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Mit neuen Hoffnungen in der Brust verließ Helene den Juwelier. Sie lud auf der Stelle Doktor Overkamp zu einer Besprechung ein, der nicht wenig über diese Entdeckung und die umsichtigen Schritte Helenens erstaunt war. Helene meiute alsdann, daß es zweckmäßig sein werde, in allen größeren deutschen und amerikanischen Zeitungen einen Aufruf zu erlassen, worin demjenigen, der über den Aufenthalts ort Hinrich Thormählen's, dessen Signalement beigefügt war, Aus kunft zu geben vermöge, eine Belohnung von eintausend Thalern ver sprochen wurde. „Wird aber der Mensch, in dem wir den Mörder vermuthen, sich nicht erst recht zu verbergen suchen, sobald ihm die Anzeige zu Gesicht kommt?" warf der Anwalt ein.. „Das fürchte ich nicht", entgegnete Helene. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß ihm die Annonce zuerst in die Hände fällt, sobald sie aber von irgend Jemand gelesen wird, dem Hinrich Thormählen bekannt ist, wird er gewiß sich die Belohnung verdienen wollen und eine rasche Anzeige vorziehen. Fordern Sie nur in der Ankündigung jede derartige Mittheiluag auf telegraphischem Wege, dann haben wir einen Vorsprung." Die Anzeigen in allen Blättern wurden erlassen und in fieber hafter Ungeduld wartete Helene auf die einlaufenden Nachrichten. Wochen vergingen und Alles blieb erfolglos. Wohl fanden sich Leute ein, die über die beschriebene Persönlichkeit Auskunft geben wollten, aber all' diese Anzeigen wureu so unsicher und sich widersprechend, daß sich darauf genauere Forschungen nicht begründen ließen. Helene verdoppelte in erneuten Anzeigen die ausgesetzte Summe, aber wieder ohne Erfolg. — Hinrich Thormählen schien wie vom Erdboden ver schwunden zu sein. — Die Untersuchung gegen Doktor Eschenburg nahm ihren ruhigen Fortgang und gestaltete sich für ihn immer hoffnungsloser. Wohl war er jetzt mit dem eigentlichen Grunde seiner damaligen Verstörung hervorgetreten und Fräulein Heldström hatte dies Alles mit ihrer bestimmten, ruhigen Weise bestätigt; aber damit ließ sich das Verhäng niß nicht aufhalten. Zu erdrückende Beweise sprachen für die Schuld des Angeklagten, die sich durch nichts entkräften ließen. Die Geschichte von dem Matrosen klang doch zu märchenhaft, da der Mensch Völlig verschwunden blieb. Und was konnte sie beweisen? So gut wie nichts. Wohl aber sprachen die schwerwiegendsten Gründe dafür, daß kein Anderer als Doktor Eschenburg den Mord begangen habe. Als die Sache vor den Geschworenen zur Verhandlung kam, vermochte der Saal die Zuschauermenge nicht zu fassen. War es doch ein zu seltenes Schauspiel, das die Leute herbeilockte — einen Mann der besseren Stände auf der Anklagebank zu sehen, der noch dazu des Mordes bezichtet. Viele haben Doktor Eschenburg gekannt und dem heiteren, lebenslustigen Manne nimmermehr ein solch' schändliches Verbrechen zugetraut. Um so interessanter war das Schauspiel, das Jeder erwartete. Nicht allein die Persönlichkeit des Mörders lockte ein zahlreiches Publikum herbei. Man hatte ja zu gleicher Zeit den Genuß, die stolze Patriziertochter, Fräulein Heldström, als Zeugin auftreten zu fehen. Deshalb hatte sich auch zu der heutigen Schwurgerichtssitzung ein sehr gewähltes Publikum eingesunden. Die Verhandlung nahm ihren Anfang. Der Staatsanwalt las die Anklage vor, die mit ungewöhnlicher Schärfe und Umsicht all' die Beweisgründe für die Schuld Escheuburg's zusammenfaßte. Es war Alles so geschickt und übersichtlich zusammengestellt, daß Niemand mehr daran zweifeln konnte, daß der Doktor wirklich die That begangen habe, und gerade aus dem Zerwürfniß des Angeklagten mit Fräulein Heldström 'waren die Beweggründe zu dem Verbrechen geschöpft wor den. Der Staatsanwalt führte aus, daß Doktor Eschenburg wahr scheinlich nach dem Eintreffen jenes verhängnißvollen Briefes mit sei ner Wirthschasterin in Streit gerathen sei und daß dieser unglücklicher geendet, als der Doktor selbst gewollt habe. Vielleicht sei die That nur in der Erregung des Augenblickes begangen worden, aber trotzdem nicht minder straffällig, weil sich ein Mann dazu habe Hinreißen lassen, dessen Stand und Bildung ihn zum Träger der edelsten Hu- manität berufen und der am ehesten verpflichtet war, sich von niederen Leidenschaften frei zu machen. Durch das Zeugniß der Lüdemann'schen Eheleute und der Frau Behnke war unumstößlich festgestellt, daß an jenem Morgen, nach der Sprechstunde Eschenburg's, kein Fremder das Haus betreten. Daß aber Katharina in der Zeit von acht bis neun Uhr noch am Leben gewesen, hatte Frau Lüdemann bekundet und der Angeklagte nicht ein mal zu leugnen gewagt. Die Wirthschasterin war sogar während der Sprechstunde von dem Doktor einmal herbeigerufen wurden, wie ein an diesem Morgen gerade anwesender Patient ausdrücklich bezeugt. Nach neun Uhr war Katharina nicht mehr gesehen worden und wahr scheinlich bald nach Schluß der Sprechstunde der Mord geschehen. „Vielleicht", so führte die Anklage aus, „hat Doktor Eschenburg, wäh rend er mit seiner Wirthschasterin über ihre plötzliche Entlassung in Streit gerathen, eines seiner Instrumente in der Hand gehabt und von seiner Leidenschaft sortgerissen die kleine Waffe seinem Opfer in die Brust gesenkt. Alle vorangehenden und nachfolgenden Umstände sprechen für eine im heftigen Affect begangene That. — „Der Angeklagte hat bald darauf die Besinnung verloren", führte der Staatsanwalt weiter aus, „denn anstatt sich in Sicherheit zu brin gen suchte er jetzt nur das hervorquellende Blut zu stillen und achtet in seiner Ausregung nicht einmal darauf, daß er sein eigenes Ober hemd verwendet, das vollends sür ihn zum Verräther werden muß. Als aber Doktor Eschenburg gewahrt, daß hier jede Rettung zu spät, daß dem armen unglücklichen Mädchen das Leben auf immer entflohen, da wirft er das blutige Hemd in den ersten besten Winkel und stürzt hinweg. Er findet keinen ruhigen Augenblick mehr. Die Stimme des Gewissens treibt ihn friedlos umher. Vergebens sucht er sich zu be täuben, im Strudel der Vergnügungslocale niederster Sorte zu ver gessen, was ihn quält und peinigt, immer wieder raunt ihm eine Stimme zu: Du bist ein Mörder! Am andern Morgen trieb es ihn dann wieder an die Stätte des Verbrechens zurück, wo er Allen die ihn sahen, den Eindruck machte, als sei er der Mörder!" Die gelesene Anklage machte auf die Richter und Geschworenen wie auf das Publikum den tiefsten Eindruck. Das Schicksal Eschen burg's schien damit besiegelt. Wirklich bestätigten die jetzt ausgerufen Zeugen ihre bereits in der Voruntersuchung abgegebenen Aussagen vollständig. Was vermochte der Angeklagte dagegen zu erwidern! — Er be- lheuerte mit fester, ruhiger Stimme feine Unschuld, aber es gelang ihm nicht, diese völlig erdrückende Beweise von seiner Schuld durch Angabe von Thatsachen zu entkräften. Selbst die Erzählung von dem Matrosen klang doch sehr unwahrscheinlich. Warum mar der Mensch trotz aller Bemühungen nicht zu ermitteln gewesen? — Und selbst, wenn man die Wahrheit dieser Angaben annahm, was war damit bewiesen?! (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Daß zwischen Himmel und Erde noch mehr ist, als blos Luft und Wolken, dafür ist folgende Geschichte ein Beweis, die ein ame rikanischer Geistlicher erzählt: Ein kleines Kind stand am Thore, als sein Vater mit einem schwerdeladenen Kornwagen in dasselbe herein fuhr. Der Vater sah das Kind nicht und wollte zufahren. Eines der Pferde hatte das Kind umgestoßen, so daß es gerade vor dem Pferde lag und sogleich blieben beide Pferde stehen. Vergeblich trieb sie der Vater wiederholt an, sie standen unbeweglich wie Mauern. Jetzt ging er um den Wagen herum, um zu sehen, was etwa im Wege liegen möchte. Mit Todesschrecken erblickte er sein liebes Kind lein vor dem Rade. Unversehrt hob er es auf. Freudenthränen traten ihm aus den Augen; fröhlich lächelte ihn sein Kind an. „Hier", sprach er, in sein Haus tretend, zu seiner Frau, „hier bringe ich Dir Dein Kind, das Gott Dir zum zweiten Male schenkte! Ein Engel Gottes ist meinen Pferden in die Zügel gefallen, sonst hätte ich es Dir todt bringen müssen!" * Vulkanausbruch. Ueber Philadelphia wird der Londoner „Times" gemeldet, daß in dem Vulkan Kolopaxi (der Vulkan liegt in den Anden von Quito, ist 17,700 Fuß hoch, hat einen Krater von 2800 Fuß Durchmesser und ist beständig in Thätigkeit) am 23. Juli eine ernstliche Eruption stattgefunden hat. Lavaströme, Asche und Steine fielen auf Chimbo und zerstörten Hunderte von Häusern. Viele Menschen kamen um, doch ist die Zahl der Verunglückten noch nicht bekannt. Thüren und Fenster rasselten und die durch die Eruption hervorgerufene Erschütterung wurde in Gayaquil, in einer Entfernung von 185 Kilometer, wahlgenommen. Das Geräusch glich einem un unterbrochenen Artilleriefeuer. * Zum Tode verurtheilt, dann zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt werden und nach 23 Jahren noch heirathen — eine solche Aussicht hat sich gewiß noch wenigen Sterblichen geboten. Und doch traf dieser Umstand vor Kurzem in Schochau bei Zerbst ein, woselbst ein Schäfer, der wegen Ermordung seiner Geliebten hingerichtet werden sollte, dann aber zu lebenslänglicher Freiheitsentziehung begnadigt war, mit einer neuen Geliebten zur Eheschließung vor den Standesbeamten trat. Er war nach 23jähriger Strafarbeit wegen guter Führung gänz lich begnadigt worden und will nun erst von Neuem anfangen zu leben. * Luckenwalde. Der Berliner Courierzug, der um 8 Uhr 23 Min. Abends von Leipzig in Berlin eintreffen sollte, hatte am 12. d. wegen eines schrecklichen Unglücksfalles eine etwa ^stündige Ver spätung. Die nach Luckenwalde führende Chaussee wird von dem Zug gerade an der Stelle durchschnitten, wo der Eisenbahnkörper in einer bedeutenden Biegung angelegt ist, so daß man von der Chaussee aus nicht weit die Schienen entlang sehen kann. An diesem Abend war nun, wie es heißt, durch die Schuld des Wärters die Uebergangs- stelle nicht abgesperrt, so daß ein nach Luckenwalde fahrender schwerer Rollwagen den Bahnkörper auf der Chaussee passirte. Der Kutscher des Wagens hatte noch kurz vorher zwei müden Arbeitern, die nach Luckenwalde wollten, einen Platz auf dem Hinteren Theil seines Ge fährtes eingeräumt. Als Letzteres inmitten der Schienen war, kam der Kourierzug in vollster Schnelligkeit um die Ecke und obwohl er angesichts der Gefahr sofort Signale gab und bremste, erfaßte die Maschine doch den Hinteren Theil des Rollwagens, zerschmetterte diesen und zermalmte die beiden eben erst vorher ausgestiegenen Arbeiter total, sodaß deren Gliedmaßen zwischen den Geleisen stückweise umher lagen. Beide sind Familienväter. Der Kutscher, sowie die Pferde kamen mit leichten Verletzungen davon, da sie nicht unmittelbar von der Maschine mehr erfaßt wurden. Der schuldige Bahnwärter verfiel beim Anblick der Katastrophe in eine schwere Ohnmacht, sodaß er krank hat nach Hause getragen werden müssen. Nur noch ein Jahr hätte er bis zu feiner Pensionirung zu dienen gehabt, er war bis da hin stets ein gewissenhafter Beamter gewesen. * Ein Bauer in Oettersdorf besitzt ein Erbsenfeld, welches von den Kindern recht oft besucht und geplündert wurde. Da alle Droh ungen und Warnungen nichts nützten, versteckte sich eines Tages der Besitzer im Felde, und als die Kinder wiederkamen, um zu stehlen, nahm er eines derselben gefangen, brachte dasselbe nach Hause und steckte es zur Strafe in einen Schweinestall. Neben diesem befand sich noch ein zweiter Stall, in welchem ein sogenannter Hauer unter gebracht war. Als dieses Thier das weinende Kind bemerkte, wühlte es die Wand durch und gelangte zu dem Kinde, riß demselben den Leib auf und fraß ihn auch noch den halben Arm ab. Als der Vater des unglücklichen Kindes (Schmied von Profession) dies erfahren, ging er zu dem Bauer und schlug in der Aufregung den Letzteren derartig auf den Kopf, daß er sofort todt zusammenstürzte. * (Wink mit dem Zaun Pfahl.) „Und hier, meine Herrschaf ten, sehen sie den schönsten Punkt. Bon dieser Aussicht aus waren die Touristen stets so entzückt, daß mir jeder eine Mark in die Hand drückte." * Aus Kala u. In einer Restauration läßt ein Gast den Wirth rufen: „Man sagt mir, Ihre Fräulein Tochter koche selbst; ist das wahr?" — Allerdings, mein Herr." — „Dann habe ich die Ehre, Sie um ihre Hand zu bitten." — „Wie, mein Herr, so weit treiben Sie Ihre Feinschmeckerei?" — Der Gast zieht aus seiner Brieftasche eine Locke vom goldigsten Blond und sagt mit vibrirender Stimme: „Sehen Sie, dieses Blond ist meine Leidenschaft. Seit einem Monat sammle ich alle Haare, die ich hier im Essen finde. * 34,000 Hunde existnen in Berlin! Im Durchschnitt auf je 35 Personen ein Hund. Dieser Hunde-Segen müßte unerträglich ge nannt werden, wenn die Stadt Berlin nicht 281,000 Mk. an Steu ern von den Hundebesitzern einnähme. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 21. August. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 20 Pf. bis 2 Mark 30 Pf. Ferkel wurden eingebracht 150 Stück und verkauft ü Paar 18 Mark — Pf bis 27 Mark — Pf. Meißen, 22. August. 1 Ferkel 6 Mk. — Pf. bis 11 Mk. — Pf. Eingebracht 424 Stück. 1 Läufer 36 Mk. — Pf. bis —Mk. — Pf. 1 Kilogramm Butter 2 Mk. 40 Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. -- Kalklvcrk BmkharWwM. Bau- und Düngekalk in anerkannt vorzüglicher Qualität empfiehlt billigst » Heutiger Nummer liegt ein Prospect über die bewährtesten Saat- getreide der Firma Ernst Baülsen in Prag (Vertreter für Deutschland Albert Friedländer, Berlin C., Königstr. 7) bei, den wir besonderer Beachtung empfehlen. Die Herren Wirthe und Gasthosbesitzer werden höfl. gebeten, diesen Prospect auszulegen, um ihn zur Kenntniß der Herren Interessenten zu bringen. 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