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jährlich für 700 Mill. Fr. Waaren, die Umgegend von Lyon für 600 Mill., die von Rouen für 440 Mill., die Umgegend von Mar seille für 27 l und die von Saint Etienne für 240 Mill. Franken. OertlicheS und Sächsisches. Wilsdruff. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte sich vor gestern Abend eine grohe Anzahl Bürger im Rathhansjaale einge- funven, um über die Beschaffung eines öffentlichen Bades zu berathen. Nachdem Referent die Versammlung begrüßt und in Kürze auf die Nothwendigkcit eines Bades in hiesiger Stadt hingewiesen, ging man zur Discussion der Frage über. Im Verlause der Debatte kam man allseitig zu der Ansicht, daß für die allernächste Zeit für einen Kinderbadeplatz zu sorgen sei, infolge dessen wurden dankcnswerthe Anerbietungen gemacht, dieselben acceplirt und durch sofortige frei willige Sammlung der geringe Pachtschilling aufgebracht und somit ein Hauptwunsch der Anwesenden erfüllt. Ueber die Beschaffung einer Badeanstalt für Erwachsene wurde weiter disputirt und schließlich eine Commission gewählt, welche in dieser Angelegenheit weiter ar beiten und in einer später» Versammlung Bericht darüber er statten soll. Die Zahl derjenigen liberalen Abgeordneten der Zweiten sächsischen Kammer, welche ein Mandat nicht wieder übernehmen wollen, hat sich noch um zwei vermehrt. Die Abgeordneten Riedel und Israel lehnen, Ersterer in Rücksicht auf sein hohes Alter und seine geschwächte Gesundheit, Letzterer in Folge von Familienverhältnissen, eine Wieder wahl ab. Aus Dresden ist bereits ein von der dortigen russischen Kolonie arrangirter Sanitätszug nach Rumänien abgcgangen. Der ganze Train sammt der Ausstattung kostet ca. 50,000 Mark, welche Summe von der russischen Kolonie nnd einigen anderen Einwohnern Dresdens aufgebracht wurde. Die Hauptsummen erhielt das Komite von Herrn John Meyer (10,000 Mark) und von der Familie des Barons von Capherr (16,000 Mark.) Das Haus des Unfriedens. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Ehe der Schlossermeister auf dem Gericht erschien, hatte er schon mehrere Locale besucht und davon einen sehr heißen Kopf mitgebracht. Er hatte zwar nur einige Gläser getrunken; aber aus seinen nüchternen Magen war die Wirkung um so stärker. Nun zeigte er sich gerade in einer Verfassung, die am schwierigsten zu behandeln war. Mit dem geübten Scharfblick eines alten Criminal-Richters er kannte der GerichtSrath den Zustand des Schlossers sofort. Fest und ruhig machte er ihn mit dem Zwecke seiner Vorladung bekannt. August Jordan starrte dabei nur finster und schweigsam vor sich hin. Schon die Beantwortung der Personalfragen halte seine Schwierig keiten. Der Schlosser gab kurze Auskunft, ost verweigerte er sie ganz mit dem trotzigen Bemerken: „Wozu müssen Sie das alles wissen? DaS geht Sie gar nichts an!" Er bedurfte der ganzen Besonnenheit des Lriminal-Nichters, um nicht jetzt schon die heftigsten Auftritte herbeizusühren. Endlich war diese Förmlichkeit beobachtet, und der Gerichtsrath konnte zur Sache übergehen. „Auf Ihren Schwager ist der Verdacht gefallen, Ihre Stiefmutter ermordet zu haben," begann er in seiner ruhigen, überlegenen Weise, „und deshalb —" Weiter kam er nicht; denn August Jordan unterbrach ihn sogleich mit großer Heftigkeit: „Was geht das mich an! Ich hab nun das vjele Gefrage endlich satt! Glauben Sie, daß ich weiter nichts zu thun habe, als hier auf dem Gericht herumzustehen?" „Sie haben vor allen Dingen zu schweigen und meine Fragen zu beantworten," entgegnete der Untersuchungs-Richter mit eben so viel Würde wie Festigkeit. „Und so bald Sie sich ferner noch unge bührlich betragen, bleibt mir nichts Anderes übrig, als Sie verhaften und erst wieder vorführen zu lassen, wenn Sie völlig ruhig geworden." Diese Worte blieben auf den Halbetrunkenen nicht ohne Eindruck. So unerfahren war er doch nicht, um nicht die Machtbefugnisse von Gerichtsbeamten zu kennen. — Aeußerlich gab er sich freilich den Anschein, als ob er nicht eingeschüchtert sei. „So fragen Sie nur," entgegnete er frech und trotzig, „ich werde schon antworten, wenn es mir gefällt." „Ihr Schwager bat Ihnen zu verschiedenen Zeiten Darlehne gemacht; wie viel beträgt die Summe im Ganzen?" „Der EsclI was braucht er davon zu schwatzen!" rief Jordan mit zorngeröthetem Antlitz. „Der darf ja wahrhaftig um die paar Thaler nicht bange sein! Und wenn'S so viel Tausende wären, ich würde sie jetzt bezahlen." „Wie hoch beläuft sich die Summe?" wiederholte der Rath. „Ach, daS soll ich aus dem Kops wissen!" antwortete der Schlosser im groben, unverschämten Tone. „Ich glaube, es werden gerade 600 Thlr. sein. Für mich jetzt eine wahre Bagatelle!" und er warf sich mit dem ganzen Ucbermuth eines plötzlich reich gewordenen Mannes in die Brust. „Haben Sie ihm einen Schuldschein darüber ausgestellt?" „Wozu? Das Geld war ihm ja sicher. Wenn meine Stiefmutter einmal starb, mußte er ja Alles wiederbekommen." „Wenn Ihr Schwager Ihnen ein solches Vertrauen schenkte, dann waren sie wohl sehr mit ihm befreundet?" Mit der Schlauheit eines Trunkenen merkte August Jordan so gleich, daß hinter dieser Frage eine Falle lag; denn er stieß ein höhnisches Lachen aus, und sein finsteres, trotziges Gesicht erhielt einen verschmitzten Zug. „Warum?" fragte er keck zurück. „Sie haben nach keinem „Warum" zu fragen, sondern mir zu antworten!" bemerkte der Rath, und seine ohnehin etwas scharfe Stimme erhielt noch einen schärfern Klang. „Nun meinetwegen," brummte der Schlosser ein Wenig betroffen vor sich hin. „Ich wiederhole also, waren Sie mit Ihrem Schwager sehr befreundet?" „Wie man's nimmt," entgegnete Jordan ausweichend. „Bald zankten wir uns, bald waren wir gute Leute. Wenn wir auch wirklich einmal auseinanderkamen, die Weiber brachten uns wieder zusammen." „Besuchte Sie Ihr Schwager ost?" „Selten; er hatte zu wenig Zeit. Meine Stiefmutter mußte ja das sauer erworbene Geld meines Vaters verjuchheien; da gab es für ihre Leute und besonders für Ferdinand alle Hände voll zu thun; denn er war dort Topf und Tiegel im Hause." „Sie haben Ihre Stiefmutter nie befucht." „Das hätte mir gefehlt!" war die rücksichtslose Antwort. „Diese niederträchtige, — ja, Herr Gerichtsrath, sehen Sie mich immer an," unterbrach er sich selbst, denn es war ihm der verweisende Blick des Beamten nicht entgangen, — „die hat zu spottschleckt an ihren Kinder und besonders an mir gehandelt. Das vergesse ich ihr nicht; sie mag zehnmal in der Erde liegen." „Man soll feinen Haß nicht über den Tod hinaustragen." „Klingt Alles recht brav und edel," entgegnete der Schlosser un- erschüttert; „aber haben Sie nur erst einen Menschen recht grimmig gehaßt, der Ihnen das ganze Lebensglück zerstört, dann wollen wir einmal sehen, was Sie sagen werden." Die tiefe, grenzenlose Verbitterung dieses Mannes kam in ihrer abschreckendsten Häßlichkeit zum Vorschein und prägte sich in seinen heftig hervorgestoßenen Worten und in seinem wild verzerrten Antlitz aus. Auf den Gerichtsrath hatte der rohe Mensch von vornherein einen sehr unangenehmen Eindruck gemacht, der sich immer mehr verstärkte. „Dann kam Ihnen die plötzliche Ermordung ihrer Stiefmutter wohl sehr erwünscht?" fragte er, und jedem Andern würde der entrüstete Ton aufgefallen sein, in den der alte Herr verfiel. „Und ob!" lachte Jordan. „Mag sie umgebracht haben, wer da will, ich sag' ehrlich, er hat mir einen Gefallen gethan." Der Rath war empört über dies wüste Auftreten. „Wenn Ihnen der Tod Ihrer Stiefmutter gar so willkommen ist, könnte man leicht zu dem Schluffe gelangen, daß Sie zu demselben in irgend welcher Beziehung stehen." Der Untersuchungsrichter sprach mit ungewöhn licher Schärfe, und seine Augen ruhien durchdringend auf dem bru talen Manne. „Wie meinen Sie das?" fragte der Schlosser keck und hielt den prüfenden Blick mit großer Frechheit aus. „Nach all' den ermittelten Umständen hat der Bediente Ihrer Stiefmutter den Mord nicht allein begangen; er muß nothwendig einen Gehilfen gehabt haben. Ferdinand Grohmann ist Ihr Schwager, und wäre die Annahme —" „Aha, pfeift der Wind aus dem Loche! rief Jordan, und eine Zornesröthe stieg in sein gebräuntes, bereits etwas aufgedunsenes Antlitz. „Sie meinen wohl gar, daß ich ihm geholfen, vielleicht beim Niederstechen daS Licht gehalten habe. Das wird ja recht hübsch!" und er lachte gezwungen. „Lieber Mann, ich will Ihnen meine Ansicht nickt vorenthalten," entgegnete der Gerichtsrath mit strenger Miene. „Niemand Anders als Sie sind der Mitschuldige, vielleicht sogar der intellccluclle Urheber; ich will sagen, der Anstifter des Verbrechens, wenn Sie dies verstehen." Der Criminalrichter hoffte, gerade durch ein directes, bestimmtes Aus sprechen seines Verdachtes, den Schloffermeister zu überrumpeln und ihn damit zu irgend einem Zugeständniß zu bringen. August Jordan geriilth in eine grenzenlose Wuth. „Brauch' ich mir so 'was sagen zu lassen?" schrie er ganz erbittert. „Das ist eine Beleidigung, die lasse ich mir nicht gefallen. Sie haben es gehört, junger Mann," wandte er sich zu dem Protokollführer. „Sie sind mein Zeuge. Der Gerichtsrath hat mich zum Mörder gemacht. Ich verklage Den, der solche Geschichten anfbringt." „Wenn Sie sich nicht endlich so ruhig und anständig betragen, wie es sich ziemt, lasse ich Sie aus der Stelle verhaften." „Risquircn Sie das nur! Es soll Ihnen sauer aufstoßen!" rief der Schlosser und nahm eine drohende Stellung an. Der Rath griff nach der Klingel, und ein Gerichtsdiener erschien. „Führen Sie den Mann da aus 24 Stunden in Arrest, bis er gelernt hat, sich so zu verhalten, wie es sich der Behörde gegenüber geziemt. „Kommen Sie mir nur nahe!" drohte August Jordan und erhob zur Abwehr seine geballte Faust. „Sie werden durch Widerstand Ihre Sache verschlimmern. Ich rathe Ihnen zum letzten Male, ihr wüstes Benehmen auszngcben, widrigenfalls meine Drohung unbedingt zur Ausführung kommt," und Wernholz gab dem GerichtSdiener einen Wink, noch die Wirkung dieser Ermahnung abzuwarten, eh' die Verhaftung vollsührt würde. „Herr, Sie haben mich gröblich beleidigt, mich zum Mörder ge macht, und ich soll still sein!" wandte sich Jordan wieder dem Ge- richlsrath zu. „Glauben Sie denn, ich habe keine Ehre im Leibe? Und wenn Sie zehnmal Gerichtsrath sind, Sie dürfen mir solche Dinge nicht sagen, das muß ich mir vcrbittenl" Er sprach sich immer mehr in den heftigsten Zorn hinein. Der Gerichtsrath hatte dem Executvr ein Zeichen gegeben, jetzt seinen Befehl auszuführen, und der kräftige, stark gebaut Mann, der unter seinen Collegen für einen wahren Riesen galt, näherte sich mit raschem militairischcn Schritt dem Schlosser, um ihn von hinten zu erfassen; aber in diesem Augenblick drehte sich August Jordan blitz schnell um, und mit einem einzigen Stoß seiner Rechten schleuderte er den Executvr zurück. „Wehe Dem, der mich anrührt!" ries er mit Stentorstimme, und mit drohend erhobener Faust wollte er ohne Weiteres das Terminzimmer verlassen; aber der aus's Höchste em pörte Rath hatte schon Hilfstruppen herbeigcklingelt, und noch zwei GerichtSdiener erschienen. „Aus dem Wege!" schrie er den beiden Männern zu und suchte, an ihnen vorübcrzukommcn und das Freie zu gewinnen; aber jetzt hatte sich auch der erste Executvr von dem furchtbaren Stoß erholt, der ihn beinah' zu Boden geworfen, und alle drei Gerichtsdiener stürzten sich auf den Widerspenstigen, um ihn zu überwältigen. August Jordan wehrte sich wie ein Rasender; der kaum mittel große Mann entwickelte Herkuleskräfte, und nur nach dem erbittertsten Kampfe, bei dem die Leute vom Gericht eine Menge Faustjchläge davon trugen, konnte der Rasende überwältigt und in's Gefängniß gebracht werden. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Einen glänzenden Beweis für die Rentabilität von Sekun därbahnen liefert die seit September 1876 dem Verkehr übergebene schmalspurige Eisenbahn zwischen Ocholt und Westerstede im Groß- herzogthum Oldenburg, die erste in Deutschland, welche für Personen« und Güterverkehr eingerichtet ist. Die Spurweite ist auf das ge ringste Maaß (0,7, M.) beschränkt, halb so breit, als die Normalspur. Die Einnahme von S900 M. hat den Voranschlag^um 425 M., d. i.