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Mochcnblat für für 73 1877 Freitag, den 14. September Tagesgeschichte. Wie sehr die geordneten deutschen Verhältnisse auch im Ausland« geschätzt werden und wie stark deutsche Industrie in allen Welttheilen sich vortheilhast Hervorthut, zeigt ein Bericht amtlichen Ursprungs aus Guadalajare (Mexico,) der hcrvorhebt, daß das deutsche Reich seinen übliche» und sehr respectablen Beitrag zu der Einfuhr im Jahre 1876 lieferte und daß seine Schiffe, die selbst der nichtdeutsche Kaufmann wegen ihrer guten Leistung und Führung für lange und ungewöhn liche Vorsicht erfordernde Reisen gern bevorzugt, auch 1876 wie im Vorjahre fast ausschließlich für di; Fahrten nach der Westküste benutzt wurden. In Bezug auf die Einfuhr erwähnt der Bericht: Von deutschen baumwollenen Waaren wurden eingesührt: Berliner Points, Strumpf- und Baudwaaren, Taschentücher, Damast, rothesGar»; von deutschen Wollwaaren: Tuche, Cashmire, Twist, Zephhrwolle. Die elsässischen Madepolamas werden den englischen vorgezogen. Der Handel mit Eisen- und Quinquaillerie-Waaren ist fast ausschließlich in den Händen Deutscher, von fünf dergleichen Anstalten sind 4 deutsche und ein französisches. An der Einfuhr dieser Sorte Waaren nimmt Deutsch land mit 40pCt., Frankreich nur mit 20 Antheil. Was den Einfuhr handel im Allgemeinen anbelangt, namentlich an der Westküste, so ist derselbe nach wie vor «ine Art von Monopol in Händen weniger, meist deutscher Häuser, von denen ein jedes jährlich für eigene Rech nung eine volle Ladung Waaren zu empfangen pstegt. Die vertrauensvolle Stimmung, welche im vergangenen Monate in Constantinopcl Platz gegriffen hatte und unleugbar günstig aus den Fortgang der türkischen Kriegsrüstungen zu weiterem Widerstande gegen die russische Invasion wirkte, wird abermals eine bedeutende Wandelung erfahren, wenn man dort Kenntnis; von den neuesten Er- eigniffc:'. auf dem Kriegsschauplätze iu Bulgarien und an der Nordost grenze von Montenegro erhält.' Zwei in ihren Folgen schwere Schläge haben die türkischen Heere betroffen: Plcwna, das lang umrungcne und von den Russen zweimal vergeblich angegriffene, ist von ihnen endlich genommen und Osman Pascha geschlagen worden, und Niksits, die türkische Festung, welche den belagernden Montenegrinern hartnäckige» Widerstand entgegensetzte, hat kapi- tuliren müssen. Die hervorragende Bedeutung des erst angeführten Ereignisses wird einem Jeden, der den Verlaus des Krieges in Bul garien verfolgt hat, klar sein; über Plewna und die Stellung des türkischen Heeres unter Osman Pascha daselbst ist so viel geschrieben worden, daß es genügt, wenn wir daran erinnern, wie nolhwendig, ja geradezu zwingend cs für die russische Heeresleitung war, die be deutenden Kräfte der Türken, welche von Plcwna aus stets die rechte Flanke der Russen und gleichzeitig den Donauübergang derselben be drohten, zu werfen. Dies ist denselben erst beim dritten, lange und sorgfältig vorbereiteten Angriff am 9. Septembelg gelungen. Am 20. Juli wurde, wie hier gleich bemerkt sein mag, General Schilder- Schuldner von den Türken zurückgewiesen und am 29. Juli schlug der weitere Angriff unter den Generalen Krüdener und Schachowskh gleichfalls fehl. Die Niederlage der Türken am 9. September scheint nun aber nach dem bisher vorliegerden kurzen Telegramm eine sehr bedeutende zu sein, da sie sich in großer Unordnung zurückgezogen haben. Dies war zu erwarten, da, wie schon wiederholt hcrvorgc- hoben, die Ruffen diesmal ihre Anstrengungen darauf gerichtet hatten, Osman Pascha gründlich matt zu setzen. Nach der glücklichen Er stürmung von Lowatsch am 3. Sepelcmber konnte der Angriff auf die türkischen Berschanzungen bei Plewna, die Osman Pascha mit den schwersten Festungsgeschühcn armirt hatte, um so eher unter- nominell werden, weil von Lowatsch aus die Nückzugslinie Osman Paschas bedroht wurde, was auch von dem türkischen Feldherrn ge würdigt ward, da er am 4. September von Plcwna aus Verstärk ungen absandte, um Lowatsch wieder zu nehmen. Diese kamen aber zu spät und konnten nichts mehr ausrichten, somit blieben die Russe» im Besitz der wichtigen Stellung. Am 8. September Nachmittags verkündeten Freudenschüsse und Glockengeläuts in Bctianje die Kapitulation von Niksits. Die Ein wohner von Niksits haben ihre Waffen im Lager des Fürsten Nikita abzeliesert; der Einmarsch der Montenegriner erfolgte am 8 d. M. Nachmittags. Nach einem Telegramm der Polit. Corresp. aus Cattaro hätten sowohl die Garnison wie die Einwohner die Erlaubniß er halten sich nach Gaczko zurückzuziehen. Der Kapitulation ging ei» heftiges Bombardement voraus. Die Fürstin Milena und der älteste Sohn des Fürsten sind von Cettinje nach der eroberten Festung gereist. An den Fall dieser kleinen Festung knüpfen sich für die Türken insofern eigene Betrachtungen, weil bekanntlich Suleiman Pascha, der jetzt vor dem Schipkapaffe steht und selben nicht zu sor- ciren vermag, seinen von türkenfreundlicher Seite als großen Erfolg gerühmten Zug durch Montenegro hauptsächlich mit in der Absicht unternahm, die Festung zu verproviantiren. Diese Verproviantirung gelang ihm wohl unter ungeheuren Verlusten, aber jetzt erweisen sich diese damals mit ungeheuren Anstrengungen errungenen Erfolge als gänzlich nutzlos. Die Montenegriner hatten einige Krupp'sche Ge schütz« i» Position bringen können und hierauf siel die Festung, die Jahrhunderte lang ein Stein des Anstoßes für die Bewohner der Schwarzen Berge war. Aus Cettinje wird berichtet, das; am 8. d. Nachmittags 5000 Türken von Podgorrizza her einen Angriff gegen die Südgrenze von Montenegro gemacht hätten, jedoch unter großen Verlusten bis Pod- gorizza zurückgeworfen wären. Montenegrinische Truppen marschiren in einer Stärke von 3000 Mann gegen Trebinje. Aus der Mittheilung eines deutschen Beamten, der Mitte August im östlichen Theile von Bulgarien gereist ist: In Schumla war nur ein russischer Gefangener, der als Sehenswürdigkeit gezeigt wurde. Sonst war in der ganzen Gegend bei dem türkischen Hauptquartier keiner zu finden. Es gilt als allgemeine Annahme, daß die Türken alle in ihre Hände fallenden, insbesondere die ver wundeten russischen Soldaten niedermachen. Auch in Constanünopel weiß man nichts von russischen Verwundeten, die sich in türkischen Hospitälern befinden; und doch müssen sehr viele verwundete Soldaten, namentlich nach den Kämpfen bei Plewna, auf dem Schlachtfelds liegen geblieben und in türkische Gefangenschaft gefallen sein. Zur Kapitulation von Niksits wird der Wiener „Presse" aus Ragusa berichtet, daß die Besatzung der Festung 2800 Mann be trug. Einundzwanzig Geschütze fielen den Montenegrinern in di« Hände. Die Mannschaft soll, da man in Montenegro ohnehin mit Verpflcgs- schwierigkeiten zu kämpfen hat, nach Ablegung der Waffen die Er- laubniß erhalten haben, sich nach Gazko zurückzuzichcn. Mit der Ka pitulation von Niksits bemerkt die „Pr.", welche nach zweitägigen Kämpfen erfolgte, haben die Montenegriner diesmal ziemlich leicht einen Erfolg errungen, um den ob seiner politischen und militärischen Wichtigkeit schon so viel gestritten und gekämpft wurde. Der Besitz von Niksiis eröffnet Montenegro nicht nur die langersehnte Abrundung seiner Landesgrenze gegen Norden, sondern auch den Besitz einer der wenigen fruchtbaren Ebenen der Herzegowina. Fürst Nikola soll be absichtigen, sich zuerst gegen die flankircndc Besatzung von Trebinje durch ein Dctacbcment von 3000 Mann zu decken und dann die Of fensive gegen S pusch zu ergreifen, um die bei den letzte» Friedens- Verhandlungen gewünschten Grenzen vorläufig zu erreichen. Nach einem telegraphischen Bericht aus Adrian opel, über Shra, müssen die Zustände dort über alle Begriffe entsetzlich sein. Noch immer strömen Verwundete zu Tausenden nach Adrianopel, wo kein Hospital und nur drei eingeborene Acrzte sich befinden. Alle Häuser sind voll Menschen, die mißhandelt und verwundet sind. Diese liegen auf den Straßen in Gruppen bis zu 50. die sich ihre Wunden verbinden. Dazu wird unablässig gehangen. Tag nm Tag wird ei» Schub von dreißig und mehr Menschen ausgeknüpst. Man wählt sich die wohlhabendsten und angesehensten Leute (natürlich Bulgaren) aus und konfiszirt ihr Eigenthum. Acktzig der ersten Einwohner von Kar lowa sind hier ausgeknüpst. Gerade diejenigen, welche ein gutes Ge wissen hatten und nicht geflohen sind, verfallen dem Henker. Die Verluste der Armee Suleiman Paschas sind, wie aus Con- stantinopel gemeldet wird, enorm: sie erreiche», ohne Uebertrcibung, die Höhe von 15,000 Mann an Todten und Verwundeten. Kasanlik, Karabunar und Adtianopcl sind überfüllt von Verwundeten, deren es in Kasanlik allein über 1500 giebt und deren Anzahl täglich steigt in Folge der unausgesetzten Kämpfe im Schipkapaffe. Dabei fehlt es aii Aerzten. In den letzten Tagen gab es in Kasanlik nur zwei Aerzte, um über 1000 Verwundete zu versehen. In Adrianopel und den anderen Ambulanzen der Armee Suleiman's herrscht derselbe Mangel, man erwartete nicht eine derartige Menge von Verwundeten. Die transportablen Verwundeten werden daher "nach Constantinopcl dirigirt, woselbst sie die nöthige Pflege finden werden. Täglich werden an Suleiman Pascha auf dringendes Verlangen Verstärkungen geschickt. Die Eisenbahn befördert jeden Tag 2000 bis 2500 Mann. Einige dieser Bataillone sind bewaffnet, die anderen gehen ohne Waffen und Gepäck ab und sollen die nöthige Equipirung in Adrianopel erhalten, wo cs jedoch gleichfalls an Waffen und Munition fehlen foll. Es sind Mustehafiz und Zcibeks, welche Suleiman Pascha zu Hülfe geschickt werden, also nicht sehr kriegstüchtige Leute. Constantinopcl, 10. September. Nach einer Meldung der „Agence Havas" aus nicht osficiellen Quellen soll die Schlacht bei Plcwna fortdauern und Osman Pascha sich dank der Ucberlegenhcit der türkifchen Artillerie gegen die an Zahl stärkeren Russen halten. Suleiman Pascha setzt den Angriff auf den Schipkapaß fort. Constantinopcl, 10. September. Die Ergebung von Niksits mit der Garnison von 1500 Mann am Sonnabend an die Montene griner wird heute amtlich gemeldet. Die türkischen Truppen an der serbischen Grenze erhielten den Befehl, sich bereit zu halten und im Falle der Theilnahme Serbiens am Kriege sofort in Serbien «inzurücken. Konstantinopel, 10. Sept. Es bestätigt sich, daß der deutsche und französische Botschafter wegen der Freilassung derjenigen drei Personen, welche wegen des Konsulmordes nach Widdin gebracht worden waren, jetzt aber frei sind, an die Pforte eine Note gerichtet haben. Die Note der französischen Negierung verlangt die Wieder- einschließung der Verurtheillen, diejenige der deutschen Regierung spricht sich in gleichem Sinne aus. Wilsdruff, Tharandt, Rossen Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal I Mark. Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 UHk. . - —— - --