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Wochenblatt für für für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdruff. Aweiundvierzigfter Jahrgang. Nr. 74. 1882. Freitag, den 15. September Erscheint wöchentlich L Mal DienStag und Freitag.) AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark. Line einzelne Nummer testet 10 Ps. Jnseratenannabme Montag- u. Donnerstags »i» Mitta, 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag unb Freitag AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostens Pf Wilsdruff, Thuruudl, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Bekanntmachung. Die in Folge meiner Aufforderung vom 14. Juli dies. Jrs., die Ausschmückung der Meisathalstraße betr., von einer Anzahl Ge meinden gegebenen Beiträge werden den betreffenden Herren Gemeindevorständen bei Ablieferung der Brandkassen-Beiträge zur Wiederaushän digung an die Geber zurückerstattet werden. Meißen, den 14. September 1882. *. Baffe, Amtshauptmann. Tagesge schichte. Berlin. Bor kurzem hieß es in den Blättern, daß die Regie rung die Innungen zu Erklärungen ausgefordert habe, ob und wann sie ihre Statuten nach der Gewerbeordnungsnovelle vom 18. Juni 1881 umändern würden. Diese Meldung konnte den Anschein erwecken, als ob die Regierung jetzt auf die Innungen einen Druck ausüben wollte, da dieselben vielfach Miene machten, daß sie es bis zum letzten gesetzlich zulässigen Termine 1885 an sich kommen lassen wollte. Wie verlautet, ist jedoch den Innungen das im Reichsamt des Innern auf gestellte Normal-Jnnungsstatnt amtlich auf dem regelmäßigen Jnstan- zenzuge zugegangen und Hierbeilediglich an die bezügliche Bestimmung des erwähnten Gesetzes erinnert worden. Auch den Berliner Innungs- Verbünden ist vom Magistrat bezw. von der städtischen Gewerbedepu tation das Jnnungsstatut mit Anschreiben zugegangen, worin den In nungen Hilfskräfte zur Unterstützung bei der Umarbeitung angeboten. Uebrigens haben die Berliner Innungen dem Vorgänge der Bauge werbe entsprechend, schon die Umarbeitungen ihrer Statuten mehrfach in Angriff genommen. Im Deutschen Reiche wird am 10. Januar 1883 eine Vieh zählung stattfinden. Dieselbe ist von Preußen im Bundesrathe be antragt. Wie sich die Zeiten ändern! In demselben Breslau und Schlesien, um dessen Besitz einst Friedrich der Große mit der Kaiserin Maria Theresia den 7jährigen Krieg geführt hat, ist jetzt der österreichische Kronprinz Rudolf mit Gemahlin eingetroffen, um an den preußischen Manöver» theilzunehmen und die Feste verherrlichen zu helfen. Der stille, mehr als 100jährige politisch-diplomatische Streit und schließlich der laute, blutige Schlachtenkampf zwischen Preußen und Oesterreich ist beendigt und die alten Gegner sind aufrichtige Bundesgenossen ge worden, die zu Schutz und Drutz vereinigt Europa Frieden gebieten. Der Empfang des österreichischen Fürstenpaares war ungemein herzlich, der Kaiser und die beiden Kronprinzen, auch Prinz Wilhelm, tauschten Umarmungen und Küsse aus, und die beiden Kronprinzessinnen unter einander desgleichen. So viele fremde Offiziere und Gäste ans aller Herren Länder in Breslau waren — und es waren ihrer Hunderte anwesend — so viele konnten sich überzeugen und können es daheim berichten, mit welchem ungeheuchelten Jubel der Kaiser, der Kronprinz rc. gefeiert wurden — vom Heere und vom Volke. Es war ein Fest für die ganze Provinz. Zum Schluß gab die schlesische Ritterschaft einen Festball, an welchem 1200 Gäste Theil nahmen. Dabei kamen lebende Bilder aus der Geschichte Schlesiens zur Aufführung, die durch Schön heit und Pracht ausgezeichnet waren; das letzte Bild stellte den Aus zug der Freiwilligen im Jahre 1813 dar und machte tiefen Eindruck. Der vom Reichs.Eisenbahnamt nach Freiburg i. B. entsendete Komisiar hat jetzt seinen vorläufigen Bericht über die Eisenbahnkata strophe bei Hugstetten veröffentlicht. Aus demselben geht hervor, daß der Bahnkörper und Oberbau sich in gutem Zustande befanden und Schwellen und Schienen von guter Beschaffenheit waren. Die bishe rigen Erhebungen und Untersuchungen geben nach Ansicht des Komis- sars der Bermuthung ziemlich sicher» Anhalt, daß der Lokomotiven führer die vorgeschriebene Geschwindigkeit nicht unwesentlich überschrit ten haben dürfte und daß vielleicht auch das Bremserpersonal nicht mit gespannter Aufmerksamkeit seinen Dienstfunktionen nachgekommen sein wird. Gericht und Staatsanwalt sind in vollster Thätigkeit. Aus Gotha wird der „Volks-Ztg." berichtet, daß in dem nahe dieser Stadt gelegenen Dorfe Herbsleben (laut amtlicher Veröffentlich ung) nicht nur die in diesem Jahre erst geimpften kleinen Kinder, son- anch die revaccinirten 12jährigen ernstlich, ja lebensgefährlich erkrankt sind. Das Fleisch an der betreffenden Impfstelle ist abgesault und der Körper mit Blasen bedeckt. Nach Aussage des Arztes dürfte es zweifelhaft sein, ob auch nur ein Kind von der Krankheit genesen wird. Dieser Fall von Massenvergiftung soll bereits der herzoglich gothaischen Staatsregierung zur Untersuchung unterbreitet sein. Das in München erscheinende ultramontane „Bahr. Vaterland" bringt an der Spitze seines Blattes einen Artikel, der mit den Worten beginnt: „Gerüchtweise verlautet — und wir nehmen davon lediglich nur deshalb Notiz, weil bereits einige Blätter davon berichten — man beabsichtige im Schoße der Bürgerschaft ohne Unterschied der Partei stellung, eine Adresse an den König zu unterzeichnen, in welcher Se. Majestät ehrfurchtsvoll gebeten werden soll, sein zurückgezogenes Leben aufzugeben und sich nach den Beispielen seiner hochverehrten Vor- fahren wenigstens an festlichen Tagen seinem treuen Volke zu zeigen." Zur Erläuterung erörtert dann das „Vaterland", daß es allerdings Thatsache sei, daß das königliche Hoflager den weitaus größten Theil des Jahres außerhalb der Hauptstadt sich befinde, daß Hoffestlich keiten seit langen Jahren nicht mehr stattfinden, in Folge dessen auch der höhe Adel fast das ganze Jahr über von der Hauptstadt fern bleibt, wodurch die materiellen Interessen der Stadt schwer geschädigt werden müssen u. s. w. Das Blatt bezweifelt indessen, ob eine solche Adresse ihren Zweck erreichen werde. Die in der Nacht zum 6. d. M. von Seiten der Polizeibehörde in Wien wegen geheimer gesetzwidriger Agitation in Haft genommenen 26 radikalen Sozialisten wurden in den letzten Tagen eingehenden Verhören unterzogen, welche vorgestern Nachts zu Ende gingen. Gestern wurden sämmtliche Verhaftete, welche theils im alten Polizeiaefangen- Hause, theils wegen Raummangels im Polizeigefangenhause in der Theobaldgasse untergebracht waren, dem Landgerichte eingeliefert. Die saisirten Korrespondenzen und Schriften wurden in den letzten Tagen gesichtet und den Akten an das Strafgericht beigeschlossen. London. In einer Konferenz von Grubenarbeitern, welche in voriger Woche in Manchester abgehalten wurde und auf welcher etwa 280,000 Bergleute vertreten waren, wurde beschlossen, mit den Grubenbesitzern wegen einer allgemeinen Lohnerhöhung in Unterhand, lungen zu treten, die bis zum 1. k. M. in Kraft treten würde; fall- diese Unterhandlungen nicht erfolgreich sein sollten, würde ein allge meiner Streik stattfinden. Wird denn überall das finstere Mittelalter mit seinem wilden Glaubenshaß heraufbeschworen? In Venedig hat der Cardinal- Patriarch über das ganze Redactions-, Setzer- und Drucker-Personal zweier protestantischer Zeitungen feierlich das Interdikt verhängt und „Kreuz-Predigten" gegen die Protestanten veranstaltet. An der evan gelischen Kirche liest man Anschläge: Tod den Ketzern! Manche Geist liche gehen nur mit fanatischen Leibwachen aus, welche die Protestanten, die ihnen begegnen, durchprügeln müssen (?). Die gesammte Presse Venedigs verdammt einstimmig diese mittelaltriaen Kreuzzüge. Die Engländer und Egypter haben sich am d. September westlich von Kassassin wieder ein Treffen geliefert, über welches der englische Oberbefehlshaber Wolseley berichtet: Eine beträchtlich Streit macht Arabi Paschas machte bei Tagesanbruch einen Angriff gegen unsere Vorposten. General Willis rückte vor, warf den Feind mit Verlust zurück und nahm ihm 4 Kanonen ab. Die englischen Ver luste sind unbedeutend (sie werden auf 100 Mann angegeben), der Feind zog sich hinter seine Erdwerke zurück, wo er auf eine Entfern ung von 500 Metern die Kanonade fortsetzt. Wolseley schlägt sein Hauptquartier in Kassassin auf. — Ein etwas dunkles Gerücht sagt den Engländern nach, daß sie die egyptischen Gefangenen Torturen unterwerfen, um ihnen Geständnisse zu entreißen. Der Khedive wider spricht dem Gerüchte zwar, gibt aber zu, daß bei einem Spion Daum schrauben angewendet worden sind. Wie jetzt erst bekannt wird, hat Arabi Pascha seinen Angriff auf die Stellung der Engländer bei Kassassin von zwei verschiedenen Seiten nnd mit zwei getrennten Kolonnen unternommen. Die eine rückte von Tel-el-Khebir, die andere von Salihiye aus vor. Der „Standard"-Korr. telegraphirt in Sicht von Tel-el-Khebir unter'm 11. September Folgendes: Heute wurde die Frage der Kampftüch tigkeit der Egypter endgiltig entschieden. Sie griffen uns in großer Ueberzahl an, erlangten Stellungen, von denen sie die unsere voll- ständig beherrschten, und ließen sich doch zurücktreiben, sobald unsere Soldatengegen sie avancirten. Wie die Egypter hinter Wällen kämpfen werden, bleibt abzuwarten, im offenen Felde sind sie einfach zu ver achten. Man mußte dem Feinde für seine geschickte Taktik Gerechtig- keit widerfahren lassen, seine Führer treffen sehr gute Dispositionen, ja während einer Viertelstunde war die Position unserer Truppen und unseres Lagers sehr kritisch. Unsere Infanterie war in der größten Gefahr, umgangen zu werden, alle dominirenden Stellungen waren in Feindeshanv, während seine Infanterie und Kavallerie eine Kolonne nach der andern über den Hüge! heraufkam. Die ganze Situation änderte sich jedoch, als die Engländer die Offensive ergriffen. Lowe's Kavallerie ritt weit hinter den linken Flügel der Egypter vor und zwang sie dadurch, sich zurückzuziehen. Inzwischen war die egyptische Infanterie auf 800 Schritt angekommen und eröffnete das Feuer, da rückte die englische Infanterie vor und drang rasch und entschieden vorwärts. Sobald dies geschah, stutzte die feindliche Infanterie und zog sich dann rasch zurück. Es war ein eigenthümliches Fiasko, denn der Feind hatte achtzehn Bataillone engagirt, deren Benehmen bis zum Augenblicke, wo die englische Infanterie eingriff, kühn und resolut war. Ihr Feuer war gewaltig, und es ist unbegreiflich, wohin ihre Kugeln flogen. Achtzehn Bataillone, gut postirt, mit Hinterladern bewaffnet, gegen nur fünf Bataillone, auf welche sie ihr Feuer kon- zentrirten, hätten schon etwas ausrichten können, und doch hatten wir nur zwei Tobte und relativ wenig Verwundete. Die Gefangenen