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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehu und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr. -^ 38. Freitag, den N. Mai 1877. DageSgeschichte. Ueber die Reise des Kaisers Wilhelm von Straßburg nach Metz liegen folgende Berichte vor: St. Avold, 5. Mai, Nackm. 3 Uhr. Auf dem Bahnhofe der hiesigen Stadt, in welcher der Kaiser 1870 das erste Hauptquartier auf französischem Boden gehabt hat, waren die zweite und die vierte Eskadron des ersten hannöverschen Dragonerregiments Nr. 9 zu Fuß in Parade aufgestellt. Der Kaiser wurde von dem Bürgermeister begrüßt und unterhielt sich mit vielen Offizieren, Beamten, Damen und Lehrern auf das eingehendste. — Falkenberg, 5. Mai, Nachm. 4 Uhr. Bei Ankunft des Kaisers war auf dem Bahnhofe die fünfte Eskadron des neunten Dragoner regiments aufgestellt. Die Bevölkerung aus Falkenberg sowie aus Len umliegenden Ortschaften hatten sich sehr zahlreich zur Begrüßung des Kaisers auf dem Bahnhofe cingefunde». Als der Kaiser das Schlachtfeld vom 14. August passirte, empfing ihn die Volksmenge mit Enthusiasmus. — Metz, 5. Mai, Nachm. 5 Uhr. Auf der Festung wurden bei der Einfahrt des Kaisers Kanonenschüsse gelöst. Eine unzählige Menschenmenge hatte sich zur Begrüßung des Kaisers ver sammelt. Die Stadt ist verschwenderisch geschmückt. Auf dem Bahn hofe war eine Compagnie eines bairischen Regiments aufgestellt. In der Präfektur erfolgte die Vorstellung der Behörden. Heute Abend findet ein großer Zapfenstreich statt. Der Eindruck, Leu das per sönliche Erscheinen des Kaisers in den Neichslanden machte, spiegelt sich in dem Enthusiasmus wieder, mit welchem die ganze Ncise des Kaisers von Straßburg bis hierher seitens der Bevölkerung begleitet war' —Metz, 7. Mai. Heute früh 4 Uhr brach in der Dachung des Domes eine Feuersbrunst aus, die in Zeit von einer Stunde das Dach vollständig zerstörte und auch das Innere des Domes beschädigte. Der Kaiser fand sich gegen 5 Uhr selbst auf der Brandstätte ein. Die Feuersbrunst ist, wie mit Sicherheit angenommen wird, durch Feucrwerkskörper von der gestrigen Illumination entstanden. — Am meisten haben den Kaiser Wilhelin und alle Festgäste in Straßburg die Bursche und Mädchen aus dem Unter-Elsaß gefreut. Sie em pfingen den Kaiser an der Grenze des Kreises bei dem Fort Kron prinz und geleiteten ihn zur Stadt hinein. Hinter der Steinstraße an den Staden der Jll schwenkten die Elsässer Bursche ab, nahmen Auf stellung und warteten, bis die festlich geschmückten Wagen mit den Jungfrauen einlrafen. Dann begann der stattliche Zug an der Wohnung des Kaisers vorbeizuziehen. Zu zwei und zwei in präch tiger Haltung, auf prächtigen Pferden und in ihrer stattlichen Landes tracht den Kaiser auf dem Balkon durch das Schwenken des Hutes begrüßend zogen sie in Schritt vorüber, an Zahl fast ein volles Kavallerieregiment. Dann folgten die Wagen, die meisten von 4 und 6 reich geschmückten Pferden gezogen. In ihnen saßen die Fcst- jungfrauen der vielen Dorfschaflcn, fast alle liebliche Erscheinungen, denen die Volkstracht prächtig stand. Sobald ein Wagen dem Balkon des Kaisers sich nahte, erhoben sich die Jungfrauen und grüßten den Kaiser mit Hand und Taschentuch. Der Jubel wollte kein Ende nehmen, der Kaiser war förmlich gerührt. Das neueste „Elsasser Journal" knüpft an den Aufenthalt des Kaisers in Straßburg folgende Betrachtung: „Jetzt wo Alles vorüber ist und die vielen Landlcute und Fremden unsere Stadt wieder ver lassen haben, was wird von diesem kaiserlichen Besuche bleiben? Eine öfficielle Erinnerung oder ein materieller Vorthcil für verschiedene Geschäftsleute?" . . . Wir hoffen auf Besseres und schauen weiter. Wir schließen uns den Hoffnungen an, welche in diesen 4 Empfangs- tagen von verschiedenen Korporationen vor dem Kaiser ausgcdrückt wurden und glauben, daß das Elsaß von dieser Reise des Sonvcrains das Beste erwarten kann. Der Kaiser konnte sich in der Hauptstadt von Elsaß-Lothringcn selbst von der materiellen und moralischen Lage, von den Gesinnungen und Wünschen der Einwohner Rechen schaft geben, und wir erfahren von verschiedenen Seiten, daß er mit der Ucberzcugung fortgegangen ist, daß wir Elsässer, die wir durch unseren Geist der Initiative, durch unsern Thätigkeitssinn und unsere Friedensliebe an der Spitze der französischen Departements standen, so viel Selbstständigkeit und Freiheit als möglich zu besitzen ver dienen. Auch heute noch fehlen von den Kriegsschauplätzen an der Donau und in Asien wichtige Nachrichten. Haben die Türken all zuviel Vertrauen auf ihren Allah, daß er keinen Muhamedaner ver läßt oder fehll's ihnen in Thal an Soldaten und Geld — kurz, cs soll sowohl in den Festungen an der Donau wie in Asten an ge nügend starken Besatzungen und Befestigungen fehlen, sogar in Rust- schuk, Giurgewo gegenüber. In der Dobrudscha werden die Russen zuerst auf die Veste Tultfcha stoßen, alle Einwohner, die nicht auf lange hinaus vcrproviantirt sind, müssen die Stadt und Veste ver lassen; denn man macht sich auf harte und lange Belagerung gefaßt. — In Konstantinopel selber steht der Belagerungszustand vor der Thür. Ein böse Nachricht für die Türken ist das Schutz- und Trutz- bünvniß, das Persien und Afghanistan gegen Türken und Eng länder geschlossen haben; die Russen versorgen beide mit Waffen und Schießbedarf. Die Deutschen in Moskau haben 25,000 Rubel für Verwundete geschenkt. — Drei deutsche, französische und holländische Bankhäuser machen Rußland einen Vorschuß von 100 Millionen Rubel, also eine Art Dreimänncrwein, obwohl ihn Rußland gern schluckt. — England hat sich zwar neutral erklärt, rüstet aber im Stillen gewaltig; man sagt, es wolle von der Türkei gebeten sein, ihr zu Helsen, und dann seinen Preis stellen, einen Hafen auf Creta und noch lieber Egypten. Englands Nolle den Türken gegenüber kommt der N. Fr. Presse in Wien vor wie der Florentiner Edelmann in einer alten Geschichte. Er sah zum Fenster hinaus zwei Bekannten unten auf der Gasse ruhig zu, wie sie zuerst mit einander stritten und dann blank zogen. Schlagt euch todt, ich rühre mich nicht, rief er; als er bemerkte, wie der Schwächere zu unterliegen drohte, rannte er sporn streichs mit gezogenem Schwerte hinunter und setzte dem überlegenen Duellanten mit Hieb und Stoß so lange zu, bis dieser verwundet nnd erschöpft von dannen schlich. Als dieser unvermuthct Gerettete ihm dankte, sagte er: Ist gar nicht nölhig, ich habe Euch nicht aus Edelmuth beigestanden. Aber als ich Euch in Gefahr sah, fiel mir ein, daß Ihr mir Geld schuldet. Da dachte ich, wer mich Wohl be zahlen sollte, wenn Euch ein Unglück widerführe und schützte mein Gold durch mein Eisen. Die Kriegs-Vorbereitungen der englischen Regierung mehren sich täglich. Große Mengen Kriegsmaterial werden nach Malta und Gibraltar geschickt; nach Malta auch 17 schwerste Kanonen; eine ganze Anzahl von kleinen Kanonenbooten besonderer Coustructioncn werden in aller Eile fertig gestellt und nach dem Mittelmeere geschickt. Wie man aus Berlin meldet, waren dort bis 8. Mai keine neueren Nachrichten von Belang vom Kriegsschauplätze eingetroffen. Wir kommen daher aus einige in gestriger Nacht von der Donau ein- gelangte Depeschen zurück, in denen weitere Schiebversuche der türkischen Flotte nach wehrlosen Orten gemeldet wurde. Der von den Türken bombardirte Hafen von Bechet liegt an der Mündung des Schiul in die Donau, dem türkischen Orte Orehaw gegenüber, cs befand sich in dem Orte selbst sowie in dem ebenfalls beschossenen Oltenitza kein Mann Besatzung. Auch die am 6. Mai in Scene gesetzte Beschießung von Braila ist nach einer Galatzcr Meldung der Wiener „Presse" wirkungslos geblieben. Von 25 Granaten flogen 8 in die Sadt ohne zu Platzen, eine Granate fiel in den Bahnhof bei Ankunft des Groß fürsten, der während der Beschießung in Braila blieb. Wenn nun bei solchen Kraftanstrengungen die türkische Flotte sich bisher keine Lorbeeren geholt hat, so sorgen doch die braven türkischen Baschi Bozuks und Tscherkesscn dafür, daß die kriegerischen Actionen des türkischen Heeres nickt ganz einschlasen, sic haben nicht nur mit gutem Erfolge begleitete Raubauszüge nach Rumänien unter nommen, sondern sie betreiben dieses edle, Handwerk abermals auf vaterländischem Boden in Bulgarien. So wurden von ihnen zwei Galtz gegenüber liegende Dörfer angezündet, ebenso das Dorf Arrahan gegenüber von Bilgiina. Mehre hundert bulgarische Familien wurden durch rumänische Schiffer aus den Sümpfen herausgcfischt, in welche sie sich vor den Tscherkeffen gerettet. Die Türken haben ferner bei Magurelle und bei Giurgewo 11 Getreideschiffe weggenommen und nach Rustschuk gebracht. Dieselben gehören griechischen Kaufleuten. Die griechische Regierung wird energisch rcclamiren. Wie der „Politischen Korrespondenz" aus Athen gemeldet wird, hat das griechische Cabinet eine Note an die Pforte gerichtet, in welcher gegen die Freilassung der Chefs mehrerer türkischen Räuber banden, welche früher die griechischen Grcnzeparchien beunruhigten, protestirt wird. — Die Listen für die Aushebung der Armeereserven sind, nach einer weiteren Mitlheilung derselben Korrespondenz, in ganz Griechenland nunmehr beschlossen. Die Altersklassen vom 20.—30. Lebensjahre haben ein Kontingent von 100,000 Mann ergeben. Nach einem Telegramm der „Presse" aus Bukarest vom 6. Mai hat der Senat beschlossen, eine Adresse an die Regierung zu richten, in welcher er seinem Vertrauen zu der Regierung Ausdruck giebt und besonders betont, daß Las Land ganz von dem Gedanken an seine Befreiung von dem türkischen Joche beseelt sei und vor keinem Opfer zurückschrecken werde. — Der Senat hat die Adresse an den Fürsten mit 31 gegen 3 Stimmen angenommen. In derselben heißt es: „Der Senat würde der Regierung niemals eine gewagte oder gcfährlicke Politik anrathen, noch weniger aber einen Angriff auf die Türkei. Allein wir werden unsere heimathlichen Herde ver- thcidigen, falls dieselben angegriffen werden sollten." Bei der Adreß- debalte im Senate betonte der Minister Cogalniceauno die Neutralität Rumäniens. Rumänien würde sich vertheidigcn, wenn es angegriffen Würde. Es sei nicht richtig, daß die rumänische Negierung eine Kon vention mit der Pforte abgeschlossen habe. Die Türken hätten im Gegentheil die rumänischen Konsuln davon benachrichtigt, daß sie Tultscha in Brand schießen würden, wenn die Russen die Donau überschritten. Die Pforte verletzte die rumänische Regierung beständig. Sie hätte den Agenten Rumäniens in Konstantinopel wie einen türkischen Beamten behandelt und die Funktionen desselben suspendirt.