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immer vorweg abgezogen — kriegte er 129 Thlr. Auktionserlös aus dem widerrechtlich abgepfändetcn Vieh- und Wüthschaftszeug. Seit dem durften keine Pfändungen wegen der längst abgeschafften Zähl gelder mehr vorgenonunen werden, wer vergütete es dem armen Kerl aber, daß er um sein Alles gekommen? Das war in den vierziger Jahren, doch solche Geschichten können heutzutage eben so gut oder schlimm passiren." „Oho! — Und was kümmert uns ein schlesischer Bauer? War ja auch nicht Mal ein rechter Bauer, hatte den Hof von seinen Er sparnissen gekauft — das ist ganz was Anderes! Und was kauft er einen Hof, den er nicht auszahlen kann? Ohne das wär er ihm nicht subhastirt. Oder was ließ er sich pfänden, hinterlegte nicht lieber die verlangten Zählgelder, die er doch wieder kriegen mußte? Weil er sie nicht hatte, sich nicht auf eine ungesetzliche Forderung vorsehen konnte und brauchte? Nun, mit Einem, den 139 Thlr. umschmeißcn, brauchen die Behörden wahrhaftig nicht Sperenzien zu machen, hätten sonst viel zu thun. Unsereinem kommt man mit so was nicht!" Mit dem ganzen bäurischen Geldstolz warf er sich in die Brust. Gießel ließ die Hand mit der Pfeife sinken, sagte erst nach einer Weile trocken: „Es ist Narrheit, noch ein einziges Wort über solche Sachen mit Dir zu reden. Gute Nacht!" Langsam stand er auf. „Ueber solche Sachen blos? Oh über alle!" Jäh auflodernd stieß Pärsch den Pfeifenkopf so hart gegen den Baumstamm, daß er zersprang. Das besänftigte ihn nicht — der Kopf war so prächtig angeraucht und schon seit Jahren sein Stolz. Hastig erhob er sich gleichfalls. Im Eifer hatten sie nicht bemerkt, daß sie nicht mehr allein waren. „Johann Gießel gilt für den Klügsten, nicht blos im Dorf, son dern weit und breit!" warf Launert leicht hin. „Ho — ich ästimir ihn nicht dafür!" schrie Pärsch. „Scheere mich den Deuker um seine Gestudirtheit und Uebergestudirtheit im Bücherwesen. Wenns ihm nicht gut genug ist, mit mir zu reden — mir war's schon lange nicht plaisirlich, sein gottvergessenes Zeug an zuhören. Wir brauchen uns damit beiderseits nicht zu molestiren — sind nicht mit einander verheirathet und unsere Kinder, Gottlob, auch noch nicht." „Du ereiferst Dich wieder ganz unnütz, Christian," wollte Gießel 'beschwichtigen, goß damit jedoch nur Oel ins Feuer. „Ihr freilich thut das bloß immer um des Nutzen halben. Aber ich nehme mir ein Exempel dran, Mosje Gießel, verstanden?" „Geht Elsens Zunge mit dem Verstände durch, so kann man's ihr nicht «»rechnen — sie hat's vom Vater." So vor sich hinbrum mend, trat Gießel in sein Haus, das sich dem Launerts dicht gegen über befand. „Werden den Superklugen nicht weiter molestiren — weder ich, noch die Else!" schallte es ihm nach. „Da möchte doch das Wetter drein schlagen, könnte Einen der Schlag rühren." Der Wortwechsel hatte schon die Aufmerksamkeit der Frau Gießel und mehrerer Dienstboten der Nachbarschaft erregt. Jene öffnete ihr Fenster, schloß es indeß wieder, als sie ihren Mann kommen sah. Sie hatte ihren Kopf unaufhörlich mit der Wirthschast voll und war davon überzeugt, es gäbe keinen klügeren Mann, als den ihrigen. Wenn der Nachbar mit ihm zusammengerieth, war's nie Giebels Schuld, ihr Beistand diesem indeß nicht nöthig. Auch vertrugen sie sich den nächsten Abend wieder. Launert beeilte sich, dem Erzürnten zuzusprechen, entfaltete dabei indeß nicht die Geschicklichkeit, die ihm sonst nachgerühmt wurde. „Gönnt ihm nicht das Vergnügen, Euch so aufgebracht zu sehen, Nach bar. Euch schadet cs an der Gesundheit und ihm ist's egal." „Es soll ihm nicht egal sein! Zwischen uns und unsern Höfen ist's aus und —" „Das sagt Ihr jetzt, aber er ist so schlau, Euch doch bald wie der Herumzukriegen — das passirle ja wohl all die Jahre hindurch manch liebes Mal." „Kümmert Euch um Euch und Eure windschiefe Scheune," brach das Unwetter nun gegen ihn los. „Kennt den alten Pärsch schlecht, wenn Ihr meint, er lasse sich auf der Nase spielen, oder sei doch im Handumdrehen wieder gut. Wo es Mal zu einem Riß kam, wie dieser da, läßt sich's nicht wieder zusammenflicken oder überklcistern. Wir sind Freunde gewesen." Er trat in seine Einfahrt, schlug das Thor dröhnend zu und verriegelte es. „Das behagt dem Vetter Wilhelm, paßt ja wiebestellt in seinen Kram," flüsterte die Frauensperson, die vorhin aus Launerts Hause gekommen, ihm, mit einem Kinde auf dem Arme, auch jetzt gefolgt war und still an der Schwelle gestanden hatte. „Wie beliebt, Jungfer Base?" „Es war nur so lang, Herr Vetter." „Oh, Jungfer Bärbchen, Alles, aber nicht die Else nachahmen," lachte er. „So einem jungen Ding, und vollends der Else, steht das schnippische Wesen allerliebst — andern Leuten gar nicht. — Was ist Dir, Mariechen?" wandte er sich an das plötzlich aufschreiende Kind. „Komm zu mir, Base Bärbchen ist Dir heute nicht gut." „So verhätscheln, wie die nebenan, kann ich sie freilich nicht, mein Gewissen verbietet mir das!" Sie überließ ihm mürrisch die Kleine. Er trug sie in die Stube, die ungewöhnlich städtisch aufgeputzt War, in deren Fenstern sogar, statt der gewöhnlichen kleinen, grünen Scheiben, große von weißem Glase prunkten. II. Pärschens Grundstück lag am Ende einer kleinen Gasse — quer vor dieser, so daß sic einen sogenannten Sack bildete. Ein unregel mäßiges Dreieck kehrte es die Spitze der Gasse, das breite Ende der Chaussee zu, die beiden Seiten sprangen im Zickzack und oft sehr willkürlich in die Besitzungen Launerts und Gießels hinein. Die Linde gehörte Pärsch, befand sich außerhalb des Latlenwcrks, das seinen Boden hier umschloß und fast nur aus einem Thorwcg bestand. In diesen einzufahren, ohne an den Baum zu stoßen und umzuwcrfen, war ein Kunststück, auf welches die Pärsch's immer stolz gewesen, welches ihnen nur ein sehr gewandter Wagcnlenker glücklich nachmachte. Da sich nach der Landstraße hin das Hauptthor befand, wurde dieses selten benutzt, nur um zu zeigen, daß die alte Geschicklichkeit noch nicht verlernt sei. Hinter der Einfahrt dehnte sich, zu beiden Seiten in die Nachbargrundstücke hineinreichend, der kleine Garten ans. Da rin erhob sich ein schmuckes, massives Häuschen: das Ausgedinge. Pärsch war darauf nicht weniger stolz, als auf seine große neue Scheune. Else leistete der Großmutter hier Abends oft Gesellschaft, da sie den Tag hindurch von der Wirthschast in Anspruch genommen ward. Als sie dem Vater das Bier gebracht hatte, kehrte sie in die Eckstube zurück. Launerts zweijähriges Kind spielte mit einem große» Apfel, den sie ihm hastig fortnahm. „Willst ihn behalten — gieb Mariechen einen von meinen aus dem Schrank." Die Großmutter war, obgleich etwas schwerhörig und von den nahenden Siebzig gebeugt, noch unausgesetzt fleißig. Sie spann zn Elsens Aussteuer schön manches Jahr hindurch. „Ich — den Apfel behalten? Er warf ihn ja nach mir!" Else schleuderte ihn auf die Erde. Jede Falte in dem runzeligen Gesicht der Greisin zuckte schelmisch. „Hast ihn ja laut genug gescholten, daß ich's weiß." „Es war zu grob — hätte mir oder dem Kinde den Kopf ein- schlagcn können!" eiferte das Mädchen. „Junges Blut thut's eiumal nicht anders." „Ich grabe ihm einmal alle zehn Finger in sein dummes, häß liches Gesicht, daß —" „Daß Du ihm hernach die Schrammen heil küssen kannst," nickte die alte Frau verständnißvoll. „Großmutter!" Else war so entrüstet, daß sie kein anderes Wort hervorbringen konnte. Um ihre Empörung noch zu steigern, gewahrte am Giebelfenstcr, das wie das Vordersenster offen stand, ein gebräun tes, ziemlich hübsches und sehr sauber rasirtes Gesiebt — das ihres Nachbars Launert. Während die Haut der andern Männer wöchent- nur einmal durch des Barbiers oder ihr eigenes Messer geschunden ward, sollte er sich dreimal rasiren. Das dunkle Haar war gepflegt wie das eines Stadtherrn und die Kleidung selbst so zierlich und fein, wie die der Eleven auf dem Herrenhose. (Forts, folgt.) Ein starkes Stück im „Kulturkampf," schreibt man der Drcsd. Pr. hat der Regierungs-Präsident Graaf in Sigmaringen geleistet. Nach- l dem der bekannte klerikale Hirschwirth Schmid bei den Abgeordneten wahlen den Sieg über den Regierungs-Kandidaten davon getragen hat, wird gegen den Hirschwirth „wegen wiederholler Wahl-Agitationen regierungsfeindlicher Tendenz" die Disziplinar-Untersuchung mit dem Ziel der Entlassung aus dem Amte als Gemeindrath eröffnet. Ueber SpLelwerke. Im Jnseratenthcile unseres Blattes finden unsere verehrten Leser und schönen Leserinnen wiederum, wie alljährlich, die Em pfehlungen der weltberühmten Spielwerke von Herrn I. H. Heller in Bern. Derselbe liefert diese so allgemein beliebten Werke in einer geradezu staunenerregenden Vollkommenheit, wir können daher Jedem, der nur ein wenig Freude an Musik hat, nicht warm genug empfehlen, sich ein Spielwerk anzuschaffen, und bietet die bevorstehende Weih nachtszeit die schönste Gelegenheit hierzu, auch kann kein Gegenstand, noch so kostbar ein solches Werk ersetzen. Was kann wohl der Gatte der Gattin, der Bräutigam der Braut, der Freund dem Freunde Schöneres und Willkommeneres schenken? — Dem Leidenden, dem Kranken gewährt es die größte und ange nehmste Zerstreuung, vergegenwärtigt glücklich verlebte Zeiten; dem Einsamen ist es ein treuer Gesellschafter, cs erhöht die Gemüthlich- keit der langen Winterabende im häuslichen Kreise u. s. w. Hervorheben möchten wir noch ganz besonders die nur zu lobende Idee vieler der Herren Wirthe, die sich ein solches Werk zur Unter haltung ihrer Gäste angeschafft. Die gemachte Ausgabe hat dieselben, wie uns von mehreren Seiten bestätigt wird, nicht gereut; es er weist sich somit auch deren practischer Nutzen aufs Evidenteste und möchten wir allen Herren Wirthen, die es bis dahin unterließen, an- rathen, sich ohne Säumen ein Spielwerk anzuschaffen. Wir bemerken noch, daß die Wahl der einzelnen Stücke eine ganz fein durchdachte ist; die neuesten, sowie beliebtesten älteren Opern, Operetten, Tänze und Lieder heiteren und ernsten Genres finden sich in den Heller'schen Werken auf das Schönste vereinigt. Kurz, wir können keinen aufrichtigeren und wohlmeinenderen Wunsch an die ge neigten Leser und Leserinnen unseres Blattes aussprechen, als den, sich recht bald in den Besitz eines solchen Spielwerkes zu setzen; reichhaltige illusirirte Preis-Courante werden Jedermann franco zuge sandt. Auch ist dirccter Bezug schon deshalb zu empfehlen, da vielerorts Werke für Heller'sche ausgegeben werden, die es nicht sind.