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dieses Jahres eine nicht unbedeutende Rolle. Befürchtete man auch nicht unmittelbar drohende Lebensgefahr, so doch dauernde und unvertilgbare Folgen des hartnäckigen Uebels. Die ersten Berichte über die Behandlungs weise des englischen Arztes hätten schwerlich Vertrauen eingeflößt, wenn sie nicht gestützt worden wären durch die gutachtlichen Aeußerungen Virchows, die bei aller Reservirtheit und Objektivität doch allzu pessimistische Befürch tungen auszuschließen geeignet waren. Man freute sich dann allgemein über die ersten guten Nachrichten aus England und auch der Erholungs aufenthalt im schottischen Hochland flößte keine Bedenken ein, da man einem Halskranken nur Glück wünschen konnte, der die staubige Atmosphäre Berlins während der Sommermonate mit der reinen Luft des Waldgebirges ver tauschte. Aber es erregte Befremden und Beunruhigung, als das Befinden des Kronprinzen nach ärztlicher Entscheidung ihm nicht erlaubte, auf der Reise von England nach Südtirol einen Abstecher nach Berlin zu machen, und die Sorgen mehrten sich, als trotz des Besuches, den der Dr. Mackenzie in Toblach abstattete, ein unruhiges Hin- und Hcrtasten nach einem längeren Winteraufenthalte zu beginnen schien. Jetzt, da es feststeht, daß die Rückkehr der kronprinzlichen Familie aus Italien wohl nicht vor dem Mai erfolgen wird, glaubt man die dunkelsten Befürchtungen des vergangenen halben Jahres gerechtfertigt, und erst die Thatsache, daß der Kronprinz wiederauf dem Boden der Heimath weilt, wird im Stande sein, die Geister don dem Banne zu befreien, der gegenwärtig schwer auf Allen lastet. So wird der mittelrheinischen Zeitung berichtet. Berlin, 6. Oktober. Das hiesige sozialdemokratische „Volksblatt" erhielt aus St. Gallen folgende, auch der hiesigen „Volks-Zeitung" gewor dene Mittheilung: „Der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie ist seit gestern Abend hier versammelt. Derselbe ist sehr zahlreich aus allen Ge genden Deutschlands besucht, und ist ein großer Theil der bekannten Führer, namentlich der gegenwärtigen, und die früheren Abgeordneten erschienen: Man bemerkt unter Anderem die Herren Bebel, Liebknecht, Hasenclever, Singer, Auer, Bock, Kayser, Meister, Grillenberger, Rödiger, Geyer, Blos, Kaden u. A. m. Als ausländische Gäste sind Herr Bax aus London und Herr Dr. Adler aus Wien, ferner Frau Guillaume-Schack anwesend. Den Vorsitz des Parteitages führen die Herren Hasenclever und Singer. Die Verhandlungen dürften mindestens 3 Tage in Anspruch nehmen. Zum ersten Gegenstände der Tagesordnung: „Geschäftsbericht des Fraktionsvor standes" wird von Bebel folgende Resolution beantragt: „„Der Parteitag fordert die Genossen auf, der Flucht von Parteigenossen wegen drohender Prozesse oder Gefängnißstraien möglichst entgegenzutreten und eventuell jede materielle Unterstützung zu versagen."" Die Resolution findet einstimmig Annahme." Wie von guter Seite verlautet, ist der Plan einer Erhöhung der Getreidezölle keineswegs aufgegeben. Nur darüber soll noch Ungewiß heit herrschen, ob der Gedanke in Form einer Bundesrathsvorlage an den Reichstag herantreten wird, oder ob man es an maßgebenden Stellen vor zieht, den Konservativen die Initiative zu überlassen. Wäre eine Mehr heit für die Getreidezollerhöhung schon jetzt im Reichstage gesichert, so würde der letztere Weg, weil sür die Regierung bequemer, vermuthlich vorgezogen werden. Diese Mehrheit ist aber, angesichts der bekannten Stellung des Gros der Nationalliberalen, zu der Frage bis jetzt nicht vorhanden, sie muß erst gesucht werden, und da dies nach der Meinung der Agrarier leichter geschehen kann, wenn die Regierung von vornherein ihren ganzen Einfluß aufbietet, so mag es wohl noch dahin kommen, daß der Reichstag schon in den ersten Tagen der Wintcrsession eine Getreidezollvorlage der verbündeten Regierungen vorfindet. Bismarcks Organ, die „Nordd. Allg.Ztg.", die wohl am besten Über Friedrichsruh unterrichtet ist, feiert mit warmen Worten die Zusammen kunft des Reichskanzlers rind Crispi's als einen neuen Beweis der alter probten Freundschaft der beiderseitigen Herrscher und ihrer friedlichen Be strebungen. Der Besuch Crispi's ergab die volle Uebereinstimmung der beiden Staatsmänner in der Entschlossenheit, vereint mit Oesterreich den Frieden zu erhalten, einen europäischen Krieg nach Möglichkeit zu verhin dern und im Falle der Nothwendigkeit gemeinsam abzuwehren. Crispi hat schon 1870, als der Krieg mit Frankreich vor der Thür stand, Deutsch land einen wichtigen Dienst geleistet. Viktor Emanuel, der mit Napoleon verschwägert war und große Sympathien für Frankreich hatte, war ent schlossen, ihm zur Hülfe zu ziehen. Auch die Minister waren dafür. Da wandte sich Bennigsen (und einige andere) an Crispi, der schon damals großen Einfluß hatte, und ersuchten ihn, Italien vom Krieg zurückzuhalten. Und es gelang ihm, indem die ganze Linke des Parlaments aus dem Par lament auszutreten drohte, wenn die Regierung mit Frankreich gemeinschaft liche Sache mache. Als Deutschland siegte, marschirte das italienische Heer nach Rom und machte dieses zu seiner Hauptstadt. Crispi's Reise nach Friedrichsruh hat die russischen Blätter bitter geärgert. Als Crispi das Ministerium übernahm, waren sie voller Hoffnung, daß es nun mit der deutsch-italienischen Freundschaft zu Ende sein werde, und daß Rußland und Frankreich nun Italien in ihre Kreise würden ziehen können. Und nun sind alle ihre Erwartungen zu Schanden geworden, und auch Italien schließt sich dem Friedensbunde an, der die beiden Friedensstörer in Europa, Frankreich und Rußland, in Schach halten und zugleich die natürlichen Selbständigkeitsgelüste des frei aufstrebenden bulgarischen Volks gegen die russischen Vergewaltigungsbestrebungen be schützen will. Diese Wendung ist zu unerwartet und überraschend, als daß unsere „Nationalen" sie ruhig hinnehmen könnten! Hierbei ziehen sie natürlich auch gegen Deutschland zu Felde, welches Italien in seine Netze gelockt habe, sich in den üblichen leeren und phrasenhaften Redensarten über die mitteleuropäische „Jntrigue gegen Rußland" ergehend. All' dies Ge schreibsel ist zu bekannt, als daß es sich verlohnte, darauf einzugehen. München, 6. Oktober. Die Plenarversammlung des Generalkomitees des Landwirtschaftlichen Vereins beschloß nach langer Debatte mit großer Majorität eine Vorstellung an die Regierung um ausgiebige Zoller höhung auf landwirthschaftliche Produkte, speziell Getreide. Der Re ferent hatte nur eine mäßige Erhöhung beantragt. Wie aus München geschrieben wird, ist der Zustand des Königs Otto in den letzten Wochen ein solcher geworden, daß man einen baldigen Abschluß dieses traurigen Lebens in Aussicht nehmen muß. Der König schläft sehr viel, will nicht baden und sich nicht waschen lassen, ist über haupt völlig apathisch. — Man macht auch in Hofkreisen gar kein Hehl mehr daraus, daß sich das Befinden des Königs verschlimmert habe. Seit einiger Zeit schon fährt fast täglich Morgens eine Hofkutsche nach Fürsten ried, nach der Residenz des erkrankten Königs, in welcher der dienstthuende General-Adjutant des Prinz-Regenten, v. Freyschlag, der Polizeidirektor von München, Dr. v. Müller, und Hofrath Klug sich befinden, welche dem Regenten Rapport zu erstatten haben, wie sich der König befinde. Wie der Telegraph meldete, hat der deutsche Botschafter, Graf Münster, dem französischen Minister des Auswärtigen bereits 50,000 Mk. für die Familie des an der Grenze durch den Forstsoldaten Kauffmann getödteten Jagdgehülfen Brignon übergeben. Das Jahreseinkommen Brignon's wurde auf etwa 1200 Francs angegeben, so daß bei Abmessung des Ent schädigungsbetrags deutscherseits nicht der Maßstab des wirklich entstandenen Verlustes, sondern derjenige des wohlwollend beurtheilten Bedürfnisses der Wittwe mit ihren vier Waisen entscheidend gewesen ist. Der auch hiermit wieder gegebene Beweis, daß die Behandlung der Sache diesseits von allen kleinlichen Gesichtspunkten frei gehalten wird, trägt hoffentlich dazu bei, den unglücklichen Fall vor allen weiteren Nachwirkungen zu bewahren. Daß die französische Negierung, wie früher behauptet worden, die Bestrafung des Jägers Kauffmann als nothwendigen Bestandtheil der zu gewährenden Genugthuung betrachte, ist bis jetzt nicht bestätigt worden. Die gerichtliche Untersuchung wird deutscherseits frei und unabhängig fortgeführt, und von ihr allein wird es abhängen, ob ein strafbares Versehen, das den Unglücks fall herbeigeführt, festgestellt wird oder nicht. Paris, 8. Oktober. General Caffarel ist gestern Abend verhaftet und in das Militärgefängniß abgeführt worden. Derselbe soll vor das Untersuchungsgericht gestellt werden, da die Verdachtsgründe, daß er mit Zusagen von Ordensverleihungen Handel getrieben habe, sich erheblich ver mehrt haben. Als Mitschuldige und Vermittler werden von den Blättern General d'Andlau und der Senator Dame aus Limousin genannt. Dem in das Militärgefängniß abgeführten General Caffarel hatte der Polizei präfekt eine Falle gestellt, indem er einen Agenten als Krämer aus der Provinz, der dekorirt sein wollte, an ihn schickte. Caffarel versprach dem selben für eine bestimmte Summe den Orden der Ehrenlegion. Caffarel verfügte gegen Ende der Mmisterschaft Boulangcr's über den großen Mo- bilisirungsplan für den Kriegsfall; man befürchtet, daß er denselben mit mit Hülfe der Frau Limousin und eines bayrischen Barons Kreitmayer an das Ausland verrathen habe. Der Kriegsminister Fcrron entzog ihm die Obhut des Mobilisirungsplanes, doch war Caffarel in der Lage, den Plan der versuchsweisen Mobilisirung an Aubanel zu verrathen, mit dem er bei der Frau Limousin zusammentraf. Caffarel betrieb außerdem alle Künste eines Jndustrieritters; er verkaufte z. B. Waaren, die auf Kredit gekauft waren. Der Großfürst Nikolaus von Rußland soll an Bord deS französischen Schiffes „Urugeny", wie dem „Figaro" gemeldet wird, nachstehenden Toast gehalten habe: „Frankreich bereitet die Revanche vor; fahre es darin fort und lasst es sich nickt durch die Vexationen seines Gegners fortreißen. Auch Rußland ist nicht unthätig. Unsere ganze Familie liebt Frankreich. Der Zar richtet alle Anstrengungen daraus, das deutsche Element aus unseren höheren Kreisen zu entfernen. Binnen kurzem werden alle Hindernisse beseitigt sein und ich werde der Erste sein, mich im Falle eines Krieges in die Reihen der französischen Arme zu steilem Mein Beispiel wird von zahlreichen Russen befolgt werden." Sollte e§ wahr sein, daß der Großfürst diese Brandrede gehalten hat, so wärt es allerdings das Stärkste, was seit langer Zeit auf diesem Gebiet gekeift worden ist. Vaterländisches. Wilsdruff. Wie aus dem heutigenJnseratentheil ersichtlich, dauer! das bei den letzten Reichstagswahlen stattgefundene, so erfreuliche Ergeb' niste erzielende Zusammengehen der vereinigten Ordnungsparteien «uck f^ die bevorstebende Landtagswahl an, indem sich ein aus Vertretern verschiß dener Parteirichtungen und allen Ortschaften des Wahlkreises zusammen' gesetztes Wahlkomitee für die Wiederwahl des zeitherigen bewährten Der' treters, des Herrn Fran'z Müller in Freiberg gebildet hat. Wenn ff schon von vornherein dessen Wiederwahl als gesichert angesehen werd«" darf, so gilt es doch durch einen glänzenden Sieg zu beweisen, baß unserem Wahlkreis die Anhänger des Umsturzes in der Minderst" sind, wenn die Freunde der Ordnung zusammenhalten. Um dies aber)" erreichen, ist regste Wahlbetheiligung aller Anhänger der Ordnungsparteie" unbedingtes Erforderniß, (Wahlenthaltung kommt ja immer dem OW" zu Gute). Vor allem aber ist es nöthig, daß das Wahlkomitee bei seine"' löblichen Vorhaben entsprechende Unterstützung findet. Wir hoffen dast'- daß diejenigen unserer Mitbürger, welche feilens des Wahlkomitees ihre Mitwirkung bei den Wahlvorbereitungen werden ersucht werden, nicht ohne dringenden Grund hiervon abhalten lassen werden. — Auch an dieser Stelle machen wir die Mitglieder des GeMkist nützigen Vereins darauf aufmerksam, daß nächsten Donnerstag der er!" Vortragsabend der Saison stattfinden wird und daß den Vortrag Pastor Ficker zu übernehmen die Güte gehabt hat. — Am 2. Oktober d. I. feierte der Wilsdruffer Zweigverein Gustav-Adolf-Stiftung sein kirchliches Jahresfest in dem freundlichen Rest' schönberg. Der dasige Kirchenvorstand, welcher das Fest in bereitwillig!^ Weise übernommen hatte, versammelte sich im Pfarrhaus, um mit den ?"' Feststier erschienenen Geistlichen der Umgegend unter dem Festgeläute da schönen harmonisch rein erklingenden Glocken in das Gotteshaus zu zieh"? welches von den Frauen und Jungfrauen der Parochie ebenso reich "" sinnig geschmückt worden und von einer zahlreichen festlich gestimw" Gemeinde gefüllt war. Die Festpredigt, welche Herr?. Bürger aus Hardtswalde übernommen hatte, behandelte auf Grund von Matth. 6, das Thema: Das Liebeswerk des Gustav-Adolf-Vereins im Lichte des Vater Unser und machte durch ihren Gedankenreichthum und Tiefe auf H andächtig lauschende Gemeinde einen tiefen Eindruck. Nach dem GE dienste fand unter Leitung des Vorsitzenden des Zweigvereins Herrn Ficker aus Wilsdruff eine von ihm mit Gebet und Ansprache eröfst^ Versammlung im Saale des Gasthofes zu Rothschönberg statt, welcher" , den von nah und fern gekommenen Festtheilnehmern, unter denen wir"' Kirchenvorstandsmitglieder benachbarter Ortschaften erblickten, bis auf letzten Platz gefüllt war. Das erste Referat erstattete der Ortspfarrer V . ?. Paul, Welcker, wie er sich um das Arrangement des Festes befind verdient gemacht hatte, sich durch seine interessanten Mittheilungen über Zweck, Organisation und die Geschichte des G.-A.-Vereins den Dank Versammlung sicherte. Hierauf erstattete Herr ?. Hochmuth aus Blam stein den Jahresbericht über die Thätigkeit des Zweigvereins und zeich"^ die Bedeutung und das segensreiche Wirken leS G.-A.-Vereins in lebe vollen Bildern aus seiner Geschichte; aus dem Jahresbericht erfuhren daß die Festkollckte 62 Mk. 66 Pf. betrug, während die HauskcNH folgenden Ertrag ergaben: Wilsdruff 83 M. 80 Pf., Blankenstein 6 "st Burkhardtswalde 25 M. 50 Pf., Grumbach 30 M. 20 Pf., Limbas M., Naustadt 63, Röhrsdorf 61 M. 90 Pf., Rothschönberg A Sora 18 M. 40 Pf., Tanneberg 22 M. 50 Pf., Taubenheim 64 st 20 Pf., Unkersdorf 15 M., Weis'tropp 54 M. 83 Pf., Sa. 476 M-3^ Hiervon wurden 30 M. der Schule zu Eger, 110 M. der Liebstadt in Böhmen gegeben, 140 M. der Gemeinde Rumburg z>E°p 140 M. dem Hauptverein überwiesen. Die Festkollecte soll St. s in Lothringen erhalten. Gegen 6 Uhr erfolgte der Schluß der Vcryn lung, welche ebenso wie der Festgottesdienst durch die ganz vortressi Gesangsvorträge des BurkhardSwalder Männergesangvereins unter ver^, währten Leitung seines Liedermeisters, des Herrn Cantor Lehmann BurkhardSwalde, belebt und gehoben wurde. Bei einbrechender Dnm trennten sich die Festtheilnehmer dankbar für alle Anregung und ' ling, die ihnen in Wort und Lied geboten worden war, und wo einig in dem Bekenntniß: Es war ein schönes Fest, das dem lieben freundlichen Rothschönberg.