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Abneigungen Beachtung schenken? Spricht denn immer nur ein Mensch mit offenem, ehrlichem Gesicht die Wahrheit? Es kann Lebenslagen geben, in denen der Ehrlichste zum gemeinen Lügner herabsinkt und der elendeste Heuchler ungescheut mit der Wahrheit hervortritt. Und gegen die Glaub würdigkeit dieses Zeugen walteten nicht einmal die mindesten Bedenken ob. Er war ein unbescholtener Mann und hatte die Generalfragcn verneint, also kein persönliches Interesse an dem Ausgange der Untersuchung. Den noch war diese Aussage eigenthümlich. Wie kam der Kammerdiener an das Fenster des Scholzenhauses? Als der Gerichtsrath diese Frage stellte und dabei seine Augen durchdringend ans dem Gesicht des Zeugen ruhten, spielte ein etwas verlegenes Lächeln um die welken Lippen des Mannes. Er versuchte zu erröthen und erzählte dann mit der ganzen Verschämtheit eines alten Junggesellen: „Helene Schwarz, die Verwandte des Scholzen, ist meine Geliebte; ich wollte sie besuchen und schlich erst um's Haus, um zu sehen, ob ich sie treffen würde. Ich blickte auch durchs Alkovenfenster und sah Helene eingeschlafen im Winkel sitzen. — Schon wollt' ich leise klopfen, da hört' ich die Thür gehen und sah Bertha in den Alkoven treten; ich duckt' mich nieder, damit sie mich nicht bemerken könnt', und ick schielte nur nock mit den Augen in die Kammer. Bertha hatte eine Tasse in der Hand; sie blickte sich erst scheu im Zimmer um, dann trat sie dicht an Helene heran, als wollt' sie sich überzeugen, daß sie fest schlief, und nun zog sie geschwind ein Fläschchen aus ihrer Tasche und trat an die Wiege. Ich reckte den Kopf wieder etwas höher; mir ahnte nichts Gutes — ich sah, wie sie sich über das Kind hinwegbeugte und ihm jetzt Etwas einträufelte. — Schon wollt ich ihr zurufen, da war sie bereits in der Kammerthür ver schwunden" ... Benno Greiner hatte mit großer Lebhaftigkeit erzählt und seine Aus sage mit entsprechenden Bewegungen der langen Arme begleitet. — Es war, als ob er noch einmal am Fenster des Scholzenhauses stände und mit den grauen, stechenden Augen die Vorgänge im kleinen Zimmer verfolgte. Der Gerichtsrath blickte einen Augenblick nachdenklich vor sich hin. Er hatte bisher in die Schuld Bertha's keinen Zweifel gesetzt, und eigen thümlich genug, gerade als ihm die überzeugendsten Beweise von der Rich tigkeit seiner Annahme in die Hände geliefert wurden, begann er zu schwanken. Dieser plötzliche Umschlag seiner Meinung war ihm selbst unerklärlich — er konnte sich darüber keine Rechenschaft geben — es war nur ein dunkler unbegründeter Zweifel gegen die Ehrlichkeit dieses Mannes, und solch' launenhaften Einflüsterungen unbestimmter Vorurtheile durfte er als Rick ter nicht nachgeben; er rüttelte sich aus seinem Nachsinnen hastig auf und blickte in das Antlitz des Kammerdieners. Dieser mußte ven raschen Auf blick des Gerichtsrathes nicht erwartet haben, — ein hämisches, triumphi- rendes Lächeln hatte um seine Lippen gespielt, und vergeblich suchte er augenblicklich sein gelbes, blasses Gesicht in ernstere Falten zu ziehen. Der Gerichtsrath hatte dies Lächeln schon bemerkt; sein Widerwille gegen den Zeugen regte sich von Neuem. „Sie hassen Bertha Lindner, nicht wahr?" fragte der Gerichtsrath mit scharfer Stimme und verwandte keinen Blick von dem Kammerdiener, der sich durch diese Frage nicht außer Fassung bringen ließ. „Wir sind in ein und demselben Dienst," entgegnete Benno Greiner ruhig; „da sind Reibungen unvermeidlich," setzte er achselzuckend hinzu; „aber fragen Sie die Kleine selbst, ich,hab' ihr nie ein böses Wort gesagt — da bin ich doch zu no—" Er stockte und wollte das stolze Wort nicht vollenden. „Zu nobel, wollten Sie sagen," ergänzte der Gerichtsrath, und sein Blick, "der jetzt über die lange Gestalt des Kammerdieners hinwegstreifte, war nicht ohne Ironie. Das häßliche Gesicht des Kammerdieners färbte fick dunkler; der Blick des Rathes hatte ihn empfindlich getroffen, denn er war sich bewußt, in vornehmer Haltung mit jedem Edelmann wetteifern zu können; aber wie ein Reptil, das tödtlich getroffen und dennoch seinen Feind nicht erreichen kann, sich nur um so geschmeidiger krümmt, so verbarg auch diese Bedien tenseele ihre Wuth hinter noch größerer Freundlichkeit. „Verzeihen Sie, Herr Gerichtsrath, daß ich einen unpassenden Aus druck gebraucht, der sich freilich für Bedienten nicht schickt; aber ich wollte nur sagen, daß ich viel zu gutmüthig bin. Ich mag kein Kind beleidigen; das wissen sie Alle im Schloß, daß ich jedem ernstlichen Streit aus dem Wege gehe, und gegen die Kleine habe ich nickt den mindesten Haß." Er hatte dies Alles rasch und in der unterwürfigsten Weise hervorgebracht, und bei den letzten Worten legte er zur Betheuerling seine Hand auf die Brust. ' (Fortsetzung folgt.) Landwitthschaftliches. Wasserfurchen und Gräben. Die Wasserfurchen haben den Zweck, das überflüssige Wasser aufzunehmen und so schnell als möglich vom Acker zu entfernen. Namentlich bei plötzlichen Regengüssen und bei massenhaftem Aufthauen des Schnees sollen die Wasserfurchen das dadurch angesammelte Wasser so schnell als möglich in sich aufnehmen und, ohne dem Acker durch Einreißen von Furchen und Abschwemmen des Bodens Schaden zu thun, vom Acker wegführen. Um dies in vollkommener Weise möglich zu machen, müssen — wie der „Praktische Landwirth" ausführt — die Furchen selbstverständlich nicht nur an den niedrigsten Stellen des Ackers angelegt werden, sondern sie sollen auch so hergestellt sein, daß das Wasser überall so rasch als möglich in sie hineinfließen kann, also derart, daß die Furchenränder niedriger sind, als das daran liegende Erdreich. Gegen den letzteren, zweifellos richtigen Grundsatz wird, wie man sich täg lich durch den Augenschein überzeugen lann, nock sehr oft gesündigt. Man kann im Allgemeinen behaupten, daß man die Ränder der Wasserfurchen höher macht, als diejenige Fläche ist, von der das Wasser in erstere hinein fließen soll; man macht eben nur in gewissen Entfernungen Oeffnungen durch die Furchenränder, damit durch diese das Wasser in die Furchen gelange. Das Verkehrte dieses Verfahrens leuchtet auf den ersten Blick ein, da es seinem ursprünglichen Zwecke vollständig zuwider ist; soll dieser erreicht werden, dann müssen die Wasserfurchen, nachdem sie aufgeackert worden, mittelst der Schippe nicht nur eine glatte Sohle erhalten, sondern es müssen auch die Ränder nach beiden Seiten hin mit dem daran an- stoßenden Acker in der Art gleich gemacht werden, daß sie sich allmählig nach der Sohle hin verflachen, daß also gewissermaßen Mulden statt Gräb- i chen gebildet werden. Was von den Wasserfurchen gesagt wurde, gilt auch ! von den Gräben, gleichviel ob diese schmal oder breit, tief oder seicht find. Grabenränder, wie man sie noch sehr häufig sehen kann, sollten nicht ge duldet werden, da sie — dem Hauptzwecke der Gräben entgegen — den Zufluß verhindern, statt ihn zu fördern. Aber auch davon abgesehen, sind diese Dämme längs der Gräben für die daranstoßenden Ländereien in den meisten Fällen außerordentlich schädlich, weil sie die Brutstätten der schlimm sten Unkräuter und des schädlichsten Ungeziefers sind. Wer hätte nicht schon Gelegenheit gehabt, zu beobachten, daß in ihnen Mauseloch an Mause loch sich findet, und daß sich auf ihrer Oberfläche gerade die Unkräuter gem ansiedeln, gegen die der Landwirth mit Energie zu Felde zu ziehen alle Ursache hat. Ist es in den meisten Fällen auch nicht zu vermeiden, s daß beim Räumen der Gräben der Auswurf an den Grabenrand geworfen wird, so sollte er doch, sobald es die anderweitigen Wirthschaftsarbeitcn gestatten, weggefahren und zu anderen Zwecken, namentlich aber zur Anlage von Composthaufen verwendet werden. Straßenkehricht als Dünger. Die Abfälle in der Stadt ent halten so viele werthvolle Dungbestandtheile, daß sie der höchsten Beachtung wcrth find. Der Straßenkehricht besteht außer den Abfällen von Thicren u. s. w. aus dem feinen Staube der abgenutzten Steine. Alle Pflaster steine enthalten Alkalien, alkalische Erden u. s. w., und somit führen wir unserem Boden durch den Abraum diese Pflanzennährstoffe zu. Und daß das Quantum an Pflanzennährstoffen in dem Abraum ein wirklich recht bedeutendes ist, beweisen die Analysen. Nach denselben befinden sich in 1000 Pfund trockenen Abraums an düngenden Substanzen 120 Pfund Kalk, 10 Pfd. Magnesia, 6 Pfd. Phosphorsäure und 2,5 Pfd. Stickstoff- Ganz gering berechnet, beläuft sich der Geldwerth dieser Dungstoffe auf 3,50 bis 4 M., per Fuder also (20 Ztr.) auf 7—8 M. Als Beweis für den Werth des Abraum kann nock das folgende Beispiel aus der Praxis dienen: Als die Akademie in Waldau gegründet wurde, mußte die Chausseeverwaltung für die Fortschaffung des Abraums Leute und Wagen stellen. Die damalige Administration, den Werth dieser Dungmaffe ken nend, erbot sich dann, das Wegfahren des Abraums, wenn die Chaussee verwaltung die Leute stellen wollte, selbst zu übernehmen, worauf gern eingegangen wurde. Nach Verlauf einiger Jahre unterließ die Chaussee- verwaltung aber auch das Stellen der Leute, so daß Derjenige, der den Abraum haben wollte, ihn auf seine Kosten zusammenbringen und fort fahren lassen mußte. Jetzt genügt das alleinige Stellen von Leuten und Wagen nicht mehr, sondern es muß noch die Erlaubniß zum Fort schaffen eingeholt werden, da sich mehrere Bewerber um denselben gefunden haben, und diese Bewerber sind sämmtliche kleine Landwirthe der Gegend. Und gerade für den Sandboden, dem es an Bindungsmaterial fehlt, ist solcher Abraum besonders wichtig; durch denselben wird solcher Boden in einer so vortheilhaften und dauernden Weise verbessert, wie dies auf anderen Wege kaum je erreicht wird. Sind deshalb auch die Kosten der Beschaffung immerhin nicht gering, so unterlasse man dennoch nicht, sich das Material nutzbar zu machen. Große Vortheile sind stets damit ver bunden. Vermischtes * Auf der in Leipzig stattgefundenen Internationalen Ausstel lung für Volksernährung erhielten Dr. Koch's Fleisch-Pepton-Prä- parate als höckste Auszeichnung den Ehren-Preis der Stadt Leipzig. Die Jury, sowie die in großer Anzahl anwesenden Civil- und Militär- Behörden prüften mit großem Interesse Dr. Koch's Pepton-Bouillon, wo von zwei Theelöffel voll eine Tasse wohlschmeckende, wirklich nahrhafte Fleischbrühe geben. Die Vertreter des Kriegsministeriums, (welche Probe sendungen bestellten), erkannten des Weiteren den hohen Werth von Dr. Koch's Bouillon-Tafeln im Felde besonders an, da eine solche, nur 100 Gramm schwer, unter Zusatz von Kochsalz 5 Liter äußerst nahrhafte Fleischbrühe ergiebt. Hat der Soldat keine Zeit zum Abkochen, so kann er die Bouillon-Tafel auch roh essen, was ein unschätzbarer Vortheil dieser Tafeln gegenüber anderen Fleisch-Extracten ist, welche bekanntlich keinen Nährwerth haben, sondern nur den Geschmack der Speisen verbessern. Obige hervorragende Auszeichnung beweist, daß bei den Präparaten von Dr. Koch's Fleisch-Pepton deren hoher Gehalt an peptonisirten Eiweis — die wirkliche Nährsubstanz des Fleisches — voll gewürdigt wurde. * Die bekannte Firma Gebr. Stollwerck in Köln war auf der In ternationalen Ausstellung für Volksernährung in Leipzig mit Chocolade und Puder-Cacao vertreten, und errang auch hier mit dem Ehrenpreise der Stadt Leipzig nebst Medaille die höchste Auszeichnung. Die sorgfältige Fabrikation der Chocoladen, welche auch bei den billigsten Sorten grund sätzlich beobachtet wird, wurde von dem Gesichtspunkte besonders anerkannt, daß gute reine Chocolade eines der nahrhaftesten Genußmittel sei, welches sich für verallgemeinerten Gebrauch aller Volksklasfen eigne. " Aufsehen erregt in Basel die Verhaftung eines Weinhändlers mit Gehilfen. Seit Jahr und Tag sah man bei diesem Weinhändler immer Wein aufladen und wegführen, aber nie — zuführen undabladen. Das erregte Verdacht, Weinkäufer machten Anzeige über gefälschte Weine, und es erfolgte die Verhaftung. Die Polizei hat nun ihre Fangarme über alle Weinhändler der Stadt geworfen und überraschende Resultate zu Tage gefördert. * Aus der Wahlzeit, von einer Mutter eingesendet. Kind zm» Vater, der sich ankleidet: Wo willst Du denn hin? Vater: Zur Wahl- Kind: Was ist denn Wahl? V.: Da wird Jemand gewählt, der nach Berlin geht. K.: Wohl ein Verrückter? V.: Warum denn ein Ver- ! rückter? K.: Im Liedchen heißt es doch: Du bist verrückt, mein Kind, Du mußt nach Berlin! * Wort gehalten. Gcldausleiher: „Sie haben mir doch schon i vor Jahr und Tag versprochen, daß ich der Erste sein soll, den Sie be zahlen!" — Student: „Hab' auchs mein Wort gehalten, bis jetzt hat noch Niemand von mir Geld bekommen!"