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LIM' Zweites Blatt. «MM Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer ksstet^O Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag AbonncmentspreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet_10 Pf Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag« bis Mittag 12 Uhr. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiundvierzigster Bah*ga«g» Nr. 100. 1882. Freitag, den 15. Dezember Landwirtschaftlicher Verein zu Tauueberg, d. 10. Dez. Die letzte diesjährige Versammlung des landwirtschaftlichen Ver eins zu Tanneberg wurde mit einer ebenso seltenen, wie erhebenden Feierlichkeit eröffnet. Im Auftrage des hohen Königl. Ministeriums des Innern war Herr Amtshauptmann v. Bosse aus Meißen und auf Veranlassung des landwirtschaftlichen Kreisvereins zu Dresden Herr Kreissekretär Münzner aus Freiberg erschienen, um einer Anzahl Dienstboten die Zeichen der Anerkennung für langjährige treue Arbeit zu überreichen. Vach Begrüßung der erschienenen Mitglieder des Vereins durch den Vorsitzenden, Herrn Rittergutsbesitzer von Schönberg-Pötting auf tauueberg, hielt Herr Amtshauptmann v. Bosse eine kurze, treffende Ansprache an die auszuzeichnenden Personen und übergab hierauf fol genden fünf derselben die von Sr. Majestät dem König Albert ge stiftete große silberne Medaille „für Treue in der Arbeit": 1., l.vdvrvvkt loknv aus Neutanneberg, seit 1832 Tagearbeiter auf dem Rittergute Tauueberg; 2 ., Nvinniek koitßslf lolms aus Neutanneberg, seit 1852 Kalkstein- . brecher beim Herrn Kalkgutsbesitzer Faust in Blankenstein; 3 ., Karl August Kaumann aus Neutanneberg, seit 1840 Tagearbeiter auf dem Rittergute Tanneberg. Leider konnte derselbe wegen einer Krankheit der Feier persönlich nicht beiwohnen, wurde jedoch durch seinen ältesten Sohn vertreten; 4 ., 8opkis Hmsliö Llvlrnkl- aus Hirschfeld, seit 1850 Tagearbeiterin aus dem Rittergute Tanneberg; 5 ., Kosins Nauptmann aus Neutanneberg, seit 1852 Tagearbeiterin auf dem Rittergute Tanneberg. Daran schloß sich die Verteilung der vergoldeten und der sil bernen Medaille, sowie von Ehrendiplomen an weitere 7 Per sonen durch Herrn Kreissekretär Münzner. Die vergoldete Me daille erhielten: 1 ., ^risürivk karisvii, seit 1846 Knecht auf dem Kalkgute des Herrn Kippe in Groitzsch; 2 ., Kurl Lsunsri, seit 1861 Knecht auf dem Rittergute Munzig. Die silberne Medaille erhielt Lrnst wlius ksuknsr, von 1846—1867 und seit 1873 bis dato Schäfer auf dem Gute des Herrn Döring in Burkhardtswalde. Anerkennungsdiplome wurden zu teil 1 ., Iulius l.uoius, seit 1869 Wirtschafter beim Herrn Gasthofsbesitzer Scharfe in Limbach; 2 ., August k.0U8viinsr, seit 1872 Knecht beim Herrn Gasthvfsbesitzer Oehlschlägel in Burkhardtswalde; 3 ., wa 8oimM, seit 1872 Magd beim Herrn Gutsbesitzer Damm in Neukirchen. Bei der Verteilung gaben sowohl Herr Amtshauptmann v. Bosse als auch Herr Kreissekretär Münzner mit warmen Worten dem Wunsche Ausdruck, daß die Dekorierten sich noch lange der wohlver dienten Ehrenzeichen freuen, aber auch fernerhin würdig erweisen möchten, und daß diese öffentliche Verleihung anderen Arbeitern ein Sporn sei, in gleicher Treue ihre Pflichten zu erfüllen. Herr Rittergutsbe sitzer von Schönberg-Pötting brachte darauf sowohl den elf ver dienten Arbeitern als auch ihren Arbeitgebern den aufrichtigsten Glück wunsch des landwirtschaftlichen Vereins; mit Recht konnte er das zwischen Dienstboten und Dienstherrn bestehende Verhältnis in unserm engern Vaterlande als ein gutes bezeichnen. In sinniger Weise lenkte Redner darauf den Blick der Versammlung weiter: auf das Dienstver hältnis zwischen unserm Sachsenvolke und seinem Könige. Dem durch diesen Hinweis entzündeten Patriotismus gab die Versammlung einen beredten Ausdruck, indem sie mit Begeisterung in das vom Herrn v. Schönberg-Pötting ausgebrachte Hoch auf Se. Majestät den König Albert einstimmte. Herr Pastor Kranichfeld in Tanneberg über nahm es, im Sinne der Versammlung sowohl dem Herrn Amtshaupt- mann v. Bosse und dem Herrn Kreissekretär Münzner, als auch den Mitgliedern des Direktoriums und den Herren Gemeindevorständen die gebührende Anerkennung für ihre Bemühungen in der herzlichste» Weise auszusprechen. — So war also an diesem Tage Dank der Bemühungen edelgesinnter Männer eine unbeschreibliche Freude in die Herzen schlichter, gerader Menschen eingekehrt. Wer der erhebenden Feier beiwohnte, der konnte aus den Dankesbezeugungen der braven Leute erkennen, welche Gefühle ihr Herz bewegten. Möckte doch so mancher andere Arbeiter, welcher der Hände Arbeit eher als eine Last statt als eine Lust ansieht, — möchten doch solche Leute durch einen so deutlichen Beweis der An erkennung ihrer Arbeit überzeugt werden, daß jeder redlichen Arbeit die volle Anerkennung gezollt wird. — Nach Beendigung der Feierlichkeit verlas der Schriftführer des Vereins, Herr Rittergutspachter Obendorfer das Protokoll über die vorige Vereinssitzung und daran schloß sich ein gediegener Vortrag des Herrn Kreissetretär Münzner über „landwirtschaftliche Feuersicherung". Nach einer durch diesen Vortrag veranlaßten Debatte fand noch die Aufnahme vier neuer Mitglieder statt. Bis zum Schluß der Ver sammlung wurde dieselbe durch die Anwesenheit des Herrn Amtshaupt mannes v. Bosse beehrt. — Kosen im Schnee. Novelle von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) I. Draußen war's bitter kalt. Geräuschlos sanken die Schneeflocken vom grauen Dezember-Himmel herab und woben mit leiser emsiger Hand die weiße Decke, unter welcher die Blümchen wohlig schliefen dem Lenze entgegen. Die Menschen aber hatten es besonders eilig heute; man gönnte sich auf der Straße kaum einen Gruß, denn im Herzen grünte und blühte ein Geist heimlicher Liebe, der sich im ganzen Jahre kaum so sehr regt und bemerklich macht, als am heiligen Abend. Auf dem Christmarkt stauden die beschneiten Tannenbäume, die Händler rieben sich die erstarrten Hände und die Armuth trieb sich frierend zwischen den Buden umher, vor welchen die Verkäufer trüb selig hin und her trippelten und seufzend den geringen Verdienst über rechneten. Weihnachtsfreude und Weihnachtsleid! Draußen vor dem Thore, wo sich die eleganten Villen der Vor nehmen und Reichen befanden, lag abseits von der großen Straße in einer einsamen Gegend ein zweistöckiges, freundliches Haus, von einem großen Garten umgeben. Die Parterre-Wohnung hatte der Hauswirth, ein behäbiger, wohlhabender Privatmann mit seiner Familie inne, den 1. Stock ein unverheiratheter Gelehrter und dessen alte Haushälterin, und die kleine Giebelwohnung ein halb erblindeter, emeritirter Lehrer mit Frau und Tochter. In diesem Augenblick, es war nach drei Uhr Nachmittags, und die dicke Schneeluft ganz geeignet, das Tageslicht frühzeitig auszulö schen, — schritt eine kleine, behende Gestalt eilig durch den Garten des soeben beschriebenen Hauses, — klopfte sich vor der Thüre den Schnee von Kapuze und Mantel und trat dann mit einem lauten „Gott sei Dank!" in das Haus. „Na, liebe Willing! Sie sehen ja aus wie der leibhaftige Weih- nachtsmauu!" ries der Hauswirth ihr auf dem geräumigen Hausflur lachend entgegen, „haben wohl große Geheimnisse unter den weiten Mantel, he?" „Na ja, Herr Schneider!" schmunzelte die alte Jungfer Willing, „für Unsereinen ist doch auch der heilige Christ gekommen, sollt ich meinen; für meinen Doktor freilich existirte eine Bescheerung nicht —" „Na, na, er rückt doch stets mit einigen Goldfüchsen heraus." „Ach, daraus mach' ich mir nicht viel", meinte die Alte melan cholisch, „das Geld kann doch so eine recht herzliche Weihnachts-Be- scheerung, wie Sie es hier unten, und die guten Heinbergs oben haben, nicht hervor bringen, dazu gehört ein fröhliches Herz und könnte ich das meinem armen Herrn, den ich einst auf diesen meinen Armen groß gewartet, wiedergeben — na, nichts für ungut, Herr Schneider, es ist und bleibt die alte Geschichte." Die Haushälterin des Gelehrten im ersten Stock fuhr sich hastig über beide Augen und stieg dann, ohne ein weiteres Wort hinzuzu fügen, mit jugendlicher Eile die Treppe hinauf. Herr Schneider paffte, ihr nachblickend, einige Rauchwolken aus der langen Pfeife, brummte kopfschüttelnd: „Jawohl, die alte Ge schichte!" — und trat in die Wohnstube, wo seine Frau am Kaffee tische seiner harrte. „Wars nicht die alte Willing?" fragte Frau Schneider, den Kaffee einschenkend. „Ja," nickte der Hausherr, sich behaglich in den Lehnstuhl am warmen Ofen niederlassend, „es ist doch komisch mit der alten Person," fuhr er nach einer kleinen Weile lächelnd fort, „zu Neujahr werden's jetzt zehn Jahre, daß Doktor Altmann mit seiner Haushälterin bei uns einzog, und zum neunten Male wiederholte sich heute dasselbe Ge spräch auf dem Flur am heiligen Abend, wenn die sonst so brave und treue Alte mit ihren Weihnachtsgeheimnissen unter dem weiten Man tel heimkehrt. Immer die alte Geschichte von ihrem Herrn, wie sie selber auch stets hinzusetzt." „Ja, es ist sonderbar," meinte die Frau, nachdenklich ihren Strick strumpf ergreifend, „ich mag die alte Willing herzlich gern, sie ist treu wie Gold und ihrem Herrn ergeben wie ein Hund; — sie spricht das ganze Jahr hindurch kein Sterbenswort über den wunderlichen Kauz und kann auch nicht die geringste Andeutung vertragen, am heiligen Abend aber läuft das Herz mit der Zunge davon und immer in der selben Leier. Möchte doch wissen, warum der Doktor ein so sonder barer Kauz geworden, der nur an Thieren und trockenen Pflanzen Gefallen findet." „Na, die Menschen mögen ihm arg mitgespielt haben," meinte Herr Schneider, bedächtig seinen Kaffee trinkend, „der alte Kandidat Lebrecht, welcher ein Freund seines seligen Vaters gewesen, hat mir mal so einige Andeutungen darüber gemacht." „Ach was, von der Falschheit und Hinterlist der Menschen kann Mancher ein Liedchen singen, ohne gerade die ganze Welt zu hassen. Der Doktor ist trotz seiner zweiundvierzig Jahre ein hübscher statt licher Mann —"