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VW- Zweites Blatt. -WW -TA Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonncmentSpreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag. Abonnementspreis vierteljährlich I Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pj. Znseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für die König!. Amtshanptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Witsdruff. Zweiun-vierzigfter ^shrgang. 1882. Nr. 26 Freitag, den 31. März Zu Msmarcks Hebmisiag. Von einem Juristen. Wo stehen wir? Wein gehört die Zukunft? Fragen wir die deutsche Geschichte. Der Weg vorwärts wird zuweilen an dem Weg erkannt, der hinter uns liegt. Adel und Geistlichkeit bildeten die Gesell schaft, die übrigen Volksclassen hatten nur eine wirthschaftliche Bedeu tung. Die Reformation war die erste große nationale Bewegung. Aus dem deutschen Bürgerthum wuchs eine Bildung empor, welche bestimmt war, die geistige Großmacht ver Zukunft zu werden. Der dreißigjährige Krieg brach die Kraft dieser Entwicklung. Frankreich übernahm die geistige Führung. Aber Frankreich hatte keine Refor mation gehabt, darum trug seine Bildung die Revolution in ihrem Herzen. Die reformatorischen Ideen der Freiheit, Gleichheit, Brüder lichkeit wurden naturalistisch verzerrt: die Revolution war die Carricatur der Reformation. Aber sie ist, wie diese, ein Markstein in der Ge schichte. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts ist der dritte Stand der herrschende. Die Gebildeten, die Besitzenden sind die Ge sellschaft. Werden sie die Herrschaft behaupten? Die Besitzlosen und Ungebildeten sind im Begriff sich zu formiren, um den Monarchen der Gegenwart, den dritten Stand, vom Thron zu stoßen. Sind mir im Stande, der heranschreitcnden Revolution des neunzehnten Jahrhunderts zu widerstehen? Eins ist gewiß. Richt die Bajonette werden entscheiden, sondern die Stellung, welche wir eiunehmen zu der großen Geistesströmung, die unser Jahrhundert beherrscht. Unser Jahrhundert hat eine Ent deckung gemacht: die Materie. Der wunderbare Himmel mit seinen Sternenwelten, wer hat ihn geschaffen? die Materie. Der Mensch, noch wunderbarer bereitet, unergründlicher Kräfte voll, eine Welt von Jrrthum und von unauslöschlicher Gottessehnsucht in sich tragend: wer hat ihn geschaffen? die Materie. Unser Leben, wer führt es? Unser Glück, unser Elend, wer bestimmt es? die Materie, die erbar mungslose, die unerbittliche Materie. Nicht ein bewußter Wille regiert die Welt, sondern das Unbewußte. Ein Spiel der Atome, das ist alles. Eine mechanische Entwicklung hat uns geschaffen, eine mecha nische Entwicklung wird uns vernichten. Was sind wir? Eine Welle in dem endlosen Meere der Materie, auftauchend, um auf ewig wieder zu verschwinden. Diese neue Weltanschauung setzt auch eine neue Moral. Sie lautet: Der Kampf um das Dasein ist das Weltgesetz. Durch den Kampf um das Dasein wird das Schwache, des Daseins nicht Wür dige vernichtet, das Starke, des Daseins Fähige übrig bleiben. Also hinein in diesen Kampf mit aller Kraft! Wer das Geringe und Elende vollends zertritt, ist ein verständnißvoller Arbeiter an der großen Auf gabe der Weltgeschichte. Der Einzelne hat nicht seine Kräfte dem Nächsten zu dieneu, sondern den Nächsten umzubringen. Macht ist Recht. Irdische Glückseligkeit des Menschen höchstes Ziel. Dies Letzte ist der Punct, wo der Materialismus die Massen packt. Das neue Evangelium des neunzehnten Jahrhunderts hat jubelnden Beifall gefunden. Schon hören wir die Arbeitermarseillaise mit ihrem Refrain: wir wollen auf Erden glücklich sei» und wollen nicht wehr darben. In diesem Evangelium aber liegt die Kraft der Bewegung des vierten Standes. Sind wir widerstandsfähig? Was haben wir in's Feld zu führen gegen die Idee des Materialismus, welche, einem Sturme gleich, die wogenden Volksmassen gegen uns herantreibt? Die sociale Reform ist gewiß von der höchsten Bedeutung, aber die letzte Entscheidung liegt nicht in ihr. Die letzte Entscheidung liegt in den Ideen, welche uns beherrschen und tragen. Wohl ist das Christenthum eine übermächtig geistige Gewalt — aber, ist unsre Gesellschaft, ist der dritte Stand noch getragen von den weltüberwindenden Kräften des christlichen Glaubens? Wo hat denn die Lehre des Materialismus ihren Ursprung ge nommen? Wo wird der Atheismus, verschleiert oder unverschleiert, am eindringlichsten gepredigt? Gerade in den Kreisen der Besitzenden und Gebildeten. Aus den Kreisen des dritten Standes sind die Ge danken hervorgegangen, welche, den Feuerbrand tragend, die Massen des vierten Standes entzündeten. Wos in den Büchern der Gelehrten geschrieben ist, das und nichts Anderes wird auf den Gassen gepredigt. Wie die Bildung des achtzehnten Jahrhunderts, so trägt die moderne Bildung die Revolution unter ihrem Herzen. Das Kind, welches sie mit ihrem Blut genährt, wird die eigne Mutter umbringe». Eine dünne Decke trennt uns von dem Abgrund. Wo ist Rettung? Es ist nicht das geringste Verdienst des Mannes, dessen Geburtstag heute Alldeutschland feiert, daß sein Scharfblick nicht nur die Mächte des Verderbens, sondern auch die Macht eines neuen Aufschwungs erkannt hat. Nicht die moderne Wissenschaft, sondern das ewige Evangelium, das practische Christenthum ist diese Macht. Diese Erkenntlich und dies freimüthige Bekenntniß danken ihm alle treuen Herzen; daß er den großen Gedanken hinausführe zu großer That, das ist heute ihr innigster Wunsch; und ihr Gelübde, treu mit zu arbeiten an der Erneurung unsres Volkes, daß Deutsche ihrer Väter werth, und Christen ihrem Vorbild ähnlich werden. Mitthcilmlgcu über Obst- und Gartenbau. Zur Behandlung des Sellerie. Die größten Sellerieknollen erhält man, wenn die Pflanzen, so bald sie ca. 10 om hoch sind, auf eine halbschattige Stelle in einer Entfernung von 6—8 om verpflanzt (pikirt) werden. Vor dem Setzen werden die Wurzeln um die Hälfte ihrer Länge eingekürzt, sowie auch die Blätter — mit Verschonung des Herzblattes — abgeschnitten; bei Sonnenschein sollte die Pflanzung einige Zeit beschattet werden. — Man läßt sie ungefähr 3—4 Wochen fortwachsen und versetzt sie nun ohne sie zu beschneiden auf ihren bleibenden Standort. Zum Aus heben bedient man sich eines kleinen Spatens oder dergl., damit die durch das erste Beschneiden hervorgerufenen zahlreichen neuen Wurzeln nicht zu sehr zerrissen werden, die Pflanze auch möglichst mit dem Ballen versetzt wird. Die Wurzeln des Sellerie sind sehr empfindlich gegen Sonne und trockne Luft; es dürfen deshalb nicht zu viel Pflanzen auf einmal herausgenvmmen werden. Das Veste flüssige Dungmateriat ist eine, in einem alten Faß be reitete Mischung von Holzasche, Ruß uud etwas Salz (Vieh- oder Dungsalz), mit genügend Wasser vermengt. Kann diese Mischung, die mit dem Gießrohr an die Pflanzen gebracht wird, nicht bereitet werden, so bestreue man die Felder einigemale kurz vor einem Regen mit altem abgelagerten Ruß, der ja in jeder Haushaltung zu haben ist; der Ruß verhindert das leidige Rostigwerden der Knollen. Das Salz, ein vor zügliches Dungmittel für alte Wurzelgewächse, wird, wenn nicht in flüssiger Form angewendet, im Herbst oder zeitigen Frühjahr obenauf gestreut. Besonders sei vor einem zu starken Abblatten der Pflanzen während des Sommers gewarnt, denn wenn mandenseiben nur 5—6 Blätter beläßt, müssen die Knollen klein und trocken bleiben. Wenn die Knollen von den Seitenwurzeln gereinigt werden, bindet man die Blätter mit einer Schnur zusammen, die später wieder gelöst wird, oder blättert doch nur leicht. Nach Mitte September erst wird ein Theil der Blätter abgenommen, damit Licht und Luft besser eindringen können, wodurch die Knollen eine gewisse Reife erlangen. Die Knollen erhalten sich, im Freien 25 om tief in Gärten ein- gcschlagen und bei starkem Frost mit Laub und Stroh bedeckt, frischer wie in dumpfen Kellern im Sande. Empfehlenswerthe Sorten sind der Erfurter große und der Erfurter kurzlaubige frühe. Behandlung der Johannis- und Stachelbeersträucher. Diese Fruchtgattung ist durch ihre Größe, Köstlichkeit und reiche Tragbarkeit nur dann lohnend, wenn die einzelnen Stücke sorgfältig von Unkraut und Nebenpflanzungen reiugehalten, niit Dünger öfter gekräftigt und durch den Schnitt in gehöriger Ordnung gehalten werden. Die bisherige Anzucht derselben in Buschform ist die schlechteste, denn: 1. durch fortwährenden Nachwuchs der Wurzelausläufer, welche, wenn sie später holzig werden, sehr schwer und immer nur unvoll kommen beseitigt werden können, ist nach wenigen Jahren jeder einzelne Stock so stark ausgebreitet und in seinen unzähligen, bis zur Erde herabhängenden Zweigen so gedrängt, daß 2. wegen gehemmter Luft- und Lichtströmung die Früchte, vor züglich tiefer im Schatten, nahe an der Erde, von Jahr zu Jahr sel tener, kleiner und unschmackhafter werden. Manche Fruchtgattung, besonders jene der Stachelbeeren, wird so klein und unansehnlich, daß man die ursprüngliche große und köstliche Sorte gar nicht mehr zu erkennen im Stande ist; 3. das Lockern des Bodens und Ausbreiten des Düngers unter solchen Stöcken ist fast ebenso thunlich, als 4. das nöthige Ausschneiden derselben, ganz gleichartig wie beim Weinstock in's alte Holz und 5. die Austilgung der Raupen aus denselben. Die an manchen Orten üblichen heckenartigen Einfassungen tragen alle die vorbenannten Gebrechen ganz gleichartig zur Schau. Doch alle diese Uebelstände lassen sich sehr leicht beseitigen, wenn man nicht alte, sondern nur junge Johannis- und Stachelbeersetzlinge auf ihre bleibenden Standorte ausfetzt und sie erst da zu Kronen bäumchen, mit beliebiger Stammhöhe, oder in Pyramiden-, Kessel- oder Becherform mit einem wenigstens 50 om hohen Stamm heran zieht. Eine solche Form begünstigt wesentlich die den ganzen Sommer hindurch nothwendige Beseitigung der noch krautartigen weichen Wurzel- ausläufer und das Ausschneiden der gedrängten Kconenzweige in's alte Holz. Ebenso leicht ist das Lockern und Düngen des Bodens, wie nicht minder die Vertilgung des Ungeziefers. Die natürliche Folge dieser Operation ist ein starker Blüthenreich- thum und Ansatz der schönsten, größten und köstlichsten Früchte. Bezüglich der thunlichst sorgfältigen Schonung aller an der Erd oberfläche sich bildenden Wurzeln ist jede Beschädigung derselben beim Lockern des Erdreichs zu vermeiden. Wer nur einige Jahre diese Formbilduug versucht, wird sckML mehr von derselben abweichen.