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er sein Dasein, bald von Zorn, bald von Angst gepeinigt, dahin und entzieht seine Person Aller Angen. Aus Furcht, in seinem Pa laste zu verbrennen, hat er sich ein ganz eisernes Zimmer errichten lassen, dessen Wände mit Eisen gepanzert sind; die Möbel sind eben falls von Eisen, und der Herrscher der Gläubigen hat sein Bett in einem eisernen Kasten aufgeschlagen. Dem Volke zeigt er sich selten und nur mit großer Vorsicht. Die Bewohner der türkischen Residenz, Constantinopel, sind heute die geplagtesten Menschen der Welt. In der Stadt selbst furchten sie sich zu bleiben, weil daselbst Sofias und andere türkische Fanatiker den Aufenthalt höchst unangenehm machen, und die Sommerfrischen längs des Bosporus und der Dardanellen können sie auch nicht be ziehen, weil dort Piraten und anderes Gesindel fortwährend die Be wohner beunruhigen. So landeten Seeräuber erst in der vorigen Woche in dem Dorfe Papaslh im Golfe von Adramhtti und begannen sofort in die Häuser ciuzudriugen und da zu plündern. Es kam des halb zu einem Gefechte zwischen ihnen und den Dorfbewohnern, wo bei sowohl von den Ersteren als auch von den Letzteren mehrere todt auf dem Platze blieben. Schließlich mußten doch die Piraten das Dorf räumen. Dieselben statten aber noch immer bald diesem, bald jenem Dorfe einen Besuch ab. Die türkische Polizei macht zwar An- strcuguugeu, nm dieser Piraten habhaft zu werden, aber bis heute ist sie ihnen „auch schon ans der Spur". Nicht mit Unrecht befürchten daher die Constantinvpler, daß auch der Sultan ihnen gestohlen werden könnte. Nach den neuesten Nachrichten treiben die Dinge im Orient nur zu deutlich dem Kriege entgegen. Es ist keine Aussicht vorhanden, daß die Pforte sich den Vorschlägen der Confcreuzmächte, die eine friedliche Lösung anbahncn sollten, fügen wird. Ja, im Westminster scheint man dessen völlig gewiß zu sein; im Oberhanse begründete am 22. Mai Derby die Nichttheilnahme Englands an der Action der Ostmächte mit dec Erwägung, daß die Vorschläge ja ohnehin nicht zum Frieden führen würden — weil die Türkei nicht darauf eingehen mag. Heute kommt über Paris die Meldung, daß die In surgenten ihrerseits von einem Waffenstillstände nicht eher etwas wissen wollen, als bis ihnen völlige Loßreißuug und Unabhängigkeit von der Pforte zugcsichert ist. Die Aufständischen sind offenbar durch den Druck, den die Ostmächle auf die Pforte ausüben, ermuthigt; verletzte Nest von Unterthaneu-Respcct ist ihnen abhanden gekommen, seitdem sie gesehen haben, wie die türkischen Machthaber, angesichts der von allen Seiten heraunahenden Geschwader, kläglich zu Kreuze kriegen; sie glauben einen starken Rückhalt an Rußland zu haben. Aber eben weil sie auf Rußland zu blicken haben, werden sie schwerlich schon jeht zu so radikalen Forderungen sich versteigern. Dem russischen Reichskanzler muß daran gelegen sein, die Schuld au dem Scheitern des Friedenswerkes der Türkei ganz allein zuzuwälzen. Diese will trotz ihrer Ohnmacht, trotz des galoppirenden Schwindens ihrer Kräfte doch nicht bei lebendigem Leibe ins Grab steigen. Die Weisen des Seralls studiren die Berliner Konferenzvorschläge; sie sind „mit ihrer Prüfung beschäftigt". Ueber die Blätter des Gortschakoff'schen Me morandums hinweg blicken sie aber sehnchsütig nach Westen, nach Großbritannien, dessen Zurückhaltung ihnen einen Hoffnungsschimmer vorgaukelt. Man prüft die Vorschläge, nicht um sie anzunehmen, sondern nm Zeit zu gewinnen; möglich, daß das allgewaltige Kismet, welches die Geschicke der Völker lenkt, irgend einen rettenden Zufall, irgend ein Wunder sendet. Dieses Kismet aber vollzieht sich eben nicht in Sprüngen und Räthseln; es folgt den Gesetzen der Natur. Jemehr die Pforte die Entscheidung hinauszuzögern meint, desto mehr wird sie sie beschleunigen. Die Unsicherheit der Lage wird die Un geduld und Gährung in den Provinzen steigern und schließlich wird die Pforte doch zu der Rolle des Ambos sich verstehen müssen, da sie nicht mehr Hammer sein kann. Küßt unsere Kleinen nicht! Unter der vorstehenden Ueberschrift bringt der „Düsseld. Anz." von einem „Arzte" die nachfolgende Mahnung, die weitere Verbreitung verdient: Eine schauderhafte Unsitte ist es, die Kinder zu küssen. Wir brauchen absichtlich den Ausdruck „schauderhaft", weil wir uns zart ausdrücken wollen und die Bezeichnung „mörderisch" uns schon auf der Zunge schwebte. Ja wohl, gnädige Frau, „mörderisch!" Besinnen Sie sich vielleicht noch darauf, als Sie vor etwa 15 Jahren mit einem großen Shawl um den Hals einen Besuch bei Frau vr. S. machten? Und als der kleine Hans ins Zimmer gesprungen kam, griffen Sie nicht nach dem Kleinen mit anscheinend überströmender Zärtlichkeit, nannten ihn „mein reizendes Kerlchen" und küßten ihn nach Herzenslust? Dann singen Sie an zu erzählen, was für einen schrecklich entzündeten Hals Sie hätten, daß Sie sogar am Tage vorher eine Einladung zum Concert hätten abschlagen müssen, weil Sie zu verschwollen seien? Sie hatten keine Absichten auf das Leben des Kindes und doch tödteten Sie dasselbe so sicher, als wenn Sie ihm statt ihres Kusses Strychnin oder Arsenik gegeben hätten. Ihre Zärtlichkeit wurde verhängnißvoll. Zwei oder drei Tage darauf fing „mein reizendes Kerlchen" auch über einen entzündeten Hals zu klagen an und als der Arzt kam, genügte das eine Wort: „Diphtheritis", um Alles klar zu machen. — Heute ist ein kleiner frisch geschmückter Hügel vor dem Thore die einzige Erinnerung an Ihren Besuch. — Die Mutter hat natürlich nicht den geringsten Verdacht auf Sie; sie hängt ihren herben Verlust der geduldigen Vorsehung an. Der Arzt that nichts, um diesen Glauben zu zerstören; denn das dürfte eben so unklug als grausam sein, mir aber hat er es im Ver trauen mitgetheilt, daß allein Ihre „schauerliche Dummheit" — es waren seine Worte, gnädige Frau — an dem Tode des kleinen Hans die Schuld trägt. Es läßt sich schwer beurtheilen, ein wie großer Theil der augenblicklich grassirenden Diphtheritisfälle auf solche Ge dankenlosigkeit zu schieben ist; das steht jedoch fest, daß Erwachsene die Diphtherie oft in so geringem Grade haben, daß sie dieselbe für eine einfache Erkältung nehmen und, da die Erkältung nicht ansteckend ist, so finden Sie auch nichts Böses darin, Andere ihrem Athem aus zusetzen, und können keine Gefahr darin erblicken, ihre Lippen mit Lenen Anderer in Berührung zu bringen. Bedenkt man nun aber die Thatsache, daß die Diphtherie in den meisten Fällen durch directe Uebertragung der bösartigen Keime, welche die Krankheit verursachen, vor sich geht, bedenkt man ferner, daß cs kein besseres Mittel, um den Krankeitsstoff zu übertragen, giebt, als das Küssen, und daß end lich das Küssen bei allen Gelegenheiten Sitte geworden ist, so ist es sicher nicht auffallend, daß diese Krankheit so leicht epidemisch wird. Selbstverständlich ist es Unsinn, alle Diphtherieansteckungen aufs Küssen schieben zn wollen — denn da sprechen noch andere Factoren mit —, aber cs sieht gewiß Jeder ein, daß es den Kleinen bester be kommen würde, wenn sie weniger geküßt würden. Ein einziger Kuß hat schon eine ganze Familie angesteckt und der Zärtlichste kann in die Lage kommen, daß er eine böse Krankheit verbreitet, ohne es zu wissen. Darum empfehlen wir aus ganzem Herzen, die Kinder in Ruhe zu lassen, anstatt daß wir die Gewissensbisse eines Judas auf uns laden. Vermischtes. Aus Schwarzburg wird vom 17. Mai gemeldet, daß am Sonntag in Thüringen „aus dem Walde" zwischen Oberweißback und Cursdorf brillanter Schlittenschlag gewesen. Gewiß ein seltener Ge nuß, am 14. Mai im Rennschlitten durch maigrün prangende Wälder und Felder zu fliegen! Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Sonntag Exaudi Vormittags predigt Herr k. Schmidt. Nachmittags predigt Herr Diaconus Canitz. Sonntag früh 4 Uhr Feldmarsch nach Burkhardtswalde zur dortigen Feuer wehr. I44 Ukr Weckruf. Das OoniriitLNtlo. LandtvirUchaMcher EM-Verm im Königreich Sachsen. Die Aufnahme neuer Mitglieder, Einzahlung von Geldern, den Verkauf von Pfand- und Creditbriefen, Darlehnsgesuche vermittelt Wilsäruif. 7K. kittkauscn. werden auch von Nichtmitgliedern jederzeit angenommen und vom Tage der Einzahlung an mit 4 "/§ verzinst. 0 V Echt flW.GWcht-Mustkr-§tllstll, Echt stcycr'sche Sensen, Zeichen H ilcltri inmin, - L1cl-^k1r>voiri, empfingen und verkaufen billigst l?. Idomas & 8olin. KrstmMgel in gut gebrannter Waare empfiehlt bei Bedarf Liebelei OrnmbLek. Omnibus-Fahrplan zwischen Wilsdruff, Kesselsdorf und Dresden Sommer-Fahrplan vom 28. April t876 an. Abfahrt von Wilsdruff, ZAbfahrt von Dresden, Gasthaus Dresdner Straße daselbst, l zum Sachs. Hof, Breitestr. Nr. 2. früh 6'/s Uhr und Nachm. 4 Uhr.: früh 7 Uhr und Nachm. 5 Uhr. Tourbillet früh nach Dresden Tourbillet früh von Dresden und Abends von Dresden und Nachm. nach Dresden L Billet 80 Pfg. j L Billet 1 Mark. I? Hermann Am Sonntag ist in Grumbach ein großer schwarzer und gegen Erstattung der Jnsertionsgebühren und Futterkasten abzu holen im Gute No. 102 daselbst.