldschmiedladen stehen?" Charley blickte hinaus, nickte, nahm seinen Hut und war im nächsten Augenblick draußen. Frau Rositta's Herz schlug zum Zerspringen, sie sah, wie Charley über die Straße eilte und vor Mr. Baxwell den Hut zog, sah das er staunte und erfreute Gesicht des alten Waffenschmieds, der ihm die Hand schüttelte, aber auch zugleich, wie John Watson sich davonmachen wollte. „Ah, Gott sei Dank!" murmelte sie, als Charley ihm die Hand auf die Schulter legte, nach einigen Worten auch Baxwell auf ihn einredete und die drei Männer jetzt rasch auf's Haus zuschritten. „Setzen Sie sich zu mir, Mr. Baxwell!" begann Frau Rositta, sich auf's Sopha niederlaffend, „und auch Ihr, Watson, nehmt Platz! Ich habe nothwendig mit Euch zu reden." Plötzlich fielen ihr die beiden jungen Mädchen ein, welche jeden Augen blick wieder eintreten konnten; sie verließ mit einer kurzen Entschuldigung das Zimmer, um Kate von der Anwesenheit ihres Vaters zu benachrichtigen und mit ihr Rücksprache zu halten, ob man ihn von der beabsichtigten Rolle, welche Marianne Bruckner spielen sollte, in Kenntniß setzen wolle.