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Es hat in den Reichslanden ein gewisses Aussehen erregt, daß die elsaß-lothringischen Reichstagsabgeordneten in so großer Anzahl nach Berlin gegangen sind, um den Sitzungen des Reichstags bei der Sozialistenvorlage beizuwohnen, um so mehr, als die Sozialdemokratie im Reichslande eigentlich gar keinen Anhang hat. Die wenigen Emissäre, welche von Zeit zu Zeit Alt-Deutschland dorthin geschickt werden, ha ben einen Ersolg bis jetzt nicht auszuweisen gehabt, was daran liegt, daß das Berhältniß zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Elsaß- Lothringen ein außerordenllich günstiges ist. In den Fabriken sind der überwiegenden Mehrzahl nach nur Einheimische beschäftigt, welche von den Aufwiegelungen gegen ihre Brvdherren nichts wissen wollen. Letztere dagegen sorgen für die Arbeiter durch Kranken- und Altcrs- versorgungskassen, Familienhäuser, Kost- und Logirhäuser, wodurch ein inniges Berhältniß zwischen den Fabrikanten und den Arbeitern er halten wird. So ist denn auch von Arbeitseinstellungen in dortigen Fabriken nichts zu hören und in allen Fabrikstädten des Reichslandes erblickt man eine fast überall zufriedene Arbeiterbevölkerung, welche sich in keiner Weise nach den Segnungen der Sozialdemokratie sehnt. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, trifft Ende nächsten Monats der japanesische Kriegsminister Oyama mit etwa zwölf japanesischen Offizieren in Berlin ein, um eine gründliche Kenntniß von der deut schen Militärverwaltung sowohl, als auch von der praktischen und the oretischen Ausbildung der Soldaten, also von dem gesummten Heer wesen zu nehmen. Diese japanesische Kommission besteht außer dem Minister aus zwei Generallieutenants, vier Obersten, einem höheren Jntendanturbeamten und einer Anzahl Offiziere bis zum Lieutenant, so daß alle Rangstufen, aber auch alle Waffen vertreten sind. D'e Herren werden alsdann den Kaisermanövern am Rhein beiwohnen und gedenken kommenden Herbst und Winter in Berlin zu bleiben. Es soll diese Kommission aber nicht nur die deutschen Heereseinrichtunqen, sondern auch die der anderen europäischen Mächte studireu. Jetzt weilen die Herren in Paris; wohin sie von Berlin aus gehen, darüber ist noch kein Entschluß gefaßt. In Frankreich nimmt mit Dienstag die Deputirtenkammer ihre Sitzungen wieder auf und beginnt sofort die Berathung der vielbe sprochenen Rekrutirungsvorlage. Das Ministerium hat beschlossen, die Abschaffung des Institutes der Einjährig-Freiwilligen zu befürworten, dagegen sollen den Studirenden gewisser Kategorieen Erleichterungen gewährt werden. — Der Kriegsminister Campenon war bisher ein Gegner des Gesetzes. Paris, 18. Mai. Einer der hiesigen Korrespondenten der „Köln. Ztg." telegraphirt derselben von hier: Gegenwärtig wird hier in Paris eine Sozialistenkonferenz ähnlich der Kopenhagener abgehalten, an welcher Delegirte von Berlin, Leipzig, Bern, Zürich und an deren Städten theilnehmen. Die Zahl der Delegirten soll ein Dutzend betragen, darunter Liebknecht und Georgi von Leipzig. Liebknecht traf vorgestern von London in Paris ein, da er entdeckt haben wollte, daß er in London durch die deutsche Polizei überwacht werde. Ich glaube, daß alle Delegirte der deutschen Nationalität und der deutschen Sozialistenpartei angehören, doch ist es möglich, daß auch andere Aus länder daran theilnehmen. Mitglieder der anarchistischen und nihilisti schen Parteien scheinen ausgeschlossen zu sein. Es soll sich um Fassung wichtiger Beschlüsse handeln, welche durch die Verlängerung des So zialistengesetzes in Berlin und durch angebliche Verhandlungen hervor- gerufen seien, die zwischen der Schweizer Regierung und einem nicht bei der Schweiz beglaubigten deutschen Diplomaten stattgefunden hätten. Die öffentliche Versammlung in der Avenue des Gobelins, die heute von den deutschen Sozialisten angekündigt wurde, und in der Liebknecht eine Rede halten sollte, diente nur dazu, die Polizei irrezuführen. Gestern wurde die erste geheime Versammlung bei einem Parreimitglied deutscher Nationalität gehalten, das in einem Hause der Vorstadt Saint-Antonie wohnt. Wie ich höre, war die letzte geheime Versamm lung in dieser Nacht in der Vorstadt St. Antonie gehalten worden. Wenn es den deutschen Sozialisten gelingt, sich über die zu befolgenden Maßnahmen zu verständigen, so soll es in ihrem Feldzugsplan — aber ich kann diese Einzelheiten nicht verbürgen — liegen, eine Dele gation nach London zu schicken, um dort einen anderen Kongreß ab zuhalten, in welchem die Sozialisten von der gewaltsamen Praxis nicht, wie jetzt in Paris, ausgeschlossen werden würden, und welche einen internationalen Charakter erhalten solle. In der Sudanpolitik des englischen Kabinets scheint ein prin zipieller Umschlag eingetreten zu sein. Wenigstens muß man den Entschluß der Regierung Mr. Gladstone's, eine Expedition zum Ent sätze Khartums auszurüsten, hierauf zurückführen; freilich kann dieselbe nicht vor Ende Juli aufbrechen, denn der Nil, zur heißen Jahreszeit die einzig benutzbare Wasserstraße, erreicht erst zu Ende des genannte» Monats die Höhe, welche ihn auch in seinem oberen Laufe zum Tra gen von Transportschiffen befähigt. Der Mahdi ist den neuesten Nachrichten zufolge zum Angriffe gegen Khartum oder vielmehr zur engeren Einschließung der Stadt, vonElObeid ausgezogen. Die Stadt Frascher in Darfur ist sammt der Garnison zum Mahdi übergegangen, wodurch dessen Streitmacht 9000 altgediente Soldaten und seinen Arsenalen und 20,000 Reming tongewehre zugeführt werden. Er besitzt nun 50,000 bis 60,000 Hin terlader und eine ungezählte Menge von alten Feuerwaffen. Seine Kavallerie besteht mindestens aus 100,000 Reitern, die auf ein Wort von ihm ins Feld rücken können. „Pall Mall Gazette" konstatirt, daß die Gefahr dem eigentliche» Egypten nunmehr direkt auf den Leib rückt, und daß jedes Zögern in der Vorbereitung einer energischen Abwehr zu einer Katastrophe führen müsse. In London scheint man aber, und auch das kaum, erst bei halben Maßregeln, Sendung weniger egyptischer Truppen nach Oberegypten, angelangt zu sein. Wenn Moses heute leben würde, so könnte er sich von seinem Zelte auf dem Sinai aus mittelst einer Postkarte für 10 Pfg. aus* Wien oder Berlin eine» neuen Sommeranzug für sich oder ein Paar Lackstiefletten für seine Gattm Zephora mit Nachnahme per Post zu senden lassen. Das auf diesem Berge befindliche griechische Kloster zur heiligen Katharina geht jetzt nämlich daran, zwischen diesem Kloster und dem nahen Hafen von Tor, in welchem die Dampfschiffe der egyptischen Gesellschaft „Khedivieh" auf ihren Fahrten nach Dschidah und Hodeidah immer Station machen, einen regelrechten Postverkehr herzustellen. Die auf diesem Berge und in dessen Umgegend hausen den Beduinenstämme haben dem Äbte des Klosters gegen die Zusage eines schönen Geldgeschenkes versprochen, daß sie den Postboten un gehindert durch ihr Gebiet ziehen lassen werden. Vaterländisches — Die Königliche Generaldirection unserer Staatseisendahnen giebt bekannt, daß die alljährliche Vergünstigung, nach welcher die am Sonnabend vor Pfingsten bis zur Mittwoch gelösten Tagesbillets bis mit Freitag gelten, nur im Lokalverkehre der sächsischen Staatseisenbahn und der mitverwalteteii Pritvatcisenbahnen, nicht aber auch im direkten Verkehre mit den Nachbardahnen Geltung hat. — Der Steinmetzenstreik in Pirna hat nunmehr sein Ende er reich, da die Arbeit seit Montag wieder ausgenommen worden ist, nachdem d n Streikende» theilweise ihre Forderungen bewilligt wor den sind. — Die Anschaffung eines Cvursbuches bei Eintritt des Fahiplan- wechsels der Eisenbahnen ist für Jeden, der nur einigermaßen die Bahnen frequentwt, fast unerläßlich. In Sachsen ist es das Fahr planbuch von Robert Fritzsche in Dresden, welches regelmäßig noch vor Eintritt des Fahrplanwechsels erscheint und so auch jetzt wieder mit de» neuen Sommerfahrplänen fertiggestellt ist. Es enthält dieses an seineni grünen Umschläge kenntliche, in allen Buchhandlungen, an den Billetverkaufsstellen, bei den Portiers der Bahnhöfe re. käuflich zu habende Cmirsbuch die Fahrpläne sämmtlicher sächsischer Eisen bahnen und der neuen Anschlußbahnen in Preußen, Bayern, Thüringen und Oesterreich, sowie der Fahrposten und Dampfschiffe, ferner ein Preisverzeichniß für Tour-, Tages-, Abonnements- und Rundreise billets, sowie Uebersicht direkter Eisenbahnverbindungen mit größeren Städten und Badeorten. Auch ist eine Uebersichtskarte von Sachsen beigegeben, und bei all dem reichen Inhalt beträgt der Preis nach wie vor nur 40 Pf. — Von den bei der Königs. Altersrenteubank in Dresden (Alt stadt, Landhausstraße 16) im ersten Quartal laufenden Jahres einge- zahlten 270,787 M. sind 123,925 M. oder 46"/„ von den Einwohnern Dresdens und der beiden Amtshauptmaunschaften Dresden-Alt- und Neustadt beziehentlich für solche cingezahlt worden. Die übrigen 54"/„ vertheilen sich mit 41"/„ auf die beiden anderen Großstädte und die andern Amtshauptmannschaften des Landes und mit 13"/„ auf das übrige Deutschland und auf Oesterreich-Ungarn. Es waren bcthkiligt Stadt und Amtshauptmannschaft Leipzig mit 47,519 M. Sindt und Amtshauptmannschast Chemnitz mit 16,130 M., Amtshauptmaniffchast Oschatz mit 9854 M., Grimma mit 7656 M., Döbeln mit 5904 M., die übrigen 20 Amtshauptmannschaften des Landes zusammen mit 23,159 M., die deutschen Staaten außer Sachsen mit 35,594 M. und Oester. reich-Ungaru mit 1046 M. Die Zahlungen aus Oesterreich-Ungarn betreffen Angehörige des deutschen Reiches; denn Bewohner außer deutscher Staaten können nur dann bei der Altersrenteubank Reuten erwerben, wenn sie in Sachsen oder einem andern Staate des deutschen Reiches die Staatsangehörigkeit besitzen. Sind sie speziell sächsische Staatsangehörige, so kann die Altersrenteubank Einlagen von ihnen oder für sie ohne Weiteres annehmen; sind sie Angehörige eines an dern deutschen Staates, so hat die Altersrentenbankverwaltung vorher die Genehmigung des König!. Finanzministeriums dazu eiuzuholen, was gleichermaßen überhaupt bei allen Nichtsachsen, die nicht gerade in Sachsen wohnen, erforderlich ist. Deutsche Reichsangehörige, welche in Sachse» ihren Wohnsitz haben, können dagegen jederzeit unbeanstandet Einlagen bei der Altersrentenbank oder einer ihrer Agenturen machen; dasselbe Recht genießen alle in Sachsen wohnenden Angehörigen frem der Nationen, auch dürfen sie, wenn sie später ihren Wohnsitz wieder in ihrem Heimathslande nehmen, oder sonst wohin verziehen, die in Sachsen begonnenen Einlagen fortsetzen. — Die Zahlungen aus dem deutschen Reiche außerhalb Sachsens stammen aus Berlin, Hamburg, Königsberg i. Pr., Görlitz und Triptis in Sachsen-Weimar. Die hohen Rentensätze, welche die Altersrentenbank im hohen Lebensalter gewährt und durch die sie sich neben der Staatsgarantie, die ihre Renten und Vorbehaltskapitale genießen, vor allen ähnlichen Anstalten und namentlich vor den gegenseitigen Rentenversicherungsanstalteu auszeichnet, führen ihr immer mehr Freunde zu. Personen von 60 und mehr Jahren erlangen nirgends eine so hohe Verzinsung ihrer Kapitalien, als bei der Altersrenteubank, wenn sie bei ihr mit Kapitalverzicht ein zahlen. Jüngere Personen aber erhalten nicht nur bei Kapitalverzicht, sondern auch bei Vorbehalt von der Altersrentenbank sehr hohe Renten, wenn sie nur nicht sofort, sondern erst nach Ablauf einer Reihe von Jahren in den Rentengeuuß treten wollen. Zur Erwerbung einer Rente bedarf es keiner ärztlichen Untersuchung; auch brauchen die Ein lagen nicht regelmäßig und überhaupt nicht wiederholt zu werden, die einmal erworbene Rentenanwartschaft bleibt dem Versicherten doch erhalten. — Betreffs der in der Stadt Hainichen am 5., 6. und 7. Juli stattfindende» Gewerbe- und landwirthschaftlichen Ausstellung kann der dortige „Anz." die Freudenbotschaft vermelden, daß nach einem an den Bürgermeister Friedel gerichteten Schreiben des Kreishaupt manns Grafen zu Münster auf erstatteten Vortrag Se. Maj. der König sich geneigt gezeigt hat, dem Unternehmen des Gewerbevereins zu Hainichen einen Besuch abzustatten. Damit wird Hainichen zum ersten Male die Auszeichnung und Ehre zu theil, den König Albert als Landesherrn in ihren Mauern begrüßen zu können. — Die Gewitter am Montag sind fast überall von Hagel- und Schloßenwetter begleitet gewesen, ohne jedoch irgendwo erheblichen Schaden verursacht zu haben. In Leipzig ging ein Blitz nieder am Blitzableiter des Postgebäudes am Grimma'schen Steinweg, sprang auf die Telephonleitung über und Theile dieses Blitzstrahles sind dann an dem Blitzableiter des gegenüber liegenden Flinsch'schen Hauses, in welchem in Folge dessen der Ausbruch eines Brandes befürchtet wurde, und auch am Blitzableiter des Polz'schen Grundstückes in der Johannisgasse, in welchem sich die Osficin des „Leipziger Tageblattes" befindet, zur Erde gegangen. Weitere Schläge trafen in die Körner straße, wo der Blitz in eine Feueresse einschlug, ebenfalls ohne zu zünden. In dem Dorfe Priest üblich bei Leipzig wurden zwei vor einem Sandwaqeu gespannte Pferde vom Blitz getödtet. In Syrau wurde die Kirche durch einen kalten Schlag nicht unerheblich beschädigt. In Penig entzündete der Strahl eine Scheune, welche niederbrannle. In Freiberg fiel Hagel in der Größe von Haselnüssen, während in Nossen der Blitz in ein Wohnhaus schlug, daselbst in der Wohnung des Bahnarbeiters Kirsten den Ofen der Wohnstube zertrümmerte, zündete und dessen 5jähriges Söhnchen betäubte. Mehrere Stunden nach dem Schlage lag das arme Kind noch ohne Bewußtsein. Das Feuer konnte glücklicherweise wieder gelöscht werden. In Oschatz hatten die Hagelkörner fast durchgängig die Stärke kleiner Vogeleier. In Chemnitz wurde während des Gewitters ein Schulmädchen, das in der elterlichen Wohnung im Begriff war, die Wasserleitung zu öffnen, von einem elektrischen Schlag getroffen und zurückgeschleudert. Das Kind blieb glücklicherweise ohne größere Verletzungen, jedoch war die Hand desselben, welche die Wasserleitung berührt hatte, gekrümmt und gelang es erst später, dieselbe nach großer Mühe zu öffnen. DaS Kind ist übrigens von einem nervösen Zistern erfaßt, welches sich dem ganzen Körper mittheilt. Ebendaselbst wurde von einem in dem Augen blick des Einschlagens in die Telephonstangen vorüberfahrenden Dünger«