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einen Winkel des Coupes zurückzog, ohne den Eindringling eines Blickes zu würdigen, obwohl er ibn heimlich zu mustern suchte. Der junge Bursche gefiel ihm gar nickt, er hatte weder in seiner äußeren Erscheinung noch in seinem ganzen Wesen etwas Vornehmes, und der Gutsbesitzer begriff nicht, wie sich dieser freche, rotbhaarige Mensch, der eher einem herunter gekommenen Handlungskommi« als einem Gentleman ähnlich sah, sich in ein Coups erster Klasse verirrt batte. Gewiß war es die Eitelkeit gewesen, die den unreifen Burschen verlockt, für seine Reise einen solch bevorzugten theuren Platz zu wählen. Der unverschämte Patron schien mit seinem erfochtenen Siege sehr zufrieden; er blickte bald triumphirend auf Hartmannsdorf, bald wieder zum Fenster hinaus. Die Signalglocke hatte schon zum zweitenmale ge läutet, da mußte der junge Mensch plötzlich einen Bekannten entdeckt haben, denn lebhaft mit den Händen Zeichen gebend, schrie er sehr laut hinaus: „Hierher, lieber Baron, hier ist noch Platz!" — und im nächsten Moment wurde die Thüre wieder aufgerissen und ein dritter Reisender stürzte herein. Hartmannsdorf wollte seinen Augen nicht trauen — der neue An kömmling war der graubärtige Mann, den er schon vor dem Fenster des Bankiers und dann vor dem Hotel bemerkt hatte. War das ein bloßer Zufall? Oder verbarg sich dahinter eine schlimme Absicht? War das plötz liche Eindringen der Beiden ein abgekartetes Spiel und war das Ganze aus einen Raubanfall berechnet? Der Gutsbesitzer mußte jedoch im nächsten Augenblicke über seine auf geregte Phantasie selbst lächeln. Der alte Herr, den der Rothhaarige mit „Herr Baron" angeredet, sah jetzt gar nicht so reduzirt aus, als es ihm vor dem Fenster des Bankiers in der Dämmerung vorgekommen war. Nach seiner Haltung gehörte er zweifellos den bessern Ständen an, auch die vornehme Zurückhaltung, mit der er den jungen Burscken behandelte, be wies, daß er sich über seinen Mitreisenden überlegen fühlte. Als sich der Zug in Bewegung setze, erschien der Schaffner noch einmal am Fenster, um von den beiden hinzugekommenen Passagieren die Billets abzufordern. „Ich konnte es leider nicht hindern," flüsterte er Hartmannsdorf zu, und dieser entgegnete: „Dann halten Sie wenigstens mit dem Andern Wort." — „Ganz gewiß," versicherte der Schaffner und er verschwand wieder vom Fenster. Bald war die Lokomotive aus dem Schienengewirr des Bahnhofes hinausgekommen und nun dampfte sie mit jener Schnelligkeit vorwärts, wie sie eben nur ein Expreßzug entwickeln darf. (Schluß folgt.) WernrisehteS * Eine Blutt hat schrecklicher Art wird aus Elterlein gemeldet und bat dort die Einwohnerschaft in einen Zustand furchtbarer Aufregung versetzt. Am Freitag Nachmittag gegen 3 Uhr hat der Handelsmann Joh. Gottlieb Mehlhorn seiner IZ^jährigen Tochter Rosa Marie mit einer Hacke die Schädeldecke zertrümmert und sich sodann selbst einen Schnitt in die Kehle beigebracht, ohne jedoch seine Absicht, sich das Leben zu nehmen, zu erreichen. Der Zustand der Tochter scheint ein hoffnungsloser zu sein. * Blutiges Spiel. In Ilfingen (Schweiz) spielte die Dorf jugend Theater. In dem zur Aufführung gelangenden Stücke kommt ein Selbstmord vor. Den Revolver, der hierzu benutzt werden sollte, hatte ein unvorsichtiger Mensch geladen, und so wurde das Spiel zur blutigen Wahrheit. Der unfreiwillige Selbstmörder, der sich mit der unglückseligen Waffe eine Kugel durch den Kopf jagte, war ein hübscher achtzehnjähriger Jüngling. * Als Kaiser Wilhelm einst gefragt wurde, wie es komme, daß gerade die Kornblume sein Liebling sei vor allen Blumen, erzählte er fol- gendes Ereigniß aus seiner Kindheit: „Als meine Mutter mit mir und UU meinem Heimgegangenen Bruder von Königsberg nach Memel floh in jener W U, schweren Zeit zu Anfang unseres Jahrhunderts, traf uns ein Mißgeschick, W daß ein Rad des Wagens in freiem Felde zerbrach. Ein Ort war nicht U U zu erreichen, wir setzten uns an einen Grabenrand, während der Schaden, U s) so gut es eben gehen wollte, ausgebessert ward. Mein Bruder und ich W wurden durch diese Verzögerung müde und hungrig, und besonders ich, UW der ich ein kleiner schwächlicher, zarter Bursche war, machte meiner theuren Mutter viel Noth mit meinen Klagen. Um unseren Gedanken eine andere Richtung zu geben, stand die Mutter auf, zeigte uns die vielen schönen blauen Blumen in den Feldern, forderte uns auf, davon zu sammeln und ihr dieselben zu bringen. Dann wand sie Kränze davon, und wir schauten mit Freuden ihren geschickten Händen zu. Dabei mochte der Mutter wohl die ganze traurige Lage des Landes, ihre eigene Bedrängniß und die Sorge um der Söhne Zukunft wieder einmal schwer aufs Herz fallen, denn lang sam rann aus ihren fchönen Augen Thräne um Thräne und fiel auf den Kornblumenkranz. Mir ging diese Bewegung meiner treuen Mutter tief A h zu Herzen; meinen eigenen kindlichen Kummer vergessend, versuchte ich sie durch Liebkosungen zu trösten, wobei sie den von ihren Thränen glänzen- den blauen Kranz mir auf's Haupt setzte. Ich war damals zehn Jahre alt, doch ist mir diese rührende Szene unvergeßlich geblieben, und erblicke ich jetzt im hohen Alter die liebliche blaue Blume, so glaube ick, die Thränen der treuesten aller Mütter darin erglänzen zu sehen, und liebe sie deshalb" » wie keine andere." * Der in San Franzisko von China und Japan eingetroffene Dampfer „Belgie" bringt Nachrichten über einen entsetzlichen Vorfall, der sich in His-ip-shib bei Hankow in China ereignete. Als 300 Landstreicher in dem Orte erschienen, lockten die durch deren Anwesenheit stark belästigten Einwohner die gesammte Schaar in einen Tempel und zündeten ihn wäh rend der Nacht an. Nur 40 von den Landstreichern kamen mit dem Leben davon, alle übrigen verbrannten. * Der Herings fang hat dies Jahr sowohl an der deutschen Küste von wie an den schwedisch-norwegischen Küsten ein so ungeheures Ergebniß Lomm geliefert, wie noch nie im letzten Jahrzehnt. Nach den Berichten der Fischerei beamten zu Gothenburg sind bis zum 5. Februar 223,316 Kubikfuß oder etwa 327,000 Tonnen im Verkaufswerthe von 637,031 Kronen gefangen worden. Früher mußten häufig große Quantitäten von Heringen, welche Wsd nicht verkauft werden konnten, unentgeltlich als Dünger abgegeben werdm. Jetzt geht man damit um, Fischfutterkuchen fabrikmäßig herzustellen. Dresden, 1. April. (Getreidepreise.) An der Börse: pro 1000 I Kilogramm: Weizen, weiß 166—170 M., Weizen, braun 164—168 Mk., Korn 128—131 Mk., Gerste 130—145 Mk. Hafer 113-118 M. — Auf dem Markte: Hafer pro Hektoliter 6 Mk. 80 Pf. bis 7 Mk. 75 Pf. Kartoffeln 4 Mk. — Pf. — bis 4 Mk. 40 Pf. Butter 1 Kilo- und I gramm 2 Mk. — Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. Heu pro Centner3Mk. — I Pf. bis 3 Mk. 60 Pf. Stroh pro Schock 31—33 Mk. I Schuhmacher. Ein tüchtiger Bchuhmachergeselle findet dauernde Arbeit und guten Lohn bei Moritz Vbert in Braunsdorf. eöenfa Loo Meri über entbm Ordni zu ers , schuld Y' glaubt Comm Beamß > zufindl