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Zur Einführung der Cimlehe. Mit der Einführung der Civilehe und der Aufhebung des Tauf zwanges tritt das Christenthum in eine neue, bedeutungsvolle Phase seiner Entwickelung. Während die Feinde desselben jubelnd ihr Haupt erheben und schon die nahe Zersetzung, den baldigen Untergang des, wie sie meinen, morschen und altersschwachen Baues vorauszusehen glaube», überlassen sich wohl manche aufrichtige und warme, aber allzu ängstliche christliche Gemüther einer übertriebenen Furcht und sehen mit äußerster Besorgniß in die Zukunft. Es läßt sich freilich nicht leugnen, daß durch das neue Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes dem Christi nthume allerdings Gefahren drohen, und es hieße sich einem tadelnSwcrthen Leichtsinne hingeben, wollte man dieselben unterschätzen, oder wohl gar völlig unbeachtet lassen. Es steht leider zu befürchten, daß in Folge dieses Gesetzes manches schwache Gemüth an seinem Glauben noch mehr Schiffbruch leiden wird, und durch die nach dem Gesetze ebenfalls gestattete Unter lassung der Taufe wird wohl manche junge Seele dem Christenthume leider entfremdet bleiben. So traurig dies auch immerhin sein mag, so wäre es doch unrecht, sich deshalb schon jetzt einer gewissen Muth- kosigkeit hingeben zu wollen. Müssen wir nicht vielmehr auch diese verderblich scheinende Neuerung als eine weise Schickung von Oben betrachten, die nur zur Läuterung, zur Veredelung des christlichen Glaubens dienen soll? Hat das Christcnthum nicht von seinem ersten Bestehen an die schwersten Kämpfe und Anfeindungen zu erdulden gehabt? In der Gefahr, in dem Kampfe mit ihren Widersachern hat sich der Geist, die Stärke, der Bluth der ersten Christen erst recht gestählt und gekräftigt! Das Christenthum verliert allerdings mehr und mehr die Stütze des Staates, es wird mehr und mehr lernen müssen, auf eigenen Füßen zu stehen. Wird ihm aber etwa die Kraft hierzu fehlen? Hat es nicht schon früher ganz anderen Stürmen siegreich widerstanden? Hat es sich doch Bahn zu brechen gewußt, trotz des heftigen Widerstandes der größten weltlichen Macht, die es jemals gegeben! Hat es sich doch auch der gefeierten und hochberühmten Philosophie des Alterthums gegenüber mit unvergleich licher Ueberlegenheit bewährt! Und was war jene altgriechische Philosophie eines Socrates, des eigentlichen Begründers aller wahren Philosophie, eines erhabenen ideenreichen Plato, eines scharfsinnigen Pytagoras, eines vielseitigen Aristoteles doch für eine edle, großartige Weltweisheit im Vergleiche zu den Elaboraten unserer modernen philosophischen Epigonen, im Vergleiche zu der Hohlheit und Oberflächliglcit des heutigen Materialismus! So groß und herrlich die antike Philosophie aber auch immer war, das göttliche Gepräge, das sich in der christlichen Lehre so unverkennbar offenbart, wohnte ihr doch nicht bei. Es wird das Christenthum also auch mit seinen heutigen Feinden endlich fertig zu werden wissen. Sollte es aber eine Zeitlang wirklich scheinen, als müßte es unterliegen, so würde die Schuld auf Niemand anderen als auf die Haltung der heutigen Christen selber zurückfallen. Raffen wir uns aber, die wir noch ein Herz für die göttliche Lehre Christi und überhaupt noch ein Verständniß für Religion und den eigentlichen geistigen und ideellen Kern im Menschenleben haben, Alle auf, um für die ewigen Wahrheiten unseres Glaubens mit Wärme »nd Ent schlossenheit einzustehen, so wird auch der Erfolg kein zweifelhafter sein können. Es gilt die Gefahr richtig zu erkennen und ihr mit den geeig neten Mitteln wirksam entgegen zu treten. Es gilt vor Allem das innere Leben des Christenthums auf gesunder, seinem wahren Wesen entsprechender Basis immer mehr zu kräftigen, fern von gesuchter und vielleicht heuchlerisch scheinender Frömmigkeit, fern von Schroffheit und falschem, zelotischem Eifer. Das Gesetz zwingt Niemand mehr, eine christliche Handlung vorzunehmen; wer dies dennoch thut, der legt mehr oder weniger damit doch ein lebendiges Zeugniß seines Christenthums ab. Verkennen wir es doch nicht, daß hierin auch ein Vortheil liegt. Die Zahl der lauen, blos conventionellen Ange hörigen der Kirche, der bloßen Scheinchristen, wird damit zwar noch nicht ganz aushören, aber doch bedeutend verringert werden. Man wird künftig, weit mehr als sonst, gezwungen sein auch auf religiösem Gebiete Farbe zu bekennen. Dies kann aber nur von Segen sein. So schmerzlich auch immer die Veranlassung ist, ein regeres Leben auf religiösem Gebiet wird sich jedenfalls entfalten. Es werden sich scharfe Gegensätze vielleicht immermehr herausbildcn, ein farbloser Jndifferenüsmus wird aber doch allmälig mehr verschwinden. Zu nächst werden die Geistlichen mit Takt und Einsicht dahin streben müssen, ihr persönliches Ansehen möglichst zn erhöhen. Das Amt als solches wird in seiner Bcdeutnng vielleicht zurücktreten, dafür aber der Werth und die Tüchtigkeit des Mannes, der dies Amt be kleidet, um so mehr ins Gewicht fallen. Der jedesmalige Höhepunkt kirchlichen Lebens und Strebens innerhalb der Gemeinde wird in den meisten Fällen wohl auch als Gradmesser für die umsichtige und pflichttreue Thätigkcit des betreffenden Geistlichen gelten können. Freilich werden als oonckitio sino <iun non, die sog. Stolgcbührcn, und zwar sobald als möglich Wegfällen müssen. Jeder Schein ego istischen Handelns muß von vornherein vom Geistlichen ferngchallen werden. Aber auch an das Laicnelcment tritt die ernste Mahnung heran, die Hände nicht müßig in den Schooß zu legen, wenn es sich, wie jetzt, darum handelt, an dem altehrwürdigen Gebäude der christlichen Hirche etwa schadhaft gewordene Stellen auszubessern und ihm zu einer größern Befestigung immer neue Steine cinzusügen. Vielfach blühen schon die Werke der inneren Mission und ver breiten bereits weithin ihren milden Segen. Diesen Werken gilt es sich immermehr anzuschließen, sie nach Kräften fördern zu Helsen. Blicken wir mit Gottvertrauen und dem festen Willen in die Zu kunft, den anstürmenden Wogen des Unglaubens einen festen Damm treuer, gcwissenhaftlicher christlicher Pflichterfüllung entgegcnzusetzen. Auch der laueste Christ, wenn er diesen Namen überhaupt noch verdienen will, muß sich jetzt aus seiner Apathie aufgerültelt fühlen. Es ist nicht an der Zeit etwa in bloßen Wehklagen über unabänder- liche Dinge sich zu ergehen, es ist auch sür den Christen eigentlich die Zeit angebrochen mit vollster Hingebung im Interesse seiner Kirche zu handeln. (Flugblatt des cons. Vereins.) Glück auf zum neuen Jahr! Das wünschen wir um so inniger, je ernster und demüthigcr wir auf das alte Jahr zurück zu blicken haben. Wir haben ihm erst jüngst den Tittel gegeben, den es sich verdiente: ein Unglücksjahr war es, aber nicht blos wegen der Stürme, Schiffbrüche, Ueber- fchwemmungen, Explosionen, Grubenunfälle, Feuersbrünste, Menschen opfer und Eigenthumsverwüstungcn, welche die Chronik dieses Jahr füllen und „die menschliche Unmacht den Elementargeistern gegenüber" beweisen, sondern ebenso wegen des wahrhaft traurigen Zeugnisses, welches in den wichtigsten Angelegenheiten des öffentlichen Lebens „die hohe Bildung des Jahrhunderts" sich ausstellen lassen muß. Das Unerquicklichste erfuhren wir wieder auf dem religiösen Ge biete. Der alte Kampf einer römischgesinnten Priesterschaft gegen das eigne Vaterland wird öffentlich und geheim fortgeführt, und die Früchte des geheimen Treibens reichen von den Wallfahrten zu neuen Heiligen und den Stigmalisationsskandalen bis zu der ungeheuer lichen Schamlosigkeit der priesterlichen Anlegung und Untersuchung von „Bußgürteln". Man verzweifelte vor solchen Thatsachcn ander Richtigkeit der Jahrzahl; — aber es half alles nichts, es war doch 1875! Weil so hoch wie die Kirchthürme jetzt überall die Fabrikschlöte ragen, so wird man von selbst vom Pfaffentreiben auf das Erwerbs- gebiet geführt. Der große Schwindel hat dem Nationalvermögen Millionen gekostet, der große Krach hat unsächliches Elend über Tausende gebracht; — und doch ist auch 1875 fortgeschwindelt worden. Die Ehre der „deutschen Arbeit" hat arge Stöße erlitten, wie uns die Summen der „Ein- und Ausfuhr" belehren; fremder Fleiß, Geschmack, Unternehmungsgeist überflügelt den heimischen Ar beiter, der für Hirngespinnste sich opfert, bis die gebietende Noth zn spät zur Umkehr mahnt. Zwischen die Stände aber hat der Social- Fanatismus einen Haß gesäet, welcher, wenn nicht durch weise und würdige Maßregeln beseitigt, einst nur zum Entsetzen ausgehen kann. Selbst das, was dem Vaterlandsfreund jetzt mit Recht nach so langer Entbehrung das Herz erfüllt und erhebt, „Kaiser und Reich", das Gefühl, einem mächtigen, geachtete», ja gefürchteten Staate an zugehören, selbst das hat im alten Jahr trübe Schatten erleiden müssen; denn nach einem Kampf und einer-Treue, wie das deutsche Volk beide bewährt, muß es tief schmerzen, wenn im Reichstag Gesetze vorkommen, welche, um die Frechheit Einzelner zu zähmen, die wohl verdiente Freiheit Aller mit Schranken des Mißtrauens bedrohen. Auch die Reichs-Preßgesetze tragen die traurige Jahrzahl 1875. Ja, es war kein Freudenjahr. Nur Fürstenfeste, Ministerverherrlichungen mit Prämien-Dichtungen, Denkmalweihen und Feldherrn-Ehren ge diehen so reich und üppig, daß der Wunsch um gelinde Mäßigung auf diesem strahlenden Gebiete vielleicht von vielen ernsten, treuen Männern in das neue Jahr mit hinübergenommen wird. Was uns am Thor dieses neuen Jahrs empsängt, ist sofort eine rechte Ncichsfreude, das allerpractischeste Zeichen unsrer Rcichseinheit: die neue gleiche Münze. Wir scheiden ungerührt von Gulden und Thalern und all ihren Groschen, Kreuzern und Pfennigen, den einst so unerschütterlich „berechtigten Eigenthümlichkciten" der deutschen Vielherscherci, und begrüßen mit Jubel die Mark mit ihrem einen Ncichswappen. Und warum sollen wir zum Jahreswechsel nicht an dieses neue Geld einen alten Wunsch hängen? Möchte doch jeder brave Deutsche von diesen hübschen Münzsörten immer wenigstens so viel haben, als er zu des Lebens Nothdurst braucht! Möchte derUeberfluß end lich gewissenhaft werben, um überall die häßliche, mcnschenentwürdigende Noth zu besiegen, die nicht nölhig ist, nicht möglich sein würde, wenn die Menschen sich menschlich näher rückten. Wahrlich, wenn der Reiche, Glückliche es über sich gewinnen könnte, von Zeit zu Zeit selbst einen Blick in die Wohnung der Armen zu werfen, wie ganz anders würde die Erschütterung eines solchen Anblicks von äußerster Entbehrung auf sein Herz und seine Hand wirken, als wenn er nur die Schilderungen der Armseligkeit daheim ans dem sanften Sopha in den Zeitungen liest. Weg mit der Scheidewand, die Mensch von Menschen bis zur Unnahbarkeit trennt! Sorgt dafür, alle Ihr vom Glück bevorzugten, daß die Zwischenräume zwischen Arm und Reich nicht vom Haß ausgefüllt bleiben, und Ihr sorgt am Besten damit für Eure Zukunft und für die Eurer Lieben! Wie schön müßte cs in der Welt werden, wenn dieser Neujahrswunsch in Erfüllung ginge! Dazu nochmals Allen Glück auf! ' (H. Dfztg.) Wie aus einer Bekanntmachung sämmtlicker Ministerien hervor geht, sind die seither von der preußischen Bank unter der Unterschrift des königlich preußischen Hauptbankdircctoriums — und zwar sowohl