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EageSgeschichte. Berlin, 17. Oktober. Die Abreise Sr. Maj. des Kaisers von Baden nach Berlin erfolgt am 22. d. Mts. Nachmittags 5'/, Uhr und die Ankunft in Berlin am 23. Oktober früh. Berlin, 15. Oktober. In militärischen Kreisen plant man zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläums L>r. Maj. des Kaisers Wilhelm eine besonders großartige Huldigung. Es sollen sich nämlich soweit als irgend thunlich die Kämpfer aus den Kriegen 1866 und 1870—1871 hier versammeln und in einem großen Festzug sich nach dem königlichen Palais begeben, um dort durch eine Abordnung Se. Maj. den Kaiser beglückwünschen zu lassen. Die Einleitungen zu dieser jedenfalls imposanten Kundgebung sind be reits getroffen und lassen, trotz mancher Schwierigkeiten, die zuvor zu überwinden sind, eine glänzende Ausführung erwarten. Als ungefährer Tag der Reichstagseröffnung wird der 20. November bezeichnet. Großer Krieg zwischen Ministerium und Volksvertretung in Dä nemark. Das Ministerium hatte ein provisorisches Finanzgcsetz vor gelegt; das Volkething, die zweite Kammer, aber lehnte es mit 79 gegen 17 Stimmen ab, das Gesetz zu debattiren und darauf erhoben sich die Herren Minister und verließen das Lokal. Was nun? Die Nachrichten, welche heute von der Balkanhalbinsel vor liegen, lauten ernst. In Serbien, Griechenland und Bulgarien wird in fieberhafter Eile gerüstet und auch die Pforte bietet Alles auf, um von den Ereignissen, die eintreten können, nicht überrascht zu werden. Man scheint von Seiten der Balkanvölker entschlossen, den Drohungen der Großmächte nicht nachzugeben, und diese scheinen unter sich nicht einig zu sein, so daß von einem gemeinsamen Vorgehen nicht wohl die Rede sein kann. Griechenland und Serbien weigern sich, die Union in Bulgarien anzuerkennen, wenn sie nicht irgend eine Entschädigung er halten. Fürst Alexander aber hat in einer Ansprache, bie er in Phi- lippopel an mehrere vornehme Bulgaren gehalten hat, gleich nach drei Seiten hin Front gemacht, ein Kunststück, daß ihm sobald nicht nach gemacht werden wird. Er sagte unter anderem: „Sollte die Conferenz die bulgarische Union nicht anerkennen, so bin ich bereit für diese Idee auf dem Schlachtfeld zu fallen. Entweder wird Bulgaren vereinigt bleiben oder meine Gebeine werden in diefem Lande begraben werden. Ich beuge mich weder vor dem Willen Europas, wenn derfelbe gegen uns ist, noch weiche ich vor den türkischen Waffen. Europa und die Türkei sollen sehen, daß aus einer von einer heiligen Idee beseelten Nation ein furchbarer Feind wird. Ist Rußland mehr gegen mich als gegen die Vereinigung, fo bin ich bereit, abzudanken." Wie man dem „N. W. T." aus Sofia vom 15. d. M. telegra- phirt, wird die Stimmung in der Bevölkerung in Bulgarien in An betracht der Vorgänge an der serbisch-bulgarischen Grenze immer krie gerischer und Serbien feindseliger. Die Gymnasiasten von Gabrowo, Tirnowa, Rustschuk und Sofia haben sich sammt ihren Lehrern be waffnen lassen und üben sich jetzt im Kriegsdienst ein. Dieselben sollen Garnisonsdienste in Sophia u. s. w. leisten, da Bulgarien von Trup pen fast entblößt ist. Bis jetzt sind an 25,000 bulgarische Truppen nach Ostrumelien abgezogen. Berliner Nachrichten behaupten, daß der Reichskanzler den so fortigen Einmarsch der Türken in die unruhige Provinz als die beste Lösung der vorliegenden Schwierigkeit ansehe; jedenfalls ist die Hal tung des deutschen Reichs vertragstreu, und die Ausführungen der „Norddeutschen Allgem. Zeitung" zeigen keinerlei Sympathie für die kriegerischen Anwandlungen der Balkanvölker; sie predigt Ruhe und Frieden. Oesterreichs Orientpolitik, naturgemäß auf Bekämpfung des russischen Uebergewichts gerichtet, würde einer Vereinigung Ostruine liens mit Bulgarien unter Fürst Alexander nicht entgegen sein; das Anwachsen Bulgariens zur Selbstständigkeit liegt im österreichischen Interesse, wenn damit der Abfall eines russischen Vasallenstaates in- augurirt ist. Da aber die Verhältnisse in Bosnien nur durch ruhige Entwickelung und ungestörte Konsolidation sich gedeihlich gestalten können, muß Oesterreich nach den für dieses Land gebrachten Opfern, um sich die Früchte seiner Bemühungen zu sichern, vorerst die Ein dämmung einer neuen Balkanbewegung mit erstreben. In Bulgarien selbst setzt das Volk, soweit es national gesinnt ist, hohes Vertrauen in seinen jungen Fürsten, die Stimmung im Lande ist. glaubwürdigen Berichten zufolge, zur patriotischen Begeisterung angesacht. Das neue Preßorgan der »monistischen Partei in Phi- lippopel führt eine entschiedene, ja kriegerische Sprache; es schreibt: „Wir werden keinen Kompromiß eingehen, selbst nicht, wenn der Aus gang unserer Sache nur ein blutiger sein könnte. Unter dem Herrscher stab Alexander's I. vereint bleiben, oder Vernichtung eines Volkes von drei Millionen Seelen, das muß unsere endgiltige Forderung sein." Aus Athen, 16. Oktober, wird gemeldet: Der französische Ge sandte Graf Mouy hatte neuerdings eine Besprechung mit dem Mi nisterpräsidenten Delyannis, wobei er ihm eine vorsichtige Haltung anempfahl, um die Lage Griechenlands nicht zu kompromittiren. Die Rüstungen dauern fort. Innsbruck, 16. Oktober. Durch das Austreten der Etsch und ihrer Nebenflüsse sind in den Bezirken Noveredo, Tione, Riva und Cles viele Häuser weggerissen und Straßen, Brücken und Schutzbauten zerstört. Die letzten Nachrichten melden aus mehreren Bezirken das Sinken der Gewässer und eine Verminderung der Gefahr. Alfo die Sorge um einen neuen Präfidenten für die Repub lik wäre man in Frankreich los. Beliebt's den Herren, fo können sie den alten, Herrn Jules Grovy, der in der That ja noch ganz gut ist, behalten. Er hat dem Ministerium die Erklärung zugehen lassen, daß er mit Ablauf feiner Amtszeit wieder Kandidat für die Präsidentschaft sein werde. Der Congreß soll schon gegen Mitte Dezember zusam mentreten, damit der Lärm der Präsidentschaftswahl vor dem Weih nachtsfest noch vorüber ist. Rom, 17. Oktober. Gestern sind in der Provinz Palermo 77 Erkrankungen und 44 Todesfälle an der Cholera vorgekommen, wovon auf die Stadt 54 und 10 kommen. — Eine Deputation aus Köln überbrachte am 14. d. von dem katholifchen Leseverein dem Erzbischof Melchers eine Ehrengabe für den „verarmten Erzbischof" von mehr als 100,OM Francs; die Erfchienenen wurden vom Erzbifchof bewirthet. Petersburg, 12. Oktober. Wie die deutsche „Petersb. Ztg." mittheilt, Hal der Finanzminister an alle Vorstände der Acciseverwal- tung ein Zirkular erlassen, welches sich über den,Sinn des mit dem 1. Januar 1886 in Kraft tretenden neuen Gesetzes über den Hand el mit Spirituosen verbreitet. Das Rundschreiben hebt hervor, daß die neuen Bestimmungen ganz besonders gegen die Trunksucht gerichtet sind und in Folge dessen eine durchgreifende Einfchränkung des Klein handels mit Spirituosen bezwecken. Nach Absicht der Regierungskreise sollen in Anwendung der Ausführungsbestimmungen etwa 80,000 Schankstätten, in denen man nur zu trinken und nicht auch zu essen bekommt, gänzlich geschloffen und den lokalen Behörden weitgehende Befugnisse zur Beaufsichtigung der Wirthshäuser in demselben Sinne verliehen werden. Vaterländisches. Wilsdruff. Zur diesjährigen Herbstkontrolversammlung haben zu erscheinen Reservisten der Jahresklassen 1878—1885 und sämmtliche Dispositionsurlauber des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff am Sonnabend den 14. November Nachmittags ^2 Uhr am Gast haus zum weißen Adler in Wilsdruff. — Hierbei sei bemerkt, daß von diesem Herbst ab die Einberufung der kontrolpflichtigen Mann schaften nicht mehr wie bisher durch geschriebene Ordres, sondern durch Bekanntgabe der Tage und Stunden der Versammlungen an die Ge meindebehörden erfolgen soll. Die Stadträthe und Ortsvorstände, wie die betreffenden Bezirksfeldwebel geben auf Befragen Auskunft und werden die Mannschaften hierbei auf Punkt 11 der Bestimmungen in ihrem Mllitärpaß aufmerksam gemacht. Es ist lm eigenen Interesse der Mannschaften erwünscht, Dispensationsgesuche rechtzeitig bei dem betreffenden Bezirksfeldwebel einzureichen. Wer nicht zur Controlver- sammlung erscheint, nicht dispensirt ist und sich auch weiter nicht bis 15. November cr. mit genügender Entschuldigung mündlich oder schrift lich beim Bezirksfeldwebel meldet, ist strafbar. — Am 12. d. M. fand im Saale zur Sonne in Meißen die amtliche Jahreskonferenz der Direktoren und Lehrer des Meißner Schul inspektionsbezirks unter Vorsitz des Schulraths Wangemann statt. Als Gäste waren anwesend: Amtshauptmann v. Bosse, Bürgermeister Hirsch berg, Superintendent I)r. Ackermann, Seminar-Oberlehrer Wagner- Nossen, eine Anzahl geistlicher Lokalschulinspektoren und einige Schul vorstandsmitglieder. Nach Erledigung der äußeren Angelegenheiten wurde die Versammlung gegen 9 Uhr mit Gesang und Gebet eröffnet. Der Vorsitzende erläuterte zunächst eine Verordnung des Königl. Mi nisteriums, den Unterricht betreffend, und charakterisirte die öffentlichen Prüfungen und die Cenfurertheilung. Hierauf hielt Direktor vr. Kirch ner-Meißen einen Vortrag über „Die Herbart-Ziller'schen Grundsätze in Bezug auf Unterrichtsziel und Unterrichtsweg". Dieser nahezu zweistündige, ungemein lichtvolle und fesselnde Vortrag fand den un- getheilten Beifall der Versammlung. Hierauf behandelte Oberlehrer Weise-Wilsdruff die Frage: Was kann die Schule zur Verhütung der Meineide thun? Referent hatte folgende Thesen aufgestellt: I. Laut amtlichen, statistischen Erhebungen haben die Meineide gegen früher zu- genommen. 11. Diese betrübende Erscheinung birgt eine große Gefahr in sich, indem durch Meineid das gegenseitige Vertrauen vermindert, die Handhabung von Recht und Gerechtigkeit erschwert und der allwissende, heilige und gerechte Gott freventlich zum Strafgericht herausgesordert wird. III. Die Ursachen der vermehrten Meineide liegen I. im Unglauben der Schwörenden, indem viele derselben einen erschreckenden Mangel an Gottesfurcht und an Liebe zur Wahrheit zeigen, 2. in der Gesetzgebung, bez. in der Handhabung der Gesetze, indem a. durch die häufige, vom Gesetz gebotene Anwendung und die geschäftsmäßige Abnahme des Eides von Seiten mancher Richter die heilige Scheu vor dem Eide schwindet, eine leichtfertige Ansicht über den Eid Platz greift und die Meinung Naum gewinnt, daß es heutzutage mit dem Eide keine se ernste und heilige Sache mehr sei, d. eins nicht geringe Anzahl der sogenannten fahrlässigen Falscheide auch in den von Rechts wegen geforderten Voreiden zu suchen ist. IV. Die Volksschule hat es darum für ihre erste Pflicht zu halten, diesem ge fährlichen Uebel bei Unterricht und Erziehung dadurch entgegen zu wirken, daß sie in die Seele des Kindes Gottesfurcht und Liebe zur Wahrheit, also lebendiges Gottes bewußtsein pflanzt und dieses so zu stärken sucht, daß tiefster Abscheu auch vor der kleinsten Lüge und Untreue im Kinde zur Herrschaft kommt. Solches vermag der Religionsunterricht allein nicht zu erreichen; vielmehr muß dieses aller Unterricht als sein Ziel und jede erziehliche Einwirkung als ihre Aufgabe ansehen. Der Ge- sammtgelst Ler Schule muh Feindschaft gegen die Lüge werden. V. Da die Kinder der Volksschule nur bis zum 14. Lebensjahre angehören, so kann dieselbe nur wenig thun, nämlich nur den Grund zur Wahrhaftigkeit legen. Eine Verminderung der Wie ein Krebsschaden um sich greifenden Sünde des Meineids ist nur durch das Zu sammenwirken aller Erziehungssaktoren möglich; darum müssen Familie, Kirche und besonders auch der Staat helfend eingreifen. Auch diefer mit großem Fleiß gearbeitete Vortrag fand den vollen Beifall der Versammlung. In der sich anschließenden Debatte bean tragt Pastor Dillner-Raußlitz zu These III den Zusatz, o. darin, daß nicht selten dem Eidleistenden das klare Verständniß für das, was er beschwört, abgeht. Köber-Meißen wünscht zn These 111 a die Worte, durch zu häufige Beiwohnung der öffentlichen Gerichtsverhandlungen feilens unreifer Personen und durch die vom Gesetz gebotene Anwen- Wendung. Döring-Meißen bringt zu These IV den Zusatz: Insbe sondere hat auch die Fortbildungsschule die Aufgabe, auf das Wesen und die Bedeutung des Eides hinzuweisen. Müller-Löthain weist auf die heilsamen Einflüsse der Kindergottesdienste hin. Konrektor Hörnig- Meißen betont, wie durch Hervorhebung der Idee des Rechts, durch strenge Zucht im Sinne Herbart-Zillers und durch gerechte und wahre Censurerlheilung die Schule helfend eingreifen könne. Müller-Zaschen dorf weist darauf hin, daß die Schule mit allen Mitteln gegen Leicht sinn, Eigennutz rc. zu kämpfen habe. Döring-Meißen beantragt: Die Bezirkskonferenz Meißen erkennt, daß ein großer Theil'der Schuld, weßhalb die Meineide zugenommen, in unserer Gesetzgebung resp. in der Handhabung der Gesetze, insbesondere in den von Rechts wegen geforderten Voreiden zu suchen sei und legt deshalb dem Reichstags- Abgeordneten v. Carlowitz die Bitte vor, auf Abschaffung dieser Vor eide hinzuwirken. Die Thesen des Referenten und die eingebrachten Zusätze fanden die Zustimmung der Versammlung. Mit dem Gesänge des Verses „Unsern Ausgang segne Gott" wurde ^2 Uhr die Kon ferenz geschloffen. Der Konferenz folgte ein gemeinschaftliches Fest mahl, welches durch eine reiche Zahl zündender Toaste gewürzt wurde. — Taubenheim, 14. Oktober. Hier wurde in voriger Woche ein landwirthschaftlicher Verein für Taubenheim und Umgegend ge gründet. Direktor Endler aus Meißen hatte auf dringende Bitte eini ger Landwirthe sich bereit finden lassen, zu einer Vorversammlung im hiesigen Gasthofe einzuladen. Durch eine treffliche Ansprache seiner seits wurde die Versammlung eröffnet. Es wurde in der Ansprache auf die Nothwendigkeit der Vereinigung der Landwirthe hingewiesen, um die Interessen der Landwirthschaft zu fördern und der jetzigen Nothlage entgegen zu arbeiten, auch wurden die Vortheile solcher Ver einigungen klar dargelegt. Hierauf folgte die definitive Gründung des Vereins mit 24 Mitgliedern. Der lebhafte Wunsch, Dir. Endler'als Leiter zu besitzen, ging in Erfüllung, die einstimmig auf ihn gefallene Wahl nahm derselbe an. Möge der Verein sich unter der umsichtigen, sicheren Leitung seines Vorsitzenden immer mehr erweitern und sein gestecktes Ziel erreichen. — Bei der Königlichen Altersrentenbank in Dresden — Altstadt, Landhausstraße 16, im Landhaus — sind bereits einige Einzahlungen, welche durch Stationskaffen der sächsischen Staatseisenbahnen vermittelt worden sind, eingegangen, ein Zeichen, daß die bei einigen derselben jüngst errichteten Agenturen gedachter Bank dem Publikum willkommen gewesen sind. Wer eine Einlage bei einer solchen oder bei einer an dern Agentur der Altersrentenbank machen will, hat entweder, wenn er schon Renten erworben hat, sein Einlagebuch oder Rentencertifikat oder>aber, wenn er zum ersten Male einzahlen will, seinen Geburts oder Taufschein mitzubringen. Letzteren Falls hat er zugleich eine kurze Anmeldung über Art und Beginn der Rente auszufüllen, be-