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In Paris ist dieser Tage ein im 90. Lebensjahre stehender Lumpensammler verhungert, in dessen Besitz sich 25,OM Franks vorfanden. Der Mann bezog aus öffentlichen Mitteln ein monatliches Almosen von 25 Frks. Der Papst hat den Armen in Rom zum Weihnachtsfest 12 OM Lire und 150 Betten bescheert. Konstantinopel, 3. Januar. Gestern fand in Sadikli bei Brussa ein ziemlich heftiges Erdbeben statt, durch welches einige Ver wüstungen angerichtet wurden. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Ein furchtbares Unglück ereignete sich am 28. v. M. in dem Hafen von Runagh an der Westküste von Irland. Einige Pächter auf der Clare-Insel waren in Gefahr, wegen rückständiger Pachtgelder von Haus und Hof vertrieben zu werden. Sie fuhren, um das nöthige Geld bei einigen Freunden aufzutreiben, während der Feiertage nach dem Festlande hinüber. Am obengenannten Tage sahen sie ein Ka- nonenboot in den Hafen einfahren und, da sie vermutheten, daß das- selbe die Gerichtskommission überbringe, bestiegen sie, mit dem erfor derlichen Gelde versehen, einen Kahn, um noch vor dem Eintreffen der Gerichtspersonen die Insel zu erreichen und das ihnen drohende Schicksal durch die Zahlung des Pachtrestes abzuwenden. 6 Männer und eine Frau stiegen in den Kahn und ruderten bei hohem Wellen gänge der kleinen Insel zu. Ihre Freunde standen an beiden Ufern und sahen mit Bangen das gebrechliche Fahrzeug auf den Wellen schaukeln; plötzlich verschwand dasselbe vor ihren Blicken und kam nicht wieder zum Vorscheine. Es wurden sofort Boote ausgesetzt, um Hilfe zu leisten; allein man fand nur den gekenterten Kahn, dessen Insassen sämmtlich das Leben verloren hatten. Einer der Far mer hatte 100 Pfund in Gold bei sich, die er von einigen Bekannten geliehen hatte. Wie es in den Londoner Armenviertelu aussieht, darüber macht man sich auch nach der besten Beschreibung noch keine richtige Vorstellung. Schrecklichere Verhältnisse sino schwerlich in der ganzen Welt zu finden. Das sind keine Wohnungen mehr, es sind Höhlen, in denen Tausende und Zehntansende zusammengepfercht sind, wie die Sclaven auf einem Sklavenschiff. Um zu ihnen zu gelangen, muß man erst enge Höfe durchschreiten, in die alle Abfälle ausgeschüttet, werden, welche die Lust mit pestilenzialischen Gerüchen erfüllen. Oft dringt die Sonne nie in diese Höfe ein, kein frischer Luftzug durchweht sie, und von einer Reinigung ist auch selten die Rede. Vom Hof aus gelangt man zu den Zimmern mittels Treppen, die unter jedem Tritt zusammenzubrechen drohen und oft so verfallen sind, daß man seiner Glieder und seines Lebens nicht sicher ist. Man tastet sich an den schmutzigen Wänden empor, die von Ungeziefer wimmeln. Viel leicht habt ihr die armen Geschöpfe bedauert, die unter den Eisenbahn bogen, in Fuhrwerken und Fässern oder unter irgend welchem Obdach im Freien schlafen. Ihr werdet bald finden, daß sie noch ben-idens- werth sind gegenüber den Bedauernswerthen, welche hier Haufen. Acht Fuß im Quadrat, das ist etwa die durchschnittliche Größe vieler dieser Wohnungen. Decke und Wände sind schwarz vor Schmutz, der sich durch jahrelange Nachlässigkeit angesammelt hat. Er dringt durch die Ritzen der oberen Dielen hindurch, er sickert die Wände hinab, er ist überall. Was hier ein Fenster genannt wird, ist zur Hälfte mit Lumpen verstopft oder mit Brettern verschlossen, um Wind und Regen abzuhalten, die andere Hälfte ist so verschwärzt und verschmutzt, daß man kaum hindurchsehen kann. Steigt man gar in die Dachkammern hinauf, wo man wenigstens Zutritt von frischer Luft erwarten könnte, so blickt man auf lauter Dächer und Giebel von niedrigeren Häusern, auf denen die verwesenden Leichname von Katzen und Vögeln und allerlei Unrath herumliegen. Was die Zimmergeräthschafte» anbetrifft, so sind vielleicht ein zerbrochener Stuhl, eine verfallene Bettstelle und die Ueberreste eines Tisches vorhanden, noch häufiger aber dienen rohe Bretter, die man über Ziegelsteine gelegt hat, zum Sitze; eine alte, umgekehrte Kiste wird als Tisch benutzt, oft aber fehlt auch dies und man erblickt nichts als Schmutz und Lumpen. New York, 5. Januar. Dr. Eduard Lasker ist heute Nacht 1 Uhr Plötzlich an einem Herzschlage verstorben. Derselbe kehrte zu Wagen von einem Diner bei dem Bankier Seligmann zurück, als er von dem Schlage getroffen wurde. Der Wagen hielt sofort an. Bankier Seligmann, welcher ibn begleitete, half ihn aus den Wagen bringen, wobei Lasker in seinen Armen starb. Der Leichnam soll einbalsamirt und — wie es heißt — nach Deutschland überführt werden. Vaterländisches. Wilsdruff. Am Neujahrstage früh wurde in Kleinschönberg vor einem Gehöfte der Handarbeiter Carl Ernst Hachenberger von dort erfroren aufgefunden. Jemehr die deutsche Kurzschrift (Stenographie) in immer weiteren Kreisen Anerkennung und Verbreitung findet, desto unerläß licher wird es nachgerade für jeden gebildeten jungen Mann werden, diese Schrift kennen und ausüben zu lernen. An Gelegenheit zur Verwendung der Stenographie für private, geschäftliche oder dienst liche Zwecke fehlt es sicher nicht und bringt dann mannichfachen, nicht zu unterschätzenden Vortheil und Nutzen. Wir unterlassen deshalb nicht, darauf aufmerksam zu machen, daß seitens des hiesigen Gabels- berger Stenographenvereins unter bewährter Leitung des Herrn Lehrer Thomas jetzt wieder ein Kursus in Stenographieunterricht gegeben wird, wozu gewiß gern noch Anmeldungen entgegengenommen werden. — Auf einen trüben Tag folgt ein heiterer Abend. So war es am gestrigen Sonntag in unserer Stadt. Geboten wurde dem Pub likum der heitere Abend im Saale des Hotel Adler durch das vom ehemaligen Hofschauspieler Herrn Zocher aus Dresden arrangirte Concert, welches, da Herr Zocher bereits der Liebling eines großen Theiles des hiesigen Publikums geworden ist, auch zahlreich besucht war. Von den Zocher'schen humoristischen Vorträgen gefiel beson ders „Jnfant'rie und Cavall'rie", oder „Zocher als Husar"; auch die Zauberkünste des Herrn French wurden beifällig ausgenommen. Großes Interesse boten und Wohlgefallen fanden die „Nebelbildervor- steüungen" und unter diesen wieder die prächtigen Farbenspiele mit elektrischer Beleuchtung, vorgeführt und erklärt von Herrn Walter; Herr E. Kühne hätte als „Bairischer Bierschwärmer" nicht so lange schwärmen sollen, sonst machte er seine Sache ja auch gut. Der stürmische Hervorruf des Herrn Zocher am Schluß der Vorstellungen war als Dank für den allen Anwesenden bereiteten amüsanten Abend zu betrachten, welcher aber nicht allein Herrn Zocher, sondern auch den anderen mitwirkenden Herren galt. — Meißen. Bei der Wahl zum Landtage an Stelle Klopfers wurde der Rittergutsbesitzer v. Carlowitz (kons.) mit großer Majorität gewählt. — Am Neujahrstage wurde dem um die sächsische Landwirthschaft hochverdienten und allerwärts gern gesehenen Herrn Oberkommissar Münzner in Freiberg eine unerwartete Auszeichnung zu Theil, indem ihm die Eröffnung zuging, daß Se. Majestät der König ihm Titel und Rang als Oekonomierath verliehen habe. — Ueber die bewilligten Jahreslöhne auf dem diesjährigen Ge sindemarkt zu Dresden wird Folgendes berichtet: Schirrmeister er zielten 240 bis 270 Mark und theilmeise darüber, Großknechte 210 bis 225 M., Mittelkncchte 180 bis 200 M., Kleinknechte 135 bis 165 M., Pferdejungen 90 bis 105 M., Ochsenjungen 75 bis 90 M., Großmägde 150 bis 190 M., Mittelmägde 120 bis 150 M., Klcin- mägde 90 bis 120 M. Von männlichen Dienstboten blieben viele ohne Verdingung, während nach Mägden noch bei Schluß des Marktes vergeblich gefragt wurde. — Kurz vor Weihnachten war im Pfarrhause zu Dorfhain bei Edle Krone eingebrochen worden. Gestohlen wurden Gegenstände im Werthe von etwa 46 M. Den Nachforschungen der Gendarmerie ist es gelungen, nicht nur den größten Theil der gestohlenen und in Frei- berg verkauften Sachen, sondern auch den Einbrecher zu ermitteln und festzunehmen. Derselbe ist ein den Gendarmen als berüchtigter Ein brecher (namentlich in Pfarrhäusern) bekannt und wurde erst vor we nigen Wochen nach 9jähriger Zuchthausstrafe von Waldheim entlassen. — In Chemnitz sind in letzter Zeit auffallend viele Selbstmorde vorgekommen. Nachdem dieser Tage erst ein junger Mann aus Schwer- muth über körperliches Leiden sich entleibt, ertränkte sich vorigen Diens tag eine 30 Jahre alte Frau im Schloßteich und Tags darauf stürzte sich ein 18 Jahre altes Mädchen, das schon längere Zeit an Krämpfen litt, aus einem Dachfenster ihres Wohnhauses in den Hof. — Die Untersuchung wider den bei dem Landgericht zu Chemnitz zur Hast gebrachten, des Mordes an dem Dienstmädchen in Chemnitz verdäch tigen Kellner Schubert wird erschwert durch dessen hartnäckiges Leugnen, besonders aber auch dadurch, daß trotz wiederholter öffentlicher Auf forderung die beiden Personen, welche der Ermordeten die erste hilf reiche Hand leisteten nnd einigen Aufschluß zu geben vermögen, ebenso auch der Verkäufer des am Orte der That aufgefundenen Küchen- messers bis jetzt nicht haben ermittelt werden können. — Eine interessante Zwangsversteigerung fand am 22. Dezember vor dem Amtsgerichte Ehrenfriedersdorf statt. Es gelangte das aus gedehnte Bergwerk Vereinigt Feld Fundgrube unter den Hammer. Dasselbe war im Jahre 1881 von einer Aktiengesellschaft für 1,60,000 M. gekauft worden und wurde nun von dem Rittergutsbesitzer Ebert aus Leubnitz für das Höchstgebot von 1600 M., wozu noch Betriebs vorschüsse kommen, eigenthümlich erworben. — Das Lichtensteiner Wochenblatt meldet unterm 5. Januar: Soeben beim Druck des Blattes verkünden die Sturmglocken Feuer. Sämmtliche Scheunen in der Zwickauerstraße stehen in Flammen und ungeheure Rauchwolken, beleuchtet durch die grellen Flammen, lodern zum Himmel empor und erhellen in schauerlicher Weise die Stadt und Umgebung. Weiteres über de» Brand ist noch abzuwarten. — Auch in der Land- und Waldkultur scheint das Dynamit in Zukunft eine große Rolle spielen zu sollen. So wurden vor einiger Zeit von militärisch-sachverständiger Seite in der Dresdner Haide Versuche gemacht, große Bäume mittelst Dynamit sawmt den Wurzeln aus der Erde zu reißen, was größtentheils ganz vorzüglich gelang. Man unterfuhr starke Eichen mit Kanälen bis zur Wurzel, legte Dy namitzöpfe hinein und entzündete diese mit dem bekannten automatischen Apparat. Der mächtige Baum hob sich majestätisch empor und neigte sich sofort vor seinen Bezwingern demüthig zur Erde. — Nachdem der Stadtrath zu Zwickau sich bereit erklärt hatte, den 10. sächsischen Feuerwehrtag in Zwickau für das Jahr 1884 aui- zunehmen, sind vom Laudesausschuß sächsischer Feuerwehren die Tage des 19., 20. und 21. Juli hierzu in Aussicht genommen worden. Mit diesem Feuerwehrtage soll eine Ausstellung von Lösch- und Rettungsgeräthen verbunden werden. Im Jahre 1884 ereignen sich drei Sonnen- und zwei Mond finsternisse, von denen jedoch nur die erste Sonnen- und die zweite Mondfinsterniß in unseren Gegenden sichtbar ist. Die erstere ist sehr unbedeutend (eine partiale) und findet am 27. März von Morgens bis V»8 11hr statt; die zweite ist eine totale Mondfinsterniß, die am 4. Oktober Abends ^9 llhr bis 12 Uhr 21 Min. stattfindet. — Die Schulen in Riesa sind geschlossen worden; die Diphtheritis ist — wie man schreibt — wenn auch nicht zahlreich, aber ungemein heftig aufgetreten. — In sehr akuter Weise ist die Diphtheritis auch in Lommatzsch aufgetreten; nicht weniger als 13 Kinder wurden an einem Tage von dieser Krankheit dahingerafft. — In Bernstadt ist eine beträchtliche Anzahl Schulkinder an den Masern erkrankt, so daß bei den drei untersten Klassen die Weih- »achtsferien bis auf Weiteres ausgedehnt werden. Cin Weihnachtsabend. Novelle von Emilie Heinrichs. (Fortsetzung.) Das war ein Weihnachtsabend, wie ihn Hamburg noch nie erlebt. * * * Kehren wir nach diesem Rückblick zu dem alten Jacob Meinert zurück, welcher an seinem geistigen Blick die Vergangenheit vorüber ziehen ließ und sich nicht zu retten vermochte vor den anklagenden Augen, die ihm überall anzustarren schienen, war es doch besonders der traurige Blick der Gattin, welche ihm, wie noch nie, das Herz erschütterte. „O, wärst Du bei mir geblieben," seufzte er, „ich wäre heute nicht so einsam — und Du hättest sicher das Rechte getroffen. Sieh mich nicht so traurig an," fuhr er heftig empor, „ich kann diese Augen nicht leiden, sie zerreißen mir das Herz." Der unglückliche alle Mann wehrte sich wie cin Verzweifelter gegen die mächtig hereindringende Reue, welche die starren Grundsätze seines Lebens gewaltsam niederwarf. Ach, der Weihnachtsbaum mit seinem herzigen Duft und lichten Schimmer drängte sich auch wieder hervor in den Kreis der Bilder und wachen Träume und statt der eigene» Kinder umspielten die Enkel den Baum und richteten die flehenden Aeuglein auf den harten Groß vater, der sich selbst die Blüthen des Lebens grausam zertrat. Die Mutter dieser Enkel kannte er nicht, er hatte sie niemals gesehen oder sehen wollen, und doch schien es ihm, als tauche auch ihr Bild empor, ihn vorwurfsvoll fragend: „Was habe ich Dir gethan?" „Ihr habt mir meine Kinder geraubt, alle, alle," murmelte er, sich gleichsam vertheidigend gegen diese Ankläger. Wieder tönten Jacob Meinert die milden Worte der Gattin ins