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die englische Kirchenmission zählt 3000 Getaufte, die Basler u. Bremer Mission 5000. Unter den bekehrten Negern giebt es bereits eine große Anzahl, welche es an wissenschaftlicher Bildung mit jedem Europäer aufnehmen können. Vaterländisches Wilsdruff, den 10. Mai. Der Herr Kreishauptmann von Koppenfels besuchte in Begleitung des Herrn AmtShauptmann von Bosse am gestrigen Nachmittage unsere Stadt, nahm zunächst die Raths- und Sparkassenlokalitäten sowie das Sitzungszimmer des Stadtgemeinderaths in Augenschein, bei welcher Gelegenheit er sich nach dem Geschäftsgänge der städtischen Verwaltung und der Spar kasse erkundigte, begab sich hierauf in die neurestaurnte schöne Stadt kirche und machte sodann in Begleitung des Herrn Amtshauptmann von Bosse unter Führung des Herrn Bürgermeister Ficker einen Rund gang durch die Stadt. Hierbei besichtigte er mit sichtlichem Interesse die Möbelfabrik des Herrn Guhlmann fowie die Leimfabrik der Herren Gebrüder Krippenstapel. Mit einem Besuche des hiesigen Amtsge richtes wurde dieser Rnndgang beendet. Der Herr Kreishauptmann von Koppenfels, welcher gegen 6 Uhr in Begleitung des Herrn Amts- Hauptmann von Bosse nach Dresden zurückrciste, schien mit dem Er gebnisse dieses Besuches allenthalben zufrieden zu sein »nd sprach sich insbesondere auch dahin auch, daß die Stadt Wilsdruff einen angeneh men Eindruck auf ihn gemacht habe. — Aus allen Theilen des Landes gehen die günstigsten Nachrichten über den Stand der Saaten und daran sich knüpfende Hoffnungen auf eine reiche Ernte ein. Namentlich in der Umgebung Dresdens ist der Stand ein üppiger und hat sogar der erste Schnitt des Klees, wenn auch nur im Kleinen und jedenfalls nur als Beimischung zu Rauhfutter, bereits begonnen. Was die Kirschblüthe aulavgt, so hört man vielfach die Befürchtung aussprechen, daß dieselbe massenhaft ab fallen wird. — Die Landwirthschaftliche Schule zu Meißen hatte vorige Woche hohen Besuch. Es inspizirte dieselbe Herr Geheimrath Graf v. Einsiedel, Abtheilungsdirektor im Königlichen Ministerium des Innern, welcher in Begleitung der Herren Geheimer Regierungsrath Koch »nd Oekonomierath von Langsdorff Nachmittags 3 Uhr in der Schule erschien, bis V-6 Uhr dem Unterrichte in Thierzucht, Zoologie, Physik, Botanik und Geometrie anwohnte und sich über die Gesammtleistungen der Schüler sehr befriedigend ausfprach. — Nossen, 9. Mai. Unsere Stadt ist von einem großen Glücks fall betroffen worden. In der Lotteriekollektion von Märker hierselbst kamen heute Vormittag auf die Nummer 37922 4 Zehntel des großen Gewinnes der Landeslotterie. Ein Zehntel hiervon kommt »ach Siebenlehn, während 3 Zehntel meist in Nossen verbleiben und nur an arme eventuell ärmere Arbestsleute gefallen sind. Ein gewisser M.... n ist so glücklich, ein Zehntel allein zu besitzen und daher den hübschen Gewinn allein einheimsen zu können. Außerdem partizipire» an diesem Gewinne u. A. zwei Schaffner ans dem Leipziger Bahnhöfe nnd ein Cigarrengeschäft auf der Pillnitzerstraße zu Dresden. — Zur Einkommensteuer-Bewegung in Leipzig wird geschrieben, daß auf die durch das dortige „Tageblatt" ergangenen Aufforderungen an diejenigen Steuerzahler Leipzigs, welche trotz gewissenhafter De klaration in ungerechtfertigter Weise höher eingeschätzt worden sind, ihre Adressen abzugeben, bis jetzt gegen hundert Anmeldungen einge laufen und darunter alle Stände der Leipziger-Bürgerschaft vertreten sind. Es hat nun eine Vorbesprechung der Betreffenden im Kaufmän nischen Vereinshause stattgefunden, in welcher ein provisorisches Komitee gewählt wurde, welches in den nächsten Tagen an die Oeffentlichkeit treten wird. Dessen Aufgabe soll sein, durch Aufruf in den Tagesblättern die geschädigten Steuerzahler zu veranlassen, ihre Adressen bei dem Komitee einzureichen, ferner einen Entwurf zu einer Beschwerdeschrift an das hohe Ministerium, sowie einen solchen zu einer Petition, welche die Abstellung der jetzt herrschenden Mißstände bezweckt, an den hohen Landtag abzufassen. Die Gemeldeten werden dann eine persönliche Einladung zu einer allgemeinen Versammlung erhalten, in welcher die Entwürfe zur Beschlußfassung vorgelegt und weiter vorzunehmende Schritte berathen werden sollen. — Die Direktion der k. sächsischen Landeslotterie hat sich veranlaßt gefunden, mit Genehmigung des k. Finanzministeriums den „Allgemeinen Bestimmungen des Planes für die k. sächsische Landes lotterie" nachstehenden Zusatz hinzuzusügen: Die Bezahlung des Kauf preises für ein Loos hat gegen Aushändigung des Looses zu erfolgen. Diese Bestimmung tritt mit der 106. Lotterie in Kraft, so daß in Zukunft die Interessenten nur unter gleichzeitiger Bezahlung ihre Loose verlangen können, resp. die Zusendung der Loose erst nach vorausge gangener Bezahlung zu geschehen hat. Es werden für die Folge die Spieler gut thun, immer rechtzeitig Klasse für Klasse zu renoviren, da im Unterlassungsfälle die Kollekteure bei dem sich noch immer stei gernden Mangel an Loosen der sächsischen Lotterie gezwungen sein werden, über die unbezahlt gebliebenen Loose anderweit zu verfügen, zumal sie an und für sich nur eine bedingte Zahl von Lagerloosen haben dürfen. — Recht bezeichnend für den Glauben und die Anhänglichkeit, die noch heute viele Leute den Quacksalbern entgegenbringen, ist folgende komische Geschichte, welche sich vor kurzer Zeit in einem Dörf chen im Osten Schandau's ereignete. Die Frau eines dortigen Ein wohners erkrankte und plagte ihren Mann, in die Gegend von Sebnitz zu gehen, um einen dort hausenden Naturarzt, der nach der Besichtig ung des Wassers den Kranken Thee giebt, zu konsultiren. Der Mann macht sich beim Grauen des Morgens auf den Weg, mit einem Fläsch chen der betreffenden Flüssigkeit versehen. Der Arzt, wenn man ihn so nennen will, untersucht mit Kennermiene den Inhalt des Fläschchens und verabreicht einen Thee, der schon die Krankheit heben werde. Als aber jener zu Hause ankommt, wird er von seiner Frau mit Vorwürfen empfangen, da er die falsche Flasche, die Flasche mit Rüböl, die auf demselben Fenster stand, ergriffen und dort produzirt habe. Dem Dinge war nun nicht mehr abzuhelfen; der Thee war da und auch bezahlt, deshalb wurde er auch getrunken und wunderbar — die Frau genas. WaS sagt die Welt dazu? — In Hermsdorf bei Frauenstein ist am letzten Sonnabend vor acht Tagen der erst 30 Jahre alte Fleifchermeister Rönisch an Blutvergiftung gestorben, die er sich in einem dortigen Bauerngute beim Schlachten einer am Milzbrand erkrankten Kuh zugezogen. Der junge Mann hatte nämlich eine leichte Verletzung an der linken Hand, die unverbunden war und durch welche das Gift von dem kranken Thiere, welch letzteres übrigens nach der Tödtung fofort durch Feuer vernichtet wurde, eingedrungen war. — In Wieden bei Oelsnitz i. V. befanden sich dieser Tage 2 Kinder des bereits am frühen Tage seinen Geschäften nachgegangenen Weberfaktors R. allein in der Wohnstube, während die Frau und die Magd ihren häuslichen Arbeiten nachgingen. Das 2^ Jahre alte jüngere Mädchen fand hierbei i» der Stube ein Streichholz und ver suchte dasselbe anzustreichen, was ihr leider nur zu gut gelang und wobei zum großen Unglück das Hemdchen und Röckchen des Kindes Feuer fing und dasselbe derartige Brandwunden davontrug, daß es trotz des aus dem 3 Stunden weit entfernten Asch herbeigerufenen Arztes am Abend seinen Geist aufgab und der Vater bei seiner Rück kehr statt des blühenden Kindes eine verstümmelte Leiche fand. — Ein ungebetener überseeischer Gast gelangte kürzlich nach Finsterwalde. Ein dortiger Fabrikbesitzer empfing eine Sendung Blauholz. Beim Abladen desselben wurde zwischen den Hölzern ein junges, etwa einen Fuß langes Krokodil vorgefunden. — Aus dem oberen Voigtlande. Die kalten Nächte während dieses und des vergaiigene» Monats hatte» die Befürchtung wachgerufeu, daß dm infolge der vorher bemerkbar geweseiie» Wärme schon stark entwickelten Knospen der Bäume erfroren wären: aber das ist erfreu licherweise nicht der Fall; denn jetzt wo die Blüthen sich entfalten, merkt man, daß der Frost keinen Schaden gebracht hat. Die Kirsch- bünme, die nn Niederlande schon abgeblüht haben, fangen bei uns erst an, ihre weißen Blüthenblättchen durch die grüne Hülle zu drängen, während die anderen Bäume in ihrer Entwicklung noch weit zurück sind. Die Kastanien zeigen allerdings fingerlange Triebe, aber es wird immer noch einige Tage währen, ehe sie ihren Blätterschmuck offen zur Schau tragen. In diesem Jahre ist die Vegetation hier viel weiter fortgeschritten als in manchem anderen Jahre; denn wir entsinne» uns, daß oft am 15. Mai, also am Eröffnungstage der Badesaison in Elster, die aus dem Kurplatz stehende» Kastanien noch ganz kahl aus sahen. Die jetzige Witterung ist dem Wachsthume der Wintersaaten günstig, denn diese stehen in schönster Pracht da, und die sonst immer bemerkbar gewesenen lichten Stelle», wo das Getreide ausgewintert war, fehle» Heuer gänzlich. Die Sommersaaten sind schon aufgegange», denn auch sie sind bei dem denkbar günstigsten Wetter in die Erde gebracht worden. Die kalten Nächte, die sich trotz des Wouiicmonats noch einstelleu, scheinen wenigstens das Gute zu haben, daß sie das Ungeziefer nicht aufkommen lassen. Dem Landwirth wäre eine gute Ernte sehr zu gönnen. — In Annaberg und Umgegend sind in letzter Zeit falsche 50 Pfennig- sowie 2 Mark- und 20 Markstücke verausgabt, bezw. ange halten worden. In Löbau dagegen hat man in mehreren Geschäfte» falsche Zehnpsennigstücke vereinnahmt. Die Ermittelungen über den Ursprung der Falsifikate sind noch im Gange. — Wieder ist von dem traurige» Selbstmorde einer hochbetagteu Greisin zu berichten. Am 6. d. M. ertränkte sich in einem Teiche zu Goßd orf die 73jährige Christiane verw. Giebe, welche früher auf Tagelohn ging, zuletzt aber arbeitsunfähig war. Als Motiv der That wird Schwermuth bezeichnet. -- Am Donnerstag Nachmittag kam in einem Wohiihause zu Neukirch Feuer aus. In kurzer Zeit waren fünf Häuser nebst den dazu gehörigen Seitengebäuden vom Feuer zerstört. Außer dem Vieh ist fast gar nichts gerettet worden und ist den armen Kaiamitosen die sämmtliche Habe verbrannt; der Zimmermann Hentschel hat beim ver suchten Retten seiner Habseligkeiten im Gesicht, an Händen, Armen nnd Brust schwere Brandwunden davongetragen. Das Feuer soll durch defekte Esse entstanden sein. Sieben zumeist mittellose Familen sind obdachlos und umstehen rathlos die Stätte ihres einstigen beschei denen Daheims. — Dieser Tage sind einem früheren Gutsbesitzer in Ko lkau bei Roslitz, welcher die Absicht hatte, in nächster Zeit nach Amerika aus zuwandern, um sich dort eine neue Heimath zu gründen, 3000 M. Papiergeld entwendet worden. An demselben Tage hatte derselbe auf der dortigen Sparkasse ca. 3270 M. erhoben, und fand er am Mor gen des nächsten Tages nur noch das wenige baare Geld vor. Jie Ium Marquise. Historische Novelle von Ludwig Habicht. «Verfasser der Romane: „Aui der Grenze". „Der rechte Erbe", re.) Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Die Marquise hörte nicht auf diese Frage, sie fuhr in leidenschaft licher Erregung fort: „Als ich aus dem entsetzlichen Gefängniß befreit war, wollte ich sogleich meine Mutter aufsuchen. Niemand wußte mir ihren jetzigen Aufenthalt zu sagen. Ich eilte zu einem entfernten Verwandten, der in Paris lebte. Er empfing mich kalt und wollte mich nicht erkennen. Er habe ja erfahren, daß ich gestorben fei; den noch lud er mich zum Mittagessen ein; aber ich dankte ihm und fragte ihn mit Thränen in den Augen: „Dann sagen Sie mir wenigstens, wo meine Mutter ist? Ich werde bei ihr eine Zuflucht finden." — „Ihre Mutter?" erwiderte der Mann mit ruhigem Lächeln, „Ihre Mutter ist todt!" — Ich sank bei dieser Schreckenskunde in dieKniee und der Herzlose drehte mir gleichgiltig den Rücken, und jetzt erfahre ich, daß meine Mutter noch lebt, daß der Elende gelogen hat, und nun sagen Sie selbst, soll ich nicht verzweifeln über die Schurkerei, mit der man mich von allen Seiten verfolgt und quält?!" „Nein, das dürfen Sie nicht," entgegnete Laurence mit großem Eifer. „Ihre Sache wird endlich siegen, und Sie müssen noch über all Ihre Feinde triumphiren, das ist jetzt der einzige Gedanke, der mich belebt." „Ja, Sie sind ein edler Mensch, ein wahrer Freund!" rief die Marquise mit voller Uebcrzeugung aus, und das Bewußtsein, einen solchen Beistand gefunden zu haben, gab ihr ein wenig die Ruhe wieder. „Zählen Sie zu allen Stunden auf mich," rief Laurence der Marquise zu und in seinen Augen leuchtete wieder jenes ideale Feuer, das sein Innerstes zu beleben schien. „Und wo ist jetzt Ihre Frau Mutter?" Bei dieser Frage brach die Marquise von Neuem in Thränen aus. „Ich weiß es nicht," antwortete sie schluchzend. „Man sucht mir ihren Wohnort sorgfältig zu verheimlichen und all mein Forsche» ist vergebens! O, meine Mutter! — Wenn ich Dich noch einmal sehen könnte, dann wäre Alles gut!" rief sie jammernd und rang ver zweifelnd die Hände. „Beruhigen Sie sich, Frau Marquise! Aber da klopft es! Wollen Sie die Güte haben, sich hier einen Augenblick in mein Kabinet zu rückzuziehen. Ich habe noch nothwendiges mit Ihnen zu besprechen und inzwischen ist Ihr aufgeregter Geist ein wenig besänftigt. — Darf ich bitten, Fran Marquise?" Laurence öffnete die Thüre zu einem kleine» Kabinet und ersuchte die verehrte Frau, dort einige Sekunden der Ruhe zu pflegen, bis er den neuen Klienten abgcfertigt habe. Arglos erfüllte die Marquise seinen Wunsch — die Thüre schloß sich hinter ihr; sie befand sich in einem halbdunklen Raum. Plötzlich