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3 land, wenn Du nun unglücklicher gefahren wärest und gar den Krieg verloren hättest? Uns graut vor dieser Vorstellung, nachdem wir spüren, daß die 1300 Siegesmillionen nur für die „dringenden Be dürfnisse" verfliegen sollen. Das kann auch dem Lustigsten den Krieg verleiten und am Ende werden wir im Frieden so knapp be stellt sein, daß die Reichsregierung das dringende Bedürfniß offen baren muß, neue Steuern zu den lieben alten einzuführen. (Mr. Tgbl.) Zwei Wittweru Novelle von Ludwig Habicht. . (Fortsetzung.) „Wir saßen an jenem Abend im Theezimmer meiner Cousine am Kamin; da kam Edith auf den unglücklichen Einfall, von ihrer Jugendliebe zu erzählen ; ich kann den Schnick-schnack nicht leiden und tief hinaus." „Warum mochten Sie diese Erzählung nicht mit anhören?" fragte Herr v. Strantz. Hugo blickte mit verwunderten großen Augen zu seinem Richter hinüber,' als könne er nicht begreifen, wie er zu dieser Frage komme. Plötzlich schien er sich zu besinnen; er schlug sich vor die Slirn: „Daß ich auch immer vergesse, warum ich hier stehe!" sagte er spottend. „Warum ich fortlief? — Ganz einfach, weil mir ein solches dummes Geschwätz unerträglich ist; ich kann es nun einmal nicht leiden, wenn Edith —" er stockte und setzte langsam hinzu: „wenn Edith solch' alte vergessene Geschichten auskramt. Genug, ich lief fort," erzählte Hugo 'weiter, dabei wieder in den alten nachlässigen Ton verfallend , „und weit ich mich geärgert hatte, wollte ich mich zerstreuen und den Bäumen des Parks luein Elend klagen. Es war finster — nur die Sterne, diese „goldenen Lügen im himmelblauen Nichts" flimmerten zu mir herab und erzählten, daß sie eben in das Zimmer der Baroin geblickt und daß dort Thee getrunken wurde." Hugo bemerkte, daß Herr v. Strantz ungeduldig ihm ius Wort fallen und ihn zur Ordnung weisen wollte; er wechselte daher sofort den Ton: „Als ich mich eben in einen dunklen Gang verloren hatte, hörte ich plötzlich einen schwachen, halberstickten Hilfeschrei; ich kenne jeden Winket des Parkes und eilte spornstreichs zur Stelle. So viel ich in der Dunkelheit gewahren konnte, rangen dort zwei Männer mit einander; ich sah den Einen zusammenbrechen, während der Andere bei meinem Anruf entfloh. Da war es mir plötzlich, als ob mir ein betäubender, häßlicher Dampf in's Gesicht geblasen würde; ich Verlor die Besinnung und erwachte nicht eher, als bis ich mich in den sorgsamen Händen des Gerichts befand," setzte er mit altem Spott hinzu. Die Erklärung des Angeklagten klang doch zu unwahrscheinlich und fabelhast; man sah ihr förmlich die tolle Laune ihres Erfinders an, und auch Herr von Strantz fchüttelte ungläubig das Haupt. Der Angeklagte sah, daß der Erklärungsgrund seiner liefen Ohn macht wenig Glauben sand und er setzte deshalb hinzu: „Ich kann vielleicht auch in der Eile an einen Ast angelaufcn sein und mich nur vor den Kopf gestoßen haben, wenn Ihnen das natürlicher klingt." „Sie sind ein Jugendfreund des Varons?" fragte jetzt Herr v. Strantz. „Wer kann das sagen?" entgegnete Hugo und lachte dabei wild auf. „Ich flehte niemals weder Freund noch Feind, Nie lernte meine Zunge Schmeichclworte" ruft mein wackrer Held, ich hab ihn ehrlich gehaßt." „Und tvarum?" Hügo runzelte die Stirn, schwieg einen Augenblick, dann sagte er hastig: „Weil er mein Nebenbuhler war. Ich leugne es nicht, daß wir in einer schlimmen Stunde hatten hart an einander geralhen können; aber ich würde ihn nie heimlich ermordet haben," setzte er stolz und hochfahrend hinzu. Herr v. Strantz griff jetzt nach einem Gegenstände, der bisher verhüllt auf dem Tische gelegen hatte nnd die Augen forschend auf den jungen Mann gerichtet, sagte er: „An der Seite des Ermordeten wurde ein blutiges Jagdmesser gefunden, kennen Sie es vielleicht?" und er hielt das oorpus ckolioti dem Angeklagten hin. Dieser warf nur einen Blick auf das Messer, erkannte es sofort und wie keck und sicher auch bisher sein Auftreten gewesen, er er bleichte doch und rang mühsam nach Fassung. Der Richter mußte seine Frage wiederholen. „Es ist mein Messer," erwiderte der Angeklagte kalt. Er fühlte, daß sich finstere Wolken über ihn zusammenballten, die ihn mit Ver nichtung drohten und er wollte wenigstens als Held auf der Bühne stehen. „Mit diesem Messer wurde der Baron von Aldenhoven ermor det," sagte Herr von Strantz langsam und betonend. (Forts, folgt.) Vermischtes. Meißen, 13. Nov. Verflossene Nacht kurz nach 11 Uhr ver nahm sowohl der Posten beim Bacaillons-Commando am sog. Horn, als auch Leute, welche unterhalb der alten Eibbrncke wohnen, Hilfe rufe eines Menschen, der außerhalb des Brückengeländers der Elb- brücke hing, dann ein Fallen iu den Strom und abermalige Hilferufe, welche von einigen, eben auf der Brücke erschienen Herren und Da men weiter gerufen wurden, um etwa in der Nähe weilende Fischer oder Schiffer damit hcrbeizurufen. Ein Fischer des rechten Elbufers soll zwar zur Stelle gewesen sein, konnte aber allein das Rettungs- Werk nicht wagen. Der Unglückliche verschwand demnach in den Wellen. Ob derselbe ursprünglich absichtlich den Tod gesucht oder durch welchen unglücklichen Zufall er zu dem todlbringendcn Sturze gekommen ist, dürfte eine nähere Untersuchung vielleicht aufklüreu, nachdem die Leiche gefunden und recognoseirt sein wird. * Gotha, I. November. Nach einer Bekanntmachung des Stadtralhes hier ist die Pockenkrankheit in hiesiger Stadt noch fort während im Steigen. In den letzren 14 Tagen sind wieder 119 Personen erkrankt. Die Gesammtzahl der Erkrankungen an den Pocken beträgt bis jetzt 651, wovon 103 Personen gestorben sind, und zwar von den Nichtgeimpften 54, von den Geimpften 48 und von den Revaccinirleu 1. Von mindern unter 14 Jahren sind 56 gestorben, und zwar von den Nichtgeimpften 54, von den Geimpften 2. Da das Hoflheater für die Zeil von Weihnachten bis Ostern von Coburg hierher übersiedelt, soll angeordnet worden scin, daß sich das gesammte Personal vor seiner Hierherkunft impfen zu lassen habe. Stettin, 14. November. Gegen 5 Uhr Nachmittags ist iu der Speicherstratze Feuer ausgebrochen und sind bis jetzt bereits mehrere mit Getreide, Hanf u. s. w. gefüllte Speicher abgebrannt. * Im Münchener „Hofbcäu" werden jetzt täglich 134—140 Eimer Bier getrunken. Prosit! Die Münchener beunruhigt schon der schreckliche Gedanke, daß „der Hofbräu" demnächst auf einige Wochen geschlossen werden könnte, wenn >0 fongetrunken wird. So gar das zarte Geschlecht verschmäht es nicht, die duftigen Räume des Brauhauses zu besuchen, wo man seinem Schöpfer danken muß, wenn man sich einen vollen Maßtrug und einen Platz auf der Treppe, auf dem Holzstoß oder auf einem Faß erobert hat. Sv sitzt dann der behäbige Münchener mit über den Bauch gefallenen Händen und zum Himmel gehobenen Blicke da und seufzt: „Gott, wie wird das noch enden!? Asien. Die tetzten Privattelegramme zeigen, daß die Lage der Dinge in den von der Hungersnoth befallenen Districten Persiens sich noch keineswegs gebessert hat, u. A. wird gemeldet, daß zwei Drittel von den Lastthieren verendet sind. Borarjdom und Lamandje, welche Bushire mit 1000 Maulthieren zu versehen pflegen, wären jetzt nicht im Stande, auch nur 10 zu liefern, und von 15,000 Eseln, welche früher für den Transport zwischen den oberen und mittleren Districten von Fars und Bushire verwendet wurden, sollen kaum noch ein Dutzend am Leben scin. Hie und da lesen wir einmal, daß irgend ein abenteuernder Jäger von Tigern oder Elephanten getödtet worden ist, und man follle glauben, daß solche Fälle nur vereinzelt Vorkommen. Eines Andern jedoch belehrt uns die amtliche Zeitung von Indien, welche in einem langen AnSweise zeigt, daß in den verschiedenen Provinzen des britischen Indiens während der letzten drei Jahre nicht weniger als 38,218 Personen durch wilde Thiere getödtet wurden. Davon erlagen 25,664 den Bissen giftiger Schlangen. Bisher hat sich kein Mittel gefunden, diesem schrecklichen Zustande ein Ende zu machen, und zumal der Tiger verfolgt sein Opfer mit solcher Gier, daß öffentliche L-lraßcn im Hellen Tageslicht dem Menschen unzugänglich werden, und daß Taufende von Morgen Landes, die einst cnltivirt waren, zu vollsiandlgen Einöden werden und so den heißhungerigen Ungeheuern neue Zufluchtsstätten bieten. * In jedem vornehmen Hause Indiens findet man ein Schmo ll- zimmer. Dahin ziehen sich die Damen zurück, wenn sie übler Laune sind oder ihren Kopf nicht durchsetzen können. Wenn der Zorn ver raucht ist, kommen sie wieder zum Vorschein. Diese Eirichtung wäre auch anderswo nicht übel. * Einem Schützenkönig wurde kürzlich von der Gilde zu seinem Geburtstage feierlichst ein neuer Degen überreicht. Tief gerührt begann der Gefeierte: „Meine Herren! Meine Kameraden! — Dieser Degen ist der glücklichste Tag meines Lebens!" Kircheunachrichteu aus Wilsdruff. Am 24. Trinilatis-Sonntag Vormittags predigt: Herr Pastor Schmidt. Nachmittags: Herr Vikar Thümmler. Gctreidepreise. Dresden am 10. November 1870. Weizen - Thaler — Ngr. bis - Thaler — Ngr. Korn - - - s E r - Gerste - - - r » r - Hafer 2 - 5 - - 2 - 20 - Kartoffeln 1 - 10 - - 1 - 2v - Heu n Ctr 1 - - - - 1 - 4 - Strohn Sch. 6 15 - - 7 - - - Die Kanne Butter 22 bis 23 Ngr.