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tenden Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten, ins Leben gerufen werden; o) das über die Verbesserung der Lehrlingsverhältnisse und gesetzmäßige Einführung von Lehrverträgen und Lehrzeugnissen auszuarbeitende Gutachten im Anschlusse an die Petition der deutschen Handels- und Gewerbe-Kammer um Revision der Gewerbeordnung an den Reichs tag zu bringen. 18) Anträge von Kamenz und Zwickau, die Fort bildungsschule bctr. Resolution: a) die Gewerbvereine erkennen in der Einführung der obligatorischen Fortbildungsschule ein wichtiges Mittel zur Hebung der allgemeinen Volksbildung in geistiger wie sitt licher Hinsicht. Daher lassen sie es sich angelegen sein, die Erreichung der Fortbildungsschule gestellten Aufgabe nach Kräften zu fördern; b) der Congreß erklärt es für Pflicht aller gewerblichen Kreise, die Schulbildung der Lehrlinge nach Kräften fördern zu Helsen, die Ent wickelung und den Ausbau des erst im Werden begriffenen gewerb lichen Fortbildungsschulwescns den localen Verhältnissen entsprechend zu unterstützen. Beschlüsse: n) den Gewerbvereinen durch den Vor ort Anregung zu geben, in ihren Orten für Errichtung besonderer mit der bestehenden Fortbildungsschule organisch zu verbindender Curse für gewerblichen Fachunterricht besorgt zu sein; b) den Vorort zu beauftragen, die gewerblichen Vereine unseres Vaterlandes zur Mit- theilung der in ihren Sitzen gemachten Erfahrungen im Fonbildungs- schulwcsen aufzufordcrn, damit dem Ministerium des Innern vor dem nächsten Landtage etwaige Anträge und Wünsche unterbreitet werden können, o) den Vorort zu beauftragen, den einzelnen Gc- werbvereincn dringend anzucmpfehlen, mit den Schulvorständen und Bezirksschulinspectionen in Verbindung zu treten, daß auf Grund von 8 14 Absatz 5 des Volksjchulgesctzcs die Vereinigung der gesetzlichen Fortbildungsschulen mit den gewerblichen Fortbildungsschulen statt- finden kann. Die vorstehende Zusammenstellung läßt erkennen, daß das Be- rathungsmalerial nicht nur ein umfängliches, sondern auch ein über aus wichtiges war und die gefaßten Beschlüsse und Resolutionen, denen meist lebhafte Debatten vorausgingen, beurkunden weiter, daß der Congreß redlichst bemüht gewesen ist, die ihm vorliegenden Aus gaben gründlich zu erörtern, wünschen wir deshalb auch, daß die an gestrengte 2lägigc Arbeit vieler für das Gemeinwohl, für Volksbildung und Hebung der Industrie begeisterter Männer auch in der Gesammt- heit der Bevölkerung unseres Vaterlandes die rechte Würdigung und vor allen Dingen die Beachtung der gegebenen Nichlungslinien finden möge. Der Abend des Hauptvcrsammlungstages vereinte die Kongreß mitglieder, denen sich Vertreter der städtischen Behörden und andere Ortseinwohner angcschloffen hallen, nochmals im Gesellschaslshause, nm dann bei Tafel noch manches Wort erschallen zu lassen, das zwar nicht zu den parlamentischen Debatten gehörte, das aber nach der ernsten Arbeit des Tages dem Geiste nun auch eine heilere Rich tung bot. In allen seinen Einzelheiten bot der Congreß so viel Anziehendes und Belebendes , daß er sich würdig seinen Vorgängern an die Seite zu stellen vermag. Tagesgeschichte. Großenhain, 10. August. Gestern Nachmittag traf Krcishaupt- mann von Einsiedel aus Dresden hier ein und nahm in dem hiesigen Standesamte eine mehrstündige eingehende Revision, dem Ver nehmen nach die erste Seiten der Regierungsbehörde des hiesigen Bezirkes, vor. Die ganze Geschäftsführung soll in durchaus zufrie denstellender Weise befunden worden sein. Aus Leipzig wird mitgelheilt: In Bezug aus den zur Kaiser parade des 12. Armeecorps erwählten Platz erfährt man weiter, daß derselbe sich aus den Fluren zwischen den Dörfern Böhlen (an der sächsisch-bayerischen Slaatsbahn) und Zeschwitz befindet und nur etwa 300 Meter von der Bahn abgelegen ist. Zur Unterbringung hoher Herrschaften wird von der Leipziger Amtshauptmannschafl durch die Herstellung einer großen Tribüne Fürsorge getroffen werden, welche, da sie gegen 1500 Personen fassen wird, gegen Zahlung eines Beitrags auch für das Publikum mit bestimmt ist. Unter dem festen Zusammenwirken der beiden Negierungen von Deutschland und Frankreich ist nunmehr auch der letzte Punkt für die Blutthat in Salonichi von der türkschcn Regierung verlangten Genuglhuung zum Abschluß gebracht: Die Zahlung der Entschädigungen für die Familien der ermordeten Consuln. Deutscherseits war die Summe von 300,000 Franken sür Lie kinderlose Wittwe des Consuls Abbot, von Frankreich sind 600,000 Franken sür Frau und Kinder des ermordeten Consuls Moulin gesordert worden. Am 6. d. M. hat die Pforte diese Zahlungen zn Händen der Botschafter in Constantmopel geleistet. Wenn sich die letzten Nachrichten aus Semlin vom 9. August bestätigen sollten, so steht die Sonne der serbischen Hoffnungen dem Untergange nahe. Hiernach hat Hassan Pascha dem serbischen Oberst Leschjänin auf dessen Rückzüge von Saitschar den Weg zur Vereinigung mit der Armee Tschernajeffs abgeschnittcn, während ihm gleichzeitig Fazli Pascha in nördlicher Richtung den Rückzug nach Negotin ver legte. Die Türken sollen mit ihrer Vorhut schon im Morava- Thale stehen und die 3 Generale Ejub, Osman und Hassan Pascha mit Umgehung Deligrads direct gegen Belgrad Vorbringen. Die Timokarmee wäre sonach außer Thätigkeit versetzt und für Serbien fo gut wie verloren. Aus Belgrad, 10. August meldet man der „Post": Es circu- lirt das Gerücht, daß Tschernajeff hochgradig am gelben Fieber erkrankt sei und deshalb das Commando niedcrlegen wolle, General Fadejeff solle dasselbe übernehmen. — Paskow aus dem russischen Kriegsministerium war im Hauptquartier des Fürsten und conserirt jetzt mit der hie sigen Negierung. — Nach osficiellcm Nachweis verlor Serbien bis jetzt 6260 Todte und 5600 Verwundete. Trotz des Vordringens der Türken ist der Kampf aufs Aeußerste beschlossen; die Bevölkerung ist niedergeschlagen, aber ruhig und opferwillig. — Die gesammte Reserve ist zum Schanzenbau einberufen, die Arbeiten haben bereits begonnen. Topischidcr und Belgrad werden in riesigem Umfange befestigt. Täglich treffen Freiwillige und Geld ein, letzteres in großen Beträgen aus Rußland kommend. — Die Concenlrirung der ser bischen Armee im Morawatbal hat begonnen; Horalovic verlheidigt den schmalen aber langen Engpaß bei Topla gegen die Türken seit gestern mit Erfolg. Inzwischen ist der Brückenknopf bei Tzuprija armirt. Paratschin ist noch stärker verschanzt worden; die Reserven sind von Deligrad gegen Tzuprija vorgesc! oben. Die türkische Regierung soll beschlossen haben, alle Unter handlungen mit dem Fürsten Milan abzulehnen, auch die Vermittelung fremder Mächte dabei nicht anzunchmen, sondern nach der Einnahme von Belgrad die Voksvertreluug zur Wahl eines neuen Fürsten von Serbien einzuberufen Nach derselben Quelle verlangt die Türkei keinen Gebietszuwachs, nimmt jedoch das Besatzungsrecht in Belgrad, Kragujevatz und Semendria sür sich in Anspruch. Dagegen ist man nicht abgeneigt, den Montenegrinern eine kleine Gebietserweiterung zu gewähren. Was bisher in der „Times" und „Daily News" in greller Dar stellung über die Unihaten der Türken in Bulgarien gemeldet wurde, beruhte meist nur auf Hörensagen und Mittheilungen, deren Glaub würdigkeit schwer sestzustellen und zweifelhaft war. Anders ist cs mit nachstehenden haarsträubenden Angaben, welche der Berichter statter drr „Daily News" unter dem 1. August aus Tatar Bazard- schik daiirt: „Ich sah heule, schreibt er, die Stadt Batok. Der Boischastssccrelär Baring war gestern dort. Als wir uns der Stadt näherten, ergriff eine Anzahl Hunde die Flucht. Wo wir sie gesehen, fanden wir eine Anzahl Todlcnschädel und einen ganzen Haufen menschlicher Gerippe in ihren Kleidern. Ich zählte vom Pferde her unter 100 Schädel und Gerippe halbverkohlt zwischen den Ruinen oder ganz und unversehrt, wo sie eben hingestürzt waren und noch in ihren Kleidern. Darunter waren Skelette von Frauen und Mäd chen mit langen braunen Haaren. Wir näherten uns der Kirche. Tort wurden diese Uebcrreste immer häufiger, bis wir schließlich den Boden mit Gerippen, Schädeln und verwesenden Leichen noch in ihren Kleidern bedeckt fanden. Zwischen der Kirche und der Schule lagen sie in Haufen. Der Geruch war entsetzlich. Aus vcm Kirchhose wartete unser noch ein grauenhafterer Anblick. Der ganze Kirchhof war 3 Fuß hoch mit Leichen überhäuft, die nur zum Theil bedeckt waren. Hände, Arme, Beine und Köpfe ragten in schauervoller Ver wirrung hervor. Ich sah die kleinen Hände, Füße und Köpfe von 3jährigen Kindern und von Mädchen mit prächtigem Haar. In der Kirche sah es noch schrecklicher aus. Der Boden war mit Leichen bedeckt, die in Verwesung übergegangen waren. 3000 Leiber lagen in der Kirche und auf dem Kirchhose. In der Schule waren 200 Weiber und Kinder lebendig verbrannt worden. Durch die ganze Stadt wiederholte sich allenthalben das schreckliche Schauspiel. An manchen Stellen waren Haufen halbvergrabencr Leichen von Hunden wieder hcrvorgescharrt wordin. Die Ufer des Baches waren mit Leichen bedeckt. Manche waren 30 (engl.) Meilen weit nach Tatar Bazardschik geschafft worden. Von den 9000 Bewohnern der Stadt sind nur 1200 übrig geblieben. Manche, die dem Gemetzel entronnen waren, sind heimgekehrl und irren wehklagend unter den Ruinen um her. Der Anstifter all dieses Jammers, Ahmed Aga, ist befördert worden und bleibt nach wie vor Bezirks-Gouverneur. 7000 Leichen verfaulen dort seit dem 12. Mai, und den übrig Gebliebenen ist noch eine Contribution von 100,000 Piastern auferlegt worden. Das Ge treide fault auf dem Felde, weil cs an Händen fehlt, die Ernte ein- zuheimsen. Von Hilfe seitens der Türken ist keine Rede." Die zügellosen tscherkessischen Banden haben es mit ihrer mordbrennerischen Aufführung in den aufständischen Provinzen selbst den Türken zu toll gemacht. Um sie nicht aus den Augen zu ver lieren, sind sie jetzt truppweise in Compagniecn der regulären Armee eingereihl worden, wo die volle Strenge der militärischen Mannszucht auf sie Anwendung findet, soweit diese überhaupt bei den Türken in der Mode ist. Dem englischen Parlamente ist die diplomatische Correspondenz wegen der von den Türken in Bulgarien begangenen Grausam keiten mitgetheilt worden. Das erste Schriftstück ist vom 14. v. M., das letzte vom 9. d. M. Das zuletzt gcdachte ist eine Depesche Lord Derby's an den Botschafter Elliot, worin es heißt, daß die Pforte Grausamkeiten, wie die in Bulgarien borgekommenen, in Serbien nicht geschehen lassen dürfe, und daß der Botschafter darauf Hinweisen müsse, daß jede Erneuerung solcker schimpflichen Acte für die Pforte unheilvoller sei, als eine verlorene Schlacht. Der Unwille Europa's werde sich unwiderstehlich geltend machen und ganz unvermeidlich eine Intervention in einem sür die Türkei feindlichen Sinne zur Folge haben. Aus Petersburg wird gemeldet: Angesichts der Gelassen heit des übrigen Europa's nimmt die humanitäre Bewegung im Innern Rußlands sehr große Dimensionen an.