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Tharandt, Voßen, Sitbenlehn and die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshanptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 59 Dienstag, den 22. Juli 1884. Die diesjährigen Obsterträge der fiskalischen Mlleen auf der Meißen-Wilsdruffer Chaussee, Abtheilung 2 und Kesselsdorf-Nossener - - 1, 2 und 3 sollen Montag den Z8. Juli d. I. von Vormittags 11 Uhr an im 638tkofe rum „Hülee" in gegen sofortige baare Zahlung und unter den sonstigen vor Beginn des Termins bekannt zu machenden Bedingungen an Meistbietende verpachtet werden. Meißen, am 9. Juli 1884. Kgl Straßen- und Wasserbau-Inspektion II. Kgl. Bauverwalterei. Neuhaus. Diesel. DageSgefchichte. Kaiser Wilhelm befindet sich in Gastein sehr wohl. Als er zum erstenmal in fein Badekabinet trat und über der geschmückten Thüre die Aufschrift: Willkommen! las, sagte er in bewegtem Tone: Gott ist wahrlich gnädig, daß er mich diesen herzlichen Willkommen gruß noch einmal lesen läßt. Das österreichische Kaiserpaar hatte die Absicht, Kaiser Wilhelm in Gastein zu besuchen, um dem greisen Monarchen die Mühen der ersparen. Kaiser Wilhelm hat aber erklärt, daß er es sich nicht nehmen lasse, seinen treuen Freund, wie in früheren Jahren, auch diesmal in Ischl zu besuchen. Der Zeitpunkt der Zu- sammenkunft der beiden Kaiser in Ischl ist zwar noch nicht endgültig festgestellt, dürfte aber wahrscheinlich zwischen dem 7. und 10. August stattfinden. . Der „Reichsanzecher" publizirt einen Erlaß des Münsters von Göhler an sämmtliche Regierungspräsidenten über die Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung und Verbreitung der Cholera, sowie die Instruktion zur Vornahme der Desinfektion. Besonders anempsohlen wird die unverzügliche Bildung von Sanitäts- kommissionen, auch in Städten unter 5000 Einwohnern und ländlichen Bezirken, soweit es nur irgendwie die Verhältnisse gestatten. Der Magistrat von Berlin hat im Hinblick auf die Cholerage fahr das städtische Barackenlazareth in Moabit zur Aufnahme von 500 Kranken einrichten lassen und die bei etwaigem Einbruch der Cholera nothwendige Organisation des Transportwesens geordnet. Erfurt, 13. Juli. Die hiesige Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer letzten Sitzung am Freitag einstimmig zum Bau einer (zur Aufnahme etwaigenfalls an der Cholera erkrankter Personen be stimmten) Seuchenbaracke die Summe von 8550 M. bewilligt. Die Baracke soll auf dem Terrain des städtischen Krankenhauses erbaut werden. Kirchliche Zeitschriften bringen unliebsame Berichte über angebliche Proselytenmachrrei in den Spitälern von Metz und Mülhausen. Der „Kirchenbote" meldet aus Metz: „In deutsch-Protestantischen Kreisen wird hier augenblicklich viel davon geredet, daß im hiesigen städtischen Spital in jüngster Zeit mehrere Uebertritte von Protestanten zum Ka- tyolizismus vorgekommen seien. Es wird behauptet, den protestantischen Kranken wurde in demselben von Kaplänen und Krankenschwestern auf alle mögliche Weise zugesetzt, bis sie endlich nachgeben und alles mit sich machen lassen, was man will(?). Das protestantische Konsistorium hat die Sache in die Hand genommen und, nachdem es sieben derar tige Fälle konstatirt hatte, eine Beschwerde an das kaiserliche Ministe rium eingereicht und um Abhilfe gebeten. Dieselbe ist bis jetzt noch nicht erfolgt; die protestantische Geistlichkeit aber hat die Weisung er halten, den konfessionellen Frieden nicht fernerhin zu störens!?). Wie wir uns vergewisserten, ist der betrübende Vorgang nur allzu wahr; es bleibt befremdlich, wie die nachdrückliche Wahrung des heiligsten Rechtes armer evangelischer Kranken gegenüber solchen Quälereien und Plagereien fanatischer Gegner als Störung des konfessionellen Friedens bezeichnet werden konnte." — Einen ebenso unerbaulichen Bericht ver öffentlicht der „Volksfreund" aus Mülhausen, nur daß in diesem um gekehrt protestantische Geistliche die Proselytenmacher sind. Die „Str. Post" sagt mit Recht: „Wenn diese Berichte auch nur theilweise, auch nur zum allerkleinsten Theile sich bestätigen sollten, so würde sich da raus ein sehr unerfreuliches Bild der Zustände in jenen beiden Kran kenhäusern ergeben. Auf jeden Fall ist es nöthig, daß eine Unter suchung und amtliche Feststellung des Sachverhalts erfolge. Ein furchtbares Unwetter hat die ganze Vorderpfalz am 16. Juli Nachmittags heimgesucht und ungeheuere Verwüstungen angerichtet. Ganze Aecker sind total ruinirt, einzelne Häuser und Scheunen einge stürzt, Obstbäume in Masse umgeworfen, Dächer in den einzelnen Orten abgedeckt, Fensterscheiben zerbrochen rc. Der Blitz schlug in mehreren Orten, so in Neustadt, Frankweiler, Wachenheim, Dürkheim rc., ein, glücklicherweise ohne Menschenleben zu gefährden. Die Garben auf den Neckern wurden vom Sturm entführt und durcheinander gewirbelt. Von den Weinbergen wurde Gut massenhaft weggeschwemmt. Paris, 17. Juli. Seit heute Vormittag 10 Uhr starben in Marseille 15 und in Toulon 24 Personen an der Cholera. Paris, 18. Juli. Seit gestern Abend zählt man in Toulon 14, in Marseille 23 Choleratode. Ungezogene Pariser „Pflastertreter" haben sich bei Gelegenheit des Nationalfestes am 14. Juli das Vergnügen gegönnt, ihrem Haß gegen Deutschland Luft zu machen, indem sie ihre Hand nach den an einem von Deutschen besuchten Gasthofe angebrachten Fahnen ausstreck ten und die eine zerrissen, die andere, wie man sagt, verbrannten. Der französische Gesandte in Berlin hat über dieses Pöbelhafte Ge bühren dem Bedauern seiner Regierung bereits Ausdruck gegeben und damit wird es wohl sein Bewenden haben können. Ganz treffend schreibt ein Pariser Korrespondent der „Köln. Ztg." über den Vorfall: „Das Nationalfest ist trotz Cholera und Chauvinismus in Ruhe und Frieden und auch mit der gallischen Gemüthlichkeit verlaufen, die ohne Hohn und Schabernack nicht ruhig nach Hause gehen kann. Wären die Nachbarnationen mißtrauischer oder ängstlicher, so könnte dieser nicht mehr ungewöhnliche Weg, sich einen Spaß zu machen, Bedenk lichkeiten erregen. Jndeß, wie unter der französischen Republik Ver tragsbruch Planmäßig gepredigt wird, ist in der ganzen Welt bekannt, ebenso, daß die „Prussiens" ihr Pulver trocken halten, aber, sich ihrer Stärke wohl bewußt, sich durch das Bellen des süßen Pöbels nicht reizen lassen. „Der See will sein Opfer haben," pflegt es seit 1870 zu heißen, und auch heute hat er es bekommen: der holde Pariser Pflastertreter hat die Hand nach deutschen Fahnen ausgestreckt, eine zerrissen, die andere des in dem Straßburgfetisch verkörperten Ver tragsbruches verbrannt. Und Deutschland! Es denkt sein Theil und schweigt, aber auch das deutsche Volk „erinnert sich" der Ungezogen heiten seines Nachbars, doch es ist bis auf Weiteres nicht geneigt, das französische Volk dafür verantwortlich zu machen, wenn der Pariser Pöbel sich Frevel erlaubt, die allerdings nicht von gesunden Zustän den zeugen. Infolge eines Axenbruches ist auf der Bahn von Manchester nach London ein Schnellzug entgleist und den Bahndamm hinabgestürzt. Alle Wagen wurden zertrümmert. Der dritte Theil der Passagiere ist verunglückt; 20 Personen blieben auf der Stelle todt, darunter auch mehrere Deutsche. In einem Wagen saßen 7 Deutsche, die alle gerettet wurden. Diesmal scheinen die Polnischen Meldungen über die Entdeckung eines großen Attentats auf den Zar, das während des geplanten Besuches in Warschau ausgeführt werden sollte, ihre Richtigkeit zu haben. Der Zar wollte mit dem Thronfolger die Hauptstadt des Weichseldepartements im August besuchen, und zu diesem Zwecke wur den bereits die Schlösser Lazienki und Belvedere restaurirt. Die ent deckten Attentats-Vorbereitungen deuten nun allem Anscheine nach darauf hin, daß diese beiden Schlösser in die Luft gesprengt werden sollten. Eine große Anzahl von Verhaftungen beweist,' wie man aus Warschau meldet, daß diese nihilistische Verschwörung weit verzweigt war und nicht blos in Warschau, sondern auch in mehreren Provinzstädten Mit wisser hatte. Als hervorragendsten unter den Verschworenen bezeichnet mau einen Friedensrichter Bardowski, von dem nicht gemeldet wird, ob er ein Pole oder ein Russe ist. Die Nachricht, daß der Zar die Reise nach Warschau in Folge der neuesten Entdeckung aufgegeben habe, erscheint unter den obwaltenden Umständen sehr glaubwürdig. Wien, 17. Juli. Ueber die Entdeckung des auf den Zaren geplanten Attentats, welches während feiner Anwesenheit in Warschau ausgeführt werden sollte, berichtet die Krakauer „Reforma": Als am Donnerstag der Friedensrichter Bardowski nach Beendigung der Ver handlung nach Hause kam, trat ihm ein Gendarmerie-Oberst mit dem Revolver entgegen und erklärte ihn für arretirt. Bardowski versuchte einen Selbstmord, wurde aber verhindert. In der Wohnung Bardowski's wurde eine Tags zuvor eingetroffene junge Russin ebenfalls verhaftet. Bei Haussuchung wurde gefunden: Koffer mit Revolver und Spreng stoffen, sechs Bomben, Dolche und eine Handdruckerei mit Prokla mationen. Zweck der Verschwörung, an deren Spitze Bardowski stand, war, den kaiserlichen Palast, in welchem der Zar in Warschau residiren sollte, in die Luft zu sprengen. Gleichzeitig wurden arretirt zwei Schreiber Bardowski's, ein Journalist und acht Studenten. Das Dy namit brachte ein Russe vom Ausland, welcher ein Empfehlungsschreiben