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Ligen seinem Vertheidiger Munkel am 10. Nov. übergeben, um sie so fort dem Stadtgericht zu überreichen, wohin Munkei sich unmittelbar darauf begab. Die „Kreuzzeitung" fügt hinzu, in dem Umstande, daß Munkel von dem Inhalt der Schriftstücke Kenntniß hätte nehmen können, scheine das Motiv der Wiedervcrhaflnng gefunden worden zu sein. Munkel wurde vom Untersuchungsrichter vernommen, weigerte jedoch als Sachwalter Arnim's jede Auskunft. Einer Privatdepesche der „Dresdner Presse" zufolge hat am 14. November die Rathskammer des Stadtgerichts zu Berlin die polizei liche Bewachung des Grafen Arnim in seiner Wohnung aufgehoben und statt dessen Hausarrest verfügt. Das Gutachten der Acrzte er klärte eine Ucbersührung Arnims nach dem Gesüngniß oder Kranken haus für unmöglich. Gutem Vernehmen nach ist dem Grafen Arnim nunmehr die Anklageschrift insinuirt und der Termin der mündlichen Schlußverhandlung auf den 7. December festgesetzt worden. Aus dem Klatsch über den Grafen Arnim herüber und hinüber hört man das Eine als sicher heraus, daß Arnim einmal nahe daran war, den Fürsten Bismarck zu ersetzen, oder besser, daß er geglaubt hat, nahe daran zu sein, und seine College» schon in Bereitschaft hatte. Er hat sich jedenfalls getäuscht, wir Anderen wenigstens können noch lange nicht an den Rücktritt Bismarcks glauben. Sein Name, seine Persönlichkeit ist eine Macht, die durch die Welt, abgesehen von feinem Geist und seiner Hand, deren Deutschland noch lange bedürfen wird. Und was seinen König und Kaiser betrifft, so darf man an dessen Dankbarkeit und Festigkeit und auch an ein jüngstes schwerwiegendes Wort aus seinem Munde erinnern: Alles, was mir Bismarck je vor ausgesagt hat, ist cingetroffcn! — Prophezeit—das Zufällige der Zukunft vorausgesagt — hat Blsinarck sicher nie, aber gesagt: So und so liegen die "Dinge und so und so stehen die Menschen, die Fürsten und Völker, die bewegenden Kräfte zu ihncu, also muß es so und so kommen! — Und es ist so gekommen. Das ist aber eben i die große Gabe des Staatsmannes, die Dinge und Menschen in ihrem Widerstreite zu sehe», wie sie sind und sie zu einem Ziele zu lenken; und das Glück ist eine Gabe, die weder ein Fürst, noch ein Volk seinem Staatsmann übel nimmt, wenn sie klug sind. Daß der Brautkranz auch nach Einsühruna der Civilehe seine kirchliche Bedeutung nicht verloren hat, darüber wird die Welt durch den Herrn Pastor Talkenberg in der Posen'schen Stadt Wronke be lehrt. Die „Pos. Z." erzählt darüber unter dem 9. d. M.: Ein junges Brautpaar vom Lande erscheint gestern vor dem Standesbeamten zur Aufnahme des Trauaktes, erhält die vorgeschriebeue Bescheinigung und eilt mit den bereits versammelten Güsten nach der nahen Kirche, um noch den vorher bestellten kirchlichen Segen zu empfangen. Der genannte Geistliche, mit einer Taufhandlung in der Kirche beschäftigt, sieht den Hochzcitszug in die Kirche cinziehen, bemerkt aber, o Schrecken, daß die Braut nicht nur mit einem neuen Kleide, sondern auch mit einem Kranze geschmückt ist. Dieser Kopfputz muß zu dem Profil in keinem architektonischen Verhältnisse gestanden haben, denn alsbald verläßt der Pfarrer die Kirche und es ergeht an die Braut die Weisung, den Kranz abzulegen, weil sonst die Trauung nicht erfolgen würde. Der Bräutigam weigert sich kurz entschlossen und da der Pfarrer auf seiner Forderung besteht, verläßt das Brautpaar und mit diesem der ganze Hochzeitszug die Kirche, den Bescheid hinterlassend, daß die kirchliche Trauung ja nicht mehr nölhig sei. Der Kantor, von diesem Vorgänge nichts ahnend, hatte inzwischen die Orgel bestiegen und irach einigen einleitenden Präludien mit kräftiger Stimme das Lied: „Auf Gott und nicht auf meinen Nath" intonirt, bis er unvermuthet von dem Küster auf die Schuller geklopft und ihm bedeutet wird, er habe genug gesungen, die Kirche sei schon leer. In parlamentarischen Kreisen Frankreichs herrscht große Auf regung; seitens der Regierung des Marschall-Präsidenten werden ener gische Schritte vorbereitet, um die Nationalversammlung sogleich nach ihren» Wiederzusammentritt zur Organisirung des Seplennats zu zwingen. Die Verhandlungen mit dem linken Centrnm dauern fort. Die „Presse" brachte jüngst eine Darlegung des Minimums dessen, was das rechte Centrum verlangt. Laboulahe antwortete in dem „Journal des Debats" in einem offenen Briese, in dem es n. A. hieß, die Republik sichere einzig und allein dem Lande die Ruhe, eine zweite Kaminer sei zur Zeit ein Unding. Die „Presse" entgegnet: „Das linke Centrum will den Titel Republik. Ach, wenn ihr den Namen habd, seid ihr vielleicht nahe daran, die Sache zu verlieren." General Uhrich, der Vertheidiger von Straßburg, verläßt Paris, um sich in Port-Louis, Morbihan, nicderzulassen. Dieser Wohnsitz kommt einer Verbannung gleich; der General ist arm, und um mit Ehren seinen Verpflichtungen nachzukommen, geht er in die Bretagne, um zurückgezogen von seiner mageren Pension zu leben. „Evenement", der dies berichtet, fügt bei: „O Jammer der Zeit! Vor 4 Jahren, um die nämliche Zeit, war der General ein Held und man eröffnete Subscriptionen, um ihm einen Ehrendegcn darzubringen." Spanien. Marschall Bazaine — sagt der „Glvbe" — wird, wie unter sonst wohl unterrichteten Personen verlautet, sich von Lissabon nach Madrid begeben. Sein weiterer Bestimmungsort ist Santander, das Hauptquartier der republikanischen Armee. Da der Marschall in letzter Zeit unausgesetzt in Verkehr mit dem Sohne der Exkönigin Isabella stand, so scheint das Gerücht in Möglichkeit an- zuzeigcn, daß sich eine Coalition zwischen den heutigen spanischen Führern und den Anhängern der Königin Isabella züm Zwecke der Wiederherstellung einer Monarchie auf konstitutioneller Grundlage bilden-würde. 2 Ocrtliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, Iv. November 1874. Vom 20. dieses Monats an wird die tägliche Pcrsoncnpost zwischen Wilsdruff und Nossen wie folgt abgefertigt: 10 Uhr 45 Minuten aus Wilsdruff, 4 Uhr 30 Minuten aus Nossen. (Siehe auch Postcngang.) — Auch in dem Omnibus-Fahrplan von F. A. Herrmann ist eine kleine Aenderung eingetretcn, indem der bisher Sonn- und Fest tags Nachmittags 4 Uhr von Dresden abgegangene Omnibus von jetzt ab schon Mittags '/2I2 Uhr von dort abgehl. (Siehe Fahrpl.) Das neue, seit dem 15. November giltige Schulgesetz greift auch insofern in das Familienleben ein, als Kinder nächste Ostern nur dann in die Schule ausgenommen werden können, wenn sie bis zum 30. Juni 1875 das 6. Lebensjahr vollendet haben. Bisher kamen alle Kinder zur Aufnahme, welche bis zum 30. September des betreffenden Schuljahres 6 Jahre all wurden. Im Jahre 1875 werden also ca. 25 Procent weniger Kinder in die Schule ausgenommen, als bisher üblich war. In späteren Jahren wird sich dies natürlich ausglcichen. Noch sei bemerkt, daß auch alle Privatschulen dieser gesetzlichen Be stimmung ganz so unlerwotfcn sind, wie die öffentlichen Volksschulen. Dresden, 12. Nov. In neuester Zcst ist von dem Ministerium des Innern in zwei Fällen die nachgesuchtc Erlaubniß zur Ver brennung von menschlichen Leichnamen ausnahms weise crtheiU worden. Es ist dies geschehen, um die gcwünschle Ge legenheit zur Anstellung wissenschaftlicher Forschungen zu dielen. Wie dem Dresdner Journal mitgetheilt worden ist, besteht aber die Ab sicht, künftighin eine gleiche Erlaubniß nicht weiter zu ertheilen. Die Vollendung der Wasserwerke in Dresden wird eine Summe von 437,575 Thlr. beanspruchen. Der Stadtrath Hal demnach be schlossen, bei den Stadtverordneten die Bewilligung des zu den be willigten 200,000 Thlrn. noch nölhigcn Zuschusses von 237,575 Thlrn. zu beantragen. In Chemnitz wurde kürzlich eine ^hierquälerei der empörendsten Art verübt. Ein Dienstknecht hatte an einem Tage schon mehrere Fuhren Ziegel mit zwei Pferden nach der Stadt gefahren. Als Abends namentlich das eine Pferd bei einer wiederholten Fuhre nicht mehr anziehen wollte, schlugen der Knecht und hcrbeigekommcne Zicgelar- beiler mit Peitschen und Stöcken auf das Pferd los, allein Alles war vergebens. Da kommt einer der Ziegelarbciter auf den Gedanken, Stroh unter dem Pferde anzubrcnnen; der Dienstknecht, welchem diese ruchlose Idee zweckdienlich erschien, holt ein Bündel Stroh herbei und zündet es wirklich unter dem Bauche des Pferdes an. Freilich hat der lohe Gesell dadurch seinen Zweck erreicht; das Pferd, von den Schmerzen seiner Brandwunden geplagt, hat den Wagen nach feinem Bestimmungsort und zurück nach der Ziegelei gefahren. Dann aber hat es sich mit aller Kraft dagegen gestemmt, den Wagen noch mals von der Ziegelei fortznzichcn; doch auch dagegen Hal der Knecht ein Mittel gewußt; er hat dem Pferde eine Kette um den Hals ge schlungen und es an dieser von zwei vorgespannten Pferden ein großes Stück vorwärts ziehen lassen. Am andern Tage sind die Folgen dieser ruchlosen That so stark zu Tage getreten, daß man das Pferd im Stalle stehen lassen mußte. Am 10. d. M. endlich führte es ein Pferdcschtächter durch die Stadt, die großen Brandwunden erregten die Aufmerksamkeit aller Leute, auch die Polizeibehörde erlangte Kennl- niß und ließ es nach vorheriger Untersuchung durch den Bezirtslhier- arzt von dem Caviller todlstechcn. Hoffentlich wird dem Thäter die höchste, nach dem Strafgesetz für diesen Fall zulässige Strafe auf- erlegt. Döbeln. Am 5. d. M. früh Vr4 Uhr brach in einem der Wittwe Roßberg in A-uterwitz gehörigen Schweinestalle Feuer aus, was jedoch sofort gelöscht wurde. — In der 7. Abendstunde des Sonnabend rölhete sich der abendliche Himmel über unserer Stadt mit furchtbarer Gluth, so daß man glaubte, dieselbe wäre von einer großen Feuersbrunst heimgesucht; dem war aber nicht so, das Feuer wülhete in dem '/* Stunde entfernten Dorfe Oberanschütz, wo es die Güter der Herren Fischer und Görne, das letztere bis aufs Wohn haus gänzlich in Asche legte. Bei Fischer konnte vcrhältnißmäßig wenig gerettet werden und sind demselben auch einige Schweine, Rind, und Federvieh mit verbrannt und ebenso wie bei Görne stimmt-- liche Erndlevorrathe. Das Görne'sche Wohnhaus wurde mit großer Anstrengung trotz des fast gänzlichen Wassermangels glücklich gerettet. Zur Hülfeleistung wareu zahreiche Landfeuerwehreu mit ihren Spritzen erschienen, sowie eine Abtheilung Ulanen von Roßwein und, was be sondere Anerkennung verdient, Abrhcilungen der Feuerwehren von Roßwein und sogar von Waldheim mit ihren Spritzen. Auch das Döbelner Pioniercvrps und die Turncrseuerwehr war durch eine An zahl Mitglieder vertreten, die thälig eingriffen. — Am Sonntag Nach mittag stürzte auf der Brandstelle der ca. 10jährige Knabe Gruhle in ein Jauchenloch und wurde durcb den heißen Inhalt dermaßen verbrannt, daß er des Nachts seinen Geist aufgab. (Döbln. Anz.) 34) In Paris. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Georg war ein fleißiger Brietfchreiher geworden, seitdem er der Pariser BelagerungSarmee angchörte. Er berichtete inil vielem Hu mor von den unsäglichen Strapazen und Gefahren, die sie täglich, stündlich zu bestehen halten und wie wunderlich ihm jetzt zu Muthe sei, wenn ihm auf einsamen Wachtposten die Glocken von Notre Dame