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MochcnblaU für für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zwei«»dvierzigster Bahrgang. 1882. Nr. 15. Dienstag, den 21. Februar Erscheint wöchentlich L Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementSprei» vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer ksstet 10 Pf. Jnserateuannabmt Montags u. Donnerstags »iS Mittag 1S Uhr. Erscheine wöchentlich S Mal (Dienstag und Freitag AbonnementSpreis vierteljährlich l Mrk Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Znseratenannah«« Montags u. Donnerstag bis Mittag 1S Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden T agesgeschichte. Gelegentlich der Anträge der „patriotischen" Mehrheit der bayerischen Abgeordnetenkammer aus Verminderung der Militär- last und gegen das Tabaksmonopol brachte die „Nordd. Allg. Ztg." einen Artikel, in welchem sie zu dem Schluß gelangte, daß es sich bei der Haltung der bayerischen Patrioten „um einen bewußten oder un bewußten Versuch zur Einsührung der Doktrin handle, daß den Be schlüssen der Volksvertretungen der Einzelstaaten ein maßgebender Ein fluß auf die Instruktionen der Bevollmächtigten zum Bundesrath ein zuräumen sei". Die „Nordd. Allg. Ztg." vergißt, daß die Militärlast und das Monopol Dinge sind, an denen auch die Einzelstaaten in hervorragender Weise betheiligt sind, und daß die Landtage nur ein verfassungsmäßiges Recht ausübex, wenn sie durch Beschlüsse ihrer Regierung Kenntniß von den Wünschen des Landes geben. Das Ber liner offiziöse Blatt sollte sich speziell daran erinnern, daß Fürst Bis marck einmal im Reichstag erklärte: „In der Stimmabgabe im Bun desrath ist die Ausgleichung und Vermittelung aller der Kräfte ent halten, die (im Einzelstaate) thätig sind, um das Staatswesen zu bil den; es ist das Votum der Krone, bestimmt durch die Einflüsse der Landesvertretung, vor welcher das Ministerium für die Vota, welche es im Bundesrath abgcbcn läßt, verantwortlich ist." Für Einführung der Doktrin, den Beschlüssen der Volksvertretungen der Einzelstaaten einen maßgebenden Einfluß auf die Instruktion der Be vollmächtigten zum Bundesrath einzuräumen, kann also die „N. A. Z." nicht die rechte Seite der bayerischen Kammer in Anspruch nehme«, sondern muß sich an eine ihr näher liegende Adresse wenden. Die bayerischen Patrioten suchen eben nur dem Ministerium die Verant- Wörtlichkeit, die es für seine Vota im Bundesrath trägt, in Erinner ung zu bringen, und das können sie doch nur dadurch, daß sie dem selben auch die Meinung der Volksvertretung über schwebende Fragen iu Form von Beschlüssen, Wünschen rc. übermitteln. Der bayerische Minister v. Lutz weiß z. B. jetzt, was er zu verantworten hat, wenn er die bayerischen Stimmen im Bundesrath für daS Tabaksmonopol abgiebt, und etwas Anderes, als ihm darüber Klarheit zu verschaffen, bezweckte der fragliche Antrag nicht. In den polnisch-aristokratischen Kreisen Wiens und Gali ziens ist man — wie aus Wien geschrieben wird —plötzlich deutsch freundlich geworden. Wer da weiß, wie fanarisch bisher der Haß der ultramontanen polnischen Aristokratie und des Poleuthums überhaupt gegen Alles, was deutsch gewesen, den wird jene plötzliche freundliche Schwenkung nicht wenig Wunder nehmen. Die Ursache ist folgende: Durch Geheimagenten, welche das polnische Magnatenthum an allen europäischen Höfen unterhält, will man in Erfahrung gebracht haben, daß die bisherigen Beziehungen zwischen Berlin und Petersburg nicht allein wirklich gestört seien, sondern daß Fürst Bismarck auf alle Er eignisse völlig gefaßt sei, welche Deutschland von Rußland her drohen könnte«. Als genialer Staatsmann habe Fürst Bismarck, gleich einem klugen Heerführer, schon lange mit der Sammlung von Reserven sich beschäftigt, die gegebenen Falls gegen Rußland anzurücken hätten. Die Bismarck'sche Hauptreserve gegen Rußland sei Polen, dessen Wiederherstellung in Berlin sofort verkündet und unterstützt würde, falls Rußland gegen Deutschland kriegerisch vorgehen wollte. Das neue polnische Reich würde außer dem sogenannten Kvngreßpolen noch einen Theil des Großhcrzogthums Posen, ferner Litthauen und im Einverständnisse mit Oesterreich das Krakauer Gebiet und ganz Gali zien enthalten. — Einerlei! Wie grundlos solche Hoffnungen auch sein mögen, in schlechten Zeiten helfen sie haushalten, indem sie einen gewissen Druck immerhin ausüben. Man muß sich stets vergegenwär tigen, daß Jgnatiew und Konsorten in einem Kriege die beste Manier sehen, sich dem Nihilismus gegenüber aus der Patsche zu ziehen. Was eine vernünftige Kabinetspolitik werth ist, tritt bei den jetzt obwaltenden Verhältnissen so recht zu Tage. Man sagt immer, die Völker wollen keinen Krieg. Man betrachte aber unsere europäischen Halbasiaten, die Tschechen, die Magyaren, überhaupt die Slaven, dir fast ein Drittel der europäischen Bevölkerung ausmachen (etwa 90 Millionen, wovon 65,4 in Rußland und Polen, 17 in Oesterreich-Ungarn, 5 auf der Balkanhalbinsel und 2,6 in Deutschland wohnen). Die Franzosen wollen wir nach diesem Gesichtspunkte ein- Mal aus dem Spiele lassen, denn bei einer allgemeinen Abstimmung würde wahrscheinlich der Friede die Majorität erhalten, wenn's ans's Volk allein ankäme. Den Herren Engländern wäre aber ein Krieg in Europa ichon ganz recht, weil sie in ihrer bekannten nvbeln Weise ihr Schäfchen dabei zu scheeren.wissen, abgesehen von den Vortheilen, die sie in ihrer asiatischen Politik dabei gewönnen. Ein verzweifeltes Anstemmen gegen einen Kriegsausbruch kann man also von dieser Seite - nicht erwarten. Der russische General Skobeleff, der auch unsern Lesern be reits durch seine bekannte Tischrede in Petersburg bekannt geworden, hält sich bekanntlich jetzt in Paris auf, wo er in den letzten Tagen nicht nur eme sogenannte Brandrede gehalten, sondern sich auch dem Redacteur des „Voltaire" gegenüber folgendermaßen ausgesprochen hat: „Soeben erhalte ich von meinem Adjutanten einen Ausschnitt aus einer Zeitung des Inhalts: Der Czar hat eins der Kriegsschiffe, die auf dem Kaspischen Meere koustruirt werden, General Skobeleff getauft. Diese sehr seltene Gunst beweist, daß ich nicht in Ungnade gefallen bin und daß ich aus freien Stücken nach Paris gegangen bin. Sollte aber auch mein Freimuth für mich üble Folgen haben, so werde ich doch stets alle meine Gedanken ohne Rückhalt aussprechen. Ich bin ein unabhängiger Maiin, und wenn ich nur weiß, daß ich gerufen werde, sobald es Krieg giebt, so ist mir alles Uebrige gleich« giltig. Jawohl, ich habe gesagt, daß Deutschland der Feind ist, und ich wiederhole es. Jawohl ich bin überzeugt, daß das Heil in der Vereinigung der Slaven liegt, in der Vereinigung der Slaven mit Frankreich. Dahin muß man gelangen. Man muß wieder zum europäischen Gleichgewicht gelangen, aber nicht mehr zu dem Gleichgewicht, wie es Herr Thiers aufgefaßt hat, denn dieses ist eben in die Brüche gegangen. Es muß wieder hergestellt werden. Deutschland ist der große Vielfraß. (l'^Uovaugns 68t Iu gruuckv absorbanns.) Wir wissen es und ihr Franzosen wißt es leider nur allzu gut. Die orientalische Frage ist bedeutsam, sie ist die Hauptfrage; durch sie muß das Gleichgewicht, von dem ich spreche, wieder hergestellt werden, sonst bleibt nur eine Macht übrig, nämlich Deutschland. Ich habe es gesagt und wiederhole es. Ich habe Vertrauen zu der Lösung, welche ich auS ganzer Seele wünsche. Ich habe Vertrauen, besonders wenn man die eine Wahrheit begreift, daß zwischen Frankreich und denSlaven ein Bund geschlossen werden muß. Dieser Bund wird für uns das Mittel sein, unsere Unabhängigkeit wieder zu gewinnen. Und an Euch Franzosen ist es, die Situation wieder zu gewinnen, welche ihr verloren habt. Das ist cs, was ich aufrichtig denke," sagte der General zum Schluß dcr Entrevue: „Sie können es veröffentlichen, aber man sollte um mich her nicht zu viel Lärm machen. Schon im Interesse der großen Sache, deren Erfüllung ich stets anstreben werde." Die Insurgenten in der Krivoseie haben ein Manifest er lassen, welches deutlich zeigt, welche Hoffnungen dieselben auf die Hilfe jettens Rußlands und die südslawischen Staaten setzen. Nachstehend folgen einzelne Stelle« aus dem Aktenstücke: Der FE. Baratt Jovanovic hat beschlossen, unS und unsere Alliirten von Herzegowina und Bosnien mit der brutalen Militärmacht eines großen StaatcS zu vernichten und uns zur Entsagung unserer Freiheitsbestrebungen zu zwingen. Wir sind jrst entschlossen, uns gegen jeden Vormarsch der Truppen zu vertheidigen. Im Falle, daß wir Alle am Kampfplatze todt bleiben sollten, werden unsere Brüder aus Montenegro, Herzegowina, Bosnien, Serbien und Altserbien uns rächen, und die Balkanslaaten mit dem großen Reiche aller Reußen werden die militärische und dje Boikskrast mit den österreichisch-ungarischen Truppen messen. Die englische Nation ist unter dem großen Liberalen und Staatsmanns Glad stone sür die Befreiung aller Battanvölker von der fremden und brutalen Herrschaft. Der russische Kaiser Alexander III. und sein erster Rathgeber, der Verfasser deS Friedens von San Stefano, der General Jgnatjcss, sind unserm Befreiungskriege sehr gewogen. Der Fürst Nikolaus von Montenegro, unter dessen Oberkommando wir drei Jahre gegen tue Türken kämpften, ist für die Unterstützung und die mili tärische Hilse gewonnen. Wir erklären: „Jovanovic, das Blut, welches sür die Bekräftigung unserer Rechte und sür die endgiltige Befreiung aller Serben geflossen sein wird, soll auf Dich gegossen werden und aus Diejenigen, die Dich zum Verzweiflungskampse gesendet haben. Brüder von Bosnien, Herzegowina, Dalmatien, Serbien, Montenegro und AUs-rbien, Muth und Ausdauer, folgt uns Gebirgsbewohnern von Krivoseie, uni) Süd-Herzegowina, um die nationalen Rechte zu vertheidigen! Gruß den Brüdern an Ler Newa und am Schwarzen Meere, Gruß an die Bulgaren, Serbe», Russen und alle Slawen! Im Namen des Allmächtigen! Gott der Gerechtigkeit, Du wirst uns erhalten. In der Krivoscie, am heiligen Tage des St. Sava, 14/28. Januar 1882. DaS Centralkomitee der Insurgenten für die Krivoseie, Herzegowina und Bosnien." Die Wiener „Vorstadt-Ztg.", welche das Manifest abgedruckt hat, ist koufiszirt worden. Aus Petersburg erhält das „Kl. Journal" nachstehende sen« fatio nellcu Nachrichten: „Unter dem Vorsitze des Kaisers Alexander 111. fand Donnerstag den 9. d. Mts. in Gatschina ein Ministerrath statt, in welchem zunächst die zerfahrene« inneren Angelegenheiten deS Reiches den Gegenstand einer längeren Berathung bildete«. Alsdann kam die auswärtige politische Lage, die herrschende paiislavistische Strömung und speziell die gegenwärtige bedrängte Situation der an den aufständischen Provinzen Oesterreich-Ungarns grenzenden Fürsten« lhümer zur Sprache. Der Leiter des auswärtigen Amtes, v. Giers, hielt hierüber einen längeren Vortrag, beleuchtete die auswärtige Situ ation und empfahl dringend energisch Maßnahmen gegen die außer- osfiziösen Betheiligungcn an der Insurrektion und Verhinderung aller offenen und geheime« Unterstützungen an die Aufständischen. Giers motivirte eingehend diese Direktive den Ereignissen in Oesterreich ge« genüber und sagte u. A., Rußland müsse den Aufstand wenigstens so lange als eine interne Angelegenheit Oesterreich-Ungarns betrachten, bis dieses Land nicht thatsächlich daran gehe, die Okkupation Bosniens und der Herzegowina in eine Annexion umzugestalten. Hierauf erhob sich Jgnatieff zu einer geharnischten Gegenrede, in welcher die Aus führungen Giers von A bis Z bekämpft wurden; v. GierS replizirte wiederholt, was Jgnatieff immer wieder zu neuen Dupliken heraus forderte, welche allesammt darin kulminirten, daß es heilige Pflicht Rußlands sei, den bedrängten Fürstenthümern jede nur mögliche mo ralische Unterstützung ««gedeihen zu lassen; es hieße, rief er immer heftiger werdend, die historische Mission Rußlands feige verleugnen, wollte das Zarenreich die stammverwandten Völkerschaften ganz im Stiche lassen, den hartbedrängten Fürsten jede Unterstützung entziehen und dieselben dem Wohl- und Uebelwollen Oesterreichs preisgeben. Die Debatte wurde immer heftiger und erregter, und als der Zar, der sich fortwährend reservirt hielt, sah, daß die Gegensätze sich Immer mehr und mehr zuspitzte« — — hob er plötzlich de« Ministerrath auf. Und nun folgte in den Foyers des kaiserlichen Palastes zwischen den