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zweifelhaft sein. Die Türkei kämpft um Sein oder Nichtsein, sie ist bereits auf der letzten Etappe ihrer geschichtlichen Berechtigung ange- kommen, Rußland aber kämpft für seine Entwickelung, ohne daß doch dabei seine Existenz auf dem Spiele stände. Dabei kann der Krieg noch lange dauern, denn der Sieg der Türken bei Plewna ist eben sowenig eine Entscheidung als der Uebergang der Russen über den Balkan eine solche war. Und abgesehen von den Menschenleben, die zu opfern und zu beklagen sind, wäre ein längerer Krieg zur Lösung der orientalischen Frage förderlicher, als eine rasche Entscheidung. Die letztere würde die übrigen Mächte Enropa's in die Sache hcrein- zichen, weil diese einen so bedeutenden Zuwachs der russischen Macht nicht dulden könnten, während ein langsamer Verlauf des Krieges der Anlaß sein würde, daß die Türken sich selbst ruinirten und daß Ruß land gcnölhigt wäre, von der Verfolgung eigenen Vortheils abzusehen und sich wegen der Zukunft der Donau- und der Balkanläuder wit Europa zu verständige». Das ist die einzige noch denkbare Möglich keit einer endlichen Lösung der orientalischen Frage. In diesem Sinne aber sind die jüngsten Niederlagen der Russen kein Schaden für Europa. (Hiidb. Dorfztg.) Tagesgeschichte. Berlin. Das Gesetz über die Aufnahme einer Anleihe zur Durchführung der allgemeinen Kasernirung des ReichsheereS wird dem Reichstag wieder vorgclegt werden. Bekanntlich sollte eine Anleihe bis zur Höhe von 168,200,000 Mark für die Kasernirungs- zwecke ausgenommen werden, einschließlich der Entschädigungsansprüche Sachsens und Würtcmbergs. Nachträglich sind auch noch von Seiten Mecklenburgs und Badens Entschädigungsansprüche geltend gemacht worden und cs sollen diese noch in Erwägung gezogen werden. Ginge man darauf ein, so würden die Summen, um welche es sich im Ge setze handelt, noch höher anwachsen. Inzwischen ist bereits ein« Reihe dringend nothwendiger Kaserncnbauten in Angriff genommen, Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt siir die König!. Amtshauptmalmschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u.!Freitags und kostet Pro Quartal 1 Mark. Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag IT »Hit. ^66. Dienstag, den 21. August 1877. Das 10. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1877 enthält: No. 56. Bekanntmachung, die der Landständischen Bank des Königlich Sächsischen Markgrafenthums Oberlausitz wegen der Stempel steuerabführung zugestandenen Vergünstigungen betreffend; vom 22. Juni 1877. No. 57. Verordnung, einige Abänderungen der Vorschriften über die Verbüßung der Gefängnißstrafe und über die Einlieferung in die Landcsstrafanstalten betreffend; vom 29. Juni 1877. No. 58. Verordnung, die Festsetzung von Strafen wegen Unterlassung der vorgeschriebenen Meldungen zur Stammrolle rc. betreffend; vom 30. Juni 1877. No. 59. Verordnung, die Benutzung der Postscheine als gültiger Rechnungsbelege bei Zahlungen von Staatsbehörden und Staatsver waltungen betreffend; vom 2. Juli 1877. No. 60. Verordnung wegen Anwendung des Gesetzes, die Ausübung des staatlichen Oberaufsichtsrechts über die katholische Kirche im Königreiche Sachsen betreffend, vom 23. August 1876, in der Oberlausitz; vom 13. Juli 1877. No. 61. Verordnung, die Veranstaltung von Ergänzungswahlen für die II. Kammer der Ständeversammlung betr.; vom 6. Aug. 1877. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt in hiesiger Rathsexpedition zur Einsicht aus. Wilsdruff, am 18. August 1877. Der Stadtgemeinderath. Bekanntmachung, die Feier des 2. September betreffend. Auch in diesem Jahre soll in unserer Stadt der S. September als ein nationaler Festtag und zwar in folgender Weise ge feiert werden: Früh V26 Uhr Reveille, 8 Uhr unter feierlichem Glockengeläute Festzug der Behörden, Corporationen und der sich anschließenden übrigen Einwohner vom Gasthofe „zum goldenen Löwen" nach der Kirche, daselbst angekommen von Seiten des Militär'vereins bei Rede und Sang Bekränzung der Gedenktafeln und des eisernen Kreuzes, hierauf Fest gottesdienst und um II Uhr, nach vorausgegangener Intonation des Chorals: „Nun danket alle Gott" vomRathhaus- thurme, Concert auf dem Marktplatze; Nachmittags Kinderfest der schulpflichtigen Kinder und Concert auf der Vogel wiese, und zum Schluß von Abends 8 Uhr ab geselliges Beisammensein im Rathhaussaale. Indem wir nun die geehrte Bewohnerschaft unseres lieben, freundlichen Städtchens zur Theilnahme an diesem Volksfeste andurch ergebenst einladen, erlauben wir uns an Dieselbe zugleich das freundliche Ersuchen zu stellen, zur Verherrlichung desselben durch Schmückung der Häuser rc. beitragen zu wollen. Speciell das Kinderfest anlangend, fo wird in den nächsten Tagen von uns eine Hausfammlung ver anstaltet werden und bitten wir Geld und andere Geschenke den mit dieser Sammlung betraut werdenden Herren gütigst einzuhändigen. Wilsdruff, am 18. August 1877. MKS durch Ficker, Brgmstr. " Bekanntmachnnq. Mit einer Geldstrafe von drei Mark oder 1 Tag Haftstrafe wird belegt: 1 ., wer seine Hunde ohne Steuermarkc herumlaufen läßt; 2 ., wer die Gänse, Enten und Hühner frei herumlaufen läßt; 3 ., wer die richtige An- und Abmeldung seines Wohnungswechsels, sowie der Besuchsfremden, Gcwerbsgehilsen, Zieh kinder, Aftermiether, Dienstboten rc. nicht binnen zwei Tagen nach dem An- oder Abzüge bewirkt. Wilsdruff, am 18. August 1877. Der Bürgermeister. Ficker. Was ist die orientalische Frage? Sie ist, kurz gesagt, die Aufgabe, wie man die Türkei beseitigen könne,'ohne Rußland so viel stärker und mächtiger zu mache». Es Würde Niemand, auch de» Engländern nicht, einfallen, für die Türkei Partei zu nehme», wenn es nicht geschähe in der Absicht, dem für so mächtig gehaltenen Rußland die Wage zu halten. Es ist vielmehr die allgemeine Uebcrzeugung, daß die Türke» aus Europa hiuaus müsse»; dari» stimme» die Diplomaten und die politischen Kanne gießer vollkommen überein. Wenn es sich nur zeigte — was wir ge rade noch nicht glauben — daß von der Schlacht bei Plewna eine Wendung des Krieges zu Gunsten des Halbmondes dalirte, wenn es sich ergäbe, daß die gesammte Macht Rußlands nicht im Stande sei, mit der erschöpften baukeroitc» Türkei fertig zu werde», so würde mit dieser Erkenntniß das europäische Gleichgewicht eure gewaltige Ner- änderung erleide». Rußland würde damit thatsächlich aus der Reihe der europäischen Großmächte ausscheiden, bei de» Berechnungen der Staatskuiist, in den Fragen der hohen Politik ivürde es nur noch ein geringes Gewicht und eine schwache Stimme haben. Die türkische Tyrannei aber, der größte Schandflecken Europa'S würde noch auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Gerade deshalb wird Rußland um jeden Preis den Sieg er ringen muffen. ES muß seine letzten Kräfte aufbicten, um einer so dcmüthigendcn Niederlage auszuweichen. Im Krimkriege stand es außer der Türkei zwei Großmächten und der bewaffnete» Neutralität Oesterreichs gegenüber; damals besiegt zu werden, war keine Schande, jetzt wäre es eine, da die Türkei allein, der „kranke Mann," der Gegner ist. Die gewaltigen neuen Rüstungen, welche jetzt wieder ein Heer von einer Viertelmillion auf den Kriegsschauplatz bringen, geben Zeugniß von dem Entschluß Rußlands, steh nicht durch zeitweilige Unglücksfälle von dem einmal (ungeschlagenen Wege abwendig machen zu lassen. Und bei solchem Entschluß kann der Ausgang nicht Wohl