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In der nächsten Session des Reichstages sollen dann weiter vereinbart werden: 1) ein definitives Münzgesetz (durch welches unter andern den Privaten er möglicht werde, für ihre Rechnung Goldmünzen prägen zu lassen); 2) ein Gesetz über das Bankwesen (behufs Regelung des Banknotenumlaufs). Zwei Wittwen. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Herr von Strantz suchte vergeblich in diese dunkle, verworrene Sache einiges Licht zu bringen. Auch die Vernehmung des alten Dieners Georg, sowie Tante Beatens führte zu Nichts. Der alte Diener sagte nur aus, daß er im Laboratorium ge sessen und das Klopfen nicht gehört habe; er müsse wohl endlich doch ein wenig „eingenickt" sein, denn sein Herr habe ihn bald nach Mit ternacht, als er ihn nicht völlig wach gesunden, zornig zu Bett ge schickt. Tante Beate hatte dagegen den besten Willen nach Möglichkeit die Sache aufzuklären, nur wurden ihre Mittheilungen durch Erzähl ungen einer Menge Nebenumstäude völlig werthlos. Es war un möglich, sie zur diercten Beantwortung" einer Frage zu bringen. Ihre Aussage bestätigte den wilden, rücksichtslosen Charakter Hugos und seinen Haß gegen den Baron. Sie war keinen Augenblick zwei felhaft, daß Hugo der Mörder ihres seligen Neffen sei; aber sie ließ in ihrer redseligen schwatzhaften Weise nicht undeutlich Hindurchblicken, daß auch der alte Wiedebach daran betheiligt sein könne. Obwohl Tante Beate bei ihrer Vernehmung fortwährend zur Angabe bloßer Thatsachen angehalten worden war, hatte sie doch mit großer Zungenfertigkeit solche Vermuchuugen eiuzustreueu gewußt, und so wenig auch auf das Geschwätz der alten Frau zu geben war, wurde Herr v. Strautz doch aufmerksam. Wenn er die Mitschuld des alten Wiedebach aunahm, daun waren alle Widersprüche, die sich im Läufe der Untersuchung herausgestellt hatten, Plötzlich gelöst. Der alte Wiedebach war nicht mehr in das Zimmer der Baronin zurück gekehrt — konnte er nicht mit Hugo au der Pforte znsammengetroffen sein und konnten nickt Beide zugleich dem »ncrwartetcteu, verhaßien Gaste ausgemacht habe»? Dem Vater der Baronin war am Ende die Rückkehr eiues Mannes ebenfalls nicht angenehm, der vielleicht seinen kostspieligen Goldmacherlräumcm ein Ziel setzte? Beide hatten dann den arme» Barem i» ei» Zimmer gelockt, dort d»rch Einalh- mung von giftigen Dampfen betäubt, oder schon gelobtet, daun in den Garten geschleppt, dem Unglücklichen eine letzte Wnude beige- dracht und eine volle Börse in die Tasche gesteckt, um den Verdacht eines Raubmordes herbeizuleuken. Vielleicht hatte Hugo die Eomodie spielen sollen, den vermeintlichen Raubmörder zu überraschen und zu verfolgen, als die beiden Mörder selbst durch Steinfeld noch zu früh gestört (wurden. Konnte nicht der alte Wiedebach noch einen Theil seiner betäubenden Mittel bei sich gehabt, und um sich vor allen Dingen selbst zn retten, gegen Hugo angewandt haben? Es konnte ja daraus für Hugo keine Gefahr entstehn — unglücklicherweise hatte der Alte das Messer vergessen, und jetzt gab dieser Umstand allem Ler ganzen Sache eine andere Wendung. Alle diese Annahme» hingen freilich nur in der Lust und bliebcm ein dünnes Gewebe von Vermuthuugen, zu dem aller Anhalt fehlte, und doch, wenn Herr v. Strautz die vorsichtige Aussage des alten Wiedebach und die Anwendung betäubender Mittel in Betracht zog, die wahrscheinlich aus dem Laboratorium des alten Wiedebach ge kommen waren und allein schon aus eine Mitwirkung des alten Mau nes schließen ließen, konnte der junge Untersuchungsrichter den Gedan ken nicht los werden, daß fick) Oheim und Neffe bei dieser Ermord ung die Hände gereicht. Der Alte war sichtlich bemüht gewesen, dm Verbackt von Hugo äbzuwälzen und halte zuerst den Verdacht aus gesprochen, daß hier ein bloßer Raubmvro vorliege. Er wollte höchst Wahrscheinlüh seine Uebereilung wieder gut machen und Hugo retten. So lange aber keine anderen, schwereren Verdachtsgrünbe Vorlagen, war cS unmöglich, vie Untelluchung auch auf den alten Wiedebach auszudehne», und Hugo hatte trotz der geschicktesten Quer fragen seines Uutcrsuckungrichters es ängstlich.vermieden, auf seinen Oheim den leisesten Schatten von Verdacht zu werfen. Steinfelds Aussage hatte sich selbstverständlich nur auf Wieder gabe reiner Thatsachen beschränkt, und der junge Anwalt hatte sich sorgfältig gehütet, seinem Widerwillen gegen Hugo durch eine gefärbte Auffassung des Sachverhaltes Ausdruck zu verleihen. Unter diesen Umständen konnte vielleicht die Aussage der Baro nin entsckeidend sein; aber die Vernehmung Ediths mußte bis-zu ihrer völligen Genesung ausgesetzt bleiben, da die Aerzte sich ganz bestimmt gegen jede Aufregung der Kranken anSgesprocben und für einen solchen Fast die schlimmsten Folgen in Aussicht gestellt hatten. Seit Hugo wenigstens das Zeugniß eines Arztes für sich Halle, war er nock kecker, übermüthiger geworden und er hatte mehr als einmal die Geduld seines Untersuchungsrichters auf eine harte Probe gestellt. Es war unmöglich, ihn durck geschickt gestellte Fragen in die Enge zu trciber; er bestand das Kreuzfeuer stets mit der alten Mischung von toller Laune und hartnäckiger Verschlossenheit. Herr v. Siantz war noch zu jung in seinem Berufe, um sich durch eine Untersuckung beunruhigt zu fühle», die aus dem Zirkel dunkler Vermuthuugen, aus Widersprüchen und resultatlosem Forschen nicht herauskam. Der Angeklagte, der mit klugen, scharfen Augen die Unruhe seines Untersuchungsrichters sah, fühlte darüber eine Schadenfreude, die ihm über die Langeweile und den Verdruß der unbequemen Haft etwas inweghelsen mußte. Eines Tages bat der Angeklagte um den Besuch Steinfeld's. Als der junge Anwalt in die Zelle des Gefangenen trat, eilte dieser lachend auf ihn zu: „Verzeihen Sie, daß ich Sie in meine Privalwohnung bemühen mußte, aber die Kohlen am Kamin meiner Cousine sind jetzt erkaltet und seitdem schüre ich in der Asche vergangene, schöner Zeiten herum." Steinfeld kannte schon dies kokette Aufputzen einer doch keines wegs beneidenswerthen Lage und entgegnete kühl: „Sie haben mich rufen lassen, darf ich jetzt um Ihre Wünsche bitten?" Hugo schien von dieser Kälte betroffen; er biß sich auf die Lippen nnd dem Anwalt die Hgnde entgegenstreckend, sagte er mit ungewöhnlichem Ernst: „Können auch Sie mich für einen elenden Mörder halten?" Der junge Anwalt stutzte; es lag so viel tiefe, wahre Empfin dung in den Worten, wie sie selbst dem abgefeimtesten Heuchler nicht zu Gebote steht, und er war schon versucht, ihm herzlich die Hand zu schütteln, als Hugo fort fuhr: „Schlimm bin ich nicht, schlimm wahrlich nicht — wenn auch Ost wilde Wallungen mein Herz verklagen. Mein Herz ist gut." Ein solches Citat mußte die Wirkung seiner ersten Aeußerung völlig aushcben nnd Stcinseld bemerkte kühl und gleichgültig: „Ganz gut, nur etwas zu viel Pathos." „Sie waren sonst nie ein Bewunderer meiner schauspielerischen Talente," entgegnete Hugo lachend, „vielleicht üben die eigenthüm- lichen Coulissen ihre Wirkung; aber Sie sollen nicht mein schlechtes Spiel lobe»;; ich wollte Sie bitten, meine Vertheidigung zu über nehmen." „Mich wolle» Sie zu ihrem Vertheidiger haben?" rief Stcinseld verwunden ans. „Warum nicht?" entgegnete der Gefangene ruhig. „Ich weiß, mein Wesen Hal Sie nie sympathisch berührt, wir haben uns gegen seitig abgestoßeu; Sie werden deshalb sür ihren schroffen Gegensatz am ehesten ein Verständniß und ein Wort der Enlschnldigung finden. Und dann — Sie find ein ehrenwerlher Charakter; ich kann nur zu Ihnen Vertrauen fassen." „Ich bin aber in Ihrer Untersuchuugssache als Zeuge ausge treten und kann Ihre Vertheidigung nicht übernehmen," wandle Steinfeld ein. „Das sehe ich nicht ein," entgegnete Hugo lebhaft. „Sie haben Ihr eigenes Zeugniß nicht anzugreifen, ich gebe dessen Wahrheit völlig zu." „Dennoch darf ich Sie nicht Vertheidigen," war Steinfelds Ent gegnung." „Ich will aber keinen anderen Vertheidsger als Sie!" rief der Angeklagte hartnäckig. „Dann müssen erst die Obcrgerichte entscheiden, ob dies zulässig ist^" entgegnete der jnnge Anwalt. „Nun gut, ich werde auf meinem Kopfe beharren. Jeder An dere würde Sie fürchten — ich vertraue Ihnen!" und der Gefan gene streckte dem Anwalt mit ungewöhnlicher Herzlichkeit die Hand entgegen. Steinfeld blickte überrascht in das sonst nur von Spott und verbissener Lustigkeit entstellte Antlitz, das jetzt sogar einen Zug poe tischer Schwärmerei zeigte, nnd davon wärmer berührt, entgegnete er herzlich: „Sie stellen mir eine schwere Aufgabe; zu viel spricht gegen Sie und ich selbst —" „Lassen Sie Edith erst gesund sein und die Wolkcn, die sich um mein Haupt gezogen, zerslattern im srischen Morgenwinde," unter brach ihn Hugo rasch. „Aber warum sagen Sie selbst Nichts, was die Sache aufklären könnte," meinte Steinfeld. „Ich kau» nicht, erst mag Edith sprechen," erklärte Hugo fest und bestimmt. „Geben Sis Acht, man wird mich sreisprechen müssen und es wird daun ein Schauspiel geben, daß „wer dabei steht, naß die Wangen hat, wie Laub im Regen," und der Gesangene lachte bei diesen Worten wild und lustig auf . . . (Fortsi folgt.) Vermischtes. * Präsident Grant ist bekanntlich ein alter Haudegen; er kann nicht ohne Krieg leben, und jetzt, wo der Norden wieder mit dem Süden vereinigt ist, und wo kein Krieg von außen droht, hat er einem andern Feinde den Krieg erklärt — dem Chignon. Im weißen Hause von Washington ist Lie französische Haarbeutelei verpönt, und Hauptbedinguug für Zulassung Ler Gesellschaften der Frau Präsi dentin ist, daß die Damen ihre Cbignons zu Hause lassen. Wie man sich erzählt, soll die Frau Präsidentin noch strengere Bestimm ungen von wegen des HaarwuckseS im Auge gehabt haben, die je doch an der Schwierigkeit, die Grenze zwischen Trug und Wahrheit festzustellen, scheiterten. * Eine CoblenzerFirma kündigt Gußstahlhemdkragen an, als äußerst fein, nicht scbwerer als leinene und angenehm zu tragen. Jetzt fehle» »ur noch panzerplattirte Beinkleider, bombensichere Westen, gezogene Kanonenstiefel» und Hinterladungsröcke und der unserem eisermü Zeitalter entsprechende Civilkriegsanzug ist fertig.