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konnte ihm nicht viel Schlimmes nachsagen, freilich auch weiter nichts l Gutes. Der vornehme reiche Herr war gegen seine Bauern und Unterge- ! denen nicht besonders streng gewesen; es war ihm nur niemals der Ge- danke gekommen, daß es auch Menschen seien, die sür Schmerzen und Freuden ebenso zugänglich wären als er selbst. Jetzt gewahrte er mit Schrecken, daß die „Kanaille" plötzlich von Menschenrechten faselte, ja ! sie sogar forderte und zu erkämpfen wußte. Es war unerhört! Die Welt brach aus den Fugen; aber man mußte sich vorläufig in das Unvermeidliche finden, in der Hoffnung, daß die Herrschaft des Pöbels i nicht lange dauern würde. Frau v. Lude drängle fortwährend ihren Gatten, dem Beispiel des Hofes und der hervorragendsten Adeligen zu folgen und ebenfalls ins Ausland zu fliehen; aber der etwas bequeme, sorglose Mann konnte sich dazu nicht entschließen. „Wir rennen damit erst in eine Gefahr, während wir hier ganz sicher sind," war stets seine Entgegnung. „Ich habe mich ja niemals gegen meine Leute tyrannisch gezeigt und von dem Pöbel nichts zu fürchten. Glaube mir nur, wir leben hier in größter Sicherheit." Vergeblich waren alle Gegenvorstellungen der lebhaften stolzen Frau, die dies gedrückte Dasein kaum ertrug; Herr v. Lude war zur Auswanderung nicht zu bewegen und wußte für sein Bleiben immer neue triftige Gründe vorzubringen. Wirklich konnte auch eine Flucht ihm wenig Vortheil dielen; sein ganzes Vermögen bestand in Besitz ungen, die sich jetzt gar nicht verkaufen ließen, und er war im Aus- lande den bittersten Sorgen und Verlegenheiten ausgesetzt, während er bisher in Orleans unangefochten gelebt hatte und ihm nirgends eine Gefahr zu drohen fehlen. Eines Morgens saß Herr v. Lude in seinem Zimmer, sein kleines Mädchen auf den Knien, mit dem er spielte, da stürzte ein Diener atvemlos herein: „Gnädiger Herr, sie kommen, die Jakobiner, sie pochen schon an das Thor!" „Was will das Gesindel?" raffte sich Herr v. Lude auf. „Ich bin ein ruhiger Bürger!" Aber während er äußerlich noch gewisse entrüstete Haltung zu zeigen suchte, bebte durch sein Innerstes die grenzenloseste Furcht. Die Jakobiner halten über ganz Frankreich einen so großen Schrecken zu verbreiten gewußt, daß schon die Nennung dieses Namens Entsetzen erregte. „Fliehen Sie, gnädiger Herr!" bat der Diener angstvoll. „Jean hat ihnen noch den Einlaß geweigert, aber bald wird sein Widerstand erschöpft fein." „Der nichtswürdige Efel! Er hat damit nur Alles verdorben!" rief Herr v. Lude. „Ich werde felbst den Leuten entgegen gehen, denn ich habe ein gutes Gewissen und nichts zu fürchten; nimm das Kind und bringe es zu meiner Frau," und während er dem zitternden Burschen sein Töchterchen übergab, eilte er mit raschen, wenn auch unsicheren Schritten der Pforte zu. Wenn wirklich Jakobiner draußen standen, dann war es das Beste, mit ihnen in Güte zu unterhandeln, aber vielleicht hatten die Diener nur in ihrer Angst Jakobiner gesehen. Herr v. Lude trat in die Porticrstube und hörte noch, wie sein alter Jean zum kleinen, auf die Straße gehenden Fensterchen hinaus rief: „Ja, das würde euch wohl schmecken, wenn Ihr rvthes Gesindel euch einmal an der Tafel meines gnädigen Herrn satt essen könntet, aber diese Ehre soll euch nicht zu Theil werden, ein solch vornehmes Haus zu betreten!" » Es waren allo wirklich Jakobiner do, die Einlaß begehrten, und dieser Unselige reizte sie durch solche Reden nach zu größerer Wuth. „Oeffne, oder wir schlagen die Pforte ein und dann Dir den Schädel!" ließ sich draußen eine kräftge, volltönende Stimme vernehmen. Ohne Weiteres riß Herr v. Lude den Tölpel vom kleinen Guck fenster zurück, und an seine Stelle tretend, sagte er mit größter Höf lichkeit: „Was wünschet ihr, Bürger? Mein Haus soll sich für euch bereitwilligst öffnen, wenn ihr irgend ein Anliegen habt." — Ein Blick hatte genügt, um ihm die Ueberzeugung zu verschaffen, daß Jean nicht übertrieben, es waren wirklich Rolhmützen, die vor der Pforte feines Hauses standen, und unter ihnen sogar eine Frau. Zum Glück bestanden die Einlaßbegehrenden nur aus vier Menschen; eine solch' kleine Zahl war nicht zu fürchten. Er hatte schon geglaubt, daß ein ganzer Haufen Republikaner ihn zu bedrohen suchte. „Oeffne und Du sollst es erfahren," ließ sich draußen dieselbe gebieterische Stimme vernehmen. Diesen drei Männern und der einen Frau waren schlimmsten Falls feine Diener gewachsen, und deshalb befahl er dem alten Jean: „Oeffne!" der dem Gebot seines Herrn leise vor sich hinmurrend nachkam. Die Jakobiner traten in das Haus und Herr v. Lude eilte ihnen mit gewinnender Höflichkeit entgegen: „Wollen Sie sich in mein Zimmer bemühen, ich stehe zu Ihren Diensten." Der Anführer des kleinen Häufleins näherte sich ohne Weiteres Herrn v. Lude, legte die Hand auf seine Schulter und sagte mitlauler Stimme: „Im Namen der Republik! Du bist mein Gefangener." Herr v. Lude zuckte zusammen; aber er suchte sich rasch zu fassen. „Ich bin ein guter Republikaner und muß doch erst fragen, mit wel chem Rechte man mich verhaften will." „Mit dem Rechte, das mir als Kouventsmitglied geziemt," war die Antwort. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Die Gründung einer Arbeiterkolonie im Königreich Sachsen, welche vom Landesverein für innere Mission mit aller Energie betrieben wird, stößt deswegen auf große Schwierigkecke», weil die Bodenkultur Sachsens wohl als eine der vollendetsten ange sehen werden darf und man in Sachsen lange herumsnchcn muß, ehe man ein Fleckchen Erde findet, von dem man sagen könnte: das kann noch besser verwerthet werden, als bisher. Indessen ist es den Be mühungen des Vorsitzenden des Landesvereins, Grafen Vitzthum, ge lungen, wenigstens in etwas dem erwünschten Ziele näher zu kommen. In der nördlichen Lausitz nämlich giebt es Landstrecken, welche theils Moor- theils Sandboden enthalten. Würden diese zweierlei Arten von Boden vermengt, dann würde allerdings eine bedeutende Boden verbesserung erzielt und die betreffenden Grundstücke rentabler gemacht werden. Also würde sich diese Gegend zur Anlegung einer Arbeiter kolonie, deren Arbeit in dieser Verbesserung des Bodens zu bestehen haben würde, am besten eignen. Hoffentlich gelingt es, trotz der hohen Preise, ein Grundstück zu erwerben, damit der Vagabondennoth auch in Sachsen endlich energischer als bisher gesteuert werden könne. * Bisher wurden im Publikum vielfach mißbräuchlich die Bezeich nungen der Meter, der Liter rc. angewendet. Es sei darum, nach dem durch die neuerlich revidirte Maß- und Gewichtsordnung alle alten Benennungen gesetzlich in Wegfall gebracht sind, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß alle jetzt gebräuchlichen Maße und Gewichte säch lichen Geschlechts sind. Es heißt also das Meter, das Liter, das Ar, ebenso das Kilometer, das Hektar. * Die Kartofelerute beträgt nach den Zusammenstellungen Neumann-Spallarts in mehrjährigem Durchschnitte iu Tausende» von Metercentnern: im deutschen Reiche 235,280, in Frankreich 112,960, in Rußland 1l0,000, in Oesterreich 75,550, in de» Vereinigte» Staa ten Nordamerikas 46,870, ui Irland 37,850, m Großbntamüen 26,330, in Belgien 22,790, in Schweden 16,060, i» den Niederlanden 15,380, in Ungarn 11,400, in Italien 7050, in Norwegen 6300, in Dänemark 4360, in de» australische» Kolonien 2930, in Portugal 2600 und in Spanien 1940. In den genannten Ländern erreicht die Durchschnitts- Produktion demnach die gewaltige Menge von 735,750,000 Meterceut- nern, die zumeist in den betreffenden Ländern wieder kousumirt werden, theils direkt zum Konsum und zur Fütterung der Hausthiere, theils in der technischen Industrie Verwerthung finden. In dem Welthandel erscheinen die Kartoffeln mit einer Wcrthziffer von 150 Millionen M. betheiligt. Die jeweilige, ost sehr schwankende Ernte beeinflnßl we sentlich die angegebene Werthsumme. Von allen Ländern benöthigl England den stärksten Kartoffelimport (1879 bei 4,750,000 Meter- ceniuer im Werthe von circa 60 Millionen Mark). * Ein schreckliches Unglück ereignete sich am 7. Mai in Nobels Dynamitfabrik zu Ardeer in Ayrshire (Schottland). In einer Hütte, wo vier junge Mädchen mit dem Füllen von Dynamitpairo»en beschäftigt waren, entstand eine Explosion, durch welche die vier Insassen auf der , Stelle getödtet wurden. Drei benachbarte Hütten gerielhen in Brand, ! nnd eine Zeit lang wurde befürchtet, daß die Flammen sich über die ganze Fabrik ausochiien würden. Es gelang indeß, des Feuers binnen einer Viertelstunde Herr zu werden. Die Szene wird als herzzerreißend geschildert. Sechs Mädchen verbrannten vor den Augen ihrer Arbeit geber, die keine Hülfe leisten konnte», und von den in den vier Hütten beschäftigten 15 Mädchen haben 10 ihr Leben verloren, während 2 solche Verletzungen davontiuge», daß ihr Auskommen bezweifelt wird. Obschon 2'/s EU Dynamit explodirte, ist der augerichtcte Eigenthums- schaden nur unerheblich. Die Ursache der Explosion ist noch »ichl er mittelt. Die durch dieselbe verursachte Erschütterung glich einem Erd stöße und wurde in Irvine, Troon nnd noch anderen benachbarten Ort schaften verspürt. * Papierverbrauch. Eine über de» Papierverbrauch auf der ganzen Erde angestcllte Enquete ergab nachstehende ganz interessante Resultate. Dieselbe ergab als Zahl der bestehenden Papierfabriken die Ziffer von 3985, in denen alljährlich 952 Millionen kg Papier erzeugt wird. Die Hälfte dieser 953 Millionen kg werden für den Druck und insbesondere 300 Mill, kg für den der Zeitungen ver wendet. Der Konsum des Papiers für Zeitungen ist seit zehn Jahren nm ein Drittel gestiegen. Nach derselben Statistik verbrauchte alljähr lich an Papier ei» Engländer HV2 Pfd., ein Amerikaner IOV4, ein Deutscher 8, ein Franzose 7Vr, ein Italiener, ein Oestreicher 3^, ein Spanier 1'/? und ein Russe 1, sowie ein Mexikaner 2 Pfd. Papier. * Ein erschütternder Unglücksfall hat sich, wie der „Danz. Zlg." gemeldet wird, am letzen Freitag in der Danziger Vorstadt Neuschott land ereignet. Drei Knaben waren beim Spielen in den dortigen Mühlenteich gefallen und schwebten in größter Gefahr, zu ertrinken. Der dortige Arbeiter Schröder bemerkte kaum die Gefahr, als er auch sofort in den Teich sprang und mit eigner Gefahr, wohl wissend, daß er mitunter an Krämpfen litt, zwei der Knabe» rettete. Als der muthige Mann abermals in die Fluth Hinabstieg, um auch noch den dritte» Knabe» an's Land zu boten, befiel ihn ein Krampfanfall, und und er versank sofort in die Tiefe. Andere hinzugekommene Personen vermochten NN» zwar den mit der Fluth kämpfenden Knaben vom Ufer aus mittelst Staugeu zu retten, dem menschenfreundlichen Retter aber konnte keine Hülfe mehr gebracht werde» — er hatte seine Auf opferung mit dem Tode bezahlt! Eine in dürftigen Verhältnissen zu rückgelassene Wittwe und fünf kleine Kinder beweinen den plötzlichen Tod des Ernährers. * Wie das Schicksal manchmal Freud und Leid ganz nahe zu einander legt! Vor einigen Tagen brannte das kleine Grundstück eines Fuhrwerksbesitzers in Berlin total nieder, gleich darauf gewann der selbe den Hauptgewinn der Berliner Pferdelotterie. Tages- K a! cnde r. Königliches Amtsgericht. Gefchäftszeit von früh 8—12 Uhr und von 2—6 Uhr Nachm. Königliches Untersteueramt. Geschäftszeit von früh 8—12 Uhr und von 2—5 Uhr Nachm. Kaiser!. Post- und Telegraphenamt Geöffnet Wochentags Borm. 7 12 Uhr u. Nachm. 2—7 Uhr; Sonntags von Vorm. 8—9 Uhr, Mittags 12—1 Uhr und Nachm. 5—7 Uhr. Postfahrten nach Dresden früh 6 Uhr, Mittags 12 Uhr u. Abends 6 Uhr; nach Nossen Nach ». 4^. Raths- und Stan tamts-Expedition. Geöffnet von Vorm 8—12 Uhr und Nachm ^—6 Uhr. Die Sparkasse ist ge wt Dienstags und Freitags (Feiertage aus genommen) von früh 8—12 Uhr u. 2—4 Uhr Nachm.; außer dem jeden letzten Sonntag im Monat Nachm. von 2—4 Uhr. Die Stadtkämmerei ist geöffnet Montags, Mittwochs, Donnerstags und Sonnabends von Vorm. 8—12 Uhr u. Nachm. 2—4 Uhr. Die Vvrschußkaffe expedirt an jedem Wochentage von Vorm. 8—12 Uhr und Nachm. von 2—6 Uhr. Omnibusfahrten nach Dresden. Bote Jlfchner Montags früh 7 Uhr. Abgang der Eisenbahnzüge von Tharandt (Richtung Freiberg-Chemnitz) Vorm. 6", 9^, Mitt. 12", Nachm. 3^, 7^, 9^ u. 11" (letzterer nur bis Freiberg.) Von Tharandt nach Dresden (Linie Reichenbach-Dresden-Görlitz) Vorm. 4", 72«, 11Mitt. 1", Nachm. 3^, 6", Ab. IO-». Von Deutschenbvra (Richtung Leipzig) Borm. 8", Mitt. 1", Nachm. 33-2, gg» Nb. 9b" (letzterer nur bis Leisnig). Von Dresden-Altstadt (Richtung Bodenbach) fr. 6, 7, Vorm. 9'", 11 (Courz.), Mitt. 12", 2'", Nachm. 4, 6»" u. Ab. 11". Von Coswig nach Leipzig via Riesa. Vorm. 6", 11", Nachm. 2", Ab. 6^, 11^, via Döbeln Vorm. 7", Nachm. 12", 2^, 5", 8" (letzterer nur vis Leisnig). Von Dresden-Neustadt nach Berlin via, Röderau früh 3", 8" (Courz.), Nachm. 2", 5", 7" (Courz.) Von DrcSden-Friedrichstadt nach Berlin Vorm. 6", 10^(Courz.), 2»«, 740 Pg" Cossebaude Vorm. 6^, Nachm. 2" u. 7". Omnibuszüge der Berliner Bahn. Abfahrt von Niederwartha nach Dresden Vorm. 5", 7», 9»", Mitt. 1«, Nachm. 3", 6" u. Abends 9^. Von Hainsberg nach Kipsdorf: früh 7^, Mitt. 12^, Nachm. 3"" u. Abds. 7--«. ' Abgang der Dampfschiffe von Niederwartha nach Dresden Vorm. 71a Z2» u. 7". Nach Meißen 7»", 11, 3»" u. 8 Uhr.