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Beilage ochenblattes für Wilsdruff. zu Nr. 73 des Amts- u. ? Dienstag, den 12. September 1882. (Fortsetzung aus dem Hauptblatte.) aufmarschirende Ehrenkompagnie zu inspiciren. Eine eigens erbaute sanft abfallende Treppe wird den Zugang zu den vorfahrenden Galawa gen vermitteln. Gegenüber der Freitreppe wird ein riesiges Tableau von kriegerischen Emblemen und Fahnen errichtet. Auf dem Leipziger Bahnhof, von wo aus die Abfahrten der Majestäten und Fürstlichkeiten nach den Manöver« erfolgen, werden die Königszimmer kostbar vor gerichtet. Die Zugangstreppe zur Abfahrtshalle des Leipziger Bahn hofes erhält eine wesentliche Verbreiterung, und wird, ui ähnlicher Weise wie am Schlesischen Bahnhof, die Ankunftshalle festlich dekorirt werdet«. — Die Plätze für Zuschauer beim Einzug Sr. Majestät des Kaisers, wie am Abend des Zapfenstreichs und der Serenade, theils auf den im Bau begriffenen Tribünen an der Brücke, wie an den Fenstern der Häuser, an welchem der Zug vorüber führt, finden reißen den Absatz, trotzdem die Preise manchmal enorm hoch sind. So kostet z. B. ein Stuhl in der ersten Reihe auf einer Tribüne 15. M., die Fensterplätze sind bis 60 M. bezahlt worden, und dabei gehen die Bestellungen von auswärts noch fortwährend ein, ohne daß dieselben befriedigt werden können. —- Zu der bevorstehenden Kaiserparade und den darauffolgenden Corpsmanövern werden seitens der Gendarmerie ein Kreisobergen darm und 15 Obergcndarme zu Pferde, sowie eine größere Anzahl Gendarme zu Fuß befehligt werden. — Döbeln. Leider ist das Manöver in hiesiger Gegend nicht ohne einen beklagenswerthen Unfall verlaufen; ein dem Generalstabe als Ordonnanz beigegebener Husar hatte am Mittmoch das Unglück, mit dem Pferde so unglücklich zu stürzen, das er für todt vom Platze getragen werden mußte. Er soll jedoch später noch Lebenszeichen von sich gegeben haben. — Der Rechtsanwalt vr. Hans Blum zu Leipzig, Sohn des auf der Brigittenau zu Wien im Jahre 1848 erschossenen Buchhändlers Robert Blum, wurde bekanntlich vor einiger Zeit von dem Ehrenge richt der sächsischen Anwaltskammer zu einer Geldstrafe von 1100 M. verurtheilt. l)r. Blum, fühlte sich s. Z. durch die Veröffentlichung des Urtheils in Presse verletzt und erklärte, Strafantrag zu stellen, doch soll er neuerdings vom kgl. Landgericht mit seiner Klage zurückge wesen wordensein. Mitthcilmigen über Obst- und Gartenbau. Mittel gegen Gummifluß. An den Kirschbäumen, namentlich an englischen Sorten, stellt sich gern der Gummifluß ein, besonders ist dies bei den am Spalier angepflanzten und formirten Baumen der Fall. Läßt man dieses überhand nehmen, werden die Knospen rasch davon bedeckt, es entwickeln sich noch einige schwach entwickelte Blättchen und ge wöhnlich noch im selbigen Jahre stirbt der betreffende Theil ab und wird dürr, was bei dem Sastvcrlustc nicht anders zu erwarten ist, ganz besonders aber auch des wegen, weil durch die schmierige, zähflüssige und gallertartige Masse alle Einsaugungs- uno Ausdünstungssähigteit aufhören muh. Bei Anwendung eines längeren Schnittes (nach den Regeln Dubreuils) kann man dies Uebel wohl abschwächen, aber niemals ganz verhindern. Allerdings tragen Wohl auch gewisse Bodenarten mit Schuld daran, insbesondere solche, die das Baum leben zu erhöhter Thätigkeit anregen; treten dann periodisch heftige Stürme ein, so namentlich Rord- oder RordoststUrmc, die ein rasches Sinken der Temperatur be dingen, so staut sich der in erhöhter Bewegung und Fülle vorhandene Bildungssaft. Wie bei dem Aprikosenbaume mit seinem zügellosen Wachsthume, seiner unbe grenzten Ueppigkeit und allergeringsten Widerstandsfähigkeit das Fallen der Tempe ratur unter 0 ost den Tod des Baumes zur Folge hat, oder doch stärkere Erkran kungen nach sich zieht, so hat Letzteres auch der Kirschbaum mit dem obengenannten gemein; rasche Temperaturunterschiede bedingen Saftstockungen und Austritt flüssiger Masse. Sei es nun, daß der Nahrungssaft nicht austritt, wie nach den neuesten Beobachtungen festgestellt sein soll, oder daß nur die in gewissen großen Behältern »iedergelegten, gummihaltigcn Bestandtheile ausgeschasst werden, so ist doch wahr scheinlich, dah der Saft die Eigenschaft besitzt, sich bei unmittelbarer Berührung mit der Lust in eine bräunliche oder auch wasserhelle Masse umzuwandeln. Bei kurzem Schnitt und folglich auch größeren Wunden wird dies um so mehr stattfinden; als bei kleineren, und deswegen hat der längere Schnitt auch größere Vortheile, wird doch auch der Saft auf eine größere Strecke vertheilt. Gründlich jedoch Hilst, wie gesagt, dieses Borbeugungsmittel allein nicht. Zur vollständigen Beseitigung wird in neurer Zeit mit gutem Erfolg recht scharfer Essig, ganz gewöhnliche Sorte, wie derselbe aus Sprit hergestellt wird angewendet. Zur Anwendung dieses Mittels warte man einen warmen Regen ab, der die harte Gum- mimassc erweicht, und bürste nun diese schmierige Masse mit einer scharfen Bürste, in den Essig getaucht, sauber ab, was sehr leicht angcht. Nach einer Stunde nimmt man diese Arbeit nochmals vor und die Bäume sind von ihrem liebel befreit. Die Hauptsache bleibt nur, daß die Wundöffnungen, in welchen die Absonderungen sich ergießen, vollständig mit Essig gereinigt werden. Auö Samen gezogenes Obst. Einem Berichte über die gelegentlich der Württembergischen Landesgewerbeaus stellung abgehaltenen Obstausstellung entnehmen wir folgende für den Obstzüchter interessante Notiz: Von der Königlichen Wilhelmagärtnerei waren 30 Arten aus Samen selbst gezogenes Obst ausgestellt. Diese Sammlung war äußerst interessant und dürste Veranlassung zu weiteren Versuchen geben, Aus dem Samen des Gra vensteiner waren Bäumchen entstanden, die bis in die kleinsten äußerlichen Einzel heiten hinein genau dieselben Früchte hervorbrachtcn, wie die Mutterpflanze; innerlich Waren diese Früchte theils gleich, theils sestfleischiger, theils süßer oder saurer. Auch vom Apfel Kaiser Alexander waren Früchte von Sämlingen da, die ganz konstant geblieben waren, ebenso von einigen Butterbirnen, z. B. die weiße Herbstbulterbirne. Weitere Versuche müssen nun zeigen, ob einzelne Obstsorten sich wirklich aus Samen rein fortpflanzen lassen. Vertilgung der Kohlweißlings. Die Kohlweißlinge, deren Raupen sich im Herbst nicht selten zu Tausenden in unsern Kraut- und Gemüsegärten einstellen und den Ertrag an Kraut, Wirsing re. gefährden und zerstören, bilden eine gefährliche Plage für den Gärtner, der er meist nicht mehr im Stande ist, mit Erfolg entgegen zu treten, selbst wenn er sich die Mühe nimmt, die Raupen abzulesen, und sie verursachen ihm bedeutenden Schaden. Mit mehr Erfolg wendet man gegen diese Plage das Ablesen von deren Eiern von den Kohlpflanzen nach dem massenhaften Auftreten der Schmetterlinge im Nachsommer an und wicht selten werden auch dadurch noch günstige Ergebnisse erzielt und der Raupenfraß sür das nächste Jahr beschränkt. Wer aber den Entwicklungsgang der Kohlweißlinge kennt, weiß, daß die im Nachsommer und Herbst massenhaft auftre tenden Schmetterlinge und Raupen nur die Nachkommen einer im Frühjahr in viel spärlicherer Zahl auftretenden Art sind und daß nur die große Anzahl Eier, welche dieselben legen, die Ursache dieser großen Vermehrung ist. Wer deshalb im Frühjahr einen Kohlweißling tödtet, wird sich die Mühe ersparen, deren im Herbste Hunderte zu fangen. Die Zahl derselben ist im Frühjahre noch eine geringere und weil sie dann noch keinen Schaden anrichten können, werden sie allgemein unbehelligt gelassen, was aber ebenso fehlerhaft ist, als wenn man mit dem Mäusesang anstatt im Frühjahr, erst im Herbst beginnt, wo man keine Aussicht mehr hat, der Ueberzahl Herr zu werden, Das erprobteste Vorbeugungsmittel dürste immer hin das Aufsuchen und Vernichten der Eier schon an den jungen Setzlingen in den Saatbeeten vor deren Auspflanzen oder kurz nach demselben sein und wird sich na türlicher Weise nur dann vollkommen wirksam erweisen, wenn es in einer Gemar kung allgemein geschieht. Versunkene Sterne. Ferd. Kießling. Es ist eine düstere, halbverfallene Burgruine, wohin ich Dich heute führe, lieber Leser. Kaum eine halbe Stunde von dem freund lichen Städtchen D. gelegen, schaut sie aus dunklem Waldesgrün her vor, Dich mahnend au die thatenreiche, graue Vorzeit, aber auch au die Vergänglichkeit irdischer Pracht und Größe. Wenn Du aber etwas Näheres über die Ruinen und ihre einstigen Bewohner wissen willst, an die Leute der Umgegend darfst Du Dich nicht wenden. Von ihnen würdest Du nur eine Menge Sagen von den Geistern des „grimmigen Försters" und der „stillen Leonore" hören, die hier des Nachts „umgehen" sollen, und nie würde man es Dir ver zeihen, wenn Du zu den „wahren Geschichten" die des Einen Groß mutter und des anderen Urgroßvater „selbst passirt" sein sollen, un- gläublich den Kopf schütteln wolltest. Leider hat uns die Chronik auch nur Weniges über diesen Ort berichtet, und diese dürftigen Andeutungen beziehen sich nur auf die letzten Tage dieser Feste. Es ist dies eine gar ernste und düstere Begebenheit, aber ich will sie Dir erzählen. In der Mitte des 17. Jahrhunderts stand die „Dianaburg", wie damals die Feste genannt wurde, noch in ihrem äußeren Glanze. Die spitzen Thürme ragten keck in die Luft empor, auf den Sölleru blühten duftige Blumen, und nicht ließ den vorüberziehenden Wanderer auf die trübe und ernste Stimmung schließen, die seit dem jähen Tode des früheren Herrn dort eiugekehrt war. — In dem hohen und reich möblirten Erkerzimmer kniete vor einem kunstvoll geschnitzten Betstühle die Herrin der Burg. Es war eine bereits im Anfänge der fünfziger Jahre stehende, ungemein imponir- cnde Dame. Ihr mit weißen Locken umrahmtes Gesicht war trotz der vielen Falten mild und sanft, aber ein Zug von Schwermuth lagerte auf demselben. Sie war in tiefes Schwarz gekleidet und ihre fein geformten Hände hielten einen zusammengebrochenen Brief, welchen sie fest auf die Brust preßte. Sie betete lange und innig. Endlich stand sie auf und fuhr über die Augen, aus denen sich einige Thränenperlen hervorgestohlen hatten; sie trat an den Tisch, ergriff die daraufstehende Glocke und ein Heller Ton unterbrach die Ruhe, welche bisher in den weiten Räumen ge herrscht hatte. Bald darauf trat, sich stumm verneigend, ein alter Diener ein, ordnete auf dem Tische das mitgebrachte Kasieeservis, und im Begriffe, sich eben so schweigend, wie er gekommen, wieder zu entfernen, redete die Herrin ihn freundlich an: „Du bist so ernst und still, Sebald; was fehlt Dir denn, Alter daß Du heute ein so trübes Gesicht machst?" „Ach, gräfliche Gnaden," antwortete der Diener, „es geht so viel in meinem alte» Kopfe herum, daß ich aus dem dunklen Wirrwarr kaum einen einzigen Grund meiner Traurigkeit herausfinden kann. Geben mir doch gräfliche Gnaden selbst Anlaß zur Besorgniß! Sie sind seit dem Eintreffen des gestrigen Briefes von den jungen Herrn Grafen noch nicht bei den Blumen gewesen, und es ist, als ob diese das wüßten! Die schönen Rosen hängen traurig die Köpfchen nieder, und in den Blättern der Centifolien stehen Helle Tropfen, es ist, als beklagten sie ihre Schwestern, die heute wieder den stillen Grabhügel zu schmücken bestimmt sind. Dazu gehen gräfliche Gnaden so traurig in der Burg herum, daß es mir altem Manne fast das Herz zusam menschnürt." „Ja, die Blumen habe ich heute vergessen, Sebald, und an ernste Gesichter bist Du hier auf der Dianaburg doch schon lange gewohnt," entgegnete die Gräfin, indem ein wehmüthiges Lächeln über ihre Züge glitt. „Von jetzt ab aber darfst Du kein so trübes Gesicht mehr machen, mein lieber Sebald," fuhr sie fort, indem sie scherzweise drohend, den Zeigefinger der rechten Hand erhob, „denn heute kehrt, wie Du weißt mein Sohn Edgar in die Burg zurück, und mit ihm soll, so Gott will, ein fröhlicheres Leben hier einkehren." „Ach, gräfliche Gnaden, möge der Himmel es geben!" Doch bedeutsam das graue Haupt hin- und herwiegend, setzte er hinzu: „Aber, daß er gerade heute, am 5. Mai, ankommt, das läßt die rechte Freude bei mir nicht zum Durchbruche kommen." „Nun ja, Alter, ich habe auch schon des furchtbaren Tages ge dacht; aber warum soll er uns denn immer Unheil bringen? Nein, nein, Sebald, den Kopf in die Höhe und ein anderes Gesicht gezeigt! — So," fuhr sie fort, als sie sah, vaß der Diener ihren Befehlen Folge leistete, „jetzt geh und bringe alles in den Zimmern meines Sohnes in Ordnung, und dann sende zum Förster und laß ihn bitten, heute noch zu mir zu kommen?" „O, gräfliche Gnaden, in den Zimmern ist alles in bester Ord nung! Sogar die alten Lieblingsgegenstände des lieben jungen Herrn, das Steckenpferd, auf dem ich ihm das Reiten lehrte und die hölzer nen Waffen habe ich wieder aufgestellt. Ja, ja, ich Habs nicht ver gessen, was der junge Graf bei seinem Abschiede zu mir sagte. — „Sebald," sagte er, „sorge dafür, daß nicht das kleinste Stück aus meiner Stube entfernt wird, und daß ich all die kleinen Erinnerungen, die ich dort aufbewahrt habe, vor allem aber Dich, alter Sebald, wiederfinde bei meiner Rückkehr." Nun, es ist alles noch wie sonst