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Wochenblatt für Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag) AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark. Line einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bi« Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (DienStaz und Freitag. AbonnementSprc'- vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnselatenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshouptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Eiuundvierzigster Jahrgang. Nr. 81. Dienstag, den 2. August 1W1. Verpachtung. Mittwoch, den A. Angnst dieses Jahres, sollen circa 56 Acker zu den voin Bezirksverbandc der Königlichen Amtshauptmannschast Dresden erworbenen Gütern b'ol. 1 und 6 zu Saalhaufen bei Potschappel gehörige Fel-grundstücke unter den im Termine noch bekannt zu machenden Bedingungen im Einzelnen aus drei Jahre, oder im Ganzen nach Befinden auf längere Zeit, an den Meistbietenden, jedoch mit Vorbehalt der Auswahl unter den Lici- tanten, verpachtet werden. Pachtlustige werden ersucht, sich am gedachten Tage Vormittags 9 Uhr im Gute kol. 1 zu Saalhausen einzufindcn. Dresden, den 26. Juli 1881. Der Bezirksausschuß ter Königlichen Amtshauptmannschaft Dresden-Altstadt, vr. Schmidt, Amtshauptmann. Tagesgeschichte. Die Wahlen in Bayern und Sachsen haben, so verschieden artig ihr Endergebniß auch beurthcilt werden mag, Eines unzweideutig ergeben: die Gleichgültigkeit und Unthätigkeit derjenigen Elemente, bei welchen eigentlich die Entscheidung in allen öffentlichen Angelegenheiten ! liegt, nämlich der breiten Schichten inmitten des Volkes, welche sich mit der Politik nicht mehr befassen, als sie gerade müssen, und welche, ohne aus einen bestimmt ausgeprägten Parteipunkt zu schwören, in der besonnenen Weiter-Entwickelung der Zustände unseres Volkes die sicherste Bürqschast für die Zukunft erblicken. Diese Kreise — gleich weit entfernt von dem optimistischen Enthusiasmus, welcher glaubt, die Welt innerhalb 24 Stunden in ein Paradies verwandeln zu können, wenn man ihm nur freie Haud läßt, wie von der pessimistischen Ver bitterung, welche da meint, es sei alles hienieden so schlecht, daß cs sich gar nicht lohne, zu flicken und zu bessern, sondern man müsse alles Bestehende ohne Weiteres von der Bildfläche wegsegeu — leben im Allgemeinen der beruhigenden Gewißheit, daß in der Welt nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, und daß deshalb trotz alles Lärms und alles Streites der kämpfenden Parteien die Welt geschichte ihren ruhigen Gang geht, daß im Völkerleven ganz andere Dinge, als dieser oder jener Parteiführer die entscheidende Rolle spie len und daß darum die Welt auch etwas anders aussieht und all- mälich sich etwas anders gestaltet, als es in manchen Parteiblätteru gemalt wird, nicht gerade viel besser, aber auch nicht schlechter, als meist angenommen wird. Wer, vom Auslande kommend, Jahre lang dem heimischen Par teikampf entzogen war und sich einen weitern Gesichtskreis gebildet hat, jetzt wieder nach Deutschland zurückkehrt, der versteht kaum die Er bitterung, welche sich in dem Durcheinander des polltijchwirthschaft- lichen Streites jetzt bei uns der Gcmülher bemächtigt Hal. Während des Höhepunkts des Culturkampfs war solche Leidenschaft allenfalls erklärlich, denn in Bezug aus die idealen Fragen, die hier hiueinspie- len, versteht der Deutsche keinen Spaß; auch in Politischen Dingen mag eine gewisse Leidenschaft erklärlich sein, denn wir Alle sind mit einer bestimmten politischen Meinung aufgewachsen, haben uns die selbe durch Vergleichung mit andern Ländern und Zelten innerlich zu eigen gemacht und lassen sie also nicht gern antasten. Bei den Fragen aber, welche heute aus der Tagesordnung stehen, handelt es sich nicht um ideale Fragen (die ideale Seite wird wenigstens nirgends betont) und nicht um Meinungen, mit denen Jeder von Kindheit an sich be faßt hat, sondern um sehr nüchterne und überdies noch ziemlich ver wickelte Dinge, um Rechen-Exempel, deren Lösung nicht Jedermanns Sache ist, bei deren Lösung ihn auch einfach die Erfahrung ,m Stiche läßt. Solche Fragen: Zollschutz, Arbeiter-Versorgung, Steuer gesetzgebung, Stellung des Staats zum Erwerbsleben rc. sind keine Dinge, welche die politische Leidenschaft herausfordcrn oder mit Leidenschaft behandelt werden dürfen, sie entziehen sich überhaupt der Beurtheilung weiterer Kreise, denn sie liegen der weitüberwiegenden l Mehrheit des Volkes fern, die Wenigsten können sagen, daß. sie sich i mit diesen Angelegenheiten so gründlich und anhaltend befaßt, wie mit religiösen und Politischen Dingen, und wenn man etwa darauf ! verweist, daß die in Frage kommenden Interessen die Leidenschaften wecken, so ist einfach zu entgegnen, daß gerade diese Jullresseufrage noch gar nicht geklärt ist und noch jetzt der Streit darüber andauert, ob z B. der Getreidezoll vortheilhaft für die Landwirthschaft ist oder nicht, ob die Arbeiter Nutzen von staatlicher Altersversorgung haben oder nicht rc. Nein, auch das erklärt die Leidenschaftlichkeit nicht. ' Sie kommt vielmehr daher, daß eine Anzahl hervorragender Männer, ! denen allerdings diese wirthschaftlichen Fragen ans Herz gewachsen waren, sie, mit politischen und religiösen Dingen vermischt, ins Volk hineingetragen haben und nun die ihnen vorschwebenden wirthschaft- ! lichen Ziele, um die sich sonst die Wenigsten gekümmert hätten, mit ! Hülse von politischen und religiösen Leidenschaften durchzusetzen suchen. ! So thun's die Conservativen und so thun's auch ihre entschiedensten Gegner. Das ist's, was den Wahlkampf so verbittert und ihm einen so unangenehmen Sempel aufdrückt. Es werden Dinge in die Vcrhand- ! lungen hineingezogen, welche nicht hineingehören; es wird mancherlei j Spiegelfechterei getrieben. Mit der akademischen Erörterung über die i schwierigen Fragen, welche in den nächsten Jahren die maßgebenden sein werden, füllt man keinen Saal bei einer Volksversammlung; da rum zieht man andere Dinge herbei, welche die Massen aufzuregen vermögen. Und so verirrt sich denn der Kampf mit Vorliebe auf das Gebiet des Persönlichen; cs werden Waffen gebraucht, die nicht immer als ehrenhafte gelten können: es werden nicht die guten, sondern die tadclnswerihen Neigungen der Menschennatur kultivirt. Daß bei solcher Sachlage gerade diejenigen Kreise, welche wir im Eingang unser Be trachtung charakterisirien, von einem starken Widerwillen erfüllt werden, sich in dieses Treiben zu stürzen, ist natürlich. Wer vom Strudel der Leidenschaft ergriffen ist, bemerkt das gar nicht, nur der ruhig am Ufer Stehende gewahrt das. Der Berauschte weiß nicht, welches widerliche Schauspiel er darbietet; der Nüchterne wird gerade bei seinem Anblick den tiefsten Ekel empfinden. So herrscht gerade in denjenigen Kreisen, welche am wenigstcn von den Schattenseiten unserer neueren Kämpfe berührt worden sind, die stärkste Antipathie gegen den ganzen Apparqz von Entstellungen, Verdächtigungen, Trugschlüssen, Verdunkel ungen rc., der bei so vielen Wahlen aufgebvtcn zu werden pflegt, und sie halten sich lieber von all diesem Treiben fern, als daß sie sich unter die Kämpfenden mischen. (Hildb. Dorfztg.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." veröffentlicht an der Spitze ihres Blattes „einen der Drohbriefe, wie sie dem Reichskanzler jetzt zugingen, um ihn zum Anfgeben seiner auf die Verbesserung des LooseS der Arbeiter gerichteten sozialen Reformpläne zu veranlassen." Der in Hamburg auf die Post gegebene Brief lautet: „Seiner Durchlaucht dem Reichskanzler Fürsten Otto von Bismarck! O großer eiserner resp einfältiger Reichskanzler was hört und liest man blök von Dir. Nichts als Lächerliches. Glaubst Du etwa, daß Du Deiner gefällten Strafe entgehen kannst? Nein! Nein! Was wir Dir einst zugcschworen wird für Dich sicher in Ermllung gehen und wenn Du den Polizeiring um das zehnfache ver mehrst der Dich etwa schützen soll vor dem Bestrafen Deiner verübten Tyrannei. Wie es bei Dir in Kissingen ist wissen wir ganz gut. Traurig genug daß Du eS so weit gebracht hast mit Deiner elenden Tyrannenpolitik, daß Du jetzt nicht einmal Deines Lebens sicher bist. Weise nur immer fleißig Mitmenschen aus Deutschland. Desto eher kannst u Dich mit dem Todtengräber bekannt machen! So wie damals die Wüefel sür uns fielen, so sind diese auch schon sür Dich gefallen, d h vorläufig die kleinen, bis Dich der große Würfel sür immer und ewig trifft. Deinen Sohn Wilhelm mit seinen bisherigen maskirten und lächerlichen Redensarten werden wir auch bald was zuschwören wenn er nicht aufhört zu wühlen. Die Bismarcksbrut muß ausgerottet werden I). L. 6." Das gouvernementale Blakt klagt geradezu die fortschrittliche Presse an, daß sie durch Verläumduugen und Beschimpfungen des Reichs kanzlers diese Frucht gezeigt hätte und schließt ihren heftigen Artikel: „Wenn die Forlschrittspresse sich nicht an die Sache hält und auf per sönliche Angriffe verzichtet, so muß.man schließlich glauben, daß ihr daran liegt, etwa einen zweiten Blind oder fortschrittlichen Kullmann mobil zu machen. Dies dürfte ohne Extrabemühungcn zu erreichen sein; denn da die gehässigen Angriffe der Fortschrittspresse sich fast ausschließlich gegen die Person des Reichskanzlers richten, so wäre es kaum zu verwundern, wen» unter ihren urtheilslosen und einfältigen Lesern sich wieder einer findet, der wie Blind, der Allgemeinheit einen Dienst zu leisten glaubt, wenn er auf einen — nach fortschrittlicher Anschauung — so gemeiuschäolichen und „längst gerichteten" Menschen, wie den Reichskanzler, ein Attentat aussührt" Wie die Deulsch-Oesterreicher in München mit dem Volke Fühlung suchen, so nimmt Kaiser Franz Joseph persönliche Fühlung mit den deutschen Fürsten. Er wird am 4. August den Kaiser Wilhelm in Gastein besuchen und dann über München an den Bodensee reisen und auf der Jusel Mainau mit dem Großherzog von Baden und den Königen von Sachsen und Württemberg zusammenkommen. In Norddeutschland, namentlich in Berlin tritt eine typhöse Pferdekrankheit stark auf. Die Pferde verlieren die Freßlust, zeigen Fieber und müssen wochenlang kurin werden. Die Krankheit soll aus Rußland eiugeschleppt und sehr ansteckend sein. Das strasgerichtliche gegen die Theilnehmer an den Kuchelbader und Prager Exccssen ist noch nicht zum Abschluß gelangt. Dieser Tage erst wurde wieder ein 30 Jahr alter Techniker zu vier Monaten und ein 17jähriger Brauerlehrlmb zu zwei Monaten schweren Kerkers, verschärft durch Einzelhaft und einmaliges Fasten im Monat, verur- thcilt. Beide waren überwiesen worden, Steine aufgelesen und gegen die halbverdeckten mit Verwundeten von Kachelbad nach Hause fahr enden Droschken geschleüdert zu haben.