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Gegen die von der rumänischen Regierung mit Rußland abgeschlossene Konvention habe keine europäische Macht Einsprache erhöben. Die Konvention sei nothwendig gewesen, denn ohne dieselbe wurden die Russen bei Ucberschreitnng der Grenze die Negierung haben beseitigen können. Die Deputirtenkammer hat die von der Regierung ver langten Kredite für militärische Zwecke bewilligt. Fürst Nikita von Montenegro erließ untcrm 26. April eine Kricgsproklamation an die P ontenegriner, in welcher er in über schwenglichen Worten die bisherigen Heldenthatcn der Montenegriner schildert und betont, daß der Krieg von den Großmächten unterbrochen worden sei, um auf friedlichem Wege Ruhe und Ordnung in den Ländern der Türkei hcrzustellen. Als Preis des Friedens habe er von der Türkei nur was Rechtens verlangt; diese habe aber die Forderungen zurückgewiesen und von diesem Momente an habe der Krieg wieder zwischen Montenegro und der Türkei begonnen. Der Fürst drückt die Hoffnung aus, „mit Hülfe Gottes und der russischen Brüder Das zu erlangen, was Montenegro rechtmäßig zu for dern habe." Die russische Presse faßt die Situation Aegyptens bei dem gegenwärtigen Kriege ihrerseits ins Auge. Der russische Gencral- consul hat Alexantrien verlassen und Aegypten ist mit Rußland im Kriege befindlich. Die Vertretung für die Interessen russischer Unter- thanen in Aegypten ist nunmehr auf den deutschen Generalkonsul zu Alexandrien und die übrigen deutschen Konsnlate in Aegygten über- gcgangcn, nachdem die russischen konsularischen Behörden daselbst ihre amtliche Thätigkeit eingestellt haben. Das Haus des Unfriedens. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Mit diesem Instrument, das ich soeben im Kamin fand, hat man Frau Jordan ermordet," sagte der Polizeiamte, und seine Augen ruhten durchbohrend auf dem bestürzten Antlitz des Bedienten, dessen Athemzüge immer rascher gingen. Mit seinem scharfen Verstände mochte er sogleich ahnen, welch' dunkles Gewölk sich über ihn zu sammenzog. — „Nicht möglich!" stammeiteer, und er suchte vergebens seiner Stimme eine größere Festigkeit zu geben. „Ich schwöre Ihnen, daß ich seit einigen Wochen nicht mehr im Besitz dieses Messers ge wesen bin," und er legte zur größern Betheurung die Hand auf di« Brust. „Wer weiß davon, daß Ihnen das Messer schon früher verloren gegangen." „Ich habe mit Niemand davon gesprochen." „Das ist seltsam; Sie müßten sich doch gegen Jemand beklagt haben; denn das Messer scheint ziemlich werlhvoll zu sein," bemerkte der Polizeibeamte scharf. „Ich habe hier keine Vertraute und konnte solchen Verlust schon verschmerzen," war die Antwort, und jetzt kam bei dem jungen Mann rin gewisser Bedientenhochmuth zum Vorschein. „Nach der aufgesundenen Serviette ist es unzweifelhaft, daß der Mord nur von einem Hausbewohner ausgesührt worden," begann der Beamte von Neuem und beobachtete aufmerksam die Wirkung seiner Worte. „Ich habe auch gleich meine Gedanken gehabt," entgegnete Fer dinand lebhaft, der seine Geistesgegenwart beinahe völlig wiederge- wonnen hatte. „Und die wären?" „Es ist nichts gestohlen worden, das hab' ich gleich gesehen; denn der Geldschrank war ganz unversehrt." „Sie meinen also? „Ich will nichts gesagt haben," antwortete der Bediente aus weichend und mit einem schlauen Lächeln. „Aber die zweite Heiralh der Frau ist vielleicht Manchem nicht Recht gewesen." Jetzt verlor der Beamte die Ruhe, die er bisher sich zu bewahren gewußt hatte. Die Unverschämtheit des Burschen ging doch zu weit! — Er suchte nicht nur mit frecher Stirn das Verbrechen von sich abzuwälzen, sondern auch in schurkenhafter Weise die Kinder der Frau Jordan zu beschuldigen; denn diese konnten nur mit seinen Anspielungen gemeint sein. „Es ist seltsam, daß gerade die Thür, die Sie von Ihrer Stube erreichen konnten, nicht veriegelt war. Wie erklären Sie das?" fragte der Beamte weiter. „Ich weiß es nicht; aber da die Frau von Innen zuschloß, kann ich dafür nicht verantwortlich sein, wenn es gestern Abeng nicht ge schehen ist." Ferdinand sprach diese Worte mit einem gewissen Trotz wie Jemand, der entschlossen ist, um Leben und Freiheit so gut zu kämpfen, wie er nur dazu im Stande ist. „Wußte die übrige Dienerschaft, wo Frau Jordan ihr Vermögen ausbewahrtc?" „Nein." „Sie allein waren mit dem Geheimniß der verborgenen Thür vertraut?" Ferdinand fühlte recht gut, wie sehr seine erste Aeußcrung über den Geldschrank jetzt geeignet war, den Verdacht gegen ihn zu ver stärken. Warum hatte er nur so unbesonnen darauf losgeschwatzt? Nun half doch alles Ableugnen nichts. — „Frau Jordau hat cs mir nicht gerade gesagt; aber wen» ich im andern Zimmer war, hörte ich sie oft mit dem Gelde klimpern und dann eine Thür leise schließen, und wenn noch Jemand im Schlafzimmer war, da sah sie zuweilen so unruhig auf eine gewisse Stelle, und ich merkte schon, daß dort die geheime Thür zu ihrem Geldschrank war." Der Mensch entfaltete ja mit großer Naivetät seine Bcdientcnlist und Schlauheit. „Sie scheinen eine ungewöhnliche Umsicht und Ge wandtheit zu besitzen," bemerkte der Beamte. „Ich habe früher nur in sehr vornehmen Häusern gedient, und über meine Rechtschaffenheit und gute Führung die glänzendsten Zeugnisse aufzuweisen." „Die so leicht zu bekommen sind. Wir kennen das," dachte der Mann der Polizei. Laut setzte er hinzu: „Trotzdem seh'ich mich ver- anlaßt, Sie zu verhaften." Ferdinand verlor bei diesen Worten völlig die Fassung. Er knickte wie ein Nohr zusammen, und das Gesicht wurde aschfarben. „Ich bin unschuldig, so wahr ein Gott lebt!" raffteer sich plötzlich wieder auf. „Die Haare in der Hand der Todten sind blond; ich besitze aber schwarze Haare- Sie sehen also, daß ich gar nicht der Mörder sein kann." „Vielleicht nur der Spießgeselle," meinte der Polizeibeamte trocken, auf den die lebhafte Vcrtheidigung des Bedienten nur einen unan genehmen Eindruck machte. — Der Mensch gefiel ihm überhaupt nicht. In dem schmalen Antlitz mit den tiefliegenden, unruhig blitzenden Augen schienen ihm die schlimmsten Leidenschaften zu lauern. Sein ganzes Wesen verrieth eben so viel List und Verschlagenheit wie be- dientenhafle Geschmeidigkeit. Ferdinand hatte auch wirklich sehr ein nehmende Manieren unö es stets verstanden, sich in die Gunst seiner Herrschaft einzuschmcicheln. Der Bediente war schlank gebaut, nicht gerade häßlich, und das kleine schwarze Schnurrbärtchen gab ihm sogar ein recht coqnettes Aussehen. Ferdinand Grohmann, so hieß der junge Mensch, war sicher nicht ohne Eitelkeit; er mochte erst 24 Jahre zählen, sah aber älter aus; er hatte im Lause der Zeit die vornehmen Herren, bei denen er gedient, so vortrefflich copiren gelernt, daß er in seinem äußern Auftreten sehr gut etwas vom hochgeborenen Aristokraten herauskehren konnte. Gerade diese wunderliche Mischung erschien dem Mann der Polizei so verdächtig. Der junge Mensch kam ihm falsch und hinterlistig vor, und er glaubte, in ihm eine echte Verbrechernatur entdeckt zu haben. Ferdinand Grohmann wurde sofort verhaftet und ins Ge- jängniß geführt, und seine Sache gestaltete sich für ihn immer bedenklicher. Das Dienstmädchen bekundete jetzt sein wunderliches Auftreten beim Oeffnen der Thür, und wie er beständig behauptet, sie sei ver riegelt. Ihr wäre sein Benehmen gleich ausgefallen, und sie habe sich auf der Stelle ihre eigenen Gedanken gemacht. Noch ein zu Tage tretender Umstand sollte dem jungen Menschen gefährlich werden. Er hatte bei seiner ersten Vernehmung ausgcsagt, daß er in der zwölften Stunde schlafen gegangen sei und ebenfalls kein verdächtiges Geräusch gehört habe. Ein Zeuge fand sich aber, der bekundete und beschwor, daß er kurz vor Mitternacht den Be dienten gesehen, wie er eben aus dem Hause seiner Herrin getreten und rasch um die nächste Straßenecke verschwunden sei. Erhübe sein Gesicht ganz genau erkannt, da er nur wenige Schritte von ihm ent fernt gewesen. Es war ein junger Photograph, der in der Nach barschaft wohnte, und der sich das Gesicht des Bedienten fest einge prägt hatte. Als dem Gefangenen diese Aussage vorgehaltcn wurde, zeigte er wieder dieselbe Bestürzung und dasselbe Schwanken, ob er die Wahr heit zugeben solle oder nicht, das er schon beim Auffinden des Messers verrathen hatte. Vielleicht rieth ihm die Klugheit, auch hier bei der Wahrheit zu bleiben; doch fiel ihm dies sichtbar heut noch viel schwerer. Erst nachdem er lange sinnend vor sich hingcstarrt, sagte er langsam: „Ja, ich bin um diese Stunde aus dem Hause gegangen." „Und wohin?" „Zu meiner Frau!" antwortete Ferdinand, und eine verlegene Nöthe färbte sein Antlitz. Der Untersuchungsrichter blickte ganz verwundert auf den Be dienten. „Sie haben selbst bei Abgabe Ihrer Personalien verschwiegen, daß Sie verheiralhet sind." „Ich hab' es nicht sagen gewollt," entgegnete Ferdinand in ge drückter Stimmung, „und meine Verheirathung überhaupt geheim ge halten, weil ich gefürchtet, Frau Jordan würde mich sonst nicht an- nehmen, und ich wollte nicht gern diese gute Stelle im Stich lassen." „Aber warum haben Sie diesen Umstand auch bei Ihrer ersten Vernehmung verheimlicht?" „Ich weiß cs selber nicht weshalb. Vielleicht, weil ich glaubte, daß es darauf nicht ankäme." „Jede unwahre Aussage vor Gericht muß Ihre Sache nur ver schlimmern," bemerkte der Beamte. „Ich habe ja augenblicklich die Wahrheit bekannt, daß das Messer mir gehörte. Das war doch die Hauptsache, da hätte ich gleich leugnen können, wenn ich nicht geglaubt, daß ich es im Bewußtsein meiner Unschuld nicht nöthig hätte." Ferdinand bewies wieder seine gewohnte Schlagfertigkeit in Antworten und in seiner Ver- theidigung. „Sie dürfen auf Ihre Wahrheitsliebe nicht allzusehr pochen," entgegnete der Gerichtsbeamte; „denn Sie wußten recht gut, daß Ihnen ein solches Ableugnen nichts nützen würde. Die übrige Diener- j chast der Ermordeten hat Sie im Besitz jenes Messers gesehen." „Daran hab' ich nicht gedacht; ich mochte einmal nicht lügen," erwiderte Ferdinand und warf sich ein wenig in die Brust. Gerichlsrath Wcrnholz, der die Untersuchung gegen Grohmann leitete, war schon ein älterer Herr und gehörte zu de» tüchtigsten Justizbcamlen. Er besaß eine große Menschcnkenntniß, einen unge wöhnlichen Scharfblick und hatte durch seine geschickte Jnquirirkunst schon manchen Verbrecher in die Enge getrieben. Seine Fragen schienen oft sehr weit vom Wege abznweichen und ganz unverfänglich zu sein, und dennoch war damit das Netz sehr geschickt gestellt, das den Schuldigen einfing und endlich zum Geständniß brachte. Zum ersten Mal ließ den Gerichlsrath sein gewohnter Scharf blick in» Stich. Er konnte mit sich selbst nicht in's Klare kommen, ob er den jungen Menschen für schuldig halten sollte oder nicht. — Die Umstände sprachen freilich gegen de» Bedienten, auch in seinem Gesicht glaubte Wernholz Verschlagenheit und die nöthige Energie zu entdecken. Ferdinand schien ein Mensch zu sei», den man eines solchen Verbrechens wohl für fähig halten konnte, und dennoch war es dem alten Criminal-Richter unmöglich, sogleich an die Schuld Grohmanns zu glauben, er wußte selbst nicht, warum. — Deshalb behandelte er auch den Angeklagten mit einer gewissen Schonung, während er sonst als ziemlich streng und scharf bekannt war. „Wo wohnt Ihre Frau?" fragte der Rath plötzlich. „In der Lindcnstraße." „Das ist beinahe am entgegengesetzten Ende der Stadt. Sie suchten also absichtlich eine solch abgelegene Wohnung?" Der Bediente bejahte es. „Haben Sie alle Tage Ihre Frau besucht?" „Stein, denn ich hatte dazu nicht immer Zeit." „Wie lange blieben Sie gewöhnlich?" „Oft nur wenige Stunden." „Und in jener Nacht?" fragte der Gerichtsrath weiter, während seine klugen, durchdringende» Augen forschend auf Grohmann ruhten. „Bin ich erst am Morgen zurückgekehrt. Meine Frau wahr scbr krank; sie hatte schon den Tag vorher geklagt, und ich mochte sie