Volltext Seite (XML)
„Ach, entschuldige, lieber Tannberg," sagte Hartung plötzlich. Er hatte eine Bewegung nach dem eisernen Geldschrank gemacht und kam mit einem kleinen Päckchen in der Hand zurück. „Da sind ja die neuntausend Mark, ich habe sie vorhin liegen lassen — das ist mir auch noch nicht begegnet. — Es werden richtig neuntausend Mark sein." Er riß das Päckchen auf und begann eifrig zu zählen, ohne auf seinen ehemaligen Freund noch einen Blick zu werfen. Tannberg glaubte zu träumen. War denn das Wirklichkeit oder spielte ihm seine erhitzte Phantasie einen Streich und gaukelte ihm trügerisch eine Rettung vor, die ja ganz unmöglich war?! — Aber Hartung hielt die fehlenden Bankscheine in den Händen und zählte eifrig weiter. Wie war diese Summe Plötzlich in den Geldschrank gekommen? Hatte sie eine gütige Fee dahin gezaubert? — War denn ein solches Wander möglich und sollte er wirklich in dem Augenblicke ge rettet werden, wo sich ihm schon der sichere Abgrund geöffnet hatte?! „Ich hätte Dir bald ein Defizit von neuntausend Mark aufge bürdet," sagte Hartung und jetzt huschte doch etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht. „Nicht wahr, das wäre kein Freundschaftsstück ge wesen? Du mußt mir mein Versehen schon verzeihen", und er reichte Tannberg die Hand hin. Verwirrt, keines Wortes mächtig, ergriff seine fiebernde Rechte die kalte Hand des Direktors. „Nun, ich hoffe, wir bleiben deshalb Freunde," begann Hartung von neuem. „Grüße Deine Frau und sag ihr, ich hätte meine Pflicht gethan." — Ein mildes, fast verklärtes Lächeln verschönte jetzt sein sonst so strenges ernstes Antlitz. Rasch empfahl sich der Direktor, als wolle er jeder weiteren Erörterung ausweichen. — Tannberg war alles noch wie ein Traum. — Die unterschlagenen neuntausend Mark hatten sich plötzlich gefunden. Sein Verbrechen war nicht entdeckt, — Er konnte noch einmal aufathmen. Es litt ihn nicht länger im Kassenzimmer. Unter einem schicklichen Vorwande suchte er sich zu entfernen und eilte nach Hause. Jubelnd, unter heißen hervorbrechenden Thränen stürzte er in die Arme seiner Frau. „Ich bin gerettet! O, mein Gott, ich kann das Wunder noch nicht begreifen!" Auch Ottilie war völlig fassungslos. Die Wandlung aus dem tiefsten Elend, dem grenzenloseste» Jammer kam zu unerwartet . . . Sie fragte mit bebenden Lippen, wie das möglich geworden? Er mußte alles erzählen und dabei fiel ihm erst jetzt das seltsame Wort Hartungs auf und der Gruß, den er ihm an seine Frau aufgetragen. Ottilie hörte ihm aufmerksam zu, dann sagte sie tief ergriffen: „Ja, Max, der Edle hat seine Pflicht gethan ... Er allein hat Dich gerettet." Als er seine Gattin verwundert anblickte, berichtete sie ihm von ihrem Schritte, den sie unternommen. „Und während er mir kühl und ruhig auseinandersetzte, daß er Dir nicht helfen könne, hat er Dich doch gerettet ... O, das vergelte ihm Gott!" Nun erst begriff Tannberg alles, und sein im Grunde weiches, dankbares Herz wurde tief erschüttert. „Wie habe ich diesen bewun derungswürdigen Menschen verkannt!" rief er lebhaft aus, „fortan will ich mit wahrer Verehrung zu ihm aufblicken, und Dir, meine einzige theuere Ottilie, schwöre ich nicht mehr, mich zu bessern, aber mein ganzes Leben soll Dir den Beweis liefern, daß ich von jetzt ab meine Pflicht kenne und sie gewissenhaft erfüllen werde." — Tannberg hielt Wort. Nachdem er alles auf das Spiel gesetzt und verloren hatte, fand er seine frühere Zufriedenheit wieder und damit kehrte auch für ihn und die Seinen Glück und Frieden zurück. Durch ernsteste Thätigkeit und Sparsamkeit besserten sich auch seine pekuniären Verhältnisse nach und nach wieder, sodaß er schließlich auch im Stande war, seinem Freunde Hartung die geliehenen neuntausend Mark zurückzuerstatten. Dieser wollte das Geld jedoch durchaus nicht nehmen und vermachte es schließlich dem Töchterchen Tannbergs, der es an ihrem vierundzwanzigsten Geburtstage ausgezahlt werden wird. Mittheilnngcn über Obst- und Gartenbau. Künstlicher Dünger für Gemüse. Dr. Giersberg berichtet darüber in den Blättern über Land- wirthschaft und Industrie: Vergleichen wir das Feld mit dem Garten, und berücksichen wir, welches Mehr an Pflanzen im Garten gezogen wird und um wie viel die Produkte des Gartens die Feldpflanzen an Qualität übertreffen sollen, so leuchtet klar ein, daß der Garten eine viel bedeutendere Quantität Dünger von geeigneter Beschaffenheit haben muß, als das Feld. Durch die Erfahrung ist fcstgestellt, daß guter, richtig konservirter Stalldünger in der Gärtnerei der Hauptdünger ist und auch bleiben wird; ist man jedoch gezwungen, in Ermangelung desselben künstlichen Dünger zu verwenden, so ist Folgendes zu be achten: Hohen Werth für den Garten hat aller Geflügelmist. Derselbe wirkt schnell und hitzig, aber auch anhaltend. Außer kohlensaurem Kalk und Alkalien enthält derselbe sehr viel Ammoniak, Harnsäure nnd besonders phosphorsaure Salze, sämmtlich Bestandtheile, welche die üppige Entwickelung des Gemüses sehr fördern. Aus diesem Grunde steht unter den künstlichen Düngemitteln der Peruguanv (Vogel- unst) oben an. Auf schwerem Boden würde ich denselben nicht so sehr empfehlen, wie auf leichterem; hier ist er unübertrefflich. Für den Ar genügen 4—5 Kilogramm, um volle Wirkung zu erzielen. Besonders auch bei der Anlage von Rasenplätzen wirkt der Guano vorzüglich und ist er hier so recht am Platze. Da, wo schlechte Stellen im Rasen sind, sollte man ebenfalls durch Guano nachhelfen, doch muß man darauf sehen, daß die Anwendung (als Kopfdüngung) bei feuchter Witterung geschehe, weil er sich sonst zu leicht verflüchtet. Ueberhaupt wirkt Guano bei allen Pflanzen, die stark in's Blatt treiben sollen, vorzüglich. Auch verwendet man ihn bei der Blumenzucht sehr häufig, und ist er für Topfkultur eigentlich der bequemste Dünger. Zu diesem Zweck vermischt man ihn mit dem zwei- oder dreifachen Quantum Erde und streut ihn oben auf die Töpfe, oder man läßt ihn in Wasser auflösen und begießt nun mit diesem, doch nur vor sichtig, d. h. nicht stark. Wenn ich für die Pflanzen, welche in's Blatt treiben sollen, den Guano empfehle, so empfehle ich für alle Pflanzen, welche Samen tragen sollen, das Knochenmehl, und würde ich besonders bei Bohnen und Erbsen die Düngung mit Knochenmehl jeder anderen vorziehen; da es ein nur langsam wirkender Dünger ist, würde ich ebenfalls alle Pflanzen, die lauge an der Stelle bleiben (perennirende), nur mit Knochenmehl düngen, und ich denke hierbei besonders an Bäume, Sträucher, Rhabarber, Spargel und ähnliche Gewächse. Auf den Ar genügen 8—10 Kilogramm. An Stellen, welche man mit Knochenmehl zu düngen beabsichtigt, gebe man im Herbst vorher stets eine Düngung mit den doppelten Quantitäten Kainit; beide Dünger unterstützen sich in auffallender Weise. Was die Zeit der Anwendung dieser Dungmittel betrifft, so gebe man Guano stets im Frühjahr Knochenmehl, wenn möglich schon im Herbst vorher. Neue Champignon-Kultur. Freiherr von Hoogforst in Belgien hat eine nenartige, ganz eigenthümliche Methode gefunden, um Champignons leicht und bequem nickt nur zu kultiviren, sondern auch ohne Unterbrechung davon Ernten zu erzielen. Er verwendet dazu seine Pferdeställe. Eine große Anzahl ordinäre Holzkästen, 1 Meter lang, bei 30 Centimeter Breite und 15 Centimeter Höhe werden einer über den andern, wie die Regale einer Bibliothek aufgestellt; ein Vorhang von dichtem Stoffe in eisernen Ringen oben an einer Stange befestigt, schließt jedes Eindringen des Lichtes ab. In diesen Kästen, mit altem verrotteten Pferdemist und fetter Lauberde angefüllt, wird sodann das Mycelium des Pilzes, des sogenannten „blnuo äs ollnmpiMon" gebracht und dann Alles sich selbst überlassen. Nach kurzer Zeit schon sprießen die Champignons hervor und liefern Jahr aus Jahr ein reichliche und gute Ernten. — Den Pferden im Stalle verursacht, nebenbei gesagt, eine derartige Kultur in der nächsten Nähe auch nicht die geringste Unannehmlichkeit oder gar Schaden. Kokosfasernstricke als Material zum Anbinden der Obstbäume werden in neuerer Zeit vielfach mit Recht empfohlen, weil sie dauerhaft und fest sind, schneiden dabei nicht ein, verändern sich auch nicht bei trockner oder nasser Witterung und nehmen Nässe nicht an, weshalb sie nicht faulen. Auch für die Landwirthschaft werden sie zum Binden der Garben als billiger empfohlen als die Strohseile, da sie mindestens 4 Jahre lang benutzt werden können. Karl Gruhle in Leipzig, Petersstraße Nr. 20 empfiehlt solche im „Generalanzeiger" Nr. 1^. und 1L. zum Garbenbinden Pro 50 Kilo (ca. 5000 Meter) 27 und 22 Mark, Nr. 2 (schwächer) zum Anbinden von Bäumen, pro 50 Kilo (ca. 10 000 Meter) 34 M. netto verzollt ab Hamburg; auch Theodor Rasch in Hamburg em- pfiehlt dieselben. Vermischtes. * Schrecken in der Kirche. Aus Athen vom 8. d. wird der „N. Fr. Pr." geschrieben: In der Kirche „zur Quelle des Lebens" fand «m Charfreitag Abend 10 Uhr ein Gottesdienst statt, zu dem eine Prozession mit Fahnen und Musik in die Kirche einzog. Während des Gedränges, das auf der Frauengalerie entstand, indem sich alles vordrängte, die Prozession zu sehen, fiel ein großes Stück Mörtel von der Wölbung unter Vie Frauen, welche darüber in den Ruf „Feuer" ausbrachen. Sie drängten hierauf laut schreiend, zur Galerielreppe, deren untere Thür aber verschlossen war. In Folge des Geschreies verbreitete sich die Panique in der ganzen Kirche. Gendarmen eilten in die Kirche und schlugen die Galeriethüre ein. Aber die Tr.ppe war bereits mit einem Knäuel von Frauen und Kindern angsüllt, unter denen sich viele Tobte und Verwundete befanden. Elf L'i.hen sind bereits agnoszirt, die Zahl der Verwundeten ist noch nicht bcl umt. Mehrere Frauen sinv vor Schrecken irrsinnig geworden. * Nach II Jahren. 1870/71 machte eia Frankfurter Lunger den deutsch-französischen Krieg als Einjahrig-Freiwilliger mit unb war eines Tages mit vielen seiner Kameraden in einem Dorfe unweit Paris einquartirt. Sie hatten sich kaum ausgekleidet und etwas vom langen beschwerlichen Marsche erholt, als plötzlich Alarm geblasen wurde. In aller Hast mußten sie ihre Bagage zusammenpacken und vom Sammelplätze eiligst fortmarschiren. Dem Frankfurter fiel erst nach mehreren Stunden des Marsches ein, daß er in der Ueberstürzung des Aufbruches seine Weste zurückgelassen hatte, in welcher sich seine nicht unbeträchtliche Baarschaft in Papiergeld, Briefschaften und seine Photographie befand. Nach dem Friedensschluß schrieb er an seinen Quartiergeber, einen Apotheker, und ersuchte ihn um Rücksendung seines Eigenthums. Er bekam aber nicht einmal Antwort. Desto größer war, wie die „Fr. Ztg." erzählt, seine Ueberraschung, als er am ver gangenen Sonntag die Brieftasche, nebst vollständigem Inhalt franco per Post zurückerhielt. Der Apotheker ist nämlich vor einiger Zeit gestorben, seine Erben fanden im Nachlaß die Brieftasche mit dem Mahnschreiben des deutschen Soldaten und erfüllten mit der Rücksen dung den letzten Willen ihres verstorbenen Vaters. * Opfer des Genfer Sees. Am Sonnabend ertranken fünf Studenten von der Universität im See. Ihrer sechs waren sie in 2 kleinen Booten nach Nyon gefahren. Die Boote schlugen um, nnd nur einer rettete sich durch Schwimmen. Kirchliches. Wilsdruff. Nächsten Sonntag Nachmittag soll in unserer Kirche der erste Kindergottesdienst abgehalten werden; es ist der selbe zunächst für alle schulpflichtigen Kinder unserer Gemeinde be stimmt, jedoch sind auch Erwachsene sehr willkommen und können sich nach Erfahrung anderwärts gar wohl dabei erbauen. In unserer Parochie soll der Versuch gemacht werden, sich des sogenannten Gruppen systems zu bedienen, daß heißt: die Kinder für welche die Sitzbänke im Schiffe der Kirche reservirt bleiben, sitzen in Gruppen zusammen und mit jeder dieser Gruppe stellt eine Lehrerin in Rede und Gegen wart eine erbauliche Betrachtung über ein Schriftwort an, der Geist liche aber faßt zuletzt das Gesagte noch einmal in kurzen Worten zu sammen. Auch werden im Gottesdienst aus dem Liederbuche Kinder harfe genannt religiöse Kinderlieber gesungen. Damit aber auch die Erwachsenen sich beim Gesänge betheiligen können, sind diese Lieder bücher auf hiesigem Pfarramte zu billigem Preise zu haben, die Kin der erhalten diese Bücher umsonst und haben dieselben nach dem Gottesdienste wieder abzugeben. Der Zweck der ganzen in unserer Gemeinde neuen Einrichtung ist: den Kindern schon bei Zeiten Gottes haus und Gottesdienst lieb zu machen und sie durch Gotteswort zn erbauen, auf daß sie das Verlangen darnach mit hineinnehmen in ihr späteres Leben, fleißige Kirchengänger und damit rechte Christen wer den und ihr Lebtag bekennen: Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnet. Mögen alle Eltern und Angehörigen, welche für ihrer Kinder- Seelenheil besorgt sind, diese Gottesdienste dadurch unterstützen, daß sie ihre Kleinen zu fleißigem Besuche derselben anhalten. Mögen diese Gottesdienste unserer Gemeinde zu reichem Segen gereichen, möge vor Allen der Herr sie mit seiner Gnade begleiten. Kircheunachrichten aus Wilsdruff. Am Sonntag Miser. Dom. Vormittags predigt Herr k. vr. VVuUI. Nachmittag 1 Uhr Kindergvltesdienst. Es wird gebeten, für dies erste Mal die Kinder schon */,1 Uhr in die Kirche zu schicken.