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VchMMriff Tharandt, Nassen, Siebentehn nnd die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag! und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr 90 Freitag, den 7. November 1884. Bekanntmachung, Durchschnittspreise für Marschfourage betreffend. Bon der Königlichen Kreishauptmannschaft Dresden sind die Durchschnittspreise für Marschfourage in dem Hauptmarktorte des hie sigen Bezirks, der Stadt Meißen, auf den Monat September dieses Jahres folgendermaßen festgestellt worden: 6 Mark 98 Pf. für 50 Kilo Hafer, 3 - 55 - - 50 - Heu, 1 - 75 - - 50 - Stroh. Königliche Amtshauptmannschaft Meißen, am 28. October 1884. v. Woffe. Bekanntmachung. Nach Anordnung des Königlichen Ministerium des Innern sollen die Namen und Wohnorte der als geprüfte Hufbefchlagmeißer Diplomirten und derjenigen Schmiede, die auf Grund der vor der landständischen Commission in der Oberlausitz bestandenen Prämien- Prüfungen eine Prämie erhalten haben, in den Amtsblättern bekannt gemacht werden. Die betreffenden Hufschmiede in den Städten Wilsdruff und Siebenlehn sowie in den ländlichen Ortschaften hiesigen Bezirksz werden daher hiermit anfgefordert, sich zu obigem Zwecke unter Ueberreichung ihrer Diplome resp. Zeugnisse bis zum SS. November df». /FS. hier anzumelden. Hiernächst werden die Herren Bürgermeister von Wilsdruff und Siebenlehn ingleichen die Herren Gemeindevorstände und Gutsvor steher hiesigen Bezirkes angewiesen, alljährlich (von nächstem Jahre an) spätestens am IS. November anher anzuzeigen, ob und resp. welche der zu den obengevachten beiden Kategorien gehörigen Hufschmiede sich im Laufe des vorausgegangenen Jahres in dem betreffenden Orte niedergelassen oder denselben verlassen haben, bez. etwa verstorben sind. Bezüglich derjenigen, welche sich neu niedergelassen haben, sind der Anzeige die betreffenden Diplome oder Zeugnisse beizufügen. Meißen, am 3. November 1884. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Boffe. EageSgefchichte. Der Ausfall der diesmaligen Reichstagswahlen hat nach mehr als einer Richtung hin gewaltig überrascht: Die Konservativen haben bedeutende Fortschritte gemacht, die Heidelberger siud in der That avancirt, auch die Reichspariei ist nicht zurückgeblieben. Wahrhaft niederschmetternd ist das Ergebniß für die Deutsch-Freisinnigen. Von 100 Mandaten, die sie im vorigen Reichstage innehatten, besitzen sie gegenwärtig 30 oder einige darüber und müssen wegen 50 anderer in der Stichwahl kämpfen; 20 Mandate sind also unwiederbringlich dahin, und wenn die Fortschrittspartei in allen Stichwahlen zum Siege ge länge, so würde sie nicht mehr als 80 Mandate aufzuweisen haben. Doch daran ist nicht zu denken. Schwere Bedenken muß die große Zunahme der sozialdemokrati schen Stimmen bei den Reichstagswahlen erregen, um so mehr, als von den durch die Regierung eingeschlagenen Wegen einer umfassenden gesetzlichen Sozialreform (Besserung der Lage der Arbeiter rc.) ein Rückgang der Sozialdemokratie erhofft worden war. Das verlängerte Sozialistengesetz hat zwar seinen Zweck erfüllt, thatsächlichen Ausschrei tungen der Sozialdemokratie entgegenzuwirken, die weitere Verbreitung der sozialdemokratischen Lehren hat das Gesetz nicht verhindern können. Daß die Fortschrittspartei, welche in Berlin bei den vorletzten Wahlen nochmals alle sechs Mandate errang, den Höhepunkt ihrer Macht über schritten hat, geht aus den jetzigen Abstimmungen deutlich hervor, sie hat im ersten Anlauf nur einen einzigen Kandidaten, Löwe, durchgesetzt und diesen nur mit geringer Mehrheit gegen den konservativen Kan didaten. Selbst Richter und Virchow müssen sich einer Stichwahl unterwerfen. Eines unterliegt keinem Zweifel mehr. Unter der Herr schaft des allgemeinen Stimmrechts ist es nothwendig, die berechtigten Forderungen des Arbeiterstandes, der über die Mehrheit der Stimmen verfügt, zu befriedigen. Soziale, tief eingreifende Reformen können nicht von heute auf morgen durchgeführt werden, die Erörterung ge eigneter Mittel erfordert, wie man weiß, die Arbeit von Jahren. Eben- fo wenig ist ein vollständiges Reformprogramm, felbst wenn es all seitig anerkannt wäre, mit einem Schlage auszusühren, es kann nur schrittweise, wie es Bismarck vorhat, ins Leben gerufen und muß an die bestehenden Verhältnisse angeschlossen werden, wenn nicht an Stelle der Reform die Revolution treten soll. Sonach ist es klar, daß die Durchführung einer die berechtigten Forderungen der Arbeiterbevöl kerung befriedigende Sozialreform eine Aufgabe ist, welche der hinge bungsvollen und zielbewußten Arbeit aller an der Gesetzgebung Be theiligten während eines langen Zeitraumes bedarf. Und ebenfo klar ist es, daß diese größte Aufgabe, welche je dem Staate abgelegen hat, nur dann ohne schwere und innerliche Erschütterungen gelöst werden kann, wenn die Arbeiter Vertrauen zu der Befähigung und dem ernsten Willen der Gesetzgeber, Regierungen und Reichstagsabgeordneten haben, wenn sie die Ueberzeugung gewinnen, daß ihre berechtigten For derungen auf dem Boden der bestehenden Rechtsordnung gelöst werden können. Trifft diese Bedingung zu, so wird der verständige Arbeiter — Anzeichen liegen vor — bereit sein, zu warten und mitzuarbeiten. Haben die Arbeiter dieses Vertrauen nicht, so schaaren sie sich immer zahlreicher nnd fester um das sozialdemokra tische Programm, das ihnen in zweifelhafte Aussicht stellt, durch Um sturz der bestehenden Rechtsordnung und noch zweifelhaftere Aufrichtung des sozialistischen Zukunftsstaates ihre Forderungen zu befriedigen. Wie der Abg. Eugen Richter der „Pos. Ztg." schreibt, wird das Defizit im neuen Reichshaltetat nicht weniger als 32 Millionen M. betragen. Sollte sich die Nachricht bestätigen, so wäre das allerdings gerade keine Freudenbotschaft und der Stand der Reichsfinanzen dann nichts weniger als günstig. Anleihen, neue Steuern, Erhöhung der Beiträge der einzelnen Staaten eins ist genau so ungünstig wie das Andere, wenn es sich um die Deckung eines solchen Ausfalles handelt. Wie nach der „Magdeb. Ztg." verlautet, ist an eine unmittelbare Einverleibung des Herzogthums Braunschweig in Preußen aus verschiedenen Gründen nicht zu denken. Zunächst stehen die preußischen Erbansprüche nicht auf so unbestreitbarer Grundlage, daß Preußen die Gewißheit hätte, dieselben mit Erfolg geltend zu machen. Zudem liegen thatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, daß die Bevöl kerung von Braunschweig das unmittelbare Verhältniß zu Preußen nicht wünscht, zumal wegen der von jeher so günstigen finanziellen Verhältnisse des Herzogthums, welche durch die administrative Selbst ständigkeit bedingt sind, dann aber darf es als feststehend erachtet werden, daß die Erhaltung der beiden braunschweigischen Stimmen im Bundesrathe von der Mehrzahl der Bundesregierungen gewünscht wird. Zu einer Verstärkung der Position Preußens im Bundesrathe um zwei Stimmen, auf welche die Einverleibung Braunschweigs in Preußen hinauskäme, würden namentlich die Mittelstaaten, die bisher gegen jede Stärkung des preußischen Einflusses eingenommen waren, voraussichtlich ihre Zustimmung nicht geben. Da es sich hierbei um eine Abänderung der Reichsverfassung handeln würde, so wäre, weil zur Ablehnung einer solchen durch den Bundesrath bekanntlich nur vierzehn Stimmen erforderlich sind, eine Majorisirung der Mittelstaaten nicht möglich. Die gegenwärtige Vertheilung des Stimmenverhältnisses im Bundesrathe kam erst nach langwierigen und vielseitigen Berathungen zwischen Preußen und den übrigen Bundesstaaten zu Stande, weshalb die Besorgniß herrscht, daß durch eine Veränderung dieses Verhält nisses Mißklänge in die bisherige Harmonie im Bundesrathe gebracht werden würden. Den vielen Gerüchten wegen Regelung der braun schweigischen Erbfolgefrage sei noch hinzugefügt, daß der zweite Sohn des Großherzogs von Baden, Prinz Ludwig Wilhelm, zurUeber- nähme der Regierung in Braunschweig in Aussicht genommen sei, und zwar als Regent in Gemäßheit des Regentschaftsgesetzes, in welchem es heißt: „Sollte der Regierungsantritt des Thronfolgers oder die Uebernahme der Regierungsverwesung durch einen berechtigten Regenten nicht innerhalb eines Jahres seit der Thronerledigung stattgefunden haben, so wählt die Landesversammlung den Regenten auf den Vor schlag des Regentschaftsrathes aus den volljährigen, nicht regierenden Prinzen der zum deutschen Reiche gehörenden souveränen Fürstenhäuser, welcher sodann die Regierungsverwesung bis zum Regierungsantritt des Thronfolgers fortführt. Inmitten der Wahlangelegenheiten hat ein Ereigniß wohl nicht die allgemeine Beachtung gefunden, welche es verdient: das am Don nerstag von Wilhelmshafen aus erfolgte Auslaufen des westafri- konischen Geschwaders zu seiner weiten Fahrt. Zum ersten Male entsendet das deutsche Reich ein so stattliches Geschwader zu einer (Fortsetzung in der Beilage.)