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Wahlparole für alte Soldaten. Die von dem um seines langjährigen uneigennützigen patriotischen Wirkens auf dem Gebiete der deutschen Krieger-Vereins-Bewegung hoch geachteten und verehrten Hofrath Dinckelberg in Sondershausen in durch aus vaterländischem Sinne redigirte und in allen deutschen Krieger-Vereins kreisen das höchste Ansehen genießende „Deutsche Krieger-Ztg." giebt für die jetzige Reichstags-Wahlcampagne die nachstehende, weiteste Verbreitung durch die Tagespresfe verdienende Parole aus: Kameraden! Deutsche Waffenbrüder in Ost und West, Nord und Süd des geeinigten deutschen Reiches! Wir kennen keinen religiösen Hader und treiben in unseren Krieger- und Kampsgenossen-Vereinen keine Partei politik, fragen nicht, ob der Kamerad an unserer Seite Jude oder Christ, Katholik oder Protestant, ob er Conservativer oder Liberaler ist. Aber wir traten und halten fest zusammen zu dem Zwecke, Vaterlandsliebe zu pflegen, den monarchischen Staatsgedanken lebendig zu erhalten, dem Kaiser und unseren Landesherren die alte Soldatentreue zu wahren und jederzeit zur Stelle zu sein, wenn ein innerer oder äußerer Feind cs wagen wollte, Hand anzulegen an dem großen deutschen Einheitsbaue, für wel chen wir gekämpft und zum großen Theil gelitten und geblutet haben. Ein solcher Augenblick ist jetzt gekommen, und wir würden uns einer un verzeihlichen Pflichtverletzung schuldig machen, wollten wir das nicht erken nen und nicht darnach handeln. Furcht vor den Verwünschungen derer, welchen unsere patriotischen Vereine ein Dorn im Auge sind und deren Kraft gern in Vergnügungen und Schaugepränge lahm legen möchten, darf Niemanden unter uns lau und feige machen, unsere Vorbilder in der Vaterlandsliebe sind andere Männer, die Sterne, zu denen wir gläubig, vertrauensvoll und opferfreudig aufschauen, sind unsere Führer auf dem Felde der Ehre, sind unsere Fürsten, sind Kaiser Wilhelm, Bismarck nnd Moltke. Die Tage, in welchen wir stehen, sind ernst, und die Kriegslust unseres westlichen Nachbars kann nur im Zaum gehalten werden, wenn cr sieht, daß wir uns besser rüsten. Kommt es zu einem Kriege, so haben wir unsere Haut zuerst wieder zu Markte zu tragen oder unsere jüngeren Brüder oder, da gesunde Väter meist auch gesunde Kinder zu haben Pflegen, unsere Söhne, nicht jene Herren Parteiführer, welche im Reichstage zumeist gegen die neue Militärvorlage gesprochen, welche aber nicht die Ehre gehabt haben, den Rock unseres Kaisers zu tragen, geschweige denn Pulver zu riechen. Und wo ein alter Soldat jenen Führern folgt, kann nur, wofern die militärische Vergangenheit desselben makellos ist, der Grund sein Unkenntniß nnd augenblickliche Verirrung. Jene heben und diese heilen und helfen, ist aber unsere patriotische Pflicht. Unser ganzer kameradschaftlicher Zusammenschluß, die große kampf- und opferreiche Ar beit, welche die Organisation unserer großen Kriegerverbände gekostet hat, wäre keinen Pfifferling werth, unsere patriotischen Bestrebungen wären leeres Gewäsch, unsere Statuten mit der Losung: „Mit Gott für Kaiser und Reich! für Fürst und Vaterland" wären Flittergold und innere Un wahrheit, wenn wir in solcher ernsten patriotischen Frage, wie sie jetzt vorliegt, nicht Farbe bekennen, nicht unseren Patriotismus bethätigen woll ten. Schon einmal an dieser Stelle forderten wir die deutschen Kamera den zu reichstreuen Wahlen auf, es war, als Bubcnhände das ehrwürdige Antlitz unseres unaussprechlich geliebten Kaisers bluten gemacht hatten, jetzt hat ihm, wie er selbst gesagt, das Herz geblutet ob der verneinenden Haltung der Reichstagsmchrheit, und da, denken wir, werden die alten Soldaten Arm an Arm zufammenstehen, um auch diese Wunde heilen zu machen und mitzuhelfen, daß unserem Kaiser Wilhelm zur Vollendung seines neunzigsten Lebensjahres seine väterlich fürsorgenden Wünsche, die dem Reiche, die dem deutschen Volke, der Sicherheit der Nation gelten, erfüllt werden. Und mit der Erfüllung dieser Wünsche treten wir sür UNS selbst ein, für Weib und Kind und den heimischen Herd. Wohlan denn, deutsche Kameraden, wir wollen keine Parteipolitik treiben, sondern nur Vaterlandsliebe üben, wir wollen in der neuen Reichstagswahl auch nickt nach konservativen oder liberalen Candidaten fragen, wir wollen aber unsere Stimme am 21. d. M. nur solchen vater landsliebenden und reichstreuen Männern geben, welche sich vorher ver pflichtet haben, dem Wunsche des Kaisers und dem Urtheile eines Moltke gemäß für das Septennat als Bürgschaft für die dauernde nothwendige Wehrkrafterhöhung unseres theuren deutschen Vaterlandes zu stimmen. Vorwärts denn für Kaiser und Reich in Treue fest und im Sturme treu! Ungesge schichte. Ein besonderer Korrespondent schreibt der Wiener „Politischen Kor respondenz" aus Berlin: In der vergangenen Woche hat so Mancher an den unmittelbar bevorstehenden Ausbruch des Krieges geglaubt oder zu glauben vorgegeben, während Andere nicht müde geworden sind, Friedens botschaft an Friedensbotschaft zu reihen und die Lage beruhigend darzu stellen. Eines ist beinahe so unrichtig wie das Andere. Die Wahrheit liegt auch diesmal wieder in der Mitte — oder so ziemlich in der Mitte, möchte ich sagen; die Lage ist eine ernste, sicherlich eine bedenklichere, als Diejenigen behaupten, welche sie aus Unwissenheit oder im Dienste beson derer Interessen als eine ganz befriedigende bezeichnen. Der Umstand, daß in den maßgebenden deutschen Kreisen die ernstesten Bemühungen ge macht werden, die drohende Gefahr zu beseitigen, berechtigt zu der Hoff nung, daß der Frieden noch aufrecht erhalten bleibe; das Vorhandensein einer großen Gefahr ist aber unbestreitbar. Wenn die öffentliche Meinung sich an die Worte des Fürsten Bismarck und des Grafen Moltke halten wollte, anstatt den Schwankungen der Börse zu folgen, die heute den Aus bruch des Krieges sicht, morgen den tiefsten Frieden prophezeit — und immer zu weit geht, indem sie starke Hebel ansetzt, um große Bewegungen hervorzurufen — so würde sie keiner Aufklärung bedürfen und man würde in ganz Europa wissen, daß der Friede in diesem Augenblicke zwar Gefahr läuft, der Krieg aber keineswegs als unvermeidlich erscheint. Dieses Wissen würde heilsame Folgen haben und nach allen Seiten hin zur Vorsicht mahnen. Das Ableugnen der bestehenden Gefahr vergrößert die selbe, kann sie aber nun und nimmer beseitigen. In den letzten Tagen ist ein ungemein freundschaftlich gehaltenes Schreiben des Zaren an den Kaiser Wilhelm in Berlin cingetroffen. Prinz Heinrich von Preußen, der Seemann, verlobt sich nächstens mit der Prinzessin Irene von Darmstadt. Dcr Prinz ist 24, die Braut 20 Jahre alt. In Metz ist am 6. Februar früh 8 Uhr ein Soldat aus der Nähe von Ehrenfriedersdorf, der seiner Zeit unter Mitnahme seines Repetirge- wehrs desertirt war und dasselbe an Frankreich verkauft hatte, strafrechtlich erschossen worden. Am 9. Februar hatte dcr Statthalter Fürst Hohenlohe in Straß burg den Landesausschuß zu Tisch geladen und hielt ihm eine Tischrede. Die Zeiten, sagte er, werden ernst bleiben, auch ohne daß der Krieg un mittelbar bevorsteht, so lange die allgemeine Stimmung in Frankreich den Frankfurter Friedensvertrag nicht anerkennt. Auf den Frieden hinzuwirken, hat Elsaß bei den Wahlen Gelegenheit. So lange es dies nicht thut und nicht zu erkennen giebt, daß es den Friedensvertrag (der Elsaß-Lothringen an Deutschland abgetreten hat) voll anerkennt, so lange kann es den an deren deutschen Staaten nicht gleichgestellt werden. Nach einer Berliner Mittheilung der „Kölnischen Zeitung" ist die Bewaffnung dcr deutschen Armee mit Repetirgewehren nahezu dnrchgeführt. Bereits im Herbste vorigen Jahres waren 100,000 Stück dieser Waffe an die Truppen vertheilt, ohne daß damit der Vorrath er schöpft gewesen wäre. Gegenwärtig ist bereits mehr als ein Drittel des deutschen Armeecorps mit dem Mehrlader, wie das mit einem Patronen- Magazine versehene Infanterie-Gewehr >1/71 in Deutschland genannt wird, ausgerüstet, und am 19. Februar werden bereits 250,000 Mann mit dem Gebrauche desselben vollkommen vertraut sein. Noch im Laufe dieses Jahres soll die ganze deutsche Infanterie mit dem neuen Gewehre ver sehen sein. Die Wirkung der päpstlichen Mahnung beginnt schon. In Limburg hat dcr Bischof Klein eine Bekanntmachung an die Geistlichen seines Sprengels erlassen, in welcher er „jedes agitatorische Auftreten gegen die ev. Bewilligung des Septennats für unverträglich mit der Rücksicht, die namentlich die Geistlichen dem Schreiben des Papstes schulden", erklärt. Der Bischof warnt sie, dazu beizutragen, den neu zu wählenden Reichs tagskandidaten ihre Stellung zu erschweren oder unmöglich zu machen, Veranlassung zu dem Erlaß des Bischofs soll der Umstand gegeben haben, daß dieser Tage ein Pfarrer den Vorsitz in einer Wahlversammlung ge führt hat, in welcher gegen das Septennat geeifert wurde. In Breslau beschlagnahmte die Polizeibehörde 30,000 sozialistische Wahlflugblätter, weil dieselben hinsichtlich der Angabe des Verlegers und Herausgebers den Bestimmungen des § 6 des Preßgesetzcs nicht genügten. Der Telegraph hat vor 4 Tagen einen merkwürdigen Artikel der in Rom erscheinenden und für gut unterrichtet geltenden „Opinivne", welcher nicht nur auf die italienische Ministerkrise, sondern auch auf das Ver- hältniß Italiens zu Deutschland und Oesterreick ein ganz neues Licht wirft, verbreitet. Das zwischen den drei genannten Mächten feste Ab machungen bestehen, durch welche sie sich gegenseitig ihren Territorialbesitz garantiren, war bis jetzt unbekannt, und da die „Opinivne" ohne Zweifel aus sehr guter Quelle schöpft und schwerlich von einem solchen Vertrage sprechen würde, wenn er nicht wirklich bestünde, so hat ihre Mittheilung den Werth und den Charakter einer politischen Enthüllung. Umsomehr, als nach der weiteren Versicherung der „Opinivne" die bewußten Abma chungen in einigen Monaten erlöschen und bisher von dem Grafen Robi- lant mit Absicht nicht erneuert sein sollen, weil er einen größeren Vor theil für Italien herauszuschlagen hoffte. Vom italienischen Standpunkte ergeben sich die Folgerungen, welche die „Opinivne" an diese Behauptung knüpft, allerdings von selbst. Es ist unter der Voraussetzung, daß Alles richtig ist, was die „Opinivne" sagt, geradezu eine Pflicht der Dissidenten der Rechten, sich wieder dem Gros der Partei anzuschließen und dem Grafen Robilant die Fortführung des Auswärtigen Amtes zu ermöglichen. Für Italien wäre dies unbedingt die vortheilhafteste Lösung der gegenwär tigen Ministerkrise; denn es ist doch wohl richtig, daß man den Grafen Robilant in Wien und Berlin mehr Entgegenkommen zeigen wird, als irgend einem andern italienischen Staatsmanne. Vom deutschen oder öster reichischen Standpunkte wird man aber sagen müssen, daß die Erneuerung des gegenseitigen Garantievertrags wohl sehr wünschenswerth ist, daß aber der Rücktritt des Grafen Robilant kein so entsetzliches Unglück für Oester reich und Deutschland wäre, da die „Opinione" selbst einräumt, ein an derer Minister würde sich mit geringeren Zugeständnissen für Italien be gnügen müssen. An der Erneuerung des Vertrages ist bei der gegenwär tigen Weltlage ohnedies kaum zu zweifeln, und daß man Italien von Seite Deutschlands und Oesterreichs als gleichberechtigte Macht behandelt, versteht sich eigentlich von selbst. Die Schweiz spricht nicht viel von ihren Rüstungen, trifft aber alle Vorbereitungen. In kürzester Frist kann sie, wenn's gilt, 100,000 Mann an die Grenzen werfen, ohne Reserven. Es ist keine Redensart, daß Europa in Waffen starrt. Von Belgien und der Schweiz abgesehen, die der Neutralität nicht trauen, rüstet auch Rumänien und der Sultan. Der Letztere hat bei deutschen Fabrikanten 500,000 Mauser-Gewehre und 60,000 Mauser-Karabiner bestellt, trotz der harten Bedingung, baar berappen zu müssen. Aus Frankreich kommen interessante Meldungen über „bewegte" Vorgänge im Schooße des Kabinets Goblet. In einem neulich stattge fundenen Ministerrathe ist es zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen dem Minister des Auswärtigen, Herrn Flourens, und dem Kriegsminister Boulanger über einen Brief gekommen, den Boulanger dem in diesen Tagen nach Petersburg abreisenden französischen Militär-Attache für den Czaren nntgeben wollte. Es wird versichert, daß sich Herr Flourens unter Zustimmung seiner Kollegen ganz energisch gegen eine derartige Hand lungsweise des Kriegsministers gewendet habe, ja, er soll sogar mit sofor tiger Demission gedroht haben, wenn Boulanger nochmals Aehnliches ver suchen würde. Letzterer ist dem Vernehmen nach ganz kleinlaut geworden und ertheilte eiligst die beruhigendsten Zusicherungen. Herr Boulanger scheint wirklich in jeder Woche neue Eigenthümlichkeiten zu entwickeln! Petersburg, 9. Februar. Eine große Menge von Verhaftungen wurde unter den Schülern fast aller hiesigen höheren Militärlehranstalten vorgenommen. Man spricht von achtzig Arretirten, worunter besonders viele Marineschüler und mehrere Marineoffiziere sich befinden sollen. Es handelt sich um eine weitverzweigte Verbindung mit mehr republikanischen, wie nihilistischen Zielen. Angeblich kam die Sacke durch Selbstmord eincs sich bereits entdeckt glaubenden Mitgliedes an's Tageslicht, in dessen Nach laß verdächtige Briefe gefunden wurden. Der Kaiser zeigte sich über die Entdeckung auf's Höchste empört. Von glaubwürdiger Seite wird behauptet, daß cs in Chicago 10,000 Kinder giebt, die keine Heimath, keine Eltern, keine Beschützer haben, die mit einem Wort auf der Straße aufwachsen, eine Beute der Rohheit und des Lasters. 10,000 Kinder, verlassen, hungernd, frierend, inmitten fabelhaften Reichthums und unermeßlichen Ueberflusses. 10,000 verstoßene Kinder in einer christlichen Gesellschaft, in einem republikanischen Gemeinwesen! Und wie viele dieser 10,000 könnten ihre Väter in luxu riös ausgestatteten Palästen finden! 10,000 Kinder ohne gesellschaftliche Existenzberechtigung! Allvater Staat, wo bleibst du? Ach du erscheinst erst später. Wenn die Kinder groß, wenn sie verdorben, wenn sie zu Verbrechern geworden sind, dann kommst du, um mit unnachsichtlicher Strenge die zu strafen, die du zu Unglücklichen, zu Verkommenen Haft werden lasten. Vaterländisches. — Bezüglich der Wegebesserung wird uns Folgendes geschrieben: Das jetzt eingetretene Thauwetter, welchem während der Nacht nicht selten Frost folgt, übt aus den Zustand der Straßen- und Wcgebahnen einen ganz empfindlichen Einfluß; denn durch das Belassen des Schneeschlickers, Schlammes und der Wassertümpel werden die Wegebahnen zunächst auf geweicht, durch hinzukommenden näcktlicken Frost aber zerstört und dadurch der Widerstandsfähigkeit beraubt. Diesem Uebelstande kann nur dadurch begegnet werden, daß man die Wassertümpel fleißig abläßt und die lockeren Eismasscn nebst dem Schlamme vom Wege — also nicht bloß von Fahr- und Fußbahn — gänzlich beseitigt, um ein möglist baldiges Austrocknen des Wegekörpers herbeizuführen. Die aus diese Weise erlangten Erdmasten