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in Bewegung und mit derselben Minute begann das Tra»ergeläute aller Glocken der Residenz. Der Zug nahm seinen Weg über den Gang am Taschenberg durch den alten Schloßtheil nach dem Schloß- theil am Georgenthor, wo sich die Allerhöchsten und höchsten Herr schaften und die Abgesandten fremder Fürsten anschlosfen. Durch diese Glasthüre am Hauptaufgang zum Schloß, durch den die selig Ent schlafene noch am vorletzten Hofball in voller Frische und Lebensfreu- digkeit geschritten, wurde sie jetzt hinübergetragen znr Kirche und in die Gruft unseres Königshauses, dem sie als ein theures Glied auge hört. Den Trauerzug, der alle Herzen in Wehmuth erzittern machte, eröffnete eine Anzahl Lakeien mit brennenden Fackeln, dann folgte die Geistlichkeit mit dem Bischof und sodann der Oberhofmarschall, der Hausminister von Nostitz-Wallwitz und der Hausmarschall, hierauf der von 8 Haiducken getragene, mit rothem Sammet und reich mit Gold verzierte Sarg. Hinter demselben schritten Se. Maj. der König, zur rechten Seite Se. k. Hoheit Prinz Georg und znr Linken Prinz Fried rich August. Dann folgten die fremden Fürstlichkeiten nnd die Abge sandten der fremden Höfe. Ten Schluß bildeten mehrere Schwestern, welche die hochselige Prinzessin während ihrer Krankheit gepflegt hatten. Sobald der Zug die Kirche betreten hatte, wurde der Sarg zur Gruft getragen, wohin sich jedoch mit der Geistlichkeit nur Se. Maj. der König, Ihre k. Hoh. Prinz Georg und Prinz Friedrich August, sowie der Oberhofmarschall, der Minister des k. Hanses und der Hnnsmar- schall begaben. Nachdem der Oberhofmarschall die Leiche der Geist lichkeit übergeben hatte, begaben sich der König und die kgl. Prinzen nach der Kirche zurück, wo indessen Ihre Maj. die Königin, Jh. kgl. Hoheiten Prinzessin Mathilde und Marie und die Prinzen Johann Georg und Max einnetroffen waren. Auch die Herren und Damen vom Dienst, die Herren der 1. und 2. Hofrangordnung, die Minister, Landtagsabgeordneten, das diplomatische Corps und die Deputation des Raths und der Stadtverordneten hatten sich zur Kirche begeben. Nach der tiefernsten kirchlichen Feier versammelten sich Ihre Majestäten im königlichen Schlosse mit den fremden Fürstlichkeiten und Abgesandten zum Thee, während die prinzlichen Herrschaften sich nach dem Palais in der Langestraße zurückbegaben. — Am Sonnabend fand in der katholischen Hofkirche anläßlich des Todes Ihrer Kniglichen Hoheit der Frau Prinzessin Georg eine ergreifende Todtenfeier statt. Derselben wohnten bei Ihre Majestäten der König nnd die Königin, Seine königl. Hoheit Prinz Georg mit Familie, die fremden Fürstlichkeiten und Abgesandten. Der Zutritt zu den Feierlichkeiten war dem Publikum vollständig freigegeben und so zeigte sich der majestätische Gottestempel bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Nicht die sonst gewohnte Neugierde an den rituellen gottesdienstlichen Verrichtungen zog die Menge an die Stätte der erhebenden Feier, es war vielmehr der Drang tief und innig fühlender Herzen, die gekommen waren, um ihre ungeheuchelte Theilnahme an dem Schicksale der edlen Herzogin an dieser geweihten Stätte kundzugeben. — Dem Landtag ist ein Dekret über den Bau einer Eisenbahn von Schönberg nach Schleiz zugegangen. Die Königlich Sächsische und Fürstlich Reußische Regierung sind übereingekommen, die Bahn normalspurig zu bauen und zwar auf gemeinsame Kosten, dergestalt, daß das Eigenthum der Bahn jedem der belheiligten Staaten innerhalb seines Staatsgebietes zusteht, mit alleiniger Ausnahme der für die Bahn theils neu zu beschaffenden, theils aus dem vorhandenen Be triebsparke der Sachs. Staats-Eisenbnhnverwaltnng zu stellenden Be triebsmittel, welche in das ausschließliche Eigenthum des Sächsischen Staatsfiskus übergehen. Zu den Baukosten träg^die Fürstlich Reußische Regierung 525,000 M. bei und stellt außerdem das gesammte für den Bahnbau erforderliche Areal, insoweit dasselbe innerhalb ihres Staatsgebietes gelegen ist, unentgeltlich zur Verfügung. Der Betrieb der Bahn wird für immer auf eigene Rechnung von der Königlich Sächs. Staatseisenbahnverwaltung übernommen, welche der Fürstlich Reußischen Regierung einen Pachtzins, für die Dauer der ersten 10 Jahre nach Höhe von 2 Prozent, von da ab aber nach Höhe von 3 Prozent des gezahlten Pauschalbetrags von 525,000 M., gewährt. Die Regierung ersucht die Kammer um ihre Zustimmung zu diesem Uebereinkommen und um Bewilligung des auf den Sächsischen Staats fiskus entfallenden Antheils an den Baukosten in dem Betrage von 452,230 Mark. — Mitte voriger Woche ist sämmtlichen Abgeordneten der 2. Kammer abermals mittelst der Post eine Nummer des verbotenen, in Zürich erscheinenden „Sozialdemokrat" zugegangen. Diese Nummer enthält einen Angriff auf die Ehre eines Mitgliedes der zweiten Kam mer, indem in fchamloser Entstellung sein Privatleben angegriffen wurde. Wie man hört, liegt der Erzählung Rachsucht zu Grunde, weil der be treffende Abgeordnete den Sozialdemokraten unbequem geworden war. — Dresden, 8. Februar. Der seit einigen Jahren hier aufhält liche Sozialdemokrat Kegel wurde heule verhaftet. Im Publikum wird diese Verhaftung mit den vor Kurzem im hiesigen k. Residenz schloß und in kommunalen Gebäuden angeklebten und sonst vorgefun denen geschriebenen Plakaten des Inhalts: „Nur Blut kann unsere Rache sühnen!", sowie mit der Uebersendung von gegen die hiesige Polizeidirektion gerichteten Drucksachen an unsere Landtagsabgeordneten in Verbindung gebracht. — Bebel, der Führer der Sozialdemokratie, hielt in Dresden einen Vortrag über das Thema „Die ökonomischen Kriesen, ihre Ur sachen und Wirkungen." Der Redner schilderte die Lage der Industrie staaten in nichts weniger als ermnthigender Weise und kam zu dem Schluß, daß wir uns in einer sozialen Lage befänden, deren Ende ohne das Eingreifen besonderer Umstände nicht abzusehen sei. Nicht durch Vereinigungen von Großindustriellen zum Zweck einer vermin derten Produktion könne man die allgemeine Krise beseitigen, sondern lediglich durch das direkte Eingreifen des Staates, welcher für die Produktion eine dem Verbrauch entsprechende Norm festzusetzen und zu kontroliren habe, daß man über das festgesetzte Maß hinaus nichtpro- duzire. Die Versammlung nahm einen ruhigen Verlauf. Derselbe Bebel erklärte wenige Tage zuvor im Landtage, daß er, wie sein Ge nosse v. Vollmar f. Z. im Reichstage stolz erklärt habe, „auf dem Boden der Revolution stehe!" Früher waren solche Herren doch noch so höflich zu sagen, daß sie sich ganz auf den Boden der Verfassung stellen. — Solchem Gebühren gegenüber sollten wohl alle politischen Parteien bei den nächsten Reichstagswahlen fest zusammen halten. — Wegen Weiterverkaufs bereits benutzter, aber von ihm nicht koupirter Tagesbillets ist ein Schaffner in Chemnitz in diesen Tagen Wit schwerer Freiheitsstrafe belegt worden. Dieser Fall beweist aufs Neue, daß es gewissenlose Reisende giebt, die Billets aus zweiter Hand kaufen und dadurch der Pflichtvergesienheit Vorschub leisten, daß aber auch hier der Krug so lange zu Wasser geht, bis er bricht, und daß man dem Publikum nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern ganz besonders in seinem eigenen rathen muß, Billets nirgends anders zu kaufen als beim — Billeteur. — Das diesjährige erste Grün futter wurde am 7. ds. früh auf Cöllner Flur bei Meißen mit der Sense gehauen. — Unvorsichtiges Gewähren mit Feuer hat wieder ein Menschen leben gekostet. In Chemnitz fanden zwei im Atter von 4 nnd 2 Jahren stehende Knaben eines Eisenbahnbeamten, die allein zu Hause waren, ein Stümpfchen einer Christbaumkerze, welches der ältere am Feuer anzündete. Mit deni brennenden Lichtchen kam er an die Gardine, welche Feuer fing, von welchem auch die Kleider des kleineren , Knaben erfaßt wurden, die bald über und über brannten. Die rasch " herbeigerufene Mutter zog das in Schmerzen sich windende Kind nnter dem Sopha hervor, riß ihm die brennenden Gewänder ab, aber dasfelbe starb bald darauf unter unsäglichen Qualen. — Die Annahme, es wachse, wenn ein Verbrecher nicht alsbald erwischt wird, Gras über die Geschichte, hat jetzt ein früher, vor über zioei Jahren auf dem Güterboden des Dresdner Bahnhofs in Leipzig angestellt gewesener Bremser, als großen Jrrthum erkennen müssen. Der Mann hatte sich damals an einem größeren Waarendiebstahl betheiligt, es mar ihm aber geglückt, nach Amerika zu entkommen. Zwei Jahre sind vergangen nnd da es ihm jenseits des Wassers nicht gefallen mochte, kam er wieder herüber und ließ sich in Meerane nieder, wohl in dem Glauben, die Behörden hätten jenes Verbrechen längst vergessen. Dem war nicht so — dieser Tage ward er verhaftet und nach Leipzig gebracht. Lin verhängnisvoller Haß. Novelle von E. Heinrichs. (Fortsetzung.) Ruhig, ohne ihn mit einer Miene zu unterbrechen, hatte sie ihn angehört und fleißig an ihrer Arbeit weitergenäht. Als er schmieg, ließ sie die Hände sinken und blickte ihn fest an. „Ich war von meiner Mutter ans ihren Antrag vorbereitet, Herr Wagner!" sprach sie, das Zittern der Stimme mit starker Willenskraft beherrschend, „weshalb derselbe mich nicht überrascht. Bevor ich Ihnen eine bestimmte Antwort gebe, muß ich mich ganz offen gegen Sie aussprechen —" „Ich bitte selber darum, mein Fräulein!" beeilte sich der Apo theker hocherfreut zu versichern, „Ihr Vertrauen kann mich nur ehren." „Nun denn, mein Herr, — ich liebe einen Andern —" „Das ist mir bekannt," schaltete Jener süß lächelnd ein. Nanni erröthete, da sie sich sagen mußte, daß ihre Mutter es ihm mitgelheilt. „Wenn ich trotz alledem Ihren Antrag annehmen werde," fuhr sie, nach Fassung ringend, fort, „so geschieht es mir aus dem Grunde, nm die augenblickliche trübe Lage meiner Eltern zu verbessern und denselben eine sorgenfreie Zukunft zu verschaffen." „Theuerste Nanni," rief der Apotheker, entzückt ihre Hand er greifend, „ich werde alle Ihre Wünsche erfüllen —" „Hören Sie mich zu Ende, Herr Wagner!" sprach sie ernst und nachdrucksvoll, ihm mit einer raschen Bewegung ihre Hand entziehend, „Sie müssen meine Bedingungen unterschreiben, — dürfen es niemals vergessen, — daß nicht Liebe mich zu diesem Schritt gedrängt, sondern einzig und allein die kindliche Pflicht, — daß es für mich also ein Opfer ist. — Fühlen Sie nach diesem offenen Bekenntniß noch Ver- langen nach meiner Hand?" Der Apotheker schwieg eine Weile, seine Eigenliebe war ein wenig stark verletzt, doch trug die Leidenschaft schließlich den Sieg davon. „Es wäre mir allerdings erfreulicher," versetzte er langsam, „wenn Sie etwas Neigung für mich empfänden, Fräulein Nanni! Doch hoffe ich in der Ehe darauf, daß Sie mir stets eine pflichtgetreue Gattin sein werden." — „Ich danke Ihnen für diese gute Meinung, Herr Wagner!" er widerte Nanni mit einem schwachen Lächeln, „dieselbe wird niemals getäuscht werden." „So darf ich Sie als meine Braut betrachten, geliebte Nanni?" fragte der Apotheker, sich zu ihr beugend, um sie zu umarmen. Heftig zusammenbebend schob sie ihren Stuhl zurück. „Noch nicht, noch nicht," stieß sie angstvoll bervor, „geben Sie mir acht Tage Bedenkzeit, ich muß meinen Vater und auch mich selber mit dem Gedanken vertraut machen." „Wozu diese Frist?" fragte Herr Wagner unmuthig, „ich liebe gern rasche Entschlüsse, doch es sei, um Ihres starrköpfigen Vaters willen, Nanni!" „Reden Sie nicht so von meinem Vater, Herr Wagner! — ich kann das nicht anhören. Sein Starrsinn, wie Sie es nennen, wur zelt in der Liebe zu seinem Kinde, und ohne seine Einwilligung kann ich doch niemals die Ihrige werden." „Sie haben Recht, meine Theure!" erwiederte der Apotheker schmeichelnd, „Ihr Wille soll mir stets ein Gebot sein." Er küßte ihr die Hand und empfahl sich. Draußen in der Küche erwartete Frau Eberhard mit Unruhe und Ungeduld den Apotheker. „Nun," fragte sie hastig, als er zu ihr trat. Er lächelte siegreich. „Acht Tage Frist noch, dann darf ich Sie „Mama" nennen," flüsterte er. „Sie hat nicht abgelehnt?" „Bewahre, — es soll nur der Papa mürbe gemacht werden, Vann kann ich Aufgebot und Trauung bestellen." Die Mutter machte ein triumphirendes Gesicht; dieses glückliche Resultat war ihr Werk. „Ich werde diese acht Tage noch klug und planmäßig benutzen," fuhr der Apotheker leise fort, „die Hoffnung auf den großen Künstler muß gründlich ausgerottet werden. Vor acht Tagen schrieb ich an einen Bekannten in Wien, welcher in Rom Verbindungen hat, es kann mir nicht fehlen, von dort Material genug zu erhalten, um den Abgott von seiner Säule zu stürzen. Ihr Töchterchen ist übrigens sehr naiv," setzte er mit einem häßlichen Lachen hinzu, „die Bekennt nisse einer schönen Seele sind einem zukünftigen Gatten mitunter recht unangenehm —" „Wie, Herr Wagner?" unterbrach Frau Eberhard ihn bestürzt, „von welchen Bekenntnissen meiner Tochter reden Sie?" „Nun dieselben sind so schlimm nicht, meine Liebe, — aber wenn die Braut einem so unverhohlen ihre Abneigung, resp. ihre Liebe zu einem Andern in's Gesicht wirft, da kann man doch nicht besonders erfreut sein. Nun, lassen wir das, in der Ehe werde ich meine Rechte schon zu wahren wissen, da soll mir so leicht keiner in mein Gehege kommen." Er nickte der Frau vertraulich zu und verließ das Haus. Letztere starrte ihm einige Minuten unbeweglich »ach; ein quä lendes Gefühl, als überliefere sie ihr Kind einem schrecklichen Geschick,