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LH" Erstes Blatt. TharMdt, NA», Sjtbtlllthn lllld die Amgkgtlldm. Amtsblatt für die Köllig!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. - Abonnemenlprcis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 1V Pfg. — Inserate werden Montag« und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 102. Freitag, den 19. December 1884. Eagesgeschi chte. kJ Die im Reichstage mit einer Majorität von 22 Stimmen er folgte Ablehnung einer vom Reichskanzler wiederholt und auf das Eindringlichste und in eingehender Begründung als unbedingt noth- wendig bezeichneten zweiten Direktorstelle im Auswärtigen Amte mit einem Gehalte von 20,000 M., und die der Beschlußfassung voraus gegangene Debatte, wird gewiß überall in ganz Deutschland und selbst in den Reihen derjenigen Parteien, deren Vertreter den Beschluß ge faßt haben, Aufsehen zu erregen, bitteren Tadel und Bedauern begegnen, und kann nicht verfehlen, das Ansehen des Reichstages zu schädigen, dessen gegenwärtige Majorität sich im Eifer der Opposition gegen den Fürsten BiSmarck Hinreißen läßt, unsachgemäße und unhaltbare Beschlüsse zu fassen. Einen sehr peinlichen Zwischenfall führte der sozialdemokratische Abgeordnete v. Vollmar herbei. Fürst Bismarck hatte zur Verstärkung seiner Versicherung, daß die neue Direktorstelle nothwendiqWi, eine oratorische Berufung auf seinen Amtseid ange- wcndet. Mit Bezug darauf sprach Abg. v. Vollmar von den Fällen, in denen sich vor Gericht ergeben hat, daß untergeordnete Polizeibeamte unwahre Behauptungen auf ihren Amtseid genommen haben. Wenn dieselBezuguahme nicht sinnlos fein sollte — und zu sinnlosen Aeuße- rungen ist Abg. v.Vollmar zu gebildet —, dann war sie eine schwere und frivole Beleidigung des Reichskanzlers, und sie mußte mit einem nachdrücklichen Ordnungsruf geahndet werden. Der Prä sident von Wedell schien den Anforderungen des Momentes nicht ge wachsen; er machte einige unzulängliche Bemerkungen, durch welche dem Abg. v. Vollmar eine Thür zum Rückzug geöffnet wurde, die er unter Berufung auf den bewährten Muth der Sozialdemokraten in Worten! — benutzte. Der Kanzler nahm sich selbst die Genug- thuung, welche der Präsident ihm nicht verschafft hatte. Zu der vor gedachten Abstimmung im deutschen Reichstage bemerkt das Wiener „Fremdenblatt": Es kann nur tief beklagt werden, daß gerade auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, unmittelbar unter dem gewal tigen Eindrücke, den die Veröffentlichung der Aktenstücke in der west afrikanischen Kolonialpolitik in Deutschland wie in ganz Europa zu Gunsten des Fürsten Bismarck hervorgebracht hat, bas deutsche Par lament so ganz am unrechten Ort und zur unrechten Zeit der Rancüne die Zügel schießen ließ und bewußt oder unbewußt denjenigen Elementen Heeresfolge geleistet hat, welche dem Reichskanzler und dem Reiche mit gleicher Unversöhnlichkeit entgegenarbciten. Eine bessere und wohl feilere Politik wird in keiner europäischen Staatskanzlei gemacht. Noch darf man hoffen, daß der deutsche Reichstag einlenken und zu dem Bewußtsein kommen wird, daß er durch derartige Experimente die eigene Autorität und Würde in der empfindlichsten Weise schädigt. Denn darüber wird wohl nirgends Zweifel bestehen, daß die unermeß liche Majorität des deutschen Volkes nach den Ereignissen der vorge dachten Sitzung sich auf Seiten des Fürsten Bismarck stellen wird. Das bedauerliche, schmachvolle Resultat der Reichstags abstim- mung am 15. Dezember mit den unerfreulichen Verhandlungen hallt stark wieder im deutschen Volke und nimmt dem Parlamentarismus den Rest des Ansehens, der ihm bisher noch geblieben war. Unter Hinweis auf seine allzustarke persönliche Belastung forderte der Reichs kanzler zur Abwickelung der beständig zunehmenden Geschäfte eine weitere Kraft. Das Haus verweigerte diese Position mit 141 gegen 119 Stimmen, es verweigerte sie dem Manne, der Deutschland auf den Gipfel des Ruhmes gehoben, es von der letzten auf die erste Stufe unter den großen Nationen gebracht hat. Dieser Beschluß er regt weit über Deutschlands Grenzen hinaus Aufsehen, im Reiche selbst begegnet er bitterem Tadel und lebhaftem Bedauern, schädigt er doch das Ansehen des Reichstags, dessen Majorität sich, blindlings forteifernd, auf dem Wege der Opposition, Hinreißen läßt zu unsachgemäßen, un haltbaren Beschlüssen. Selbst in den Reihen derjenigen Parteien, deren Vertreter diesen Beschluß herbeiführteu, findet derselbe entschie dene Mißbilligung. Zur Postsparkasseufrage äußert die „Demokr. Korr.": „Wir sind nicht der Meinung, daß die Postsparkassen eine gefährliche Kon kurrenz für die bestehenden öffentlichen und Privatsparkassen sein wer den. Wir glauben im Gegenlheil, daß durch die Vermehrung der Einlegestellen von 7000 auf 14,000 der Spartrieb, namentlich der arbeitenden Klassen, überhaupt wesentlich gesteigert werden wird. Durch die Bestimmung, daß kein Guthaben der Postsparkasse 600 M. über steigen soll, werden den Privatsparkasseu auch viele neue Einlagen zufließen, welche von den Postsparkassen wegen Erreichung des Maxi mums zurückgezogen werden müssen. Die Privatsparkassen haben es übrigens in ihrer Hand, durch Erhöhung des Zinsfußes über die 3 Prozent, welche die Postsparkassen zahlen, diesen eine erfolgreiche Kon kurrenz zu machen und diese Konkurrenz durch Vereinbarungen wegen der Uebertragung der Guthaben von einem Orte auf den andern noch ausgiebiger zu machen. Im Allgemeinen sind wir daher mit dem bisherigen Verlaufe der Postsparkassenangelegenheit im Schoße des Bundesrathes einverstanden. Die Franzosen haben seit 1871 Unsummen für neue Festungen und namentlich für Sperrforts ausaegeben und jammern jetzt, wo iiL die Zinsen der Milliarden aufbringen müssen. Sie haben sich aber selbst jahrelang im Bauen und Geldhinauswerfen Überboten. Fremde sind es, welche auf die überlegene Ruhe der deutschen Heereslei tung aufmerksam machen im Gegensatz zu dem fieberhaften Bemühen der Franzosen, ihr Land wie mit einer chinesischen Mauer zu umziehen. Alles was deutscherseits geschehen ist, gegenüber jenen Festungs- und Sperrbanten, gipfelt in dem Bestreben, das Eisenbahnnetz des Reiches strategischen Zwecken dienstbar zu machen und es so viel wie möglich auszubeuten, um zur rechten Zeit am rechten Orte so stark wie mög lich im Felde zu stehen, aber nicht hinter Erdwerken die Maßregeln des Feindes abzuwarten. In London stand jüngst die Wahl des Lord-Majors, das heißt des Oberbürgermeisters, bevor. Aldermann Johnson war guter Hoff nung, daß er es werden würde, leider war auch Frau Johnson guter Hoffnung und das verdarb alles. Denn es ist alter Brauch, daß die Stadt der Oberbürgermeisterin eine silberne Wiege schenken muß, wenn sie in die Wochen kommt. Das wollten die Aldermänner, das heißt die Gemeinderäthe, sparen und wählten Master Rottage, von dessen Frau nichts zu befürchten ist. Ein Telegramm vom 15. d. M. meldet über ein Grubenunglück: Auf der Kohlengrube Edderitz in Anhalt sind fünf Bergleute von Schlammmassen verschüttet und noch nicht aufgefunden worden. Der Tod derselben ist wahrscheinlich. Auch in der ungarischen Kohlengrube der Staatsbahn bei Anina hat eine Explosion und in Folge dessen ein Brand stattgefunden, wobei 50 Arbeiter verbrannten oder erstickten, die über 100 unmündige Waisen hinterlassen; 30 Arbeiter sind ge rettet. Die Ursache des Unglücks ist die Verwendung gefährlicher statt der Sicherheitslampen; dadurch wurde die Explosion der Stickluft und des Kohlenoxidgases und die Entzündung des angchäflen Kohlen staubes hervorgerufen. WaterländischeS. — Das herannahende Weihnachtsfest giebt uns Veranlassung auf die den Tagesbillets auf den sächsischen Staatseisenbahnen zu den Feiertagen verliehene längere Gültigkeitsdauer hinzuweisen. Die gewöhnliche 3tägige Geltung dieser Billets wird bis auf 5 Tage ausgedehnt, dergestalt, daß die am Tage vor dem I. Feiertage (24. Dezember) und an den beiden Feiertagen gelösten Billets zur Rück reise bis Sonntag den 28. Dezember gelten. — In der ersten Hälfte des Monats Juni k. I. soll in Rade burg bei Gelegenheit der dort stattfindenden Hauptversammlung des Landwirthschaftlichcn Kreisvereins zu Dresden eine Landwirthschaftliche und Gewerbeausstellung stattfinden. Zur Ausstellung zugelassen werden Produkte des Ackerbaues, der Viehzucht, der Milchwirthschaft, sowie Maschinen für landwirthschaftliche Zwecke und gewerbliche Erzeugnisse aller Art. Ueber die Bedingungen ertheilt das Ortskomitee zu Rade burg gern weitere Auskunft. — Meißen. Die Dompredigerstelle an der hiesigen Domkirche, mit welcher einschließlich des Wohnungsäquivalents ein jährliches Ein kommen von 2550 M. verbunden ist, kommt mit dem 31. Januar l885 zur Erledigung. Bewerber um diese Stelle haben ihre Gesuche unter Anschluß der erforderlichen Zeugnisse baldmöglichst bei dem Syndikus Zimmermann in Meißen einzureichen. — Am 8. d. M. und folgende Tage hat eine abermalige Aus losung Königlich Sächsischer Staatspapiere stattgefunden, von welcher die 4"/« Staatsschulden-Kassenscheine von den Jahren 1852/55/58/59 /62/66 und /68, auf 4<7„ herabgesetzten, vormals 5"/» dergleichen vom Jahre 1867, 4"/« dergleichen vom Jahre 1869 Isit. und L, 4"/<> dergleichen vom Jahre 1870, ingleichen die aus den Staat übernom menen auf 4"/« herabgesetzten, vormals 4 Vs"/« Schuldscheine vom Jahre 1872 der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Kompagnie betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten Staatspapiere werden hier auf noch besonders mit dem Hinzufügcn aufmerksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresd ner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmt- lichen Bezirkssteuer-Einnahmen und Gemeindevorständen des Landes zu Jedermanns Einsicht ausgelegt werden. Mit diesen Listen werden zugleich die in früheren Terminen ausgelosten, aber noch nicht abge hobenen Nummern wieder aufgerufen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die Auslosungen übersehen. Es können dieselben nicht genug davor gewarnt werden, sich nicht dem Jrrthume hinzugeben, daß, so lange sie Zinsscheine haben und diese unbeanstandet eingelöst werden, ihr Kapital ungekündigt sei. Die Staatskassen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präfenticten Zinsschcine nicht vornehmen und lösen jeden echten Zinsschein ein. Da nun aber eine Verzinsung ausgeloster Kapitale über deren Fällig keitstermin hinaus in keinem Falle stattfindet, so werden die von den Betheiligten in Folge Unkenntniß der Auslosung zu viel erhobenen Zinsen seinerzeit am Kapitale gekürzt, vor welchem oft empfindlichen Nachtheile sich die Inhaber von Staatspapieren nur durch regelmäßige Einsicht der Ziehungslisten (der gezogenen wie der restirenden Num-