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lich das Handels-Politische und uationalwirthfchaftliche Moment betont wirch das postalische in die zweite Linie zurücktritt. Demzufolge bleibt die Aufbringung der Kosten nicht auf die dem Reichspostgebiete ange- fchlossenen Bundesstaaten beschränkt, sondern die Heranziehung aller Theile des Reiches sei in Aussicht genommen. Insoweit durch die Erwerbungen in Westafrika die Ausdehnung des Rahmens der Vor lage auf Linien, welche diefe Gebiete berühren, als nothwendig sich erwiesen habe, sei eine Erweiterung des gesetzgeberischen Planes und damit eine entsprechende Erhöhung der Subvention um jährlich 1 bis 1V-r Million M. in Aussicht genommen. Die Begründung werde er- erheblich reichhaltigeres Material erhalten, als die der letzten Vorlage; wie stark in den weitesten Kreisen der Bevölkerung das Interesse für dieselbe sei, bewiesen die ungemein zahlreichen aus den Kreisen der Interessenten dem Reichsamt des Innern zugegangenen Mittheilungeu, Gutachten und Petitionen, durch welche das anliegende amtliche Ma terial in der weitestgehenden Weise ergänzt sei. Der Reichskanzler hat nunmehr die ländliche Zurückgezogenheit von Friedrichsruhe wieder mit dem Geräusch der ReichShanptstadt! vertauscht, wo er am Dienstag Nachmittag mit seinem zweiten Sohne, dem Grafen Wilhelm, eingetroffen ist. Die verschiedenen zur Zeit schwebenden Fragen der iunern und auswärtigen Angelegenheiten machen allerdings die Anwesenheit des leitenden Staatsmannes in Berlin dringend nothwendig. In ersterer Beziehung sind es die braunschwei gische Affaire, dann die bevorstebenden Wahlen nebst den Vorbereitungen für die Arbeiten des künftigen Reichstags, die Berathungeu des preu ßischen Staatsrathes u. s. w., welche die Thätigkeit des Fürsten Bis marck in Anspruch nehmen, während dies nach außen in erster Linie mit der Kongo-Konferenz der Fall ist. Dem Zusammentritt derselben kann man wohl baldigst entgegensehen, da jetzt neben England auch die nordamerikanische Union offiziell ihren Beitritt zur Konferenz er klärt hat. Ein ganz entsetzliches Unglück ereignete sich in Hagen in der Nacht zum Sonnabend. Nachts 4 Uhr ertönten plötzlich die Fener- signale; es brannte in dem Vvgel'schen, früher Hill'schen Hause in der Elberfelder Straße. Die Feuerwehr war rasch zur Stelle, mußte sich jedoch zunächst auf das Schützen der Nachbarhäuser beschränken, zumal es an Wasser mangelte. Entsetzen ergriff aber die hcrbeige- eilten Menschen, als das Gerücht auftrat, das immer bestimmter wurde, daß sich noch Menschen in dem eine Feuergluth bildenden Hause be fänden. Leider hat sich das Gerücht bewahrheitet, und zwar in grö- ! ßerem Umfange, als mau anfänglich fürchtete. Es sind nämlich acht Menschen verbrannt, und zwar der Steindrucker A. Vogel, der in dem abgebrannten Hause zugleich ein Kolonialwaarengeschäft betrieb, dessen Frau und dessen 18jährige Tochter und I2jähriger Sohn; ferner die zum Befuch anwefende Schwiegermutter des Vogel und ein Neffe des selben; endlich sind auch noch zwei in dem Putzgefchäft von C. Els bach thätig gewesene junge Damen, eine Directrice aus Cöln und ein Lehrmädchen, verbrannt. Ein Dienstmädchen des Elsbach, das sich vom zweiten Stockwerke aus durch einen Sprung auf die Straße rettete, zog sich derartige Verletzungen zu, daß es nach dem Kranken- haufe geschafft werden mußte, wo es verstarb. Die übrigen Hausbe wohner, 4—5 Personen, retteten sich mit knapper Noth auf die Straße. In Moskau fanden große Studentenkrawalle statt. Wir ent nehmen dortigen Blättern folgende Einzelheiten: Gegen 7 Uhr Abends tauchten wie auf Kommando etwa 200 Studenten und Studentinnen auf, welche fürcherlich zn pfeifen und zu lärmen anfingen. Einige Studenten versuchten in die Redaktion der „Woskowskija WedomosU" einzudringen, wobei es zu einem Handgemenge zwischen ihnen und den Thorwächtern kam, in welchem letztere arg zugerichtet wurden. Wäh rend dieser Exzesse erschien eine Sotnie (100) Kosaken, welche auf die Studenten mit Knuten dreinhieben. Die Studenten erwiderten die Hiebe mit Stockschlägen und Steinwürfen, worauf der Kosaken-Kommandant Befehl gab, blank zu ziehen und in die Menge hineinzusprengen. Die Soldaten hieben darauf fcharf ein und brachten Vielen Kopf- und Schulterwnndeu bei. Eine Anzahl Tumultuanten wurde niedergeritten. Einem Studenten, welcher auf einen Kosaken einhieb, wurde von dem selben der Schädel gespalten. Einer jungen Studentin stieß ein Unter offizier den Säbel in die Brust. Die Soldaten sperrten alle Exze denten, welche nicht zu Boden geschlagen und liegen geblieben waren, in ein Karro ein und trieben sie so nach dem Gefängnisse. Es wur den da 110 Studenten und 23 Studentinnen internirt, in der Nacht aber noch mehr als 150 Studenten verhaftet. Die Arretiruugen dauern noch fort. Vaterländisches — In letzter Stunde noch ist im 6. Wahlkreise der Professor Virchow in Berlin als Candidat der Freisinnigen aufgestellt worden. Wohl oder übel ist also der Berliner Professor in unsere Interessen mit hineingezogen worden, und darum können wir nicht umhin, auf einen Artikel der Berliner „Staatsbürger-Zeitung" aufmerksam zu machen, die unter der Ueberschrift: „Im Kriege mit dem deutschen Reich", Folgendes schreibt: ,,Bei Gelegenheit der Thatsache, daß der Herzog von Cumberland von der Braunschweiger Erbfolge ausge schlossen wird, weil er das deutsche Reich nicht anerkennt, dürfte es sick empfehlen, auch folgenden Vorfalls zu gedenken: Als im Jahre 1878 der Landgerichtsrath Klotz zum ersten Male im 6. Berliner Wahlkreise candidatirte, ließ er sich durch einen Andern die Wahlrede halten. Dieser Andere wurde in einem Saale damals gefragt, warum er nicht selbst als Candidat auftrete, und ertheiltn die Antwort: „Meine Herren, ich habe das deutsche Reich noch nicht anerkannt." Dieser Andere ist der jetzige Candidat der Deutsch-Freisinnigen, Pro fessor Virchow. Ob er wohl jetzt das deutsche Reich anerkennt?" — Leipzig. Wie hiesige Blätter berichten, sind im Laufe des Mittwoch die Anarchisten Reinsdorf und Genossen — welche bei Gelegenheit der Niederwalddenkmalerckhüllung ein nichtswürdiges Atten tat gegen Se. Mas. den Kaiser und die ihn begleitenden Fürsten geplant hatten, und zwar durch Legung einer Dynamitmine unter der Fahrstraße, die der kaiserliche Zug passiren mußte — unter be waffneter Bedeckung aus Elberfeld hier eingetioffen und an die Ge fangenanstalt des k. Landgerichls abgeliefert worden, in dessen großem Verhandlungssaale ihre Äburtheilung durch das Reichsgericht wegen Hochverraths erfolgen wird. — In Leipzig sollte dieser Tage in einer Familie die ältere Tochter in den heiligen Ehestand treten. Der Tag der Trauung kommt, die Kirche, das Standesamt ist bestellt, die Gäste siud auch bereits da, der Bräutigam ist gleichfalls erschienen, vor dem Hause wartet bereits der Trauungswagen — da im letzten Augenblick ent zweien sich Schwiegerpapa und -Sohn, und die Hochzeit wird gar nicht ausgeführt. Nicht genügende Mitgift war die Ursache des Streites. — Man erinnert sich, daß sich auf dem Eilenburger Bahnhofe in Leipzig drei Landwehrleute geweigert hatten, in Güterwagen be fördert zu werden. Sie hatten sich telegraphisch beim Kaiser beschwert' der antworten ließ, sie hätten zu thun, was ihnen befohlen sei. Bis zur Äburtheilung wurden sie im Militärgefängniß zu Torgau inter nirt. Nunmehr ist durch allerhöchste Cabinetsordre das Urtheil des Kriegsgerichts vom Kaiser bestätigt worden. Danach sollen wegeu militärischen Aufruhrs und Betheilignng an einer gemeinschaftlichen Beschwerde über militärische Einrichtungen der Rädelsführer mit Ent fernung aus dem Heere und 7 Jahren 3 Monaten Zuchthaus bestraft sein. Von den beiden andern hat der eine Versetzung in die 2. Klaffe des Soldatenstandes und 6 Jahre 4 Monate Festungsgefängniß, der dritte Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes und 5 Jahre 3 Monate Festungsgefängniß erhalten. Die Verurtheilteu sind sämmt- lich verheirathet. — Anläßlich einer vor einigen Tagen in Lommatzsch abgehal- tenen Wahlversammlung kam es zu bedauerlichen Ausschreitungen, wobei der Redakteur der deutsch-freisinnigen „Meißner Nachrichten", Dr. Robert, von einer Anzahl Leute überfallen und arg mißhandelt wurde. — Der traurige Fall, daß ein 80jähriger Greis noch Hünd an sich legt, ist dieser Tage zu Neukirchen bei Chemnitz vorgckommen, woselbst ein in dem erwähnten Alter stehender Strumpfwirker feinem Leben durch Erhängen ein Ende machte. — Riesa. Die Masern-, Scharlach- und Diphlheritiskrankheii hat in unserer Stadt zur Zeit eine solche Ausdehnung erreicht, daß beispielsweise am 23. Oktober in einer einzigen ElemenMklasse von 44 Kindern 25 Kinder fehlten. Mehr noch als die schulpflichtigen Kin- der werden von der Epidemie die Kinder unter sechs Jahren befallen. Vermischtes. * Die Macht des Christenthums. Ein Manu bewohnte mit seiner Frau, 7 Kindern und drei jungen Schlafleuten eine Stube. Das älteste Kind war eine Tochter von 20 Jahren, dann folgte ein Sohn von l8, zwei Töchter von 16 und 14 Jahren und drei Kinder unter 10 Jahren. Diese 9 Familienglieder hatten ihr Lager an dem einen Ende der Stube; gegenüber schliefen die 3 jungen Schlafleute hinter einem aufgehängten Bettlaken. Für alle zusammen waren nur 3 Bett stellen vorhanden. Der Mann und seine Frau waren beide dem Trünke ergeben und verbrauchten allein für den Branntwein wöchentlich 12—16 M. War der Mann betrunken, und das war fast täglich der Fall, daun war er wie rasend. Es kam nicht selten vor, das er seine Frau am Halse packte und sie die Treppe hinunterwarf. Nach den Kindern schlug er mit einem Feuereisen und abgebrochenen Stuhlbeinen. Es war ein elendes Leben in der Familie und ost genug schien es, als müßten sie vor Noth sammt und sonders verhungern. — Da entdeckte der Stadtmissionar das Jammerloch. Er nahm sich der Leute treulich an mit Ermahnungen und Warnungen und brachte es so weit, daß wenigstens die Frau das ernstliche Gelübde ablegte, dem Branntwein zu entsagen. Auf den Knien liegend betete sie und der Stadtmissionar, daß ihr die Kraft von oben gegeben werden möchte, das Gelübde zu halten. Nach 4 Wochen weiterer Ermahnungen legte auch der Mann das Enthaltsamkeitsgelübde ab und trat zugleich aus dem Verein aus, in welchem dem Unglauben gehuldigt wurde. Bald genug wurde es mit der ganzen Häuslichkeit anders. Die Leute mietheten sich noch eine zweite Stube, kauften sich anständige Kleider und Möbel und fchon nach einem viertel Jahr hatte die Wohnung ein ganz anderes Ansehen. Die früher nie gesehene Kirche wurde wieder besucht, der Mann eta- blirie sich als Stuhlmachermeister, hielt sich drei Gesellen und an Stelle des Jammers und Unglücks war Glück und Zufriedenheit getreten. (Unentbehrlich für Jedermann.) Soeben erschien in der Verlags buchhandlung von Alexander Köhler in Dresden ein höchst zeitge mäßes und empfehlenswerthes Schriftchen unter dem Titel: Der Vormund, Eine vollständige Anleitung zunAusübung der Vormund schaft auf Grund der bürgerlichen Gesetzgebung zum unmitttelbarem Handgebrauch für Jedermann, leicht faßlich dargestellt von H. A. Stoehr (zwei Bogen stark, Preis 25 Pf.). Vor den vielen bis jetzt erschienenen ähnlichen Handbüchern zeichnet sich das vorliegende Schrift chen Vortheilhaft dadurch aus, daß es Jedermann, dem an Zeit und Geld gebundenen Geschäftsmann, Gewerbtreibenden u.s. w. eine völlig klare, leicht aufzufassende Uebersicht seiner Pflichten der bürgerlichen Gesetzgebung gegenüber an die Hand giebt. Wir nehmen gern Anlaß, dieses wirklich praktische und überdies sehr billige Schriftchen unseren verehrten Lesern auf das Wärmste zu empfehlen. — Zur Wahl! Einsender dieses hörte, man habe sich vcrschiedenerseits miß billigend darüber ausgesprochen, daß bei Sammlung der Unterschriften für den Wahlaufruf Äckermann nicht von Haus zu Haus gegangen worden sei und daß mau dabei manche unter der Bevölkerung ein flußreiche Persönlichkeiten übersehen habe. Man ist bei Sammlung dieser Unterschriften von der Ansicht aus gegangen, aus jeder Schicht der Bevölkerung möglichst nur einen oder einige Namen zu haben, damit der ganze Apparat nicht zu weit schwülstig würde und hat es keinesfalls in der Absicht gelegen, irgend Jemand Veranlassung zu geben, sich verletzt oder zurückgesetzt zu fühlen. Möge daher sich «Keiner grollend zurückziehen, sondern erfülle Keder heute seine Pflicht, indem er in der Zeit von früh 10 Uhr bis Nachmittags 6 Uhr seinen Stimmzettel für unseren langjährigen Md treubewährien Vertreter, Geh. Hofrath Ackermann in Dresden, in die Wahlurne lege. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Reformationsfeste Vormittags predigt Herr ?. vr. Wahl. Nach dem 2. Einlauten Beichte und nach der Predigt h. Abendmahl. Nach dem Gottesdienst Collecte zum Vesten deS Gustav- Adolph Vereins. Wochrnmarkt zu Wilsdruff, am 24. October. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 10 Pf. bis 2 Mark 20 Pf. Ferkel wurden eingebracht 200 Stück und verkauft L Paar 9 Mark — Pf. bis 18 Mark - Pf. Gasthof Pennrich. Zum Reformationsfest Einzugsschmaus, wozu freundlichst einladet