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Grund nämlich, daß er sich nicht binden will. Wäre er der Freund Rußlands, so hätte er leichtes Spiel, und er könnte offen reden, offen handeln, brauchte er sich nicht mit der Rolle einer Sphinx zu quälen. Weil er aber im Grunde seines Herzens Rußlands Gegner ist, darum muß er der Schweigsame sein, der Räthselhaste, der Undurchdringliche. Schauen wir ein Jahr zurück. Hat er sich irgendwie vcrrathen, ir gend ein Wort gesprochen, wo man ihn fassen könne? Nein, aber wir dürfen gleichwohl behaupten, daß jedesmal, wenn Rußland aus schreiten wollte, Bismarck ihm entgegentrat. Vor einigen Monaten, als der Russe schon daran war, loszuschlagcn, wurde Manteuffel nach Warschau geschickt, damit er warne und abwehre. Und unlängst wieder die Sendung Schweinitz' nach Livadia zum Kaiser Alexander. Wissen wir, was er dem Czaar zu sagen hatte? Keineswegs, aber so viel können wir errathcn, daß er nicht den Beifall der deutschen Regierung zu überbringen hatte, sondern wohl das Gcgcnthcil. Und dann, denken wir doch an den Hohcnzollcrn in Bucharest. Glauben Sie etwa, wenn irgend ein Hohenzoller auf einem Throne sitzt oder einen Thron bekommen soll — wir können einiges davon erzählen — glauben Sie, er werde im Stiche gelassen? Rüstet Numäuien vielleicht für Rußland? Dort waltet Bismarck's Hand. Und die Rüstungen Griechenlands? Dort waltet wiederum Bismarck's Hand. Wir wollen uns keiner Täuschung hingebcn, dieser Mann ist zu be deutend, um der gehorsame Diener Rußlands zu sein. (Man achte darauf, daß ein Österreicher in einer österreichischen Zeitung Gam betta so sprechen läßt.) In Rußland und in der Türkei wächst die Kriegsleidenschaft, ge schürt vom Racen- und Religions-Haß. Der Sultan erklärt die Be setzung der Vulgarer durch die Ruffen sich niemals gefallen lassen zu können, er werde eine halbe Million Soldaten auf die Beine bringen. Als ein fremder Diplomat den türkischen Kriegsminister fragte: Wie wollen Sie einen Krieg mit den Russen aushalten? er hielt er die Antwort, Soldaten bekommen wir soviel wir brauchen und sie kommen willig, verlangen keinen Sold und nehmen mit dem Geringsten vorlieb. Stcuergclv bekommen wir nicht, aber Jeder liefert statt des Geldes was er hat an Früchten und Erzeugnissen seiner Arbeit: Getreide, Fleisch, Tuch, Pferde rc. Kanonen und Ge wehre haben wir schon vorher gekauft, nun brauchen wir kein Geld für das Heer. England soll im Stillen aushelfen). In Petersburg liegt eine Anleihe von 100 Mill. Silberrubcl auf. Kaiser Alexander soll zu dem französ. General Leflo gesagt haben: Die slavische Be wegung ist 2 Jahre zu früh ausgebrochen. — General Tschernajeff, der Sturmbock in Serbien, ist aus seinem Vaterland verbannt, der Czaar hat ihm sagen lassen, er dürfe nicht nach Rußland; er ist so eben in Wien angekommen. — Der Höchstcommandirende der russischen Armee ist der Großfürst Nicolai, den die Russen als einen der besten Feldgenerale Europa's schildern. Ans St. Petersburg, 16. November schreibt man: Im Augen blicke, wo die Bestrebungen der Diplomatie darauf gerichtet sind, das trotz der verschiedensten Strömungen unter den Mächten principiell vorwaltende Einvernehmen zu einem vollständigen zu machen und einen friedlichen Ausweg in der sich immer schwieriger gestaltenden schweben den Frage zu finden, zeigt die Pforte nicht einmal die genügende Energie, um die Commandanten ihrer Truppen zur stritten Aufrecht erhaltung eines Waffenstillstandes zu vermögen, dessen wiederholte Verletzung alle Friedcnsbestrebungen der Mächte überhaupt und der russischen Regierung speciell illusorisch zu machen droht. In noth wendiger Rücksichtnahme auf die sich in Rußland geltend machende Volksströmung, welche in der stritten Befolgung des auf Verlangen des russischen Cabinets abgeschloffenen Waffenstillstandes sozusagen die Ehre Rußlangs verpfändet sieht, sah man sich hier veranlaßt, den General Jgnatieff zu der Erklärung zu ermächtigen, daß eine fortge setzte Verletzung des für beide kriegführenden Parteien in Kraft be stehenden Waffenstillstandes fernere diplomatische Verhandlungen Ruß lands unnöthig machen würde und er deshalb in diesem Falle ge zwungen wäre, dieselben abzubrechen und Constantinopel mit dem gesummten Botschaftspersonal zu verlaffen. Auch der russische Consul in Serajewo, Kudriaftschew, ist angewiesen, nach Belgrad zu über siedeln, wenn den betreffenden Punktationen entgegen der Waffenstill stand zwischen den bosnischen Freischaaren und den in Bosnien locirten türkischen Truppen nicht eingehalten wird, da er unmöglich in einem Gebiete residiren könnte, wo der Waffenstillstand die Waffen nicht ruhen läßt. Darüber was die englische Regierang im Falle eines russisch türkischen Krieges zu thun denkt, schreibt der in London erscheinende „Financier" unter dem 17.: Wenn auch nicht aus offizieller, so doch aus sehr glaubwürdiger Quelle hören wir, daß das britische Ministerium sich, falls eine russische Armee in die Türkei einmarschiren sollte, zu folgendem Verhalten entschlossen hat: Ein britisches Armeecorps wird in diesem Falle sofort Constantinopel besetzen und die Landseite diestr Stadt sowie die Linie von Gallipoli, welche die europäische Seite der Dardanellen beherrscht, befestigen lassen. Zur Vertheidigung dieser Position werden nicht mehr als 25,000 Mann nöthig sein und britische Jngenieurosfiziere sind bereits mit den nöthigen Ausnahmen beschäf tigt. Die Absicht der britischen Regierung ist nicht die, sich in einen Krieg zwischen Rußland und der Türkei einzumischen. Sowohl in Europa als in Asien sollen Russen und Türken das Schlachtfeld für sich haben, auch werden britische Truppen weder nach Bulgarien noch nach Armenien geschickt werden. Englands Absicht geht nur dahin, tu verhindern, daß Constantinopel und die Dardanellen in russischen Besitz kommen. England würde Constantinopel nur als Pfand im Namen der übrigen Großmächte halten nnd cs aufgeben, sobald ein neutraler Staat am Bosporus gebildet oder irgend ein anderes Ar rangement getroffen wäre, durch welches die Dardanellen unter den Schutz von ganz Europa gestellt würden. Die Aussichten auf den Frieden sind ebenso groß wie die auf den Krieg und es ist zu hoffen, daß der Friede gewahrt bleibe, da die Ehre keiner Macht bisher im Spiele ist." Das ist die Aeußerung des greisen Thiers über die augenblickliche Lage und es wird wenige Staatsmänner geben, die etwas Genaueres zu sagen wissen. Die Entscheidung wird fallen, wenn die russischen Friedensvorschläge — besser freilich hießen sie Kriegsvorschläge — speziell der Okkupations antrag aus der bevorstehenden Konferenz zur Frage kommen, denn ehe die Pforte diese Forderungen erfüllt, wird sie unzweifelhaft zum Schwerte greifen. „Inzwischen," schreibt ein bekannter diplomatischer Korrespondent der Köln. Ztg., „beobachten die Mächte sich gegenseitig und sind trotz eifrigen Studiums über die vorhandenen Absichten und Pläne der verschiedenen Lager ersichtlich im Unklaren. Gegen eine derartige Ungewißheit sollte das Drei-Kaiser-Bündniß schützen, das offiziell noch immer sortbesteht und auch gelegentlich als Bürgschaft des europäischen Friedens noch immer viel gepriesen wird. Schon früher wurde indessen oft vermuthct, daß Rußland von dem Bünd- niß den meisten Vorthcil zog und dasselbe vornehmlich für seine jetzt genugsam enthüllten Sonderzwecke auszunutzen verstand. Es wurde erzählt, die anderen beiden Mächte gingen mit, um Rußland zu mäßigen, wenn man will, zu überwachen. Hinterher hat sich gezeigt, daß der Weg doch erheblich weiter führte, als die nicht ganz freiwil ligen Reisegefährten vermachet haben mochten.... Jetzt stehen sich zu nächst England und Rußland gegenüber, während die übrigen Mächte sich zuwarteud und scheinbar zuwartend verhalten." Die uns am nächsten interesstrende Frage, wo die Grenze für die „Interesselosig keit," die „Vermitlungs-Rolle," die „wohlwollende Neutraliiät," die „deutsch-russische Freundschaft," wie immer man das eigenthümliche Verhallen des Fürsten Bismarck charakterisiren will, ist nach wie vor ein ungelöstes Näthsel. Wann sie beantwortet werden wird, hängt eben von des Fürsten Bismarck Gnade ab! Briefe aus Bulgarien, die am 20. November nach Belgrad gelangten, melden, daß die Bulgarenhauptstadt Sofia von Baschibo- zuks, welche vom Kriegsschauplatz heimkehtten, theilweise eingeäschert wurde. Beabsichtigt war es, den Brand den Christen in die Schuhe zu schieben, nm ein Maffacre zu provociren. Den Bemühungen des Gouverneurs Asmed Mazhar Paschas gelang es, Gcwaltthatcn zu verhindern. Ostindien. Nach in Kalkutta eingegangenen Berichten sind im Südosten von Bengalen durch einen furchtbaren Wirbelsturin (Teifun), der in den letzten Tagen des vorigen Monats dort wüthele, an 120,000 Menschen um's Leben gekommen. Vermischtes. Der Zuzug preußischer Lehrer nach dem Königreich Sachsen ist im Zunehmen begriffen. Wie es eben zur Zeit liegt, machen die preußischen Seminarien die Lehrer für die angrenzenden Länder fer tig. Die Erklärung für diese höchst unerfreuliche Erscheinung liegt auf der Hand. Schafft das Unterrichtsgesetz den preußischen Lehrern eine würdige auskömmliche Stellung, so wird sie wegfallen, andern falls sich aber nur steigern, um zuletzt zu einer ganz allgemeinen Lan- deskalamilät zu führen, wie sie in einzelnen Provinzen ja thatsächlich bereits seit Langem vorhanden ist. Ein lebensmüder Bursche aus Webern (Baden) wollte sich den Tod anthun und hing sich zu diesem Zwecke in seinem Zimmer auf. Glücklicherweise wurde er bald bemerkt, abgeschnilten und dem Leben zurückgegeben, Das ist nun nichts Besonderes, wenn der Leser aber erfährt, daß derselbe Bursche wenige Stunden nachher in den heiligen Ehestand trat und sein Hochzeitsfest feierte (und zwar aus dem ver ständigen Grunde, „weil die Kuchen einmal gebacken seien"), so wird nran zugeben müssen, daß eine Heirath unter solchen Umständen noch nicht da war. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Bußtag Vormittags predigt Herr k. Schmidt. Nachmittags Betstunde. Am Todten sonn tage Vormittags predigt Herr k. Schmidt. Nachmittags Betstunde. Kirchenmusik zum Todtensonntage: „Das Wiedersehen", geistliches Lied von Schumann. zwischen Wilsdruff, Winter Fahrplan Abfahrt von Wilsdruff, Dresdner Straße daselbst. vom 1. Öctober 1876 an. Abfahrt von Dresden, Gasthaus zum Sachs. Hof, Breitestr. Nr. 2. Omnibus-Fahrplan stoischen Wilsdruff, Kcsselsdorf und Dresden. früh 6V2 Uhr n. Nachm. 3 Uhr. Tourbillet früh nach Dresden und Abends von Dresden u Billet 80 Pfge. VNjxlivI» früh 7 Uhr mid Nachm. 4 Uhr. Tourbillet früh von Dresden und Nachm. nach Dresden L Billet 1 Mark. 2t. Herrmann. Eine Stube steht zu vermiethen und kann sogleich bezogen werden im Armenhause zu Tanneberg.