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Roßwein. Ueber die bereits berührten Vorkommnisse, bei dem hiesigen Vorschußverein schreibt der „Roßweiner Anz." folgendes: Ein schweres Unglück ist über Roßwein hereingebrochen. Hatte unsere ganze Industrie ohnehin jetzt schon schwer unter den drückenden Zeit- Verhältnissen zu leiden, so ist nun auch in die engen Grenzen unseres Städtchens selbst die Noth nnd Sorge in einer Weise eingezogen, die Treue und Glauben im Geschäftsverkehr fowohl wie im öffentlichen Leben furchtbar erschüttert haben. Die gerichtliche Untersuchung wird ergeben, wer die Schuld an dieser Katastrophe trägt, und wenn wir berichten, daß der Direktor des Vorschußvereins, Engelbert Brückner, auf Veranlassung der königl. Staatsanwaltschaft Mittweida wegen Führung eines zweiten geheimen Kassabuches heute in Haft genommen worden ist, so trifft Pie' Schuld doch nicht diesen allein, sondern den ganzen Vorstand, wenn auch in minderer Schwere. Mildernd tritt nur hierbei der Umstand ein, daß die Fälschungen seitens ves Direktors und auf Drangen desselben auch des Kafsirers im (allerdings falsch verstandenen) Interesse des Vereins unternommen worden sind, nicht, um sich persönlich bereichern zu wollen. Bei gründlicher, strenger Revision der Bücher und des Kassenbestandes rc. mußte aber diese Mißwirthschaft schon viel eher entdeckt und bloßgelegt werden und wäre es danü nicht möglich gewesen, daß dem Publikum, resp. den Mitgliedern durch Vorführung falscher Bilanzen jahrelang Sand in die Äugen gestreut wurde. Nach den „Dr. N." läßt sich das Deficit des Roßweiner Vor- fchußvereins noch nicht übersehen, doch spricht man allgemein von ca. 1,500,000 Mk. Außer dem aus einem einzigen Conto-Corrent-Credit refultirenden Verluste von gegen 480,OM Mk. soll der Direktor des Vereins, Stadtrath B., auch gegen 450,000 Mk. entlehnt haben; ein anderes Vorstands-Mitglied, Stadtrath K., soll 150,OM Mk. schuldig sein, derselbe hat aber rechtzeitig feine Fabrik verkauft. Auf den Besitz sämmtlicher Mitglieder ist bereits Beschlag gelegt. Wie man hört, will man Nachzahlungen der Mitglieder beantragen, am härtesten wird dieses die ärmeren Mitglieder treffen. Der langjährige Con- troleur H., und gleichzeitig Vorstandsmitglied, soll den Zusammenbruch damit entschuldigen: er habe den Mitgliedern Dividende verschaffen wollen (die nicht verdient war.) Die lammfrommen Mitglieder haben sich dieses stets gefallen lassen, einige Widerspenstige sind indeß, nachdem dieselben längst den Zusammenbruch voraussahen, abgegangen. Wenn der Controleur seine Dividendenwuth auf Rechnung des Ge winnes aus dem großen Conto-Corrent zu setzen bemüht ist, so dürfte sich sehr leicht aus der vergleichenden Uebersicht des jährlichen Ge schäftsergebnisses seit der Gründung des Vereins nachweisen lassen, daß nur das Kleingewerbe dem Verein Nutzen gebracht, das große Conto-Corrent aber den Sturz des Vereins herbeigeführt hat. Bettler und Millionär. Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ja, man kann viel tolles, widersinniges Zeug im Fieber erleben, wovon man im Wachen keine Ahnung hat," sagte Herr Wallburg langsam. „Mein Traum war so wüst als möglich, voll Mord und Todtschlag. Gottlob, daß diese Nacht hin ist. Du siehst bleich und araeariffen aus, Elisabeth! Schick' mir den Behrend her und leg' Dich zur Ruhe nieder." Die Frau blickte verwundert auf den Kranken, dessen Fieber gänzlich verschwunden, ja der sogar völlig wieder hergestellt schien. Hatte sie sich in seinem Gewissen geirrt und waren es wirklich nur tolle Ausgeburten des Fiebers gewesen, dessen er sich in der Nacht beschuldigt? Sie mußte seinem Willen jetzt gehorchen, da er niemals, in kranken wie in gesunden Tagen, Widerspruch ertrug. So verließ sie gefoltert von zwiefacher Angst, das Schlafzimmer. In der Thür je doch schien ihr ein rettender Gedanke zu kommen. Sie wandte sich rasch um und fragte, so ruhig als es ihr möglich war: „Wenn Herr Behrend nach der Katharinenstraße gegangen ist soll ich Dir dann inzwischen, bis ich einen Boten zu ihm gesandt Hedwig schicken?" „Hedwig? Ach, laß das Kind nur schlafen", meinte der Kranke, so mild, wie seine Frau ihn niemals gesehen. Frau Wallburg schüttelte leise den Kopf und öffnete die Thür, als Hedwig eben in desselben erschien. „Wie gcth's dem Vater?" flüsterte sie. „Verzeih', mein Mütterchen daß ich die Zeit verschlafen!" Sie küßte sie zärtlich und ebenso leise versetzte die Mutter: „Der Vater ist bedeutend besser. Suche durch List und Schmeichelei bei ihm zu bleiben, selbst wenn Behrend kommen sollte und man Dich hinausschicken will." Hedwig blickte die Mutter erstaunt an; doch als sie ihr bleickes, tiefbekümmertes Antlitz bemerkte, nickte sie entschlossen und trat dann leise an das Bett des kranken Vaters. Frau Elisabeth zog die Thür geräuschlos zu und begab sich in's Wohnzimmer, um sich nach dem Buchhalter zu erkundigen. Sie schrack heftig zurück, als sie dort bereits Tante Angelika aus dem Divan er blickte, mit dem Gesuchten im leisen, eifrigen Gespräch begriffen. „Guten Morgen, Frau Schwägerin!" rief Erstere. „Wie geht's meinem Bruder?" „Bedeutend besser, liebe Angelika! Mein Mann wünscht Sie zu sprechen, Herr Behrend!" Der Buchhalter erhob sich rasch, warf der Tante einen bedeut samen Blick zu und verließ das Zimmer. „Wollen Sie Ihren Kaffee hier trinken, liebe Schwägerin?" fragte Frau Wallburg zerstreut. „Ich werde danach klingeln, meine Liebe!" versetzte Tante An gelika mit einer seltsamen Freundlichkeit, welche der Frau unheimlich erschien. „Sie sehen aber schlecht aus nach der durchwachten Nacht. Trinken Sie eine Tasse schwarzen Kaffee, Frau Schwägerin, und legen Sie sich dann zum Schlafen oder mindestens zum Äusruhen nieder. Bedenken Sie, liebe Elisabeth, wenn auch Sie krank würden, was sollte aus uns Andern werden?" Frau Wallburg wußte nicht, ob sie wache oder träume. Es mußte etwas recht Schlimmes im Werke sein, daß die Schwägerin eine scheinbare aufrichtige Liebe und Besorgniß für ihre Person an den Tag legte. Schlafen, ruhen! Wie wäre ihr solches nur möglich gewesen, wo vielleicht die Zukunft ihres Kindes auf dem Spiele stand. „Ich befinde mich besser, als ich anssehe," erwiderte sie deshalb so ruhig, wie möglich. „Der Hausstand erfordert gerade jetzt meine volle Thätigkeil; da vergeht die Müdigkeit schon von selbst." Sie verließ schnell das Zimmer. Tante Angelika's Anblick war ihr an diesem Morgen doppelt peinlich. Doch nirgend ließen die Gedanken ihr Ruhe, sie. weilien unausgesetzt an dem Bette des kranken Galten, wo auch Hedwig sich noch immer zu behaupten schien. Werfen wir aüs's Neue einen Blick in jenes Schlafzimmer, welches vom bleichen Tageslichte jetzt gespenstisch erhellt war. Hedwig saß am Bette des Vaters und hielt seine Hand schmeichelnd in der ihrigen. Wie das liebliche Kiud so mit ihm kos'te und plauderte, ihm Muth einsprach und die Sorge, den finsteren Mißmuth, ja selbst die Angst aus seiner Seele zu bannen suchte, wurde es dem kalten Manne ordentlich wunderbar und weich um's Herz, daß ihm war, als löse sich eine starre Rinde von seiner Brust los und treibe ihm eine nie geahnte Quelle — die lindernde Thräne — iu's brennende Auge. „Nicht wahr, mein Kind, Du liebst Deinen Vater so recht ohne alle Nebenrechnung?" fragte er plötzlich mit setsamer Rührung. „Ei, welche Frage, mein Vater!" rief Hedwig erstaunt. „Kannst Du an der Liebe Deines Kindes zweifeln?" „O, man hat das oft!" flüsterte der Kranke düster. „Man hat Beispiele von bösen Kindern. Da war Paul zum Exempel —" „Paul war niemals böse, mein liebes Väterchen!" versetzte Hed wig eifrig. „Er liebte Dich wie die Mutter von Herzen. Nur böse Menschen Ein lautes Husten an der Thür unterbrach sie, daß sie jäh ver stummte. Der Buchhalter Johann Behrend stand dort, ohne daß man sein Eintreten bemerkt hatte. Jetzt kam er geräuschlos, wie eine Schlange aus dem Weichen Teppich näher. Hedwig schauerte instinktmäßig zusammen; sie hatte stets einen entschiedenen Widerwillen gegen diesen Mann empfunden und ihr klarer Verstand bald den Dämon des Hauses in ihm erkannt. „Der Herr hat nach meiner Gegenwart verlangt, wie Madame die Güte hatte, mir mitzutheilen," sagte er mit seiner stereotypen unterwürfigen Freundlichkeit. „Ja so, ich vergaß — na bleiben Sie nur hier, Behrend — wir können ein wenig plaudern — es fällt mir wohl wieder ein, was ich eigentlich mit Ihnen überlegen wollte. Gott sei Dank, daß ich mich wieder besser fühle! Ich glaubte schon, daß mich die — einerlei, es war im Grunde eine Thorheit von mir — ein schlechter Spaß; die Polizei sollte besser ans das Lumpengesindel vigilireu. Meine kleine Hedwig hat mich ganz curirt. ES geht doch nichts über ein gutes, dankbares Kind! Meinen Sie nicht auch, Behrend?" Der Buchhalter drückte seine Brille dicht au die Augen und ver beugte sich lächelnd. „Fräulein Hedwig ist ein Juwel, darüber ist alle Welt einig", sagte er verbindlich. „Bin ich doch begierig, wo sich eine würdige Krone finden wird, dieses Kleinod als höchsten Schmuck cinzu- reihen, eine Krone, welche das Haus Wallburg hinreichend präsen- tiren könnte." Hedwig erröthete und ein unwilliger Blitz schoß aus den sanften Augen zu dem vorwitzigen Schwätzer hinüber. „O, damit wollen wir uns nicht übereilen", meinte Herr Wall burg stirnrunzelnd. „Ich denke, der Chef soll es Euch heute zeigen, daß er den Tod in die Flucht zu schlagen vermag. Und mein Töch terchen denkt eben so wenig an irgend eine Krone, nicht wahr?" „Gewiß nicht, Väterchen!" versetzte Hedwig hastig. „Herr Behrend mag sich selber vorerst eine Hauskrone aussuchen." „Danke schön, liebes Fräulein!" lächelte der Buchhalter, „solche Krone würde meinem grauen Kopfe schlecht stehen. — Nun, ich bin erfreut, unsern theuren Herrn so unerwartet wohl und munter zu finden. Nach den Vorgängen dieser Nacht ließ sich das in der That nicht vermuthen." „Ich war also wohl recht krank?" forschte der Kaufmann ängstlich. „So sehr, daß ich mindestens auf ein gefährliches Nervenfieber schließen mußte", versetzte Behrend langsam und bedeutungsvoll. „Die Phantasien erschreckten und beunruhigten mich ernstlich." „Waren Sie allein bei mir, Behrend?" fragte Herr Wallburg unruhig weiter. „Die Madame theilte sich im Wachen mit mir", erwiderte der Buchhalter. „Hm — ja so, jetzt fällt mir's wieder ein. Laß uns allein, mein Kind!" „Ach, Väterchen, waS sollen jetzt die leidigen Geschäfte, schmeichelte Hedwig, welche au die Mahnung der Mutter dachte. „Laß mich doch hier, damit Du heiter und gesund bleibst. Glaub' mir, der Behrend bringt Dir nur die alten Grillen wieder zurück." „Magst s» Unrecht nicht haben", murmelte der Kaufmann düster. „Und doch muß es sein", setzte er laut hinzu. „Geh', Kind — es ist mein Wille! Nachher bist Du wieder da, um die Grillen zu verjagen." Hedwig küßte den Vater und entfernte sich schweigend. Der Buchhalter blickte ihr finster nach, ging dann nach der Thür, um sie fest in's Schloß zu ziehen, wobei er eine halblaute Verwünschung vor sich hinzischte und kehrte rasch zu dem kranken Herrn zurück, der ihn mit unverkennbarer Angst anblickte. (Forts, s.) Vermischtes. In Torgau herrscht feit mehreren Wochen unter dem Militär der Typhus. Bereits sind ein Stabsarzt, fünf Lazarethgehilfen, mehrere Krankenwärter und fehr viel Infanteristen und Artilleristen von dieser Krankheit befallen worden; das Lazareth ist vollständig überfüllt mit Kranken und scheint es eher schlimmer wie besser zu werden. Ein sehr bedauerlicher Unfall ereignete sich vor einigen Tagen auf dem Dominium Rudoltowitz bei Pleß in Schlesien. Sechs Per sonen waren mit dem Umreißen einer Mauer beschäftigt. Um die Arbeit zu beschleunigen, wurde die Mauer untergraben, ohne daß da bei die nöthige Vorsicht beobachtet wurde. Die Mauer stürzte ein und begrub unter ihren Trümmern 6 Menschen. 4 Personen fanden so- fort ihren Tod, während 2 gräßlich verstümmelt. Kirchenuachrichten ans Wilsdruff. Am Sonntage Palmarum Vormittags Einsegnung der diesjährigen Confirmanden durch Herrn k. vr. Wahl. Nachmittag Betstunde.