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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Mebenlehu und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmamlschast zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zn Wilsdruff. Diese« Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Nhk. ^80. Dienstag, den 9. October 1877. Stadtgemeindentthsntzung am 21. September 1877. 1 ., Zunächst kam das Verzeichniß der städtischen Schulgeld- und Abgaben-Reste nebst den dazu abgegebenen Erklärungen der Caffen- deputation zum Vortrag und wurden die darauf gefaßten Entschließ ungen und zwar nach vorausgegangener nochmaliger Prüfung der einzelnen Posten sofort zu demselben geschrieben; 2 ., Genehmigte man, daß der Aran Mathilde verw. Schnee hier für ihre Person und unter der Bedingung, daß dadurch die Passage in der Schulgasse nicht gestört und insbesondere Geschirre bei ihrem Hause Cal. No. 179 des Nachts gar nicht und am Tage nur, inso- , weit thunlich, stehen gelassen werden, Erlaubniß zum Bier- und ! Branntweinschank in ihrem gedachten Hause ertheilt werde; 3 ., Legte man den Kostenanschlag wegen Umdeckung und bez. Ausbesserung d^s hiesigen Rathhausdaches vor, und beschloß man ») diese Arbeiten in der veranschlagten Weise ausführen zu , lassen, d) das erforderliche Material an Ziegeln rc. selbst dazu zu liefern und v) die Baudeputation mit der Ueberwachung derselben und Vernehmung mit Herrn Ehdam wegen des zu zahlenden Arbeitslohnes zu beauftragen; 4 ., Beschloß man, die Pflaster- und Planie-Arbeiten zwischen der Saubachbrücke und dem Freiberger Thore noch bis zur Vollen dung des Straßenausschnttes zu beanstanden und übergab 5 ., die städtischen Rechnungen ans» Jahr 1876 Herrn Stadtver ordneten Loßner zur Prüfung. Wilsdruff, am 5. October 1877. Der StadtlMeinderath. Ficker. Dresden, 7. October. Als vor Jahren konservative Blätter auf das bedenkliche Wachsthum der socialdemokratischen Bewegung hiuwiesen und vor den von dieser Seite drohenden Gefahren warnten, fpöttelten liberale Blätter über diese „reactionäre Schwarzseherei". Und heute hält das Organ des Berliner Fortschrittes, die „Voss. Ztg." die so cialdemokratische Agitation der Fortschrittspartei als Muster vor. Das genannte fortschrittliche Blatt erklärt die Agitation und Organi sation der socialdemokratischen Partei während der Reichstagswahlen für ein „hervorragendes Beispiel in der Geschichte der Wahlbcweg- ungen." Die nöthigen Geldmittel — so erzählt die Voss. Ztg. — wurden lediglich durch freiwillige Sammlungen der Arbeiter aufge bracht, die durch 43 Wochen, also nahezu ein ganzes Jahr hindurch fortgesetzt wurden. Diese Sammlungen brachten eine Summe von 15,700 Mark ein, die auf den Druck von Plakaten, Versammlungs einladungen, Wahlaufrufen, Stimmzetteln, Mahn- und Zählzetteln, Festprogrammen und dergleichen, sowie auch zur Unterstützung der Agitation außerhalb verwendet wurden. Im Ganzen wurden unent- geldlich 1,346,145 Exemplare von Drucksachen verbreitet. Es haben ferner 307 politische Versammlungen mit Vorträgen binnen Jahres frist stattgefunden. Und das in Berlin allein. Hält man diese Leistungen der Socialdemokratie neben die der anderen Parteien in Berlin, so wird man schwerlich bei irgend einer auf gleiche Opfer willigkeit stoßen, zumal wenn man die beziehungsweisen Vermögens- Verhältnisse in Rechnung zieht. Außerhalb Berlin, im ganzen deutschen Reiche steht es nicht an ders. Hat Berlin zwei Socialdemokratcn in den Reichstag gesandt, so hat Dresden gleichfalls einen dahin geschickt; daß in den Säch sischen Landtag Liebknecht keinen Zutritt erhält, ist einem zufälligen Umstande zu danken, und es kann leicht sein, daß die Anhänger der Socialdemokratie diesen Fehler bei der Nachwahl wieder gut zu machen sich angelegen sein lassen. In Gera steht ein Socialdemokrat zur Stichwahl und im Altenburgischen Landtage sitzen bereits zwei So cialdemokraten. Im Großherzogthum Hessen erwerben die Social demokraten einen Sitz nach dem andern in den Gemeindevertretungen. Wie die Socialdemokratie zu solchen Erfolgen gelangt ist, das lehrt schon die oben erwähnte Kundgebung der „Voss. Ztg." Die beispielloseste Rührigkeit und Thätigkeit, sowie der Opiersinn der Parteigenossen hat dies ermöglicht. Vorzugsweise aber verdankt die Partei ihre Ausbreitung der Pflege, welche sie der socialistischen Presse angedeihen läßt. In Deutschland allein bestehen an 60 so cialdemokratische Blätter, darunter zwei Rcvuen: die „Zukunft" und die „Neue Gesellschaft". Auch über eine illustrirte Zeitschrift verfügt die Partei, welche Zeitungsnachrichten zufolge bereits in 40,000 Exemplaren verbreitet ist. Wie die „Magdeburger Ztg." erfährt, soll in der Provinz Sachsen jetzt auch eine eigene socialistische Buch handlung gegründet werden, zu welchem Zwecke bereits 12,000 Mark aufgebracht sind. Dieselbe wird selbstverständlich nicht wenig zur Verbreitung socialdemokratischer Anschauungen beitragen, zumal sie um Verbreiten und Colporteure nicht verlegen sein dürfte. Die beiden oben erwähnten Rcvuen haben die Aufgaben, die so - cialistischcn Forderungen wissenschaftlich zu begründen. Auf die Massen werden dieselben weniger wirken, denen genügt die Aufstell ung der Forderungen in den Tagesblättern. Aber um auf die Ge bildeten einzuwirken, bedarf es der wissenschaftlichen Beweisführung. Wer es noch für ein Phantasiegebilde der socialdemokratischen Führer hält, auch auf die Vertreter der Intelligenz einwirken zu wollen, der dürfte durch die neuesten Vorgäng eines anderen belehrt sein. Ein mal hat die Asfaire Düring bewiesen, daß in der deutschen Stu dentenschaft viele socialistisch angehauchte Elemente vorhanden sind; sodann aber sollen auf den Gymnasien bereits socialdemokratische Ideen weitere Verbreitung gesunden haben, als man für gewöhnlich annahm. Endlich sprechen auch die günstigen Resultate, welche die Socialdemokrateu bei Gemeinde- und Landtagswahlen erzielt haben und noch immer mehr erreichen werden, dafür, daß ihre Ideen im kleinen Beamtcnstande, Bürgerstande p. p. schon Eingang gefunden haben. Herr Max Hirsch mit seinem „Antisocialisten-Verein" wird gegen diese höchst besorgnißerregende Ausbreitung der Socialdemokratie keine Abhülfe schaffen; dagegen kann nur die konservative Partei mit Erfolg ankämpfen. Aber auch diese hat wenig Aussicht auf Erfolg, wenn sie sich nicht an der Rührigkeit der Socialdemokratie ein Bei spiel nimmt und es dieser, vornehmlich auf dem Gebiete der Presse gleichzuthun strebt. Unter den vielen Wandcrversammlungen der letzten Wochen und Monate war die interessanteste die Versammlung der Naturforscher ! und Aerzte ln München. Vieles, was dort von Meistern der Wissen- ! schaffen zum Vortrag kam, wird nach und nach in die Zeitungen dringen und zum werthvollen Gemeingut werde». Auch die abend lichen Feste nach angestrengter Tagesarbeit waren sehr gelungen, Geist, Humor, Kunst und guter Stoff wetteiferten mit einander und den Gästen aus allen Ländern wurde cs wohl. Ein Zeugniß dafür ist der Trinkspruch, den der französische Naturforscher Professor La- neßau im Namen aller französischen Gäste ausgebracht hat. Er lautet: „Wir werden nach unserem Vaterlande zurückkehren, um unsern Mitbürgern zu sagen, mit welcher Liebenswürdigkeit wir in allen Städten Deutschlands empsangcn worden sind. Wir werden zurück kehren, um Frankreich zu lehren, Deutschland zu lieben. Wir werden Frankreich den deutschen Liberalismus zutragcn, wie wir uns hier bestreben den französischen Liberalismus zu belhäligcu. Ich trinke auf das Wohl Deutschlands und cs sei mir erlaubt, zu gleicher Zeit aus das Wohl meines Vaterlandes zu trinken. Ich trinke auf die Geschwister Deutschland und Frankreich!" — Das war eine mulhige Thal, die von der Versammlung mit jubelndem Beifall aufgenommcn wurde. Wir dürfen gespannt sei», wie man sie in Frankreich aus- nimmt. Etwas vorgearbeitet in einer gerechteren Würdigung Deutsch lands hat schon der bekannte Oberst Stoffel in einer Reihe offener Briefe an seine Landsleute. Sie scheinen aber in der Aufregung der Wahlkämpfe verhallt zu sein. Am 14. Oclober wählt Frankreich seine neue Kammer. Je näher der Wahltag rückt, desto größer wird die Spannung. Für die Mehrheit des Volkes handelt cs sich darum, Republikaner zu wähle», das heißt Männer, welche die Republik als die augenblicklich einzig mögliche Negiernngsform aufrichtig und energisch erhalte» und weder einen Napolcon'fchcn Kaiser, noch einen Bourbonischcn oder Orlcanistischen oder auch Mac Mahon'schen König haben wollen, weil das den Bürgerkrieg bedeute, wie Thiers sagte. Diese Republikaner würde» auch den Präsidenten Mac Mahon bis 1880, wo sei» Amt abläufl, unterstützen, wenn er zeigte, daß crs mit der Republik ehrlich meine. Aber da steckt der Hake». Mac Maho» betreibt die Wahle» und läßt sie betreibe», als handle es sich um eine» Kreuzzug für Nom, sei» Einverständniß mit de» Römlinge» und seine Abhängig keit von denselben tritt immer greller hervor. Und darin liegt das ernste Interesse Deutschlands an de» französische» Wahlen. Wen» Mac Mahons Partei siegt, so kann Rom sagen: ich habe gesiegt, Frankreich ist mein Schwert! Wir Deutsche wisse», was das heißen will. In den Hirtenbricsen der Bischöfe und in den Wahlaufrufen ist viel mehr von Rom, das heißt nicht von dem Nom Victor Emanuels, sonder» von dem päpstliche» Nom, die Rede als von Frankreich. Der Papst selber Hal französische Wallfahrer angewise», wie sie wähle» solle», der Lourbone Henri V. hat seinen Lilienstcngel gesenkt vor Nom; wühlt, wie Non: bestehlt, hat er seine» Anhängern erklärt. Der Erzbischof von Bourges (Fürst Latour d'Auvergne) Hal eine drei tägige Andacht vor den Wahle» ausgeschrieben und alle» Anhängern Mac Mahon's im Namen des Papstes 300 Tage „Vergünstigung" und einen vollkommenen Ablaß zugesichert; cs handelt sich, schreibt er, nm Erhaltung des katholischen Frankreich, um Wahrung der wahren Interessen der römischen Kircke, um Befreiung des Papstes (Wiedererlangung von Rom für den Papst), zu Gunsten dieser Sache hätten alle Thronbewerber zu verzichten. Es fehlt nur noch, daß die Bischöfe alle Glocken zur Wahl läuten lassen. Sonderbar ist's, daß ultramontane Zeitungen mit Vorliebe von einer lebenslätiglichc» Präsidentschaft Mac Mahons schreiben. In Nom war dieser Tage