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^eS Barons sprach es deutlich, daß es bei ihm nicht eine leere Redensart sei. „Nur weil ich von Ihrer Flucht erfuhr, habe ich mich heute so un gewöhnlich zeitig erhoben. Gestatten Sie mir wenigstens, daß ich Sie an den Wagen begleite," und ohne die Antwort des Anderen abzuwarten, wanderte er an seiner Seite die vielen steinernen Stufen hinab. Kirschner wollte sogleich in den Wagen steigen und mit einem letzten Händedruck von dem Baron Abschied nehmen, aber dieser hielt ihn zurück: „Gönnen Sie mir noch einige Minuten. Sie kommen noch zurecht. Lassen Sie uns auf der Straße auf und ab wandern." Arnfels nahm den Zögern den unter den Arm uxd zog ihn mit sich fort. „Nun gestehen Ste mir, was treibt Sie so plötzlich hinweg?" begann der Baron sogleich. „Es gefiel Ihnen ja hier so außerordentlich und Sie wollten mir wenigstens noch vierzehn Tage Gesellschaft leisten," und als Kirschner nicht gleich antwortete, setzte er lächelnd hinzu: „oder hat dieses wunderbare Paradies mit einem Schlage all seinen Zauber verloren?" und er zeigte auf das blaue Meer, aus dem soeben die Sonne in voller Strahlen glorie cmportauchte und tausend goldene Funken über die wie im Morgen schlummer ruhende stille Ftuth warf. „Ich will nach Rom, um dort meine Studien fortzusetzen," entgeg nete der Professor ausweichend. „Wie schön es auch hier ist, ich darf mich doch nicht länger dem äolos tar nionto überlassen." „Jeder Geist will einmal ausruhen und Sie dürfen sich dies süße Nichtsthun schon noch ein wenig gönnen." Der Professor zuckte nur die Achseln, während Arnfels diesen stum men Einwurf nicht weiter beachtete und lebhaft fortfuhr: „Ich hatte mich so recht gefreut, mit Ihnen noch viel fröhliche Stunden zu verleben und jetzt besonders — ach, ich vergaß Ihnen bisher zu sagen, was Sie über raschen wird. Wünschen Sie mir Glück, lieber Freund — ich bin mit Hildegard verlobt." Der Professor blieb einen Augenblick stehen; die Nachricht, obwohl er sie eigentlich hätte erwarten können, kam ihm in der That überraschend. Der Baron hatte also kurz entschlossen sein Glück geschmiedet, während er, — er hatte Mühe sich zu einigen theilnahmSvollen Worten aufzuraffen. „Ich weiß, daß Sie mir wahrhaft freundschaftlich gesinnt sind, aber Sie dürfen auch bei mir dieselbe Gesinnung voraussetzen, und so hoffe ich, werden Sie es mir nicht als Zudringlichkeit auslegen, wenn ich fragen möchte, ob Sie nicht meinem Beispiel folgen und ein langgehegtes Vorur theil eben so rasch entschlossen wie ich über Bord werfen wollten?" Kirschner zuckte zusammen, wie ein Kranker, der an einer leidenden Stelle sehr unsanft berührt wird. „Herr Baron," preßte er abwehrend hervor und er schien nicht übel Lust zu haben, die Unterhaltung schnell abzubrechen, denn er machte auf der Stelle Kehrt und griff an seinen Hut, als wolle er von seinem Begleiter schnell Abschied nehmen. Arnfels ließ sich durch dies Benehmen nicht stören: er fuhr ohne Weiteres fort: „Seien Sie ehrlich, Professor, lieben Sie Ermengild?" Der Gelehrte konnte den Sohn der Rheinlande nicht verleugnen, er war eine offene Natur, und wenn ein Druck auf seiner Seele ruhte, dann empfand er die Sehnsucht, sich auf irgend eine Weise davon zu befreien, und wie ihn auch die Gewissensfrage anfangs etwas überraschte, ergriff er doch gern die gebotene Gelegenheit, sein ohnehin so übervolles Herz ein wenig zu entlasten. „Ja, ich liebe sie," sagte er nach kurzem Zögern, „und ich bin namenlos unglücklich. Vergeblich suche ich gegen den Sturm der Gefühle anzukämpfen, der durch meine Brust tobt, er ist stärker als ich " „Was hindert Sie dann, um die Liebe meiner Schwägerin zu werben?" „Ich kann es nicht, und wenn ich es auch wollte, was würde es mir helfen?" entgegnete der Professor kleinlaut. „Ich habe mich mit meinem Vorurtheil zu tief verrannt und kann nicht mehr zurück." „Es haben schon die bedeutendsten Geister mit den eingewurzeltsten Anschauungen gebrochen, wenn sie von einer wahren tiefen Liebe beherrscht wurden." „Ich würde vielleicht auch damit fertig werden, obwohl ich mich nicht zu den bedeutenden Geistern zählen darf, aber Ermengild ist unglücklicher Weise zweimal Zeugin gewesen, wie ich meinem tiefen Hasse gegen alles Dilettantenthum lebhaft Luft gemacht habe, nud diese Worte allein haben genügt, zwischen uns einen unübersteiglichen Abgrund zu öffnen. Wie könnte ich jetzt vor sie hintreten und sagen: ,Jch liebe Dich trotz alledem, werde mein Weib, uns trennen nicht Siriusweiten, wie ich prahlend sagte, sondern unsere Herzen sind auf ewig vereint, ich habe keine andere Sehn sucht und keinen anderen Gedanken, als Dich zu besitzen!' Würde sie nicht über meine so plötzliche Sinneswandlung lachen, und hätte sie nicht ein Recht dazu?" — Die beiden Freunde waren während dieser Unterhaltung wieder bei dem alten Kloster angelangt. Der Professor hatte in seiner tiefen leiden schaftlichen Erregung die letzten Worte sehr laut gesprochen, wußte er doch, daß der in der Nähe haltende italienische Kutscher sie nicht verstehen konnte. Die Blicke des Barons schweiften wie zufällig über das alte Gebäude hinweg und er grüßte artig hinauf; der Professor folgte ihm rasch mit den Augen und er sah noch einen lieblichen Mädchenkopf vom Fenster verschwinden, das sich leise schloß. So flüchtig auch ihre Erscheinung war, er hatte sie doch erkannt — es war Ermengild. Sie mußte ihn gehört haben, und der sonst so aufgeweckte, lebenslustige Mann war völlig fafsungslos. Was nun?! Er hatte sich damit gnadenlos in ihre Hände gegeben, in die Hände eines jungen, schwergekränkten Mädchens, das ihm setzt die ihr zugefügte Abneigung zehnfach zurückzahlen konnte. Er war in seiner Bestürzung und Aufregung keines Wortes mächtig und hatte nur den einen Gedanken, sich durch seine rasche Abreise allem Gespött zu ent ziehen. Mochte die Siegerin ihn nunmehr verlachen, er hörte es wenig stens nicht mehr; er brauchte nicht mehr ihr triumphirendes Lächeln zu fürchten, mit dem ste auf den Ueberwundenen herabsah. . . Ohne weiteres Besinnen eilte er auf den Wagen zu und dem Baron fluchtig die Hand reichend, sprang er rasch, eh' ihn dieser hindern konnte, hinein. „Fort, Kutscher!" befahl er dem Manne auf dem Bocke. „Halt!" rief Arnfels. „Noch ein Wort lieber Freund. Wie, wenn nun Ermengild Sie ebenfalls liebte und Sie mit Ihrer übereilte» Flucht nicht nur Ihrem eigenen, sondern auch einem theuren Herzen die unheil barste Wunde schlügen?!" Kirschner schüttelte ungläubig den Kopf. „Täuschen Sie mich nicht. Ich weiß, es ist unmöglich und alles zu spät! — Leben Sie wohl!" und er gab dem Kutscher, der sich fragend nach ihm umsah, einen Wink, daß er jetzt sein Gefährt in Bewegung setzen möge. Da ließ sich von der Treppe des Klosters eine Stimme vernehmen. „Wollen Sie wirklich fort — und ohne Lebewohl?!" Kirschner blickte, keines Wortes mächtig, in die Höhe. Es war Ermengild, die in ihrem Hellen Morgenkleid wie ein lieblich Götterbild dastand. Mit einem Satz war der Professor aus dem Wagen; er flog die Stufen hinauf und im nächsten Augenblick ruhte das herrliche, angebetete Mädchen selig lächelnd an seiner Brust. . . „Der Herr wird heut noch nicht abreisen," wandte sich der Baron zum Kutscher, der mit der raschen Fassungsgabe des Ita lieners den räthselhaften Vorgang schnell zu begreifen schien und mit schlauem Lächeln von seinem Bock herunterstieg. „Kannst Du mir verzeihen, Ermengild?" fragte der Professor und blickte ihr tief in die strahlenden Augen. , „Alles, geliebter Mann, und wenn Du willst, verzichte ich »» meine Kunst, obwohl ste mich bisher so glücklich gemacht hat." , „Nein, Du sollst sie weiter treiben, mir und Dir zur Freude. War ich vorhin sagte, ist Wahrheit — uns trennen nicht SiriuSweitcn, >» unsern Herzen ruht ein und derselbe Himmel. . ." „Der nie wieder daraus verschwinden soll, nicht wahr?" Nie!" — Sie haben Wort gehalten, die Glücklichen. Sowohl die Ehe deS Barons wie die des Kunstgelehrten war voll Frieden und Sonnenschein, trotzdem die Gefährtinnen ihres Lebens Dilettanten waren und blieben. Seine Freunde lächelten wohl zuweilen über den Professor, der aus dem Saulus ein Paulus geworden und der die Gemälde seiner Gattin aufrichtig bewunderte, aber man begriff auch, wie der Besitz dieser schönen, liebenswürdigen Frau in ihm diese große Wandlung hervorgebracht hatte. Sie gab ihm, trotzdem sie auf ihren vielen Reifen fleißig Stift und Pinsel führte, zu allen Zeiten Licht und Leben. Vermischtes. * Von der Schneekoppe, 16. Juli, wird der „Nat.-Ztg." tele- graphirt: Gestern Nachmittag 4 Uhr entlud sich längs des Hochgebirges j ein wolkenbruchartiger Regen niit Hagelwetter und sehr starkem Gewitter In kurzer Zeit wurden die Gräben zu Flüssen, die das Wasser zu Thäle jagten. Der Westflügel des Riesengebirges wurde besonders stark getroffen; Elbe, Zacken und Kochel waren schon Vormittags beim Gewitter gestiegen, Nachmittags waren die Ufer voll. Die Schleuße beim Zackenfall zerbrach und das Wasser rann mit ungehemmter Kraft majestätisch nach der Tieft. Am nächsten Morgen lagen oberhalb der alten schlesischen Baude noch 10 Centimeter hoch die Hagelkörner. Bei der Petersbaude wurden an der Telegraphenleitung Feuerkugeln während des Gewitters beobachtet, der Koppcnplan erschien vom Hagel weiß. Auf der Schneekoppe war der Re gen derart, daß der Hausflur unter Wasser war. Die Ortschaften Schle siens und Böhmens erlitten zahlreiche, oft zündende Blitzschläge; die Bau- denwirthe versichern, daß seit zehn Jahren kein solches Gewitter dagewesen ist. * Vom Blitz erschlagen. Während der Beerdigung einer Negerin auf dem Friedhof in Mount Pleasant, 60 Meilen südlich von Nashville in Teneffee, am Dienstag entlud sich ein Gewitter und die Menschen menge suchte ein Obdach unter den Bäumen. 9 Personen standen unter einer großen Eiche, in welche der Blitz cinschlug, wodurch Alle auf der Stelle getödtet wurden. Es befanden sich unter ihnen drei Geistliche und die Mutter, sowie zwei Schwestern des Mädchens, welches beerdigt wor den war. Ein Ereigniß von erschütternder Tragik hat sich in Nagy-Maros, wie aus dieser anmuthigen Sommerfrische berichtet wird, in der Nvcht zm» 13. ds. abgespielt. Ein junges und schönes Weib ist die Heldin dieser Tragödie. Julie Niedermüller war die hübsche Tochter eines Nagy-Ma- roser Landwirthes; vor drei Jahren hatte ihr ein Bursche Herz und Kop! bethört. Sie ward Mutter. Dem Gespött ihrer engeren Heimath zu ent gehen, nahm sie in Budapest Dienst und ließ das Kind bei ihrer Mutter in Pflege zurück. Vor anderthalb Monaten verlor Julie Niedermüllcr ihren Dienstbosten und zog zu ihren Eltern zurück; diese sind redlich« Bauersleute, die derzeit das Loos der meisten Nagy-Maroser Insasse» theilen, sie haben mit Noth und Sorge zu kämpfen, seitdem die Phylloxer» die Weingärten verheert hat und dadurch die einzige Erwerbsquelle für ki« Bevölkerung, der Trauben-Export nach Deutschland, versiegt ist. Gleichwohl nahmen die Eltern ihre heimgekchrte Tochter herzlich auf. Julie fühl» sich aber ungeachtet dessen unbehaglich im elterlichen Hause. Sie sah und fühlte, daß sie den Eltern zur Last falle, daß sie und ihr Kind deni oc» schwerer Sorge heimgesuchten Haushalte eine doppelte Bürde seien. Wohl mag auch von Seite der Mutter vielleicht ein herbes Wort darob gefall«» sein, und dies im Verein mit dem Umstande, daß das Mädchen im Kreist der Altersgenossen nicht eben herzlich empfangen ward, brachten in des unglücklichen Wesen einen entsetzlichen Entschluß zur Reife. Sie beschlO sich und ihr Kind zu tödten. Daß sie eine Todesart von wahnwitzigste Grausamkeit wählte, mag als Beweis dafür angesehen werden, daß ihrt«' Kummer den Geist umnachtet hatte. Eines Abends, als es schon dunkelt nahm sie ihr Kind und verließ damit das Elternhaus. Sie zog auf «is Anhöhe, richtete daselbst aus Reisig einen Scheiterhaufen auf, begoß dies«» mit Petroleum, das sie in einer Flasche mitgenommen hatte, und zünd«» das Ganze an. Als die Flammen emporloderten, warf sie sich und Kind auf den prasselnden Scheiterhaufen, woselbst beideverbrannten, andern Morgen wurden die beiden Leichen daselbst in entsetzlich verkohlt«»' Zustande aufgefunden. Der tragische Vorfall hat in der Nagy-Maros«' Bevölkerung die tiefste Theilnahme erregt. * Am Sonntag Abend war eine junge, elegant gekleidete DaM«.'" Gesellschaft eines Herm, der sich für ihren Gemahl ausgab, von W»» kommend, in einem Hotel in Frankfurt a. M. abgcstiegen, Als am Mo»' tag Nachmittag das Paar in seinem Zimmer ein wenig ausruhen wollt«- erschien in dem Hotel ein älterer Mann in Begleitung eines jünger«»' sie verlangten den angeblichen Gemahl der Dame zu sprechen. Man sähst sie bis vor die Thüre des betreffenden Zimmers. Ehe aber noch der D« ner des Hotels die beiden anmelden konnte, waren Letztere bereits in höchst« Erregung eingetreten. Der alte Herr stürzte sich auf die auf einem Di»»" ruhende Dame, riß sie empor und schrie sie an. Inzwischen hatte sich A Begleiter des alten Herrn mit dem angeblichen Gemahl beschäftigt. A hatte ihn an der Brust gefaßt und auf einen Sessel gedrückt, wo er niederhielt. „Schurke! Räuber meiner Braut! Mörder meines Glückt und Aehnlichcö schrie er so laut, daß die im Hotel anwesenden Fcew^«" zusammenliefen. Der Mann wäre von dem Bräutigam erwürgt wort«»- Hütte nicht der Hotelbesitzer die Kämpfenden auseinandergebracht. Nach»« , die Ruhe einigermaßen hergestellt war, mußte der Inhaber des ZimE an den Vater des Mädchens den Inhalt einer Brieftasche, noch «^ 19,600 Mark in österreichischem Geld, den die Tochter dem Vater «» wendet und ihrem Entführer anvertraut hatte, herausgeben. Die Toch' und Braut wurde gezwungen, ihrem Vater und Bräutigam noch an E selben Abend nach Wien zu folgen. Anhalt von Nr. S8 deS praktischen Rathgeber Obst und Gartenbau. Das Kappen der Tragruthen beim Weinstocke von Pastor Seipst« R. Kallee, Hruschka, A. Bombe. — Der Blattwickler, Frhr. v. Sch«"' Seehaus am Bodensee (Schluß.) — Zur Vertilgung der Blattläuse, Lübeck, Spittel-Kamenz. — Die Anforderungen der Konservenfabrik»» an die Obstzüchter, H. Schlegel, Oestrich a. Rhein. — Erdbeersaft,^ Müller, Bensheim a. d. Bergstraße. — Die schönsten Rosen und » Pflege. — Beitrag zur Champignonzucht, Kgl. Hofgärtner Goitgst'^ Rheinsberg (Schluß). — Zur Bienenzucht. Korb oder Kasten? —Km - Mittheilungen. — Des Rathgebers Spargelpreise. — Briefkasten. — RE « i