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thuung darüber ausgedrückt worden, daß sie zur Beglückwünschung des Reichskanzlers hierher gekommen und damit ein bedeutungsvolles Zeichen der harmonischen Üebereinstimmung im Bundesrathe gegeben hätten. Der offizielle Dank des Kanzlers lautet: Aus Anlaß meines 70. Geburtstages und bevorstehenden 50jährigen Amtsjubiläums sind mir so zahlreiche Kundgebungen des Wohlwollens in Gestalt von Glück wünschen und Festgaben zugegangen, daß es leider nicht möglich ist, im Einzelnen darauf zu erwidern. Ich bitte Alle, welche am I. d. M. meiner freundlich gedacht haben, meinen herzlichen Dank entgegen zu nehmen und versichert zu sein, daß der freudige und tiefe Eindruck so vieler und reicher Beweise der Liebe meiner Mitbürger in meinem Leben nicht verlöschen wird. von Bismarck. Nach den letzten Reichstagswahlen machte sich vielfach, wenn auch nicht unbestritten, die Ansicht geltend, die Verdoppelung der sozialde mokratischen Sitze im Reichstage sei durchaus kein Unglück. , Fürst Bismarck bestätigte später diese Meinung, und heute wird ihr kaum noch widersprochen. „Es wird auf allen Seiten anerkannt," sagt die „Köln. Ztg.", „daß das Auftreten der sozialdemokratischen Abgeordneten in der gegenwärtigen Reichstagssession für ihre Ge wohnheiten und Verhältnisse unerwartet maßvoll und besonnen ge wesen ist. Die Verdoppelung der Reichstagsmandate, welche den So zialdemokraten die jüngsten Wahlen eingebrachl haben, hat nicht die Wirkung gehabt, ihr Auftreten herausfordernder zu machen, sondern hat ihnen offenbar das Gefühl der Verantwortung verschärft; sie haben sich darein gefunden, ihre weltumstürzenden Pläne mitunter beiseite zu stellen, praktisch Erreichbares ins Auge zu fassen und die Arbeiter interessen in der heutigen Gesellschaftsordnung, wie sie nun einmal besteht und noch lange bestehen wird, nach ihren Austastungen zu ver treten. Dem Arbeiterfchutzentwurf, den sie eingebracht haben, hat man von keiner Seite die Anerkennung versagt, daß er sich auf einem Bo den bewegt, auf dem auch staatserhaltende Parteien sich in eine ernst liche Erörterung einlassen können, mag auch manches Unzweckmäßige und Undurchführbare darin enthalten sein. Auch an anderen sozial politischen Arbeiten des Reichstags haben sie sich eifrig und nützlich detheiligt. Gegenüber der Postdampfervorlage haben sie eine ziemlich entgegenkommende Haltung eingenommen; sie waren sogar zur Bewil ligung der auf das Festland beschränkten australischen Linie bereit und haben ihre Haltung mit dem sehr verständigen Gesichtspunkt be gründet, sie erwarteten dadurch lohnenden Verdienst für zahlreiche Arbeiter, wenn auch den Kapitalisten und Unternehmern der größte Theil des Gewinnes zufallen werde. Dieser Gesichtspunkt zeugt von dem fortschreitenden Bestreben, auch unter den heutigen Erwerbsver hältnissen praktische Arbeiterpolitik zu treiben, und berechtigt zu der Hoffnung, daß auch diese Partei mit der Zeit aufhören werde, ihre einzige Aufgabe in der Erregung von Mißvergnügen und Haß gegen die bestehende Ordnung zu erblicken. Die Zeiten eines Most und Hasselmann sind offenbar für die deutsche Sozialdemokratie vorüber. Wenn die anarchistische Bewegung auch in Deutschland ihr Wesen treibt und von Zeit zu Zeit durch große Frevelthaten die Welt erschreckt, so sind wir doch nicht berechtigt, eine kleine Verschwörerbande, die ihre Weisungen von Revolutionären des Auslandes empfängt, schlechthin mit der gesammten deutschen Sozialdemokratie zu indentifiziren, in deren Thaten den Ausdruck der Gesinnung der sozialdemokratischen Arbeiterwelt zu erblicken. Wenn die Leiter der Sozialdemokratie sich entschieden dagegen verwahren, mit den Männern der Anarchie und des gewaltsamen Umsturzes zusammengeworfen zu werden, so hat man nicht das Recht, die Wahrheit dieser Verwahrung anzuzweifeln. Sie würden auch bei einem großen Theile der jetzt sozialdemokratisch ge sinnten und wählenden Arbeiterschaft allen Boden verlieren, wenn sie sich mit solchen wahnwitzigen und verbrecherischen Bestrebungen ab- geden wollten. Zum Theil ist die fortschreitende Mäßigung der sozial demokratischen Bewegung ganz unstreilig eine wohlthätige Wirkung des Sozialistengesetzes, das die anarchistischen Elemente niedecgehaltcn hat." In gemäßigter Sprache haben auch die 1848er dem Kanzler zum 1. April gratulirt. Von den 290 Abgeordneten, die am 29. März vor 36 Jahren in der Paulskirche zu Frankfurt a. M. den König Friedrich Wilhelm IV. zum deutschen Kaiser wählten, leben noch 30, dieselben haben, wie der Oberbürgermeister Dr. Becker im Gürzenichsaale zu Köln bei der Bismarckfeier erzählte, dem Reichs kanzler eine Adresse überreichen lassen, in welcher sie ihm und dem Kaiser dafür danken, daß die Hoffnung, deren Scheitern im Jahre 1849 von unserem Volke so tief empfunden wurde, sich vor 14 Jahren doch noch erfüllt habe, wenn auch auf einem anderen Wege, als man früher hätte ahnen können. In Berlin giebt es augenblicklich 3000 beschäftigungslose Maurer, weshalb auch in den Arbeiterblättern öffentlich aufgefordert wird, den Zuzug nach Berlin fernzuhalten. Der „Kölnischen Zeitung" schreibt man aus Berlin: „Wenn es auch kaum möglich sein wird, mit einem neuen französischen Ministerium von vornherein auf den Fuß eines so aufrichtigen Ver ständnisses zu gelangen, wie es zwischen unserer Regierung und Herrn Ferry bestand, so ist man doch überzeugt, daß, wer immer Herrn Ferry's Nachfolger sein wird, durch die Thatsachen auf denselben Weg gewiesen sein wird, den glücklich gefunden zu haben immerhin ein Ver dienst Ferry's bleibt: das ist das vernünftige Einvernehmen mit Deutschland. Sollte Herr Freycinet oder wer sonst die Erbschaft des Herrn Ferry antreten wird, erst andere Versuche machen, etwa mit einem englische» oder italienischen Bündnisse, so wird er alsbald er kennen, daß ein solches nur auf Kosten der französischen Interessen über See zu erhalten ist, während Deutschland wie bisher völlig selbst los mit der französischen Regierung Hand in Hand gehen wird. Diese Erkenntniß wird gerade bei der jetzigen Lage Frankreichs mächtiger sein, als alle Vorurtheile, und so vertraut man hier, daß an unserem befriedigenden Verhältnisse zu Frankreich durch den Ministerwechsel in Paris nichts geändert werden wird." Berlin. Für die nächstjährige internationale Kunstausstellung sind außer den von Sr. Maj. dem Kaiser zugesagten 100,000 M. nunmehr auch vom Kultusminister 100,000 M. aus Staatsmitteln bewilligt worden. Bielefeld, 2. April. Trotz des Belagerungszustandes, der heute permanent erklärt wurde, sind heute Nacht die Hintergebäude der Bodel- fchwingh'schen Anstalten „Ebenezer" und zwar für Epileptische und Blödsinnige ruchlos angezündet worden. Die Kranken wurden ge rettet, kein Menschenleben ist zu beklagen. 2 muthmaßliche Thäter wurden verhaftet. Oberst Köppen hat das Kommando wieder über nommen. 2 Wirthschaften (Niehage und Sickmann) sind für immer geschlossen worden. Paris. Es wird allseitig gemeldet, daß im Augenblicke des Sturzes des bisherigen Kabinets Jules Ferry auf dem Punke war, mit China einen ehrenvollen Frieden abzuschließen. In Folge dessen ist die Stimmung des Publikums zu Gunsten Jules Ferry'S umge- schlagen, dagegen hat die Animosität gegen die Deputirtenkammer zu genommen. St. Petersburg. Aus Kertsch wird gemeldet, daß der Dampfer „Mariupol" mit einigen 30 Personen, darunter Passagiere, im Asow'« schen Meere untergcgangen und nur 1 Passagier gerettet worden sei. Baterläs-ifcheS Wilsdrusf. Am ersten Feiertag hielt der uns noch von früher bekannte und beliebte Salonzauberkünstler IVIr. frsnvb im Saale des Hotels zum Adler seine erste Vorstellung und eröffnete dieselbe durch höchst interessante und besonders mit großer Präzision ausge« führte Experimente auf dem Gebiete der Magie, welche sämmtlich durch ihre elegante und sichere Ausführung reichen Beifall fanden. So setzte z. B. der mit seinem Inhalt nicht enden wollende Cylinderhut, aus dem Mr. French nicht nur ein Dutzend elegante Schächtelchen, 6 Stück brennende Laternen, mehrere Becher und Kartenspiele u. f. w., sowie ein Wickelkind mit diverser Wäsche zum Vorschein brachte, das anwe- tende Publikum in animirte Stimmung. Die später folgenden Nebel bilder, welche sich durch besondere Klarheit und Schönheit auszeichneten, sowie das prächtig zusammengestcllte Farbenspiel errangen ebenfalls die vollste Zufriedenheit der Anwesenden und können wir nur wünschen, daß die noch folgenden Vorstellungen durch recht zahlreichen Besuch Anerkennung finden möchte». Besonders machen wir noch auf die unsern Kleinen am 3. Feiertag bevorstehende Freude aufmerksam und wünschen dem Veranstalter zur Kindervorstellung ein recht volles Haus. — Zum neuen Domprediger in Meißen ist vom Domkapitel der zeitherige Diakonus Körner in Gößnitz erwählt worden. — In der Nacht zum Charfreitog ist in Glauchau an der Fieischersehefrau Puchta ein Raub und versuchter Mord ausgeführt worden. Gestohlen wurden 300 M„ bestehend in einem 100-Markschein und Gold und Silber. Verdächtig ist ein junger Mann in den 20er Jahren. — Auch bei der Ausschreibung von fünf in Pirna zu besetzen den Polizistenstellen machte man die jetzt allerwärts bestätigte Erfah rung, wie bedeutend der Andrang von Bewerbern um feste Anstellungen bei Staats- und Gemeindebehörden ist. Es gingen nämlich auf diese Ausschreibung hin mehr als hundert Bewerbungsschreiben ein. — Oschatz. Eine in den letzten Tagen voriger Woche stattge habte Mordthat meldet die „O. V." aus der Umgegend von Haida. Ein Dienstmädchen ist daS Opfer desselben geworden und ist der Ur heber dieses Mordes der Dienstherr des betreffenden Mädchens, daS kurz zuvor einen größeren Gewinn gemacht und diesen Betrag erhoben halte. Die Einzelheiten dieses Vorfalls werden in grausigster Weise geschildert. — Mit dem 10. April beginnt im Königreiche Sachsen die Schon zeit für die sogenannten Sommerlaichfische, und es dauert dieselbe bis mit dem 9. Juni. Während dieser Zeit dürfen diese Fische in fließenden Gewässern nicht gefangen und überhaupt weder feilgedoten, noch verkauft, noch zum Zwecke des Verkaufes versendet werden. Diese Fische sind: Stör, Zander (Sandart), Rapfen (Raapfen, Rapf, Schied), Blei (Brachsen, Brasse), Maifisch (Alse), Finke, Aland (Nerfling), Barbe, Döbel, Schleie, Aesche (Asch), Karausche, Rothfeder, Barsch, Rothauge (Plötze), Schmerl, Weißfisch und Zehrte. — Von den ge wöhnlichen Süßwasser-Speisefischen dürfen daher während dieser Zeit auf dem Markte lediglich erscheinen: Lachs, Lachsforelle (d. h. eigent lich Landsee- oder Meerforelle), Bachforelle Karpfen, Hecht, Aalraupe und Aal. Es wird den städtischen und staatlichen AufsichtSorganen in diesem Jahre leichter werden, während der Schonzeit die Markt polizei zu üben, da dieselben von dem sächsischen Fischereivereine mit einer Schrift versehen wurden, in welcher sämmtliche in Frage kom«* menden Fische abgebildet sind. Der genannte Fischereiverein ist über dies in der Lage, Aufsichtsbeamte, welche sich um die Bestrafung von Fischereifrcveln verdient gemacht haben, durch Gratifikationen auSzu- zeichnen. — Aus allen Orten Deutschlands gehen dem Kegelklub „Die Sandhasen" zu Dresden (Hotel Annenhof, Anncnstraße 23) infolge seines Aufrufes zu einer Versammlung aller deutschen Kegelklubs vom 6.—8. Juni d. I. zu Dresden Anmeldungen zu. Dieselben haben bereits die Höhe von 75 Clubs mit über 700 Theilnehmern erreicht. Vertreten sind jetzt Berlin, Burg, BreSlau, Braunschweig, Bischofs werda, Cöthen, Chemnitz, Delitzsch, Dresden, Dessau, Ernstthal, Gera, Großröhrsdorf, Gersdorf, Hannover, Halle, Hamburg, Leipzig, Lucken walde, Lauban, Magdeburg, Plagwitz, Potsdam, Plauen i. V., Reiche nau, Schönheide, Tinz b. Gera, Weißenfels und Zwickau. In Berlin, Hannover, Leipzig und Chemnitz werden bez. Generalversammlungen stattfinden. Das ausführliche Programm, welches in nächster Zeit zum Versandt kommt, besteht in der Hauptfachs aus: Sonnabend, den 6. Juni, Begrüßung und großem Fcst-CommerS, Sonntag, den 7. Juni, Vorm. Congreß, Mittags Festtafel und Nachm. großem Con- cert, sowie Montag, den 8. Juni, Fahrt Per Extradampfschiffe nach der sächsischen Schweiz. Weitere Anmeldungen nimmt obengenannter Club entgegen. Die Grasen von Dürrenstein. Original - Roman von Emilie Heinrich-. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ich danke dem Himmel dafür, Herr Graf!" versetzte der Pfar« rer einfach, „wo irdischer Trost und Beistand ihre Kraft versagen, da tritt der Augenblick heran, der Allmacht und Güte Gottes zu vertrauen. Darf ich Ihnen Platz anbieten, Herr Graf?" Dürrenstein ließ sich in einen Sessel nieder, worauf der Pfarrer sich ihm gegenübcrsetzte nnd ihn erwartungsvoll anblickte. „Sie sehen mich vollständlich rathlos, in einer Sackgasse, Herr Pfarrer", begann der Graf, „und bitte ich, meine Worte als eine Art Beichte anzusehen." „Ihre Mittheilungen ruhen in meiner Brust so sicher wie jede Beichte", erwiderte der Pfarrer ruhig. „Gut — das wollte ich hören. Ls wird Ihnen bekannt sein, daß mein Neffe, Graf Albrecht Dürrenstein von feiner jahrelangen Irr fahrt heimgekehrt ist. „Gebeffert, wie ich zu meiner Freude erfahren habe, Herr Graf!" schaltete der Pfarrer ein. „Hm, wie man's nehmen will — der Junge war wild, natürlich, ich machte es ihm vor — eben deshalb war er just mein Liebling; wild, aber brav, Herr Pfarrer! Hatte echtes DürrensteinscheS Blut. Nun ist er ein anderer geworden." „Und das beklagen Sie, Herr Graf?" fragte der Pfarrer ver wundert, als jener schwieg. „Haben Sie ihn nach seiner Rückehr noch nicht gesehen?" fuhr der MajoratSherr unruhig auf.