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ThmM, Vosen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt fiir die König!. Amtshanptmnnnschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonncm enlpreis vierteljährlich l Mark. Einzelne Nummern 10 Psg. — Inserate werden Montag« und Donnerstags bis Mittags l2,Uhr angenommen. Nr. 53. Dienstag, den 1. Juli 1884» Dagesgeschichte. Mit der knappsten Mehrheit, das eine Mal mit 159 gegen 156, das andere Mal mit 154 gegen 150 Stimmen ist am Mittwoch im Reichstag in dritter Lesung das Ackermann'sche Gesetz wegen des Lehrlingsprivilegiums der Jnnungsmeister endgiltig angenommen wor den. Die Bedeutung dieses Beschlusses ist früher zur Genüge darge legt, und es wird noch weiter Anlaß vorhanden sein, darauf zurück zukommen. Zunächst gicbt der nun beschlossene Entwurf, dem die Zu stimmung des Buuvesrathes sicher ist, nur den Verwaltungsbehörden eine „diskretionäre Vollmacht": einzelnen Innungen, welche sich nach der Ansicht der Behörden „auf dem Gebiete des Lehrlingsweseus be währt haben", das Privilegium zum Halten von Lehrlingen beizulegen. Es erwächst den Verwaltungsbehörden aus dieser Aufgabe eine ziem lich heikle Stellung, denn mag die Entscheidung für die Bewerber aus fallen, wie sie will, Unzufriedenheit auf einer Seite wird es immer geben. Die Dampfersubventionsvorlage ist, obgleich sie nicht auf der Tagesordnung stand, im Reichstag in einer Art Generaldebatte verhandelt worden, an welcher der Reichskanzler sich lebhaft betheiligte und den Standpunkt der Reichsregierung des Ausführlicheren darlegte. Gelegenheit hierzu bot die Berathung des Wandels- und Schifffahrts- Vertrags mit dem Königreich Korea. Aus deu Verhandlungen geht geht hervor, daß Furst Bismarck nicht sowohl die Gründung von Kolonien von Reichswegen anstrebt, sondern nur den privaten Kolo- nisationsbestrebuugcn und den durch dieselben erworbenen Besitzungen den Schutz des Reichs angedeihen lassen will. Interessant waren außerdem die Sireiflichter, welche der Reichskanzler auf das Verhält- niß zwischen Deutschland und Frankreich fallen ließ. Nach feinen Versicherungen sind unsere Beziehungen zu Frankreich so vertrauens volle und freundschaftliche, wie zu irgend einer anderen Nation in Europa; es herrscht zwischen beiden Regierungen ein volles Vertrauen auf die Erhaltung des Friedens, und der Kanzler kann Jedermann Über die Befürchtung betreffs eines Krieges mit Frankreich, soweit dies nach menschlicher Voraussicht möglich ist, beruhigen. Aus allen Theilen Deutschlands kommen jetzt Zuftimmnugstele- gramme an den Fürsten Bismarck wegen seines mannhaften Auf tretens in der Kolonisation^ und Subventionsfrage. Die Be geisterung des deutschen Volkes ist urplötzlich entflammt Warden für diese hochnationalc Idee, welche zu seinen unabwendbaren Wünschen gehört. Es dürfte der fortschrittlichen Freisinnigkeit schwer werden, ihren Wählern gegenüber ihren Standpunkt zu rechtfertigen. Nicht nur die Dresdner Handels-Kammer, sondern auch der Heilbronner Handelsvorstand, der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaft- lichen Interessen in Rheinland und Westfalen, und die Handelskammer in Mannheim haben dem Reichskanzler ihre Zustimmung gegeben und erkennen in der Postdampfer-Snbventionsvorlage einen Hebel für die große nationale Arbeit und vertrauen auf die Genehmigung des Reichs tags. Von allen diesen Adressen mag hier die der Gesellschaft für deutsche Kolonisation Platz finden, jenes Vereins, der es sich znm Verdienst rechnen kann, die Kolonisation in der großen Masse der Nation zum Verständniß nnd zur Anerkennung gebracht zu haben. Die an den Reichskanzler gerichtete Zuschrift lautet: „Euerer Durch laucht weitblickender Initiative verdankt das deutsche Volk den zur Zeit dem Reichstage vorliegenden Gesetzentwurf, betreffend die Subventio- nirung direkter deutscher Dampferlinien nach Ostasien und Australien. Aus allen Gauen unseres Vaterlandes giebt sich eine immer wachsende Begeisterung über die Thatsache kund, daß unsere Rcichsregiernng die lebendige Pflege und Förderung unserer überseeischen Beziehungen klar ins Auge gefaßt hat und kraftvoll bethätigt. Die Gesellschaft für deutsche Kolonisation fühlt sich in ihrem Patriotischen Gewissen gedrungen, ihren tiefgefühlten Dank für Ew. Durchlaucht nationale That auszusprechen nnd der bestimmten Hoffnung Ausdruck zu geben, daß der deutsche Reichstag nicht säumen werde, den vorliegenden Ge setzentwurf noch in dieser Session zur Berathung nnd Beschlußfassung gelangen zu lassen!" Ani Sonnabend Nachmittag halb 5 Uhr ist die Session des Deutschen Reichstags durch den Staatssekretär v. Boetticher in allerhöchstem Auftrage geschlossen worden. Eine freudige ^Üe 43 in der Grube „Deutschland" verschütteten Bergleute sind glücklich gerettet worden. Am 20. d. M. also vor vollen 8 Tagen, ging ein zur Deutschlandgrube bei Schwien- tochlowitz gehöriges Feld zu Bruch, wodurch 43 Bergleuten — nicht wie anfangs berichtet wurde nur 26 resp. 37 — der Rückweg zum Tageslicht abgeschnitten wurde. Schon mußte man diese große Zahl von Verunglückten für verloren halten nnd sie als unrettbar betrachten; dennoch ist es gelungen, noch in letzter Stund« sie Alle zu retten. Tank der großen'Umsicht und Thatkraft der Grnbenverwaltung gelang es bereits am Donnerstag Mittag, unter Mitwirkung einer herbeige schafften Lokomobile, 8 der unglücklichen Menfchen zu befreien. Da dieselben seit Freitag früh 6 Uhr in der Grube sich befinden, so ist es beinahe wunderbar, daß sie sich während der fast siebentägigen Frist ohne alle Nahrung am Leben erhalten konnten. Nach Ausfage der geretteten Bergleute sollten aber auch noch die übrigen 35, welche sich auf einer höheren Sohle befanden, am Leben sein. Man hoffte in- solgedessen, bei Verdoppelung aller Anstrengungen, auch diese übrigen Bergleute in etwa 5—7 Stunden retten zu können und diese Hoffnung hat sich in überraschender Weise herrlich erfüllt. Am 27. Abends 8'/? Uhr wurde die Feuerwehr aus Beuthen zur Hilfeleistung nach Schwien- tochlowitz beordert, iiud bald wurden abermals einige der Verschütteten an das Tageslicht befördet. — Der Kaiser hat, hocherfreut über die glückliche Errettung aller 43 in der Grube Deutschland bei Schwien- tochlowitz verschütteten Bergleute auf die dessallsige Meldung den braven Rettern sofort telegraphisch seinen besonderen Dank und warme Anerkennung ausdrücken lassen. In Bayern ist für Feuerwehrleute, die sich im 25jährigen Dienste ausgezeichnet haben, ein Ehrenzeichen gestiftet worden. Das selbe besteht ans einer vergoldeten länglichen, umrahmten Platte, welche in der Mitte das bayerische Wappen, an dessen Seiten die Inschrift: „XXVMir. und unter demselben einen Feuerwehrhelm mit je zwei sich kreuzenden Feuerbeilen und Leitern zeigt. Es wird an einem blauen, durch sechs schmale weiße Streifen getheilten und weißgeräudertcn Bande auf der linken Brust getragen. Zu Pontremoli in Italien flog eine Pulvermühle in die Luft, lieber zwanzig Menfchen wurden todt oder verwundet unter den Trüm mern hervorgezogen. Die Times bespricht die Angra-Pequena-Angelegenheit und drückt ihre Befriedigung darüber ans, daß in dieser kleinen, aber nicht unbedeutenden Frage die zwei großen kolonisirenden Länder der Welt, England und Deutschland, es möglich gefunden haben, ohne ernste Schwierigkeiten zu einer Verständigung zu gelangen. Vaterländisches. Wilsdruff. Ein recht beklagenswerther Unglücksfall, welcher immer wieder zur Vorsicht mit Schießgewehren mahnt, ereignete sich am Sonntag in Steinbach bei Neukirchen. Der daselbst wohnende Kirschenpachter Halfter, welcher sich an diesem Tage mit seinem Ge wehr beschäftigt hatte, hebt dasselbe in einem besonderen Behältnisse auf und legt sich kurze Zeit zur Ruhe; währenddem kommt der12jäh- rige Sohn desselben zu Hause und begiebt sich ohne Wissen der Eltern mit seinem 1 ^jährigen Brüderchen in diesen Raum, sieht und besieht sich jedenfalls das Schießgewehr; auf einmal hören die Eltern einen Knall, nichts Gutes ahnend, stürzen dieselben nach dem Raume hin nnd finden ihr jüngstes Kind als — Leiche. Der ältere Knabe selbst ist so vom Schreck eingenommen, daß er bis jetzt nicht hat an geben können, auf welche Weise sich das Gewehr entladen hat. — Das Dahlener „Nachrichtsblatt" schreibt unterm 23. Juni: Gestern Nachmittag hielt der neugewählte Schuldirektor Bang seinen Einzug in unsere Stadt und wurde am Bahnhof vom gesummten Lehrerkollegium empfangen und nach einer kleinen Erholung vom Or ganist Hauffe namens des Kollegiums herzlichst begrüßt. In der Stadt angekommen, wurde vorläufig im Gasthaus z. gr. Tanne Ab steigequartier genommen und er daselbst von einer Anzahl in weiß gekleideter Schülerinnen, sowie Schülern der ersten Classen empfangen und durch Ansprachen der Classenoberen unter Überreichung eines Bouquetts herzlichst willkommen geheißen, worüber der Neueinziehende, sehr erfreut über den ihm bereiteten Empfang, seine Anerkennung und seinen Dank aussprach. Am 26. Juni Vormittags vollzog sich im hiesigen Schulgebäude der feierliche Act der Einweisung des neuge- wähltcn Schuldirektors durch deu k. Bezirksschulinspector Dr. Winkler aus Oschatz, im Beisein des Lehrerkollegiums, der Mitglieder des Schulvorstandes, der Geistlichen und einer Anzahl Bürger der Stadt. Der sehr inhaltsvollen Ansprache des BezirksschulinsMtors folgten solche des Bürgermeisters Bahlig, des Organist Hauffe, sowie des Classenersten, welche mit herzlicher Beglückwünschung endigten und an die sich die Antrittsrede des neuen Schuldirektors schloß. Mit Gesang, wie die Feierlichkeit eröffnet, schloß dieselbe nebst einem Gebet des Pastor Fraustadt. — Die Meißener Kirchen- und Pastoral-Konserenz feierte am 24. Juni das Jubiläum ihres 25jährigen Bestehens. Die Präsenzliste dürfte die Zahl 200 überstiegen haben, ein Beweis, wie sehr neben den extremeren Richtungen eine vermittelnde Anschauung, welche von der Meißener Konferenz vertreten wird, in der Landeskirche Platz ge- winnt. Die Eröffnungspredigt im herrlichen Dome hielt Herr Ober- Konsistorialrath Dr. Rüling-Dresden, welcher dabei über Hebr. 13, 8 sprach und auf Grund dieses Bibelmorts der Festgemeinde in geistvoller Weise zu Herzen führte, wie wir uns im Wechsel aller Zeiten um den unveränderlichen Christus zu schaaren haben. Die herrliche Predigt war von demselben Geiste der Milde und Duldung durchweht, welcher die ganzen nachfolgenden Verhandlungen auszeichnete. — Gelegentlich des im Werke begriffenen Abbruchs der nach dem Markte zu gelegenen Betstübchen der Stadtkirche in Meißen traf man auf eine unter denselben befindliche Gruft mit 6 Särgen, deren einer noch so fest war, daß sich der Deckel abheben ließ. In demselben lag ein Gerippe, die Umhüllung war Staub und Moder; von den andern