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Tollheiten bringen der französischen Republik keinen Nutzen, wohl aber immensen Schaden. Was soll schließlich werden, wenn jeder beliebige Hanswurst in Paris einen fremden Staat beleidigen und verhöhnen wnn, und dabei bei der Menge noch Zustimmung findet? Paris. Der jetzige Präsident der Republik spielt zwar eine sehr nebensächliche Rolle, da er durchaus nur der Vollzieher der Beschlüsse der Kammer zu sein sich bestrebt, da aber in fünf Monaten seine Amtszeit abläuft, so wendet sich die öffentliche Aufmerksamkeit wieder lebhafter seiner Persönlichkeit zu, indem es sich um die Frage handelt, ob während der nächsten sieben Jahre Herr Grevy oder ein Anderer Hausherr im Elysee sein wird. Von den Politikern, welche während der letzten Jahre als Nachfolger Grevy's genannt worden, sind Chanzy und Gambetta gestorben, Brisson und Ferry aber haben durch ihre Thätigkeit als Ministerpräsidenten sich mehr geschadet als genützt, Ju les Simon ist längst außer Cours gesetzt. Die Wiederwahl Grevy's hat daher die meisten Aussichten. Die Behauptung, er verzichte voll ständig auf eine solche, entbehrt die Begründung. Grevy, welcher sich von seinem ehrgeizigen Schwiegersöhne Wilson berathen läßt, hat sich noch gar nicht geäußert. Er wartet ab, um nach den sich bieten den Aussichten handeln zu können. Allerdings scheint es mit Herrn Grevy's Gesundheitszustand nicht besonders gut bestellt zu sein. In Paris sieht man Grevy fast nie öffentlich, und deshalb weiß Niemand recht, wie es mit ihm steht. Bei seiner jüngsten Abreise nach seinem Geburtsort und Sommersitz konnte man sich jedoch überzeugen, daß er sehr gealtert und schwach geworden ist. Am Sonnabend vollendete er sein 72. Lebensjahr. Marseille, 21. August. Heute sind 69 Choleratodesfälle vor gekommen. Madrid, 17. August. Am 12. d. M. begannen in Sevilla Ruhestörungen, die den 13. Abends zu einer Wiederholung der barbarischen Auftritte auf der Puerta del Sol in Madrid vom 20. Juni führten. Die Geschäfte blieben, wie man der „Franks. Ztg." be richtet, den Tag über geschlossen und am Abend begann eine Volks menge gegen das PalaiS des Gourverneurs Steine zu werfen. Die ser ließ sofort bewaffnete Schutzleute zu Pferde requiriren, die mit Säbelhieben der. Platz vor dem Regierungsgebäude säuberten. Gestern Abend ist es zu ernsteren Kollisionen gekommen und aus zuverlässiger Quelle erfährt man, daß der Versuch, eine Barrikade zu bauen, gemacht worden ist. Sämmtliche Telegramme aus der Stadt sind von der Regierung beanstandet und konfiszirt worden, was vermuthen läßt, daß die Vorgänge sehr ernster Natur gewesen sind. Im ganzen Land herrscht unbeschreibliches Elend, dem weder der Staat, noch die Pri- vatmildthätigkeit zn steuern im Stande ist. Madrid ist so arg ver schuldet, daß es die Straßenbeleuchtung nicht bezahlen kann, und da die Gascompagnie nicht mehr borgen will, ist gestern bloß etwa die Hälfte der bisherigen Lichter in den Straßen angezündet worden. Manche Straßen sind völlig dunkel geblieben. Die diesjährige Ernte. Als Vorläufer des demnächst in Paris zur Veröffentlichung gelangenden Estienne'schen Berichts über den Stand der Ernten der Welt wurden soeben folgende summarische Bulletins ausgegeben: Frankreich: Die Ernte wird den Ertrag der vorjährigen Ernte nicht erreichen. Frankreich wird zum mindesten denselben Bedarf haben wie in 1883/1884. Die Weizenernte des Jahres 1883 betrug l04 Millionen Hectoliter, in 1884 erreichte sie 111 Millionen Hectoliter, in 1882 betrug die Weizenernte 122 Millionen, im Mittel also etwas über 112 Millionen Hectoliter. — Algerien: Wird importiren müssen, trotz einer ziemlich guten Ernte. — Italien: Mittelmäßige Ernte. — Spanien: Geringes Deficit. — Schweiz, Belgien: Mittelgute Ernte-Erträge. — Deutschland: Die Ernte ist befriedigend, theitweise mittelmäßig. — Rußland, Türkei: Die Ernten haben nicht gehalten, was die Saaten versprochen. Diese bei den Länder werden höchstens die Hälfte desj vorjährigen (1884/85) Quantums exportiren können. — Serbien, Rumänien: Sind ex portfähig. — Amerika: Wird einen Weizenertrag haben wie im Jahre 1881: Damals wurden 380 Millionen Bushels Weizen geern tet. In den übrigen Früchten macht es eine reiche Ernte. Man schätzt den Weizenüberschuß für den Export auf 160—200 Millionen Bushels (einschließlich der alten Bestände). — England: Wird we niger importiren als im vorigen Jahre. Die Ernte fällt befriedi gend aus. Die starken Stürme der letzten Tage haben viel Seeunglück verursacht. Neben einer Menge von kleiner Havarien meldet der Te legraph viele Strandungen, welche leider auch deutsche Schiffe betrafen. Kuffschiff „Amandus" aus Papenburg strandete auf der Reise nach Königsberg an der Westküste von Jütland. Schiff und Ladung sind als verloren anzusehen. Der Kapitän ertrank, während die Mann schaft sich auf Wrackstücken rettete. Ebenfalls scheiterte an dieser West küste Schoner „Adelheid". Die Ladung, pommersche Balken, trieb an Land. Man fand das Schiff ohne Besatzung. Im Sunde, süd lich von Kopenhagen, strandete Brigg „Julie" aus Greifswalde, auf der Reise von Hamburg »ach Geste mit Stückgut. Vaterländische-. — Pachtfrei werden die Bahnhofs-Restaurationen zu Freiberg, Rochsburg und Tharandt am 31. Januar 1886, zu Wilthen und Zittau am 28. Februar 1886, zu Leipzig (Dresdener Bahnhof) am 31. März 1886, zu Neusalza-Spremberg und Wolkenstein am 30. April und zu Prausitz am 15. Mai 1886. Die Verpachtung erfolgt auf 6 Jahre unter den auf allen Stationen einznsehenden allgemeinen Pachtbedingungen. Pachtgebote sind bis 28. August an die Kl. Ge neraldirektion der sächsischen Staatseisenbahnen Dresden einzusenden. — Das „Leipz. Tgbl." berichtet: Der in Volkmarsdorf, das gegenwärtig ca. 14,000 Einwohner zählt, seit 31. Juli 1882 als Gemeindevorstand und Standesbeamter amtirende Herr Lehmann, dessen Wahlperiode den 31. Juli 1888 abläust, wurde in einer kürz lich vom hiesigen Rathe abgehaltenen Sitzung schon jetzt auf weitere sechs Jahre einstimmig wiedergewählt. Herr Lehmann, welcher gleich zeitig auch Vorsitzender im Schulvorstande ist und auch von demselben vor Kurzem als solcher wiedergewählt wurde, hat es verstanden, mit Eifer, Fleiß und Treue und Gewissenhaftigkeit seine Pflichten als Ge meinde- und Schulvorstand unter schwierigen Verhältnissen zu erfüllen und sowohl durch seine Amtsführung und sittliche Haltung im Allge meinen, als auch die Verwaltung des Archivs die Achtung und Liebe seiner Vorgesetzten und der hiesigen Gemeinde in einem hohen Grade erworben. Mit Freuden wird anerkannt, daß die Existenz dieses Man ne- auf weitere Jahre sicher gestellt ist. Nun so möge er auch fer nerhin seine Talente zum Wohle einer so umfangreichen Gemeinde wiederum auf eine so segensreiche Weise anwenden, wie er es bisher gethan. — Die 14tägige Gefängnißstrafe des Herrn Baumeister Hartwig in Dresden ist im Gnadenwege in eine Geldstrafe von 1000 Mark nmgewandelt worden. — Die einzige Tochter des Fabrikbesitzers Zschaschel in Ruhbant, welche an Krämpfen litt, ertrank in einem Wannenbade. — Wieder muß von einem empörenden Sittlichkeitsverbrechen, verübt an einem 10jährigen Mädchen, berichtet werden. Auf dem Fußwege, von Elbersdorf nach Dürrröhrsdorf wurde am Mittwoch Nachmittag gegen 4 Uhr die 10jährige Tochter des Schuhmachers Schäfers aus Elbersdorf von einem jungen Menschen eingeholt und überfallen. Glücklicherweise ist es gelungen, des Verbrechers alsbald habhaft zu werden. — Auf dem Erzgebirgskamm ist am 19. und 20. August der Regen wiederholt mit einzelnen Schneeflocken untermengt gewesen, wie überhaupt die Witterung dort oben für die Ernte die denkbar un günstigste ist. Leider wird auch das Kartoffelkraut auf vielen Feldern wieder schwarz. — In Ehrenfriedersdorf sind infolge Genusses von trichi nösem Schweinefleisch, wie bis jetzt ermittelt worden ist, 22 Personen an der Trichin osis erkrankt. Glücklicherweise sind sämmtliche Fälle leichterer Art. — Obersayda. Ein Brudermord hat hier in der Nacht zum 14. August stattgefunden. Auf der Straße bei Obersayda geriethen zwei Brüder, die Gebr. Pürschel, in einen Streit, der einen traurigen Ausgang nahm, denn am andern Morgen wurde Hermann Pürschel auf der Straße zwischen Zethau und Obersayda todt aufgefunden. Der Thäter soll dem Vernehmen nach ausgesagt haben, sein Bruder sei mit der Sense auf ihn eingedrungen und habe er sich demnach im Zustande der Nothwehr befunden. — Die schon im Jahre 1883 von der innern Mission gegebenen Anregungen zur Vermehrung der Herbergen zur Heimath haben auch im Jahre 1884 kräftig fortgewirkt. Es war besonders die im Handwerkerstand erwachte nnd sich noch steigernde Jnnungsbewegung, welche den Bestrebungen der innern Mission in diesem Punkte ent gegenkam. Das beiderseitige Interesse führte an verschiedenen Orten zu einem erfreulichen und erfolgreichen Zusammenwirken. In etlichen Orten nahmen die Gewerbetreibenden selbst die Sache in die Hand und gründeten Herbergen zur Heimath mit Zugrundelegung der an derwärts bewährten christlichen Einrichtungen und Hausordnungen. Ein weiterer Beweggrund für die Freunde der innern Mission war hier und da der Wunsch, Stützpunkte für die Einführung der Natural verpflegung armer Reisender zu schaffen. So sind denn zu den am Ende des Jahres 1883 bestehenden 17 Herbergen im Jahre 1884 folgende 6 neue hinzugekommen: Werdau, Riesa, Waldheim, Kamenz, Auerbach, Großenhain. An weiteren 7 Orten aber, nämlich in Borna, Frankenberg, Glauchau, Klingenthal, Leisnig, Radeberg und Treuen sind Comitee's gebildet, von denen einige die Angelegenheit bereits soweit gefördert haben, daß die Eröffnung der Herbergen unmittelbar bevorsteht. Die Gesammtbenutzung der Herbergen zur Heimath zeigt wiederum eine namhafte Steigerung 105,235 auf 133,021 insqesamnit gewährten Nachtlagern. Bedenkt man, daß es im Jahre 1872 in Sachsen nur erst 6 solcher christlicher Herbergen gab mit 26,500 ge währten Nachtlagern, dagegen im Jahre 1884: 23 mit 133,021 Nacht lagern, so kann man nicht verkennen, daß die Liebesthätigkeit der evangelischen Kirche, wie sie in der innern Mission geübt wird, auch auf diesem Gebiet viel Segen in das Volk hineingestreut hat. Desto mehr darf man erwarten, daß die innere Mission in immer weiteren Volkskreisen Freunde und Gönner gewinnen wird. — Der deutsche Sängerbund wird sein nächstes Fest, wahr scheinlich im Jahre 1887, in Wien feiern. — In einem Hotel in Chemnitz hat am Dienstag ein junger Reisender seine Geliebte in einem Fremdenzimmer mit einem Revolver erschossen und dann auf sich einen Schuß abgefeuert!, wodurch er ober halb des rechten Auges verwundet worden ist. Die beiden jungen Leute hatten miteinander ein Verhältniß, welches seitens der Eltern nicht gebilligt worden ist. Der junge Mann, welcher erst 19 Jahre alt ist, stammt aus Leipzig, das Frauenzimmer ist 21 Jahre alt und bei Torgau gebürtig. Der Erstere scheint sich schon seit längerer Zeit mit Selbstmordgedanken hernmgetragen zu haben. Das Frauen zimmer lag mit dem Gesicht auf dem Bett und war durch zwei Schüsse getödtet, während der junge Mann daneben lag und bei Besinnung war. — Unter der Ueberschrift: „Es ist nicht ängstlich" bringt die Wochenzeitung „Aus der Werkstadt" folgende treffende Kernsätze: „Ich lasse jetzt mein Winterholz klein machen. Der mir das Holz hackt, ist ein Ehrenmann. Trotz großer Kränklichkeit sucht er sich sein Brot noch selbst zu verdienen und spaltet wacker darauf los, so gut und schlecht es geht. Einen Theil spaltet er jetzt, einen andern Theil später! Nun wird Jeder wissen, daß ein braver Handarbeiler seinen Lohn haben muß, wenn die Arbeit gethan ist. Drum schickte ich ihm, wie die eine Hälfte gethan war, den Lohn zu, weil ich ganz genau wußte, mein Holzmacher braucht das Geld. Und was sagt er da: „'s war nicht so ängstlich!" Diese Redensart habe ich nun nicht etwa nur von dem Holzmacher gehört, sondern auch ost genug von Handwerkern und Geschäftsleuten, wenn ich Rechnungen bezahlte. Und weil diese Re densart vielen Schaden bringt, will ich sie doch einmal so schlecht machen, wie sichs gehört. Der Geschäftsmann denkt, seine Ehre erfor- dert es, wenn er Zahlung erhält zu sagen, es sei nicht ängstlich, es habe noch Zeit gehabt! Obgleich es die höchste Zeit war, daß be zahlt wurde. Was ist die Folge dieser Redensarten? Der Kunde glaubt endlich, es sei wirklich nicht so ängstlich und nimmt sich Zeit! Und wenn dann der Geschäftsmann manchen Posten in seinem Buche quittiren und manche Rechnung in die Feueresse schreiben muß, was war schuld? „Nun, 's war nicht so ängstlich! 's hatte ja Zeit!" Hätte er aber gewußt, wies kommt, er hätte sicher dem Kunden, der bezahlen wollte, gesagt: „Nur her mit dem Gelde, immer her damit, — 's ist ängstlich!" Berurtheilt. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. „Er war mittelgroß und hatte ein sehr freundliches, offenes Ge sicht mit ein Paar hellblauen klugen Augen. Es fiel mir besonders auf, daß er ungewöhnlich rasch sprach, er schien mir ein sehr heiterer, gutmüthiger Mensch zu sein. Nach der Aussprache hielt ich ihn für einen Dänen, obwohl er recht gut und sogar hochdeutsch redete'" „Auf welchem Schiff er diente, können Sie mir wohl nicht sagen?" „Nein, ich habe ihn nicht darnach gefragt; aber er fchien mir einem Dampfer des Loyd anzugehören, einer New-Iorker Linie, denn von einer langen Seereise kam der Mann nicht." Helene bat noch den Juwelier, ihr oder noch besser dem Gerichte sofort Nachricht zu geben, wenn sich Jemand einfinden und die Busen nadel abholen wolle, und der Goldschmied sicherte es der ihm bekannten reichen Patriziertochter gern zu.