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Wochenblatt Dienstaq, den 29. Mai 42 1877 psäffischen Verschwörer und ein Mann Feuer zu werfen, der doppelt sparsam mit dem Pulver umgehen sollte, das er nicht erfunden hat. Tas Panzergeschwadcr der deutschen Flotte, welches be stimmt ist, nach dem Mittelländischen Meer abzusegeln, hat einen Befehl zum Auslaufen noch immer nicht erhalten. Dagegen hört man, daß eine Anzahl kleinerer Kriegsschiffe — nicht Panzerschiffe, — welche sich jetzt i» fremden Gewässern befinden, zurückberufcn worden sind, und zwar zu dem Zwecke, in das Aegäische Meer gesendet zu werden und dort Aufstellung zu nehmen. Man ist nämlich nach Proklamirung des Religionskrieges von feiten der Türken und in Folge der auf- pändischcn Bewegungen, welche die letzteren mehrfach angeschürt haben, namentlich für den Fall von Mißerfolgen der türkischen Waffen, nicht ohne Besorgniß vor Ausbrüchen des Fanatismus, welche Person und Eigenthum deutscher und russischer Unterthancn in der Türkei leicht gefährden könnten. Die Zahl der deutschen Schiffe zum Schutze der selben dürste sich auf 11 oder 12 belaufen. In Constantinopel haben die Nachrichten vom asiatischen Kriegsschauplätze über den Fall Ardahans eine bedeutende Gährung hervorgerufen. Es ist über die Hauptstadt des türkischen Reiches der Belagerungszustand verhängt worden, und zwar wegen einer Demon stration der jungtürkischen Partei, welche offenbar den Augenblick für gekommen erachtet, in dem mit Erfolg auf die Nückberufting Midhat Paschas hingearbeitet werden kann, der, wie es scheint, auch in den Reihen der Dcputirten viele Anhänger zählt. Die Partei sendete eine aus Softa's bestehende Abordnung in die Kammer, um eine Untersuchung über den Fall von Ardahan und die Entlassung und Verbannung der gegenwärtigen Minister, namentlich Damad's, des allmächtigen Schwagers des Sultans, zu verlangen. Das Erscheinen der Sofias in der Kammer war das Signal zu äußerst stürmischen Verhandlungen, welche den Präsidenten zum Schluß der Sitzung ver anlaßten. Die Unzufriedenheit ist übrigens, seit der Fall Ardahans bekannt wurde, so allgemein geworden, daß die Regierung stch bereits mit dem Gedanken eines „Staatsstreiches" vertraut gemacht haben soll, worunter vorläufig aber wohl blos die Auslösung der Kammer zu verstehen sein wird. Der Sultan soll sich auf das asiatische Ufer des Bosporus zurückgezogen haben. Man darf begierig darauf sein, wie die Dinge in Constantinopel sich weiter entwickeln. Eine Depesche des „R. W. Tgbl." aus Constantinopel, 24. Mai, Abends, meldet: Soeben wurde der Belagerungszustand proclamirt und die Entwaffnung aller Bewohner angeordnet. Vorher ging ein mühsam unterdrückter Slraßenausstand zu Gunsten Midhat Paschas. Der Sultan war genöthigt, in ein anderes Palais zu flüchten. Die Christen fliehen. Die ausrückende Garnison verwundete zahlreiche Tumultanten. Es herrscht allgeim Beängstigung. Eine Bukarester Depesche bringt die Nachricht, daß die türkische Donauslottille abermals eines ihrer größten Schiffe einge büßt hat durch einen Angriff, den die kleinen russische Torpedoschiffe, welche auf dem Serethfluß zusammengesetzt worden sind, auf dieses Schiff unternahmen. Der Ort, wo der türkische Monitor in die Luft gesprengt ward, ist nicht angegeben, dem Vermulhcn nach wird sich das Ereigniß ebenfalls in der Nähe von Braila zugetragen haben, da noch drei dieser Monitors dort stationirt und dem zufolge auch den ersten Angriffen der Russen ausgesetzt waren. Uebcr die Explosion des türkischen Monitor auf dem Donauarm von Matschin sMabchin) wird der „Politischen Korrespondenz" aus Galatz gemeldet: Die russischen Marineoffiziere Daboschoff und Schessakoff abjustirlen die rumänische Schaluppe „Nundurika" mit Torpedos. Als heute srüh gegen 3 Uhr der türkische Monitor gegen über Braila Dampf machte und in den Donauarm von Matschin einfuhr, näherte sich die Schaluppe mit den russischen Offizieren dem Monitor. Die Torpedos cxplodirlen darauf mit großer Prezision, der Monitor ging augenblicklich in die Luft. Die russischen Offiziere erreichten mit der Schaluppe glücklich das rumänische Ufer. Rußland. Die bisherigen wenigen Siegesnachrichten sind in Rußland mit Jubel ausgenommen und ist durch sie der Nationalstolz nicht wenig angefacht worden. Es fehlt nicht an reichlicher Aner kennung für die Truppen, welche sich am besten in dem riesigen Umfang zu erkennen giebt, den die Sammlungen für die Verwundeten annehmen. Der Russe ist im Allgemeinen schon als äußerst „spendabel" bekannt und so äußert sich das Feuer der patriotischen Begeisterung in zahlreichen Spenden von wahrhaft fürstlicher Freigebigkeit. Bei- Tagesgeschichte. Berlin. Officiös wird geschrieben: Jedes Jahr um die gegen wärtige Jahreszeit Pflegt eine öffentliche Aufforderung an die Civil- ärzte gerichtet zu werden, falls sie geneigt seien, eventuell in die mili tärärztliche Praxis cinzutreten, davon Mittheilung zu machen, und ebenso ost wird diese Aufforderung als ein kriegerisches Zeichen von der Presse aufgcsaßt. Es bedarf kaum der Versicherung, daß die gegenwärtige Wiederholung jener Bekanntmachung ebenso wenig als in früheren Jahren auf eine bevorstehende Mobilmachung schließen läßt. Ebenso ist der Sensationsnachricht entgrgenzulreten, daß die Militärbehörde nach Bekleidungs- unk Bewaffnungsstücken für den Landiturm Erkundigungen eingezoaen habe, woran denn gleichzeitig die Meldung einer in Aussickl genommenen Mobilisirung des Land- f sturms geknüpft wird. Darauf ist zu entgegnen, daß cs'doch endlich an der Zeit sein dürfte, die Ausführung des seit lange schon besteh- ' enden Landsturmgesetzes ins Auge zu fassen und vorzubereiten. Es ist aber weder von Anschaffung der erforderlichen Ausrüstungsgegen stände noch auch gar von einer Mobilisirung des Landsturms die Rede, höchstens haben Erwägungen stattgefundcn, welcher Art die Bekleidungs- und Bewaffnungsgegcnsiände für denselben zu sein habe. Auf der deutschen Lehrerversammlung in Fürth (22. Mai) scheint nach allen Berichten ein einiger und freudiger Geist gewaltet zu haben, eine Befriedigung, daß die Lehrer die lang erstrebte Be aufsichtigung durch eigene Fachleute in vielen Staaten erreicht haben. Der Vorsitzende — Schulrath Hoffmann aus Hamburg — ließ frei lich in seiner Rede auch an die neuen Schulaufseher die Mahnung ergehen, „nicht zu sehr in kleinlicher Weise am Nebensächlichen zu kleben, denn wer über die kleinen Dinge die großen vergessen wollte, der gleiche jenen Franzosen, welche den Grund der Erfolge der deut schen Soldaten darin sehen, daß dieselben die Hosen in den Stiefeln tragen"; er erinnerte an das Wort des Cultusministers Altcnstein: „Ich will keine uniformirtcn Schulen. Die Erziehung ist ein freies Geschäft." Durch einen jüngst in Trier vorgekommcnen Fall ist es bekannt geworden, daß eine päpstliche Verordnung aus dem Jahre 1868 bei gemischten Ehen die kirchliche Einsegnung auch dann untersagt, wenn nach der katholischen Trauung noch eine protestantische in Aus sicht steht. Aus diesem Grunde würde einem protestantischen Offizier, welcher dem Bekenntnisse seiner katholischen Braut alle Achtung be weisen und sich zuerst katholisch, dann aber protestantisch trauen lassen wollte, die kirchliche Trauung verweigert. Die Braut hielt eine protestantische Trauung allein nicht für ausreichend, der Offizier da gegen wollte auf eine solche nicht verzichten und so ging das Ver- löbniß auseinander. Tas ist der versöhnliche Geist der katholischen Kirche. Ist der Leser mehr Politiker oder mehr Soldat? Die Politiker sehen augenblicklich viel gespannter nach Frankreich als nach der Donau und Asien. An der Donau fängt die große „Action" erst am 6. Juni an mit der Ankunft des Kaisers Alexander; in Paris hat die große Neaction angesangcn. Die orlcanistisch - psäffischen Verschwörer der Regierung renommiren mit ihrem großen politischen geheimen Plan, wie seiner Zeit Benedek mit seinem militärischen, und alle Welt hofft, daß sie ihre Königgrätz finden werden. Sie haben in Frankreich alles gegen sich, was freisinnig, ehrlich, anständig und friedliebend ist. Diese alle sind besorgt, aber ruhig und gefaßt, am meisten sind erschüttert die großen Städte des Handels und der In dustrie; in Lyon, Havre, Rouen, Amiens, Bordeaux herrscht die tiefste Bestürtzung, ein sprechendes Zeugniß, was man von der Verschwörung erwartet. Niemand traut den Friedensbetheurungcn der Verschwörer, am wenigsten das Ausland und die Berliner (vsfic.) Zeitungen sagen ihnen das ins Gesicht. Die Vertreter Deutschlands, Englands, Italiens rc. sind angewiesen, sich auf den amtlichen Verkehr zu be schränken und mit dem Ministerium Broglie nur auf „drei Schritt vom Leibe" zu Verkehren. Zwei deutsche Officiere in bürgerlicher Kleidung hatten am 2. Pfingfeiertage einen Ausflug nach Nonch gemacht und wurden von der Bevölkerung, namentlich von Soldaten, jämmerlich miß handelt. Der Bericht darüber in der Nordd. Allg. Ztg. stammt von Augenzeugen. So groß ist also heute noch die Erbitterung gegen Deutschland und diese entzündliche Masse drohen die frevelhaften Bekanntmachung, die Confessionslistett betreffend. Die Nachträge zu den Confessionslisten über die Schul - Aufnahme im Jahre 1876 sind von den Herren Schuldirectoren und den betreffenden Herren Lehrern binen 8 Tagen anher einzureichen. Meißen, den 24. Mai 1877. > Der König!. Bezirksschulinspector. Wangemann. für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentel)» und die Umaeqenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmanuschaft zn Meißen, das König!. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Nbr.