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LL" Zweites Blatt. -MM Wochenblatt für für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Vahrgang. 1880 Nr. 26. Freitag, deu 26. März Inserate, welche in nächster Dienstags-Nummer Ausnahme finden sollen, erbitten wir uns der Osterseiertage halber möglichst bis Sonnabend Abend. Die Expedition des Amts- und Wochenblattes. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonncmentspreis vierteljährlich I Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag) , Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratcnannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Tagesgeschichte. — Die Feier des 83. Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers hat überall, wo deutsche Bürger wohnen mit den Empfindlingen in nigster Liebe und Verehrung stattgefunden. Se. Mas. der Kaiser selbst beging den Tag in voller Frische nnd Rüstigkeit. Bereits in der achten Morgenstunde nahm derselbe in voller Uniform die Glückwünsche seiner nächsten Umgebung entgegen und waren alsdann die Majestäten mit den großherzöglich-badischen Herrschaften zum Dejeuner vereint. Hierauf erschienen um 10 Vr Uhr die königlichen Prinzen und Prin zessinnen und die zum Besuch eingetroffenen höchsten fremden Fürst lichkeiten im königlichen Palais, um dem Kaiser ihre Glückwünsche dar- zubringen. Um 11 Uhr empfing der Kaiser zur Gratulation den ge jammten königlichen Hof und alsdann Nachmittags 1 Uhr die fremden Botschafter. Später fand im königlichen Palais Familien-Tafel und für die fremden Gefolge im königlichen Schlosse Marschall-Tafel stalt. -Das sonst Mittags 12 Uhr stattfiudende übliche Salntschicßeu mußte in diesem Jahre mit Rücksicht auf die Charwoche unterbleiben. Ueber den Empfang der Botschafter beim Kaiser erfahren wir, daß die Majestät in einer gemeinsamen kurzen Anrede der Hoffnung auf ein friedliches Jahr erneuten Ausdruck gegeben und zugleich darauf hinge- dcutet habe, wie seine eigene gefestigte Gesundheit es ihm ermögliche, Persönlich für die Erhaltung des Friedens einzutreten. Hierauf unter- hielt sich der Kaiser mit jedem der Botschafter in huldvoller Weise. Der jüngst von unserem Kaiser an den Czaren gerichtete Glück wunsch zu dem fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiiüum desselben, hat jetzt seitens des Kaisers Alexander eine offizielle und feierliche Beantwortung gefunden, die sich natürlich in demselben Gedankengang bewegt, wie der Brief des Kaisers Wilhelm. Anläßlich des Geburts tages unseres Kaisers fand am 22. d. M. im Winterpalais zu Peters burg ein Galadiner statt, bei welchem der Kaiser Alexander den Toast auf Kaiser Wilhelm in französischer Sprache mit folgenden Worten ausbrachte: „Se. Majestät der Kaiser und König, dessen Geburtstag wir glücklich sind, heute zn feiern, gab Mir anläßlich Meines Jubi läums einen neuen Beweis seiner früheren beständigen Freundschaft, mdem er mir zwei Briefe schrieb: einen offiziellen, den Ich Mich zu veröffentlichen beeilte, und einen privaten, welche mich auf das Innigste rührten. Auch Ich hege die in den Briefen ausgedrückten Gefühle und wünsche und rechne vollständig auf die Aufrechterhaltung und Bekräf tigung der mehr als jahrhundertlangen Beziehungen zwischen Unseren beiden Völkern zu deren gegenseitigen! Wohle. Ich trinke auf das Wohl Sr. Majestät des Kaisers und Königs, Meines besten Freundes. Möge ihn Gott beschützen nnd Uns den Trost geben, seinen Geburts tag noch lange Jahre zu feiern." — Die Bemerkungen, mit welchen wir feiner Zeit das vom Fürsten Bismarck gegengezeichnete Glückwnnsch- schreiben unseres Kaisers an den Czaren begleiteten, können auch der obigen Auslassung des russischen Herrschers angepaßt werden. Die gute Freundschaft der beiden hohen Monarchen ist über jeden Zweifel erhaben, der gute Wille des Czaren Alexander, mit Deutschland Frieden halten, nicht minder. Jndeß haben der Orientkrieg und manche andern Ereignisse in Rußland zur Genüge gezeigt, daß die guten Ab- uchten des Czaren nicht immer stark genug sind, um andere nichtdeutsch- steundliche „nationale" Strömungen in Rußland zu bewältigen und die panslavistische Politik im Zaume zu halten. Wenn wir also auch ben Friedens- und Freundschaflsversicherungen des Czaren den vollsten Mauken schenken und sie als den Ausdruck eines wirklich dentschsreund- uchen gesinnten Herrschers sehr hoch schätzen, so überschätzen wir die- elben doch andererseits auch nicht und freuen uns, daß die friedlichen Worte des Kaisers Alexander in der österreichisch-deutschen Freundschaft «ne angenehme Ergänzung und den nöthigen reellen Hintergrund finden. Berlin. Die Blicke der hiesigen politischen Welt sind seit oen letzten 2 Tagen auf den Fürsten Orloff gerichtet, der als einer der Träger der Gortschakoffschen Politik galt und notorisch der Allianz Rußlands und Frankreichs die Wege bahnte. Man weiß indiploma- Kreisen, daß Fürst Bismarck sich zu wiederholten Malen über die Thätigkeit dieses Staatsmannes nicht in der freundlichsten Weife N i »5' so überraschender war es, ihn plötzlich auf der hiesigen -oildfläche, in einer Inständigen Konferenz mit dem Leiter unserer auswärtigen Politik erscheinen zu sehen. Wir übergehen, was in Hof- velsen an diese, sowie an die fernere zweistündige Unterredung mit dem raper geknüpft wird, wollen aber nicht unerwähnt lassen, daß Fürst Noss von dem deutschen Reichskanzler nicht etwa als ein außer Kurs Staatsmann betrachtet wird. Während seiner hiesigen Anwe- i nyeit stand er in fortwährendem telegraphischen Verkehr mit dem Czar "nd der oben geschilderte sympathische Toast des Czaren bei Geburtstagsfeier des deutschen Kaisers, der hier äußerst wohlthuend berührt hat, wird mit diesem Ideenaustausch in Verbindung gebracht Daß der Umschwung in Petersburg, der durch die Hartmann-Affaire wesentlich befördert worden ist, sich nicht blos auf den Kaiser persön lich erstreckt, sondern auch weitere maßgebende Kreise in sich zieht, da für spricht u. A. die Entschiedenheit, mit welcher der Thronfolger sich in einem privaten Cirkel kürzlich gegen die französische Regierung und die dortigen Staatsmänner äußerte. Jedenfalls aber bewahrt die deutsche Diplomatie so lange eine gewisse Zurückhaltung, als nicht in den aus wärtigen Angelegenheiten Rußlands die Fäden aus jener Hand ge nommen sind, die in den letzten Jahren den/Gang der deutschen Po litik grundsätzlich zu durchkreuzen trachtete. In der Reichstagssitzung vom 17. d. gab Delbrück bei der Verhand lung über beantragte Aenderung der Gewerbeordnung einen interessanten Ueberblick des Geschäfts- und Jnnungswesens in Preußen. Er erkennt an, daß Einzelnes an der Gewerbegesetzgebung wohl geändert werden könne, warnt aber vor übertriebenen Erwartungen bezüglich der Wirkung der Gesetzgebung auf das Handwerk und dessen Entwicklung. Staats minister Hofmann erklärt: daß die Regierungen an dem Princip der heutigen Gesetzgebung festhalten, aber bezüglich einzelner Punkte einer Abänderung nicht abgeneigt seien. Die Wiederbelebung des Jnnungs wesens sei durchaus nicht dem Geiste der Gewerbeordnung entgegen. Diese habe die Innungen nie aufgehoben, sondern sogar Bestimmungen über die Bildung neuer Innungen getroffen. Das corporative Be wußtsein, welches in den Innungen Ausdruck finde, habe eine hohe ernstliche Bedeutung. Nachdem die erste berechtigte freudige Theilnahme, welche die ganze civilisirte Welt dem Gelingen des großartigen Werkes, der St. Gotthard-Durchtunnelung entgegen gebracht, zur vollen Geltung gekommen, ziemt es sich wohl, auch der Opfer zu gedenken, Opfer an Menschenleben nnd der Gesundheit der Braven, die im Innern des ge waltigen Berges als Pioniere des neuen Verkehrs thätig gewesen sind. Die Zahl derjenigen, die auf dem Ehrenfeld der Arbeit gefallen sind, ist nicht gering, es sind mehr als 140 Todte, außerdem 400 Verwun dungen während der achtjährigen Arbeit zu beklagen gewesen. Die Unfälle sind vor Allem bei Schießen vor Ort, dnrch Ueberfahren durch die Fördergeräthe, durch große Explosionen von Pulver- und Dynamit- Magazinen, durch Ersticken in den Minengasen, durch andere bei der Bergarbeit gewöhnliche unglückliche Zufälle entstanden. Ueber ein am 20. März Vormittag unweit der Station Halle stattgehabtes entsetzliches Eisenbahnunglück berichtet ein Augenzeuge Folgendes: Die von Halberstadt via Aschersleben in Halle eintreffen den Personenzüge fahren kurz vor dem Bahnhof Halle ein Stück pa rallel mit denjenigen Zügen, die auf der Strecke Magdeburg-Leipzig verkehren. Diefe Parallelgleise sind nun durch ein Weichensystem für etwaige Rangirmanipulativnen mit einander verbunden und zwar der gestalt, daß das für die Halberstädter Züge bestimmte Gleis das Mag deburger überschneidet und dann noch zu verschiedenen Rangirgleisen führt. Als nun gegen 10 Uhr Vormittags der 7.28 von Halberstadt abgelassene Personenzug die vorgenannte Bahnstrecke passirte, stieß er, und zwar in Folge falscher Weichenstellung, auf den Vormittags 7.28 in Magdeburg abgelassenen Personcnzug, der eben in der Einfahrt be griffen war, bahnte sich, einen stark besetzten Personenwagen IV. Klasse und den Zugführerwagen dieses Zuges total zertrümmernd, durch diesen gewaltsam einen Weg und erfaßte durch eine weitere falsch stehende Weiche noch einen Rangirzug, der kurz vorher die von dem Halber- städter Zuge irrthümlicherweffe durchfahrenden Welchen Passirt hatte und richtete auch hier noch arge Verwüstung an. Leider hat dieser traurige Unfall auch mehrere Menschenleben gekostet, denn es waren nicht weniger als 4 Personen aus der Stelle todt, außerdem 7 sehr schwer verletzt, von denen bereits noch 2 gestorben sind, außerdem trugen noch 11 Passagiere leichtere Verwundungen davon. Die Ein zelheiten über vorstehend Mitgetheiltes lassen recht das Entsetzliche des Unglücks erkennen. Der Anprall war ein furchtbarer; die eine Ma schine sprang zur Seite, während die andere in die Wagen des entge genstehenden Zuges buchstäblich hiueinfuhr. Ein mit Getreide bela dener Packwagen schnellte sofort quer über das Geleise, die Maschine fuhr dnrch ihn hindurch, so daß das Dach und die Giebelwände eine Brücke quer über das Geleise bildeten. Ein anderer Packwagen war gespalten, herüber und hinüber stürzten die Trümmer anderer. Der Gepäckwagen mit seinem Inhalte war in Stücke gegangen, das fürch terlichste Schicksal aber war dem nun folgenden Perlonenwagen 4. Classe und seinen Insassen zugedacht. Hier hatten die Räder der Maschine ein entsetzliches Gemetzel angerichtet. Die Maschine befand sich mitten im Wagen und der starke Dampf, der derselben noch fortwährend ent strömte, wird den armen Menschen vollends schlimm zugesetzt haben. Leichter Verwundete oder nur vom Schreck Gelähmte lagen einander