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Beilage zu Nr. 38 des Amts- u. Wochenblattes für Wilsdruff. Freitag, den 21. Juli 1882. In der Heranwachsenden Jugend beruht uuscrc Hoff nung aus eine bessere Zeit. Vortrag, gehalten in einem konservativen Vereine. (Aus dem „Sachs. Volksfreund".) (Schluß.) m k Haus ist hier — das ist zu konstatieren — die Hauptsache. Beispiel der Eltern und strenge Gewöhnung zum pflichtmäßigen Han deln sind die beiden Grundpfeiler, worauf das Gebäude einer guten Erziehung der Heranwachsenden Jugend aufgerichtet wird. Wenn frei lich Vater und Mutter selbst ungesetzmäßig handeln vor den Augen der Kinder, wenn sie Maßnahmen der Obrigkeit, die auf das Wohl der Gesammtheit abzwecken aber speziell ihnen nicht viel Nutzen bringen, abfällig kritisiren, wenn sie die strenge Ordnung der Schule in Bezug aus alles, was damit zusammenhängt, tadeln, wie wollen sie dann ihre Kinder zum freien Gehorsam gegen göttliches und menschliches Gesetz erziehen!? Sie säen Wind und werden Sturm ernten; sie bauen ihr Haus auf Sand und die Wasser werden es unterwaschen und stürzen. Wie unsre Heranwachsende Jugend ist, so wird die Zeit sein, die nach uns kommt; werden unsre Kinder aufwachsen ohne Gottesfurcht, ohne Sitte und Zucht, ohne freien Gehorsam gegen göttliches und menschliches Gesetz, so wird die nächste Zukunft einetraurige sein, und wie ein Haus zu Grunde gehen muß, in welchem Treue und Redlichkeit zu Grabe gegangen sind, so wird auch das große schöne Haus, das durch Gottes Güte erst vor kurzem gerüstet, d. h. gehoben worden ist, das große geeinte Deutschland nicht vorwärts, sondern rückwärts gehen. Der Anbruch einer neuen, besseren Zeit ist in unsere Hand gegeben. Rühren wir diese Hand! Rühren wir Herz und Hand zur rechten Erziehung unserer Jugend auch bann noch, wenn dieselbe bereits der Schule entwachsen ist! Und davon will ich noch ein Wort reden. Unsere Kinder, die Töchter zum Theil ausgenommen, bleiben selten im Vaterhause, wenn sie die Schule verlassen haben. Sie suchen eine Lehr- und Lernstätte auf für ihren erwählten Beruf. Der Lehr ling steht unter dem Meister, der Fabrikarbeiter unter dem Werkführer, der Knecht unter dem Dienstherrn. Wohl den jungen Leuten, die einen verständigen, christlichen Lehrherrn finden, glücklich die, die in Hände kommen, welche den Jüngling auf dem rechten Wege zum Ziele führen! Der rechte Weg aber ist kein anderer als der, den ich schon genannt: Es ist die fortgesetzte Gewöhnung zu allem Schönen, Wahren und Guten — es ist die fortgesetzte Erziehung zum freien Gehorsam gegen göttliches und menschliches Gesetz. Wenn der Meister mit Fleiß und Geschick unterrichtet, so wird der Lehrling etwas Rechtes lernen, wenn ein Lehrherr selbst streng, ehrlich und rechtschaffen handelt, fo wird der Lehrling solch Beispiel selten aus der Acht lassen; wenn ein Hausvater seinem Knechte zeigt, daß er das Beten noch nicht verlernt hat und noch für nothwendig hält, so wird dies einen heilsamen Ein fluß ausüben und gute Früchte tragen. Kommt noch dazu, daß ein Lehrmeister streng gerecht gegen seinen Lehrling ist, daß er ihm nichts Ueberflüssiges und nicht zu viel aufbürdet, daß er ihm des Sonntags auch Zeit gönnt, die Kirche zu besuchen, so meine ich, wird der Heran wachsende junge Mann gut und christlich erzogen. Allein, der Lehrling ist nicht immer unter den Augen seines Meisters, seines Lehrherrn. Es ist ja so, daß er sich nun freier be wegen darf, ja freier bewegen soll. Er geht des Sonntags, oder in den Wochentagen nach der Arbeitszeit unter feine Genossen und Ka meraden, um sich zu erholen, um sich mit ihnen zu belustigen. Was kann auch natürlicher sein! Sagt ja auch die Bibel: „Freue dich Jüngling in deiner Jugend und laß dein Herz guter Dinge sein!" und wiederum: „Freuet euch niit den Fröhlichen!" Wie aber, wenn hier vielleicht alles Gute wieder eingerissen würde, was das Haus, die Schule, und Lehrtreue des Meisters aufgebaut haben? Das wäre allerdings sehr traurig und niedecschlagend; das verdiente die ernsteste Berücksichtigung eines jeden, der es mit der Heranwachsenden Jugend gut meint. Ferner, wie steht es mit einer Fabrik, in welcher solche junge Leute arbeiten? Sind die Geschlechter getrennt oder vereinigt? Welche Lieder werden da gesungen? Welche Gespräche geführt? Es giebt, Gott sei Dank, in unserer Stadt Fabrikräume, in denen schlüpfrige Lieder und Zoten streng verpönt sind, und ein jeder Gutgesinnte muß wünschen, daß dies allenthalben so sei, daß es, wo es noch nicht ist, angestrebt werde, damit die Heranwachsende Jugend erstarke in Zucht und Sitte, sei es beim Meister, sei es beim Lehrherrn, im Fabrikraum oder bei jugendlichen Spielen. Besonders aber führt ein Weg bergab von Sitte und Zucht — das frühzeitige Besuchen von Tanzbelustig ungen. Konzerte — aber nicht Tingel-Tangels und komische Gesangs unterhaltungen, die meist schlüpfriger Natur sind — möge doch die Jugend besuchen, so oft sie kann und darf, aber das Besuchen der Tanzbelustigungen muß jedem, der das 17. Lebensjahr noch nicht voll endet hat, untersagt sein von der Obrigkeit. Es ist auch so, wie ich mich erinnere, aber das Gesetz wird nicht streng genug gehandhabt. Bei solchen Belustigungen wird gewöhnlich der Anfang gemacht mit dem Ablegen von frommer Scheu und Sitte, hier werde» die Keime uelegt zur Rohheit, Trunksucht, zur ungezügelten Freiheit d. h. Frech- heü, zur Unkeuschheit in Worten und Werken; hier wird durch Leicht- uud Unenthaltsamkeit nicht selten der Grund gelegt zu frühzeitigen müssen nur Armuth, Unmuth und Elend im Gefolge haben LaAn m.ch uun die Summe des Gesagten ziehen: Wie wir unsere Kinser erziehen, wie die Heranwachsende Jugend es thut und treibt, so, genau so wird die Zukunft sein. Schon Konfuzius sagt: „Mache mich bekannt mit der Vergangenheit, so will ich Dir die Zu kunft sagen. Wachsen unsere Kinder auf in Zucht und guter Sitte, sind sie fleißig und geschM in ihrem Berufe, achten sie ihren Beruf als den Stand, den ihnen Gott angewiesen, als den Wirkungs kreis, den sie auszufüllen mit allen Kräften bestrebt sein sollen, achten sie göttliches und menschliches Gesetz, wird ihnen von Jugend auf von guten Eltern und treuen Lehrern ihr Gott nicht entfremdet, sondern ihm im tiefsten Herzen eine bleibende Stätte bereitet, so wird eme bessere Zeit anbrechen, als die ist, in der wir leben. Lassen wir aber die Jugend aufwachsen ohne eigenes sittenreines Beispiel, ohne strenge Gewöhnung zu allem Schönen, Wahren und Guten, ohne Gott, dann Wehe! Dann wird das Bibel wort in Erfüllung gehen: Gerechtigkeit erhöhet ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. Was folgt daraus? Ich meine und wünfche von Herzensgrund: Alle guten Männer, die es mit ihrem Hause, ihrer Familie, ihrem Vaterlande, mit dem Reiche Gottes gut meinen, die müssen sich zu- sammcnthun zu einer einzigen That: Zur Belehrung, Beaufsichtigung und Erziehung der Heranwachsenden Jugend. Die der Schule ent wachsenen Kinder sind alle unsere Kinder, sie sind die Kinder der einen großen, der deutschen Familie. Und jeder deutsche Mann, der Kon servative wie der Liberale, hat die Verpflichtung, so oft und wie er nur kann, auf sie so einzuwirken, daß das Heranwachsende Geschlecht nicht verderbe, ja, daß es besser werde als wir selbst. Es steht auf unsern Schultern, es tritt in unsere Verhältnisse ein; durch gute Sitte, Fleiß und Gottesfurcht wird es bestehen, durch Zuchtlosigkeit unter gehen. Die Weltgeschichte bezeugt es, und es bedarf hier keines Be weises. — Nun, so laßt uns handeln! Wir kommen ja mit der Heran wachsenden Jugend häufig zusammen, wir begegnen ihr im Gast- und Wirlhshause, im Fabrikarbeitersaale, auf dem Ernteplatze, bei Hoch- zeits- und Tauffesten, im Eisenbahnwagen, auf den Straßen u. f. w. Wir hören da oft Reden, wir fehen Geberden und Handlungen, die der guten Sitte ins Gesicht schlagen, die durch ihre Gottlosigkeit das Herz empören. — Was fit da nicht selten die Handlungsweise der Er wachsenen? Sie zucken die Schultern und sprechen: „Was geht das mich an? Jugend hat nicht Tugend." Das darf fo nichtfortgehen! Hier muß jeder Verständige eingreifen in der rechten Weise. Hier giebt es für jeden, besonders für den Konservativen ein Arbeitsfeld. Wenn hier nur Einer, der gerade zugegen wäre, fofort und laut seinen Unwillen über Unsitte und Gottlosigkeit ausspräche, das würde schon Etwas helfen; — wenn aber vollends dieser Eine in einem Andern oder Dritten einen Sekundanten, einen Verbündeten fände, das müßte die Unsitte doppelt beschämen und verstummen machen. Alle, denen das zukünftige Wohl der deutschen Jugend und also das Wohl und Bestehen des ganzen deutschen Vaterlandes am Herzen liegt, fo besonders die aufrichtig konservativen Männer, müßten hier zusammen greifen wie ein Mann. Es bedarf hierzu keiner besonderen Statuten, keiner Vereine. Wie der Freimaurer den Bruder am geheimen Zeichen erkennt, so müßte der Konservative den Bruder, den Sekundanten er kennen an der ungescheuten kräftigen Unterstützung, wenn es gilt, den Verspotter der Religion, den frivolen Lobredner der Unsittlichkeit, den angehenden Dieb an den Straßenbäumen, auf den Feldern, am Fisch- wasfer, im Walde u. s. w. durch Tadel und Zurechtweisung, oder sei es auch durch strenge gesetzliche Mittel zu bessern. Ich habe in mei nem Leben schon oft die Bemerkung gehört: „Nu Gott, die paar Kirschen!" „Wer wird denn da gleich so viel daraus machen!" oder: „Ach je, das kleine Fischchen, das ist auch was Rechts!" Oder wie es einem hiesigen Lehrer im vorigen Jahre geschah: „Das haben wir in unserer Jugend auch getrieben!" Und hier dürfen wir nicht sagen: „Gott besfers!" Nein, wir müssen alle die Hand an den Pflug legen. Wenn Sie von heute an, ein jeder für sich, den Entschluß faßten, Zucht- und Gottlosigkeit zu tadeln, wo sie auftreten, und bereit zu sein, als Sekundant und Bruder dem zu helfen, der gleiches Ziel ver folgt — es müßte auch in dieser Hinsicht bester werden. Und es muß besser werden mit unserer deutschen Jugend, wenn die nächste Zeit eine bessere Zeit werden, wenn das deutsche Volk geachtet, groß und einig fortbestehen soll. Der Menschheit Würde ist in unser Aller Hände gegeben, mit einer in Zuchtlosigkeit aufwachsenden Jugend sinkt sie, sie wird sich heben, wenn alle verständigen Männer sich die Hände reichen und ihre ganze Kraft einsetzen, daß unsere Jugend nicht verderbe. Denn in einer zur Arbeitsamkeit, Menschenliebe und Gottesfurcht er zogenen Jugend allein beruht unsere Hoffnung auf eine bestere Zeit. Nur eine s o erzogenen Jugend wird die Heiligkeit der Familie, der Ehe, der Berechtigung des Eigenthums, die Autorität des Staates, den Glauben an einen allweifen, heiligen und gerechten Gott hoch halten, nur eine so erzogene Jugend wird mit Gott im Stande sein, die Prüfungen des Lebens standhaft zu bestehen, das theure Vaterland zu schirmen und solche Bürger zu bilden, wie es der christliche Staat verlangt. Nun, ich hoffe, es ist mir gelungen, klar zu beweisen, daß nur in einer gut erzogenen Jugend die Hoffnung auf bessere Zeit begründet steht. Was das Haus, die Schule, der Lehrmeister thun können, das habe ich angedeutet, und in dieser Beziehung eine These zu stellen, kann mir nicht beikommen; aber in einer andern Beziehung muß ich eine These stellen, nämlich in der, daß die Heranwachsende Jugend auf unseren Schultern steht und berufen ist, unsere Stelle einzunehmen. Meine These heißt: Alle deutschen Männer, die es mit ihrer Familie, ihrem Vater lande uud ihrem Gott gut meinen, müssen vereint ihre ganze Kraft einsetzcn, zu dem Zwecke, die Heranwachsende Jugend durch Rath und That, durch Milde und Ernst zu erziehen zur Arbeitsamkeit, Menschen- liebe und Gottesfurcht. Verschlungene Aaijnen. Zeitroman von Ferd. Kießling. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Franz schien sich mit seiner Toilette beeilt zu haben, denn noch war die halbe Stunde nicht verflossen, so trat er zum Zimmer herein. „Nun, Aron, habt Ihr etwas gefunden?" „Hab' da drei Bücher, die allerdings meine Erwartungen nicht recht befriedigen," entgegnete leichthin Aron, doch da der Herr Assessor Eile zu haben scheinen, will ich Sie nicht länger aufhalten." „Das ist hübsch von Euch, Aron!" entgegnete Franz ohne sich die ausgesuchten Bücher anzusehen. Aron zählte fodann die Banknoten hin und sprach: „So, — dreihundert Thaler!" „Ich danke!"