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„Frau, gieb dem armen Manne eine Gabe," sprach der Förster, und sich zn dem Fremden wendend, fuhr er fort: „Wer seid Ihr und wo kommt Ihr her, Alter?" „Ich bin — kein Bettler — Herr Oberförster", sprach mit todes matter Stimme der Fremde, indem er den Hut vom Kopfe zog — „ich bin —" „Heiliger Gott, Balthasar!" riefen der Oberförster und Frieda zugleich. „Ja, ich bin Balthasar, der — Verworfene — den das Meer wieder ausspie, weil seine Verbrechen zu groß waren — ich bin —" Darauf sank er ohnmächtig zusammen. Drittes Kapitel. Edgar und Arthur, des Oberförsters Söhne, hatten ihre Dienst obliegenheiten beendet und wanderten im traulichem Gespräche dem Forsthause zu, als kurz vor dem Dorfe Friedrich, der ehemalige Jäger bursche und jetzige Amtsdiener, zu ihnen stieß, der ihnen lange gefolgt war. „Was schleichst Du uns so nach, Bursche!" ries ihn Arthur an, „fürwahr, Du schickst Dich brav zum Amtslakaien! Kannst spioniren, lästern, heucheln und arme Teufel aus dem Dienste schwatzen." „Meine Herrn —" „Wir wollen nichts mit Dir zu thun haben!" unterbrach ihn Edgar, denn wir halten nichts auf den Kerl, dem der schlichte grüne Jäger rock in Ehren nicht lieber ist, als der beblechte Rock vom Amte in Unehren." „Hm," entgegnete tückisch lächelnd Friedrich, „wenn Sie wüßten was ich weiß, so würden Sie nicht so grob gegen mich sein, Herr Arthur, sondern Sie würden —" „Was?" „Nun — ich könnte Ihnen betreffs des Jugendspiegels Frieda von Erlau, die heute aus der Stadt erwartet wird, gar sonderbare Neuig keiten berichten." „Bursche!" donnerte ihm Arthur entgegen, „sprich den Namen mit Respekt aus, oder beim Teufel —" „Wüßten Sie nur, was ich weiß", fuhr Friedrich mit satanischem Lächeln fort. „Laß ihn doch, Bruder," warf Edgar ein, „der Kerl ist sein Lebtag ein Schurke und Lügner gewesen und wird in seiner Amtslarve nicht besser geworden sein. „Nein, nein," entgegnete Arthur, „ich muß wissen, was er gegen Frieda hat." „Nun denn, Herr Förster, ich weiß, Sie lieben das Mädchen seit langer Zeit, darum sollen Sie es wissen —" „Nur schnell, schnell! — Was ist's!" „Hier sind zwei Stückchen Papier —" „Was sollen die?" „Geduld! Ich fand sie in dem Zimmer des Sohnes meines neuen Herrn; es sind Briefkvnzepte, der echte Brief an Frieda von Erlau fortgeschickt." Hastig griff Arthur nach dem Papier und überflog das Blatt, wäh rend sein Gesicht mit tiefer Zornesröthe übergossen war. „Es lautete: „Meine liebe Frieda! Sie werden über meinen Vorschlag nachgedacht und für mich entschieden haben. Die Erfüllung meiner Bitte macht Sie in kurzer Zeit wieder zur Herrin Ihres Stammschlosses. Meine Person dürfte Ihnen leicht so viel Interesse einflößen, als die des simplen Försters, der bei allen Dirnen zu finden ist. Kommt hierauf keine Antwort, so sehe ich meinen früheren Vorschlag als von Ihnen eingewilligt an und reise Ihnen morgen früh heimlich entgegen. In jedem Falle wird dieses Rendezvous eine glückliche Stunde gewähren Ihrem Franz Kersten." „Hat Frieda geantwortet?" keuchte Arthur hervor. „Nun — sie ist ein Mädchen. — Hat sie geantwortet? rede Schurke!" „Sie hat nicht geantwortet — also eingewilligt, und der junge Herr ist ihr entgegengeeilt." „Schurke! Es ist alles erlogen! — Sie hat nicht eingewilligt." „Ich verzeihe Ihnen die Schimpfworte. Sie sind ärgerlich — und ich kann mir das leicht erklären; — indessen in Liebessachen soll das oft Vorkommen. — Doch mich ruft der Dienst. Gute Verrichtungen meine Herren." Mil diesen Worten schlug er einen Seitenweg ein und bald war er den Blicken der Beiden entschwunden. „Bruder," beruhigte Edgar, „glaube dem Schurken nicht, Du weißt, daß man fast immer von dem, was er sagt, das Gegentheil glauben kann." „Und doch ist's seine Schrift!" fuhr Arthur, das Blatt auf's Neue betrachtend, fort. — Auch weiß ich, daß er ihr immer nachschlich — und der Kerl ist reich — und ich ein schlichter, armer Jäger — Mädchen, wenn Du mich betrogen hättest —" „Komm, Bruder, und beruhige Dich." Arthur riß das Gewehr von der Schulter und lud es. „Was thust Du, Bruder?" fragte Edgar besorgt. „Dem Verführer Friedas eine Kugel durch sein falsches Herz jagen!" »Bist Du von Sinnen, Arthur! — Wie kannst Du auf den blosen Schein hin solch' entsetzlichen Entschluß fassen! Weißt Du doch, wie Du mit Frieda stehst. — Glaube mir, Bruder, sie ist gut und brav." „Nein, »ein, alle Mädchen sind eitel und falsch. Sie liebäugeln und putzen sich Jedem zu Gefallen, und mag einem ehrlichen Kerl das Herz brechen — was kümmert sie das!" „Arthur, Du thust Frieda Unrecht!" „O, gebe es Gott! Ich will's ihr gern abbitten. Indessen so von ganzer Seele, wie wir, lieben die Mädchen doch nicht. Ach, ich habe sie so lieb, so unendlich lieb —" „Und wirst sie Deiner Liebe würdig finden." „Wenn es nicht ist — sieh Bruder, des Lebens bin ich satt. Der Vater behandelt uns trotz seines guten Herzens wie Knaben, — ich habe ausgehalten ihr zur Liebe, betrügt sie mich, so ist es mit mir aus, aber bei Gott, der Bube des JustizratheS soll seinen Triumph über mich nicht lange genießen." ES währte lange, bis Edgar den Bruder soweit beruhigt hatte, daß er endlich mitging. Wie hoch schlug sein Herz, als er, zu Hause angelangt, seine angebetete Frieda sand, die ihn mit Blicken inniger Liebe anschaute, c . D, wie gern wäre er ihr an das Herz gesunken, allein, noch mußte ferne Liebe em Geheimniß bleiben. Dazu herrschte in dem Hause wegen des Fremden, der noch immer in todtenähnlicher Ohnmacht lag, eure außerordentliche Aufregung, sodaß die Liebenden keine Gelegenheit fanden sich ihre Herzen gegenseitig auszuschütten. Doch kaum begann es zu dunkeln, so begab sich Frieda mit einem vielsagendem Blick in den Garten, und bald darauf lag er an dem Herzen der Geliebten. -Nachdem der erste Rausch seliger Liebe vorüber war, nahm Arthur das Wort: „O, Gott Lob, daß Du wieder hier bist! Und Du wirst stets in meiner Nähe bleiben?" „Ach, Arthur, Deine Eltern haben mich armes Mädchen und meinen Bruder mit einer Liebe ausgenommen, die ich ihnen nie ver gelten kann." „Das lohne ihnen Gott! Doch sag, wenn bist Du anaekommen?" „Heute früh! Ich bin mit dem Nachtzuge abgereist, weil —" ste stockte. „Nun? Weil?" „Laß das Arthur, ich mag Dich nicht beunruhigen." „Nun, so will ich es Dir sagen, Du wolltest dem Sohne des JustizratheS, der an Dich geschrieben, ausweichen. Isis nicht so?" „Gewiß, — aber woher weißt Du das?" „Friedrich, unser ehemaliger Jägerbursche, der jetzt dort im Dienst steht, hat es mir gesagt." „Nun ist es mir begreiflich, warum der Mensch mich immer mit Briefen und Geschenken ängstigte. — Ich nahm keines — aber den letzten Brief wußte er mir geschickt in die Häude zu spielen." „Warum schriebst Du mir nichts davon?" „Ich wollte Dich nicht beunruhigen, weil ich Deine Heftigkeit und Deinen Argwohn kenne. — Ach, der Friedrich hat mir manche recht böse Stunde gemacht mit den garstigen Nachrichten, die er mir brachte." „Was kann er von mir gesagt haben?" fragte Arthur, die Ge liebte verwundernd anschauend. „Laß das Geliebter! — Es kann nicht sein. — Du liebst mich, alles ist vorbei und ich bin namenlos glücklich." „Wenn ich den Schurken treffe, so ist's sein Unglück," brauste Arthur auf. „Nein, laß ihn! — Ich bin ohnedies so unruhig; er hat fürch terliche Drohungen gegen Dich und die Deinen ausgestoßen, und sogar der alte Lorenz, den er um den Dienst gebracht hat, sagte mir, ich sollte Dich vor dem bösen Menschen warnen." „Laß den feigen Maulhelden schwatzen und uns von unsrer Liebe sprechen." „Nein, Arthur. — Nicht eher, als bist Du mir versprichst, daß Du ihm aus dem Wege gehen willst." „Nun ja —" „Nicht so leichthin! Versprich es fest — gewiß!" „Ja, auf mein Wort! Ich verspreche es Dir. — Ist mir doch auch jetzt mein Leben viel mehr werth, seitdem ich weiß, daß Du mich lieb hast." „Und wirst Du mich auch immer lieben, Arthur?" fragte das Mädchen, indem sie den Geliebten mit Blicken inniger Liebe anschaute. „Wie kannst Du noch fragen, Frieda!" „Sieh, ich denke an nichts", fuhr sie fort, „als wie ich Dich recht glücklich machen kann, aber —" Sie stockte und aus ihren schönen Augen perlte eine Thräne. „Du weinst?" fragte Arthur besorgt, indem er die Thräne weg küßte, „ist es denn so traurig, was Du mir noch sagen willst?" „Sieh, Geliebter," fuhr das Mädchen fort, „Deine Eltern sind dreißig Jahr verheirathet und noch heute leben sie so glücklich als am ersten Tage ihrer Ehe. — Wenn ich sie ansehe, kommt mir immer der Gedanke, ob wir wohl auch so glücklich — und so lange glücklich sein werden? — Wenn ich Eltern hätte, sie würden Dich an meiner Stelle fragen. — Allein ich bin eine arme Waise und mein Leben ist in Deiner Hand! — Wenn Deine Liebe je ermatten könnte, dann laß uns lieber gleich abbrechen. Es wird mir das Leben kosten, das weiß ich; aber ich sterbe doch dann sanfter und ruhiger, als wenn —" „Fieda, theures Mädchen, sieh mich an," unterbrach sie Arthur, indem er die Hand fest auf seine Brust drückte. „Gott weiß, es ist kein Falsch in mir! — Sieh, ich könnte Dir ja theure Eide schwören; aber Dir wäre dabei nicht besser. — Einem ehrlichen Manne ist sein Wort heilig, und ein Mann, der einem Weibe, das ihn liebt, sein Wort bricht, ist doppelt schändlich!" „Ich danke Dir Arthur! — So höre ich Dich gern!" „Nun aber antworte auch Du mir! Willst Du mein sein und mir treu bleiben bis in den Tod?" „Ja, treu bis in den Tod! Deine Eltern —" „Sie werden mein Glück nicht hindern." Aufs neue sanken sich die Liebenden ans Herz und der in diesem Augenblicke aus zerrissenen Wolken Herausschauende Mond hatte gewiß lange nicht so glückliche und selige Menschen gesehen, als die, welche sich in seinem Lichte mit reiner, keuscher Liebe umschlungen hielten. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Bitte eines Pferdes an die Herren Fuhr- und Ackersleute. Gott schuf mich zu deinem Besten und Nutzen, aber er empfahl mich auch deiner Barm herzigkeit. All mein Schaffen geht dahin, dir zu dienen und nach deinem Willen zu thun; also mache mich doch nicht unglücklich durch grausame Behandlung. Ich habe auch meinen Verstand und kann mir alles ganz gut merken, ich bin auch gern anhänglich und dankbar, nur kann ich nicht sprechen. Oft ist mir ganz bange, weil ich nicht weih, was du von mir haben willst. Ich möchte dich so gern verstehen, aber der Kopf brummt mir hon den gewaltigen Schlägen, mit denen du in deiner Zorneswuth mich überhäufst und die du obendrein nach meiner so empfindlichen Nase führst. Oder ich bin betäubt von den Fußtritten, welche deine großen Stiefel mir in den Leib versetzt haben; ja, mein ganzer Körper thut mir über und über weh von den gewaltigen Hieben deiner dicken Peitsche. Mund und Zähne schmerzen mir von dem eisernen Gebiß, welches du fortwährend zu stark anziehst. Das Kummet, das manchmal wie ein HalSeisen mich einzwängt, schnürt mir die Kehle zu und benimmt mir den Athem. Sieh nur die Wunde unten am Halse, welche bis auf die Knochen geht und andere offene Wunden, welche von den Stichen lästiger Insekten heimge- gesucht werden. Ich bin lahm, weil du mich so schlecht beschlagen hast, so schlecht, daß ein Nagel mir in das Fleisch gedrungen ist. Da kann ich freilich nicht acht Stunden des Tages hin und her jagen auf steinigen Straßen bei brennender Hitze oder eisigem Winde. Ich würde es gern thun, wenn ich nicht krank und schwach Wäre. Wenn du mich dem Stallknecht übergiebst, kommt es häufig vor, daß er mich vergißt, weil er lieber spazieren geht. Fast vor Hunger zu Boden stürzend und vor Durst verschmachtend, müde gearbeitet und heftige Schmerzen leidend, kehre ich heim; er vergißt, mir das Wasser zu geben und mein Futter ist schlecht und kärglich. Mein Lager ist der harte, feuchte und kalte Erdboden! Ich bin todtmüde und möchte so gerne schlafen, aber die Schmerzen lassen mich nicht ruhen. Ach, wenn du mich auch nicht lieb hast, wie ich es gern möchte , so bedenke wenigstens, daß alle reichen und guten Leute, wenn sie in einem Wagen fahren wollen, immer das stattliche und gut gehaltene Pferd wählen werden, während so ein armes Thier wie ich aus Mit leid oder Mißfallen von Allen beiseite gelassen wird. Also das gut gepflegte Pferd wird seinem Herrn viel einbringen; aber mit mir wirst du zuletzt arm werden, doch ist das nicht meine, sondern Deine Schuld. Also behandle mich lieber als Freund, und nicht als Peiniger. Besorge mich gut, und du wirst sehen, daß ich dann viel länger aushalten und das Doppelte arbeiten werde, um für dich Geld zu verdienen und dir reine Güte zu vergelten. Dann werden wir zusammen glücklich und zufrieden sein, wenn jedes von uns beiden seine Pflichten erfüllt. (Der Hessische Thierschutzverein zu Kassel.)